Allgemeine Zeitung. Nr. 11. Augsburg, 11. Januar 1840.Beilage zur Allgemeinen Zeitung 11 Januar 1840 Beobachtungen auf einer Reise durch die Türkei und Griechenland. Im Archipelagus, Ende November. (Beschluß.) Was bei den Armeniern schlummert, das ist bei den Griechen der Türkei längst erwacht, und wie auf ihr Stammland blicken sie hinüber nach Griechenland. Was sie verhindert, nach dem Königreich Hellas auszuwandern, ist hauptsächlich viererlei: 1) die Schwierigkeit, welche die türkische Regierung ihnen entgegensetzt; 2) die Unmöglichkeit, ihren Besitz in der Türkei zu Geld zu machen; 3) der schlechte Erfolg, den bisher die Einwanderungsplane der Chioten, Ipsarioten und Kandioten gehabt, und 4) das geringe Vertrauen, welches in neuester Zeit diese Regierung unter den Griechen in der Türkei zu haben scheint. Das unkluge Benehmen Englands hat die griechische Regierung allmählich auf die russische Seite hinübergetrieben - ein Versehen, das man England selbst dann nicht verzeihen könnte, wenn es gewußt hätte, sich außerhalb der ihr mißfälligen Regierung eine starke Partei zu erhalten. Allein daran fehlt viel, und die zahlreichen Gegner der jetzigen Regierung sind eben so sehr Gegner des Repräsentanten der englischen Nation in Athen. Die Griechen Kleinasiens aber sind nicht minder denn die Türken antirussisch, und je mehr die Stimmung derselben von Smyrna ausgeht, desto natürlicher ist es, daß dieselbe leicht eine französische oder englische Farbe annimmt. Dazu kommen nun noch folgende sehr zu beklagende Umstände. Die griechische Geistlichkeit in Griechenland ist seit einiger Zeit getheilt, wenn gleich nicht zu gleichen Theilen. Bekanntlich wurde im Jahr 1834 die Kirche des Königreichs von dem Patriarchat in Konstantinopel getrennt, und statt dessen eine Synode eingesetzt. Diese große und nothwendige Maaßregel war schon früher in einer griechischen Nationalversammlung beschlossen; denn es war einleuchtend, daß dieser neue christliche Staat unmöglich von einem geistlichen Oberhaupt abhängig seyn konnte, welches gezwungen war, in der Hauptstadt der Erzfeinde des Christenthums seinen Sitz zu haben. Die Trennung vom Patriarchat in Konstantinopel wurde von sämmtlichen Bischöfen und Erzbischöfen Griechenlands einstimmig beschlossen, vom König sanctionirt und die neue Synode in Gegenwart des Königs, der Regentschaft, aller höheren Beamten und der fremden Minister eingesetzt. Nur der russische Minister erschien nicht, und man behauptete, daß er unverhohlen seine Mißbilligung äußere. Die glückliche, von den Griechen mit großem Beifall aufgenommene Durchführung dieser Maaßregel war bekanntlich hauptsächlich das Werk Maurers, und vielleicht das größte Verdienst, das er sich um Griechenland erworben. Doch muß neben ihm mit vollem Recht Konstantin Schinas genannt werden, der, mit trefflichen Kenntnissen ausgestattet, die ganze Kraft einer freien und wohlbegründeten Ueberzeugung in der Versammlung der Geistlichen geltend zu machen wußte. In neuester Zeit nun scheint es den Napisten gelungen zu seyn, einige Geistliche anders zu stimmen. Ein russischer Pensionär, griechischer Geistlicher und, wie man sagt, Freund und Compagnon im Büchermachen eines gewissen Bojaren, der einst glaubte sich der deutschen Universitäten annehmen zu müssen, spricht öffentlich mit der größten Geringschätzung von der Synode. Es ist gelungen, dieselbe so sehr im napistischen Sinne zusammen zu setzen, daß die Geistlichkeit, wenn es so fortgeht, bald der Regierung übern Kopf wachsen möchte. Geistliche verketzern bereits die obersten Personen des Staats als nicht rechtgläubig, und ich glaube wohl, daß die Geistlichkeit nicht geringen Einfluß gehabt hat auf die Verminderung des Interesses für den König von Griechenland bei den Griechen in Kleinasien seit 1833, da eine ganz andere Stimmung herrschte, und der Bischof in Smyrna eine Kirchenfeierlichkeit wegen der Anwesenheit des jungen Königs anordnete zum unbeschreiblichen Jubel der Griechen. Wir gehen hier nicht weiter ein auf die schamlosen Mittel, welche man angewandt hat, um das Ansehen der griechischen Regierung herabzusetzen, und zu denen eine kleinliche Diplomatie, wie sie sonst in Europa nicht mehr vorkommt, und keinem Staat Ehre machen kann, wenigstens geschwiegen hat, falls sie dieselben nicht veranlaßte. Wir sind vielmehr fest überzeugt, daß die Wahrheit sowohl in Europa als bei den Griechen in der Türkei nicht verborgen bleiben wird, und daß ein gerechtes Vertrauen nothwendig die Folge einer bessern Kunde seyn müsse. Besuchen Sie erst die Griechen in der Türkei und gehen Sie dann nach dem Königreich Griechenland, und urtheilen Sie selbst, welch ein unendlicher Unterschied! Dort scheint die Hand und der Hauch jener rohen, lieblosen Türken, die mancher Reisende so "liebenswürdig" gefunden, jedes Aufkeimen zu unterdrücken. Wie der kalte Reif die Saaten verdirbt, so drückt wie mit Fluch behaftet die türkische Herrschaft das griechische Volk nieder. Wo aber diese Herrschaft verjagt, wo griechisches Leben frei geworden ist, da blüht Alles auf, blüht schon auf durch sich selbst, wie auf Samos. Allein welch ein schnelles und kräftiges Aufblühen da, wo König Otto der gesegnete Mittler ist zwischen Griechenland und Europa! Mögen diejenigen, welche so eilig urtheilen, welche immer den aus Europa mitgebrachten Maaßstab anlegen, der oft selbst dort kein wirklicher ist, mögen sie Griechenland mit sich selbst, das jetzige mit dem wie es jüngst war und mit dem wie es noch ist in der Türkei, vergleichen. Gibt es in der Culturgeschichte irgend eines Volks einen solchen Fortschritt in so kurzer Zeit? Nein. Und dieser Fortschritt, dieser Segen wäre nicht ohne den König Otto und die Deutschen, die er mitbrachte. Man frage sich, wie weit Griechenland wäre, wenn es nach der Befreiung sich selbst überlassen geblieben? Es sind, Gott sey Dank, Ideen, welche die Welt regieren. Ohne die Idee des griechischen Alterthums und Athens, welche vor allen Deutschland lebendig erhalten hat, wäre kein verjüngtes Hellas, ohne die Idee der Berechtigung, der Weihung des griechischen Aufstandes durch einen europäischen Prinzen wäre kein europäisch-christlicher Staat aus den unfreien unglücklichen Sklaven antichristlicher Barbaren hervorgegangen. Und wäre etwa französische oder englische oder russische Cultur besser gewesen, als deutsche? So gern wir gestehen, daß Griechen dazu gehören, um so schnell sich zu civilisiren, so sehr berechtigt der Erfolg Deutschland, darauf stolz zu seyn, daß es in einem seiner Prinzen den thätigen Vermittler zwischen Griechenland und Europa, zwischen Alterthum und Gegenwart, zwischen Culturarmen und Culturreichen nach dem Vaterland seiner eigenen geistigen Verjüngung gesandt hat. Eine vierte Nation, die in der Türkei zerstreut unter dem Scepter des Sultans lebt, bilden die Juden. Sie sind nicht Beilage zur Allgemeinen Zeitung 11 Januar 1840 Beobachtungen auf einer Reise durch die Türkei und Griechenland. Im Archipelagus, Ende November. (Beschluß.) Was bei den Armeniern schlummert, das ist bei den Griechen der Türkei längst erwacht, und wie auf ihr Stammland blicken sie hinüber nach Griechenland. Was sie verhindert, nach dem Königreich Hellas auszuwandern, ist hauptsächlich viererlei: 1) die Schwierigkeit, welche die türkische Regierung ihnen entgegensetzt; 2) die Unmöglichkeit, ihren Besitz in der Türkei zu Geld zu machen; 3) der schlechte Erfolg, den bisher die Einwanderungsplane der Chioten, Ipsarioten und Kandioten gehabt, und 4) das geringe Vertrauen, welches in neuester Zeit diese Regierung unter den Griechen in der Türkei zu haben scheint. Das unkluge Benehmen Englands hat die griechische Regierung allmählich auf die russische Seite hinübergetrieben – ein Versehen, das man England selbst dann nicht verzeihen könnte, wenn es gewußt hätte, sich außerhalb der ihr mißfälligen Regierung eine starke Partei zu erhalten. Allein daran fehlt viel, und die zahlreichen Gegner der jetzigen Regierung sind eben so sehr Gegner des Repräsentanten der englischen Nation in Athen. Die Griechen Kleinasiens aber sind nicht minder denn die Türken antirussisch, und je mehr die Stimmung derselben von Smyrna ausgeht, desto natürlicher ist es, daß dieselbe leicht eine französische oder englische Farbe annimmt. Dazu kommen nun noch folgende sehr zu beklagende Umstände. Die griechische Geistlichkeit in Griechenland ist seit einiger Zeit getheilt, wenn gleich nicht zu gleichen Theilen. Bekanntlich wurde im Jahr 1834 die Kirche des Königreichs von dem Patriarchat in Konstantinopel getrennt, und statt dessen eine Synode eingesetzt. Diese große und nothwendige Maaßregel war schon früher in einer griechischen Nationalversammlung beschlossen; denn es war einleuchtend, daß dieser neue christliche Staat unmöglich von einem geistlichen Oberhaupt abhängig seyn konnte, welches gezwungen war, in der Hauptstadt der Erzfeinde des Christenthums seinen Sitz zu haben. Die Trennung vom Patriarchat in Konstantinopel wurde von sämmtlichen Bischöfen und Erzbischöfen Griechenlands einstimmig beschlossen, vom König sanctionirt und die neue Synode in Gegenwart des Königs, der Regentschaft, aller höheren Beamten und der fremden Minister eingesetzt. Nur der russische Minister erschien nicht, und man behauptete, daß er unverhohlen seine Mißbilligung äußere. Die glückliche, von den Griechen mit großem Beifall aufgenommene Durchführung dieser Maaßregel war bekanntlich hauptsächlich das Werk Maurers, und vielleicht das größte Verdienst, das er sich um Griechenland erworben. Doch muß neben ihm mit vollem Recht Konstantin Schinas genannt werden, der, mit trefflichen Kenntnissen ausgestattet, die ganze Kraft einer freien und wohlbegründeten Ueberzeugung in der Versammlung der Geistlichen geltend zu machen wußte. In neuester Zeit nun scheint es den Napisten gelungen zu seyn, einige Geistliche anders zu stimmen. Ein russischer Pensionär, griechischer Geistlicher und, wie man sagt, Freund und Compagnon im Büchermachen eines gewissen Bojaren, der einst glaubte sich der deutschen Universitäten annehmen zu müssen, spricht öffentlich mit der größten Geringschätzung von der Synode. Es ist gelungen, dieselbe so sehr im napistischen Sinne zusammen zu setzen, daß die Geistlichkeit, wenn es so fortgeht, bald der Regierung übern Kopf wachsen möchte. Geistliche verketzern bereits die obersten Personen des Staats als nicht rechtgläubig, und ich glaube wohl, daß die Geistlichkeit nicht geringen Einfluß gehabt hat auf die Verminderung des Interesses für den König von Griechenland bei den Griechen in Kleinasien seit 1833, da eine ganz andere Stimmung herrschte, und der Bischof in Smyrna eine Kirchenfeierlichkeit wegen der Anwesenheit des jungen Königs anordnete zum unbeschreiblichen Jubel der Griechen. Wir gehen hier nicht weiter ein auf die schamlosen Mittel, welche man angewandt hat, um das Ansehen der griechischen Regierung herabzusetzen, und zu denen eine kleinliche Diplomatie, wie sie sonst in Europa nicht mehr vorkommt, und keinem Staat Ehre machen kann, wenigstens geschwiegen hat, falls sie dieselben nicht veranlaßte. Wir sind vielmehr fest überzeugt, daß die Wahrheit sowohl in Europa als bei den Griechen in der Türkei nicht verborgen bleiben wird, und daß ein gerechtes Vertrauen nothwendig die Folge einer bessern Kunde seyn müsse. Besuchen Sie erst die Griechen in der Türkei und gehen Sie dann nach dem Königreich Griechenland, und urtheilen Sie selbst, welch ein unendlicher Unterschied! Dort scheint die Hand und der Hauch jener rohen, lieblosen Türken, die mancher Reisende so „liebenswürdig“ gefunden, jedes Aufkeimen zu unterdrücken. Wie der kalte Reif die Saaten verdirbt, so drückt wie mit Fluch behaftet die türkische Herrschaft das griechische Volk nieder. Wo aber diese Herrschaft verjagt, wo griechisches Leben frei geworden ist, da blüht Alles auf, blüht schon auf durch sich selbst, wie auf Samos. Allein welch ein schnelles und kräftiges Aufblühen da, wo König Otto der gesegnete Mittler ist zwischen Griechenland und Europa! Mögen diejenigen, welche so eilig urtheilen, welche immer den aus Europa mitgebrachten Maaßstab anlegen, der oft selbst dort kein wirklicher ist, mögen sie Griechenland mit sich selbst, das jetzige mit dem wie es jüngst war und mit dem wie es noch ist in der Türkei, vergleichen. Gibt es in der Culturgeschichte irgend eines Volks einen solchen Fortschritt in so kurzer Zeit? Nein. Und dieser Fortschritt, dieser Segen wäre nicht ohne den König Otto und die Deutschen, die er mitbrachte. Man frage sich, wie weit Griechenland wäre, wenn es nach der Befreiung sich selbst überlassen geblieben? Es sind, Gott sey Dank, Ideen, welche die Welt regieren. Ohne die Idee des griechischen Alterthums und Athens, welche vor allen Deutschland lebendig erhalten hat, wäre kein verjüngtes Hellas, ohne die Idee der Berechtigung, der Weihung des griechischen Aufstandes durch einen europäischen Prinzen wäre kein europäisch-christlicher Staat aus den unfreien unglücklichen Sklaven antichristlicher Barbaren hervorgegangen. Und wäre etwa französische oder englische oder russische Cultur besser gewesen, als deutsche? So gern wir gestehen, daß Griechen dazu gehören, um so schnell sich zu civilisiren, so sehr berechtigt der Erfolg Deutschland, darauf stolz zu seyn, daß es in einem seiner Prinzen den thätigen Vermittler zwischen Griechenland und Europa, zwischen Alterthum und Gegenwart, zwischen Culturarmen und Culturreichen nach dem Vaterland seiner eigenen geistigen Verjüngung gesandt hat. Eine vierte Nation, die in der Türkei zerstreut unter dem Scepter des Sultans lebt, bilden die Juden. 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Es ist gelungen, dieselbe so sehr im napistischen Sinne zusammen zu setzen, daß die Geistlichkeit, wenn es so fortgeht, bald der Regierung übern Kopf wachsen möchte. Geistliche verketzern bereits die obersten Personen des Staats als nicht rechtgläubig, und ich glaube wohl, daß die Geistlichkeit nicht geringen Einfluß gehabt hat auf die Verminderung des Interesses für den König von Griechenland bei den Griechen in Kleinasien seit 1833, <hi rendition="#g">da eine ganz andere Stimmung herrschte</hi>, und der Bischof in <hi rendition="#g">Smyrna</hi> eine Kirchenfeierlichkeit wegen der Anwesenheit des jungen Königs anordnete zum unbeschreiblichen Jubel der Griechen.</p><lb/> <p>Wir gehen hier nicht weiter ein auf die schamlosen Mittel, welche man angewandt hat, um das Ansehen der griechischen Regierung herabzusetzen, und zu denen eine kleinliche Diplomatie, wie sie sonst in Europa nicht mehr vorkommt, und keinem Staat Ehre machen kann, wenigstens geschwiegen hat, falls sie dieselben nicht veranlaßte. 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Beilage zur Allgemeinen Zeitung 11 Januar 1840
Beobachtungen auf einer Reise durch die Türkei und Griechenland.
_ Im Archipelagus, Ende November. (Beschluß.) Was bei den Armeniern schlummert, das ist bei den Griechen der Türkei längst erwacht, und wie auf ihr Stammland blicken sie hinüber nach Griechenland. Was sie verhindert, nach dem Königreich Hellas auszuwandern, ist hauptsächlich viererlei: 1) die Schwierigkeit, welche die türkische Regierung ihnen entgegensetzt; 2) die Unmöglichkeit, ihren Besitz in der Türkei zu Geld zu machen; 3) der schlechte Erfolg, den bisher die Einwanderungsplane der Chioten, Ipsarioten und Kandioten gehabt, und 4) das geringe Vertrauen, welches in neuester Zeit diese Regierung unter den Griechen in der Türkei zu haben scheint.
Das unkluge Benehmen Englands hat die griechische Regierung allmählich auf die russische Seite hinübergetrieben – ein Versehen, das man England selbst dann nicht verzeihen könnte, wenn es gewußt hätte, sich außerhalb der ihr mißfälligen Regierung eine starke Partei zu erhalten. Allein daran fehlt viel, und die zahlreichen Gegner der jetzigen Regierung sind eben so sehr Gegner des Repräsentanten der englischen Nation in Athen. Die Griechen Kleinasiens aber sind nicht minder denn die Türken antirussisch, und je mehr die Stimmung derselben von Smyrna ausgeht, desto natürlicher ist es, daß dieselbe leicht eine französische oder englische Farbe annimmt. Dazu kommen nun noch folgende sehr zu beklagende Umstände.
Die griechische Geistlichkeit in Griechenland ist seit einiger Zeit getheilt, wenn gleich nicht zu gleichen Theilen. Bekanntlich wurde im Jahr 1834 die Kirche des Königreichs von dem Patriarchat in Konstantinopel getrennt, und statt dessen eine Synode eingesetzt. Diese große und nothwendige Maaßregel war schon früher in einer griechischen Nationalversammlung beschlossen; denn es war einleuchtend, daß dieser neue christliche Staat unmöglich von einem geistlichen Oberhaupt abhängig seyn konnte, welches gezwungen war, in der Hauptstadt der Erzfeinde des Christenthums seinen Sitz zu haben. Die Trennung vom Patriarchat in Konstantinopel wurde von sämmtlichen Bischöfen und Erzbischöfen Griechenlands einstimmig beschlossen, vom König sanctionirt und die neue Synode in Gegenwart des Königs, der Regentschaft, aller höheren Beamten und der fremden Minister eingesetzt. Nur der russische Minister erschien nicht, und man behauptete, daß er unverhohlen seine Mißbilligung äußere. Die glückliche, von den Griechen mit großem Beifall aufgenommene Durchführung dieser Maaßregel war bekanntlich hauptsächlich das Werk Maurers, und vielleicht das größte Verdienst, das er sich um Griechenland erworben. Doch muß neben ihm mit vollem Recht Konstantin Schinas genannt werden, der, mit trefflichen Kenntnissen ausgestattet, die ganze Kraft einer freien und wohlbegründeten Ueberzeugung in der Versammlung der Geistlichen geltend zu machen wußte. In neuester Zeit nun scheint es den Napisten gelungen zu seyn, einige Geistliche anders zu stimmen. Ein russischer Pensionär, griechischer Geistlicher und, wie man sagt, Freund und Compagnon im Büchermachen eines gewissen Bojaren, der einst glaubte sich der deutschen Universitäten annehmen zu müssen, spricht öffentlich mit der größten Geringschätzung von der Synode. Es ist gelungen, dieselbe so sehr im napistischen Sinne zusammen zu setzen, daß die Geistlichkeit, wenn es so fortgeht, bald der Regierung übern Kopf wachsen möchte. Geistliche verketzern bereits die obersten Personen des Staats als nicht rechtgläubig, und ich glaube wohl, daß die Geistlichkeit nicht geringen Einfluß gehabt hat auf die Verminderung des Interesses für den König von Griechenland bei den Griechen in Kleinasien seit 1833, da eine ganz andere Stimmung herrschte, und der Bischof in Smyrna eine Kirchenfeierlichkeit wegen der Anwesenheit des jungen Königs anordnete zum unbeschreiblichen Jubel der Griechen.
Wir gehen hier nicht weiter ein auf die schamlosen Mittel, welche man angewandt hat, um das Ansehen der griechischen Regierung herabzusetzen, und zu denen eine kleinliche Diplomatie, wie sie sonst in Europa nicht mehr vorkommt, und keinem Staat Ehre machen kann, wenigstens geschwiegen hat, falls sie dieselben nicht veranlaßte. Wir sind vielmehr fest überzeugt, daß die Wahrheit sowohl in Europa als bei den Griechen in der Türkei nicht verborgen bleiben wird, und daß ein gerechtes Vertrauen nothwendig die Folge einer bessern Kunde seyn müsse.
Besuchen Sie erst die Griechen in der Türkei und gehen Sie dann nach dem Königreich Griechenland, und urtheilen Sie selbst, welch ein unendlicher Unterschied! Dort scheint die Hand und der Hauch jener rohen, lieblosen Türken, die mancher Reisende so „liebenswürdig“ gefunden, jedes Aufkeimen zu unterdrücken. Wie der kalte Reif die Saaten verdirbt, so drückt wie mit Fluch behaftet die türkische Herrschaft das griechische Volk nieder. Wo aber diese Herrschaft verjagt, wo griechisches Leben frei geworden ist, da blüht Alles auf, blüht schon auf durch sich selbst, wie auf Samos. Allein welch ein schnelles und kräftiges Aufblühen da, wo König Otto der gesegnete Mittler ist zwischen Griechenland und Europa! Mögen diejenigen, welche so eilig urtheilen, welche immer den aus Europa mitgebrachten Maaßstab anlegen, der oft selbst dort kein wirklicher ist, mögen sie Griechenland mit sich selbst, das jetzige mit dem wie es jüngst war und mit dem wie es noch ist in der Türkei, vergleichen. Gibt es in der Culturgeschichte irgend eines Volks einen solchen Fortschritt in so kurzer Zeit? Nein. Und dieser Fortschritt, dieser Segen wäre nicht ohne den König Otto und die Deutschen, die er mitbrachte. Man frage sich, wie weit Griechenland wäre, wenn es nach der Befreiung sich selbst überlassen geblieben? Es sind, Gott sey Dank, Ideen, welche die Welt regieren. Ohne die Idee des griechischen Alterthums und Athens, welche vor allen Deutschland lebendig erhalten hat, wäre kein verjüngtes Hellas, ohne die Idee der Berechtigung, der Weihung des griechischen Aufstandes durch einen europäischen Prinzen wäre kein europäisch-christlicher Staat aus den unfreien unglücklichen Sklaven antichristlicher Barbaren hervorgegangen. Und wäre etwa französische oder englische oder russische Cultur besser gewesen, als deutsche? So gern wir gestehen, daß Griechen dazu gehören, um so schnell sich zu civilisiren, so sehr berechtigt der Erfolg Deutschland, darauf stolz zu seyn, daß es in einem seiner Prinzen den thätigen Vermittler zwischen Griechenland und Europa, zwischen Alterthum und Gegenwart, zwischen Culturarmen und Culturreichen nach dem Vaterland seiner eigenen geistigen Verjüngung gesandt hat.
Eine vierte Nation, die in der Türkei zerstreut unter dem Scepter des Sultans lebt, bilden die Juden. Sie sind nicht
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