Allgemeine Zeitung. Nr. 13. Augsburg, 13. Januar 1840.
Preußen. Aus der preußischen Rheinprovinz. Wir haben durch unsere, in Nr. 326 der Allg. Zeitung vom Jahr 1839 enthaltenen Nachrichten über den Ausfall der ritterschaftlichen Wahlen den Zorn eines Verfechters des autonomischen Adels der Rheinprovinz auf uns herabgezogen, und er tritt uns mit heftigen Schmähungen in Nr. 352 entgegen. Weßhalb erbost er sich denn so? Nicht etwa weil wir irgend eine Thatsache unrichtig angegeben, denn er selbst gesteht zu: daß wir nur zu genaue Kenntniß der Verhältnisse haben; - zwei andere Vorwürfe sind es vielmehr, welche er uns macht: 1) daß wir die Wahlen auf das religiöse Gebiet hinüber ziehen, um unter dieser jetzt geläufigen Form gegen den Stand der rheinischen Ritterschaft und ihre Autonomie in gehässiger Weise zu Felde zu ziehen, und, 2) daß wir die Autonomie als impopulär darstellen und dem autonomischen Adel nicht den gebührenden Respect erweisen. Was den ersten Vorwurf betrifft, so überhebt uns das Geständniß unsers Gegners jeder Rechtfertigung. Wenn er mit dürren Worten zugesteht, daß der autonomische Adel, in den von uns nicht bestrittenen Gränzen seines Rechts, bloß deßhalb keine Protestanten habe wählen wollen, um dem protestantischen Könige und dem protestantischen Gouvernement zu zeigen, was der Provinz in katholisch kirchlicher Beziehung noth thue, so bewegt sich die Wahl doch wohl auf dem religiösen Gebiete, und braucht nicht erst auf dasselbe hinübergezogen zu werden. Wenn wir nun glauben und hoffen, daß die kirchliche Aufregung in der Rheinprovinz mehr und mehr beruhigt sey, wenn wir uns deßhalb im Interesse des Vaterlandes gegen die Absicht aussprechen, die so beruhigte Aufregung wieder aufzuwecken, haben wir dann durch diese patriotischen, gewiß nicht unchristlichen Gesinnungen Veranlassung zu der Schmähung gegeben: "wir möchten, daß das Herz der Katholiken so lange zusammengedrückt würde, bis es spränge!?" Die blinde Heftigkeit dieses Vorwurfs zeigt, wie wenig unser Gegner und die mit ihm gleiches Sinnes sind, sich unbefangen und gutgesinnt nennen dürfen, und dieß ergibt sich um so mehr, wenn man den Vorwurf in Verbindung bringt mit der unmittelbar vorhergehenden Analyse der protestantischen Elemente des preußischen Gouvernements und aus dieser Verbindung folgert: daß unter solchem eine derartige Behandlung der Katholiken als möglich, als im Werke angedeutet werden solle - unter einem Gouvernement, welches sich mit solcher Fürsorge und Liberalität den Interessen der katholischen Kirche widmete, mit solcher Langmuth die geflissentliche Vereitlung seiner wohlmeinendsten Absichten ertrug. Wie sich damit, wenn unsere Auslegung die richtige wäre, die Versicherung der unerschütterlichen Treue verträgt, wissen wir nicht, das aber bestreiten wir, daß, wie auch hie und da einzelne Wahlen der andern Stände aus dem katholischen Gesichtspunkt erfolgt seyn mögen, der autonomische Adel, dessen Stellung nie im Volke war, die Gesinnung des Volkes repräsentire, und daß dieses ihn zu der bekannten Deputation nach Berlin, wo er mit den Interessen der Kirche auch besonders die seines Standes zu vertreten Veranlassung hatte, für befugt und berufen erachtet habe. Bedürfte es deßhalb noch eines Beweises, so würden wir uns auf den Ausfall der ritterschaftlichen Wahlen in Düsseldorf beziehen, wo auch die Mehrzahl katholisch war, aber nicht zum autonomischen Adel gehörte und wo, wie wir berichtigend bemerken müssen, auf siebenzehn Wahlstellen zehn Protestanten gewählt wurden. Unser Gegner hält den autonomischen Adel für populär. In einem Lande aber, wo es freudig von einem Ende zum andern widerhallt: "daß eine vollkommene Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze; die feste Begründung der Familie und der Rechte ihrer Mitglieder unter dem unmittelbaren Einfluß und unter der Aufsicht der Staatsgewalt; die gleiche Zulassung aller Kinder, so wie zum Herzen, so auch zum Gute ihrer Eltern; die Freiheit in der Disposition über das Eigenthum und in der Ausübung der Gewerbe; die Theilbarkeit des Grundeigenthums, bei welcher es auch dem Geringsten vergönnt wird, eine Scholle Erde sein zu nennen, und in ihrer Pflege die Liebe zum großen Vaterlande zu nähren - beneidenswerthe Güter sind, in deren Besitz uns unsere Rechtsverfassung gesetzt und erhalten hat" - in einem solchen Lande konnte es wohl keinen Anklang finden, wenn aus einer Bevölkerung von mehr als zwei Millionen, neunundzwanzig Familien hervortraten, um einen status in statu zu bilden, und als einleitendes Privilegium für andere im Hintergrund liegende das Recht erlangten, einem einzelnen Kinde den ganzen Reichthum ihres Vermögens mit alleinigem Vorbehalte einer geringen Ausstattung für die übrigen zuzuwenden, so zwar, daß nicht etwa eine von Anbeginn her feststehende Ordnung in den Familien den Enterbten als eine Nothwendigkeit erschiene und ihnen mindestens den traurigen Trost ließe: "weh dir, daß du ein Enkel bist!" sondern daß die persönliche Gunst des Vaters, zu deren Erringung ja alle Mittel führen können, den glücklichen Bevorzugten mit autonomischer Machtvollkommenheit bestimmt, während den andern sogar der ordentliche Rechtsweg abgeschnitten bleibt, zu des Lebens Nothdurft irgend etwas mehr zu erlangen, als der Wille eines ungerechten Vaters ihnen zuweiset. Hierüber erkennt vielmehr ein souveränes ebenbürtiges Schiedsgericht, welches sogar in dem Falle, wo eine Disposition wegen formeller Nichtigkeit ungültig würde, mit möglichster Aufrechthaltung der Absicht dieser nicht mehr existirenden Disposition die Succession und Abfindung, mit Ausschließung der Intestaterbfolge, zu bestimmen hat! Unsern Gegner zu überzeugen, daß ein solches Recht weder im Rechte noch in der Geschichte begründet sey, daß es namentlich dem niedern Adel am Rheine nie zugestanden, würden wir uns vergeblich bemühen, wenn wir ihm auch ein Collegium über den Adel und seine Rechte lesen und uns auf die ein solches Recht durchaus verneinende Autorität sämmtlicher Gerichtshöfe der Rheinprovinzen beziehen wollten. Wenn aber unser Gegner nie etwas davon gehört zu haben behauptet, daß die Stimme des Volks am Rhein sich gegen die Autonomie ausgesprochen habe, so vergißt er oder will er vergessen die kräftigen Anträge, welche das eigentliche Organ der Provinz der (fünfte) Provinciallandtag, gegen dieses Recht an das Gouvernement richtete, und welche uns wenigstens vor fernern Bevorrechtungen dieses Standes schützen mögen. - Die Gesinnungen, woraus diese Anträge hervorgingen, theilen wir mit den Vertretern der Provinz und mit der großen Mehrzahl ihrer Bewohner, ohne daß wir deßhalb zu den "Freiheits- und Gleichheitsmännern von 1789" gehören, und wir müssen daher die Jakobiner-Mütze eben so wie den uns etwa zugedachten Sanbenito ablehnen. - Freiheit aber wollen wir gegen Standesfreiheiten, und Gleichheit vor dem Gesetz. Und so räumen wir denn dem autonomischen Adel, auf die Gefahr hin, von ihm "gemeiner Natur" gescholten zu werden, kein anderes Recht ein, als das eben nicht beneidenswerthe, willkürlich seine *) Etwas Definitives festsetzen kann in dieser Hinsicht nur das Unterhaus, das demnächst zusammentritt.
Preußen. Aus der preußischen Rheinprovinz. Wir haben durch unsere, in Nr. 326 der Allg. Zeitung vom Jahr 1839 enthaltenen Nachrichten über den Ausfall der ritterschaftlichen Wahlen den Zorn eines Verfechters des autonomischen Adels der Rheinprovinz auf uns herabgezogen, und er tritt uns mit heftigen Schmähungen in Nr. 352 entgegen. Weßhalb erbost er sich denn so? Nicht etwa weil wir irgend eine Thatsache unrichtig angegeben, denn er selbst gesteht zu: daß wir nur zu genaue Kenntniß der Verhältnisse haben; – zwei andere Vorwürfe sind es vielmehr, welche er uns macht: 1) daß wir die Wahlen auf das religiöse Gebiet hinüber ziehen, um unter dieser jetzt geläufigen Form gegen den Stand der rheinischen Ritterschaft und ihre Autonomie in gehässiger Weise zu Felde zu ziehen, und, 2) daß wir die Autonomie als impopulär darstellen und dem autonomischen Adel nicht den gebührenden Respect erweisen. Was den ersten Vorwurf betrifft, so überhebt uns das Geständniß unsers Gegners jeder Rechtfertigung. Wenn er mit dürren Worten zugesteht, daß der autonomische Adel, in den von uns nicht bestrittenen Gränzen seines Rechts, bloß deßhalb keine Protestanten habe wählen wollen, um dem protestantischen Könige und dem protestantischen Gouvernement zu zeigen, was der Provinz in katholisch kirchlicher Beziehung noth thue, so bewegt sich die Wahl doch wohl auf dem religiösen Gebiete, und braucht nicht erst auf dasselbe hinübergezogen zu werden. Wenn wir nun glauben und hoffen, daß die kirchliche Aufregung in der Rheinprovinz mehr und mehr beruhigt sey, wenn wir uns deßhalb im Interesse des Vaterlandes gegen die Absicht aussprechen, die so beruhigte Aufregung wieder aufzuwecken, haben wir dann durch diese patriotischen, gewiß nicht unchristlichen Gesinnungen Veranlassung zu der Schmähung gegeben: „wir möchten, daß das Herz der Katholiken so lange zusammengedrückt würde, bis es spränge!?“ Die blinde Heftigkeit dieses Vorwurfs zeigt, wie wenig unser Gegner und die mit ihm gleiches Sinnes sind, sich unbefangen und gutgesinnt nennen dürfen, und dieß ergibt sich um so mehr, wenn man den Vorwurf in Verbindung bringt mit der unmittelbar vorhergehenden Analyse der protestantischen Elemente des preußischen Gouvernements und aus dieser Verbindung folgert: daß unter solchem eine derartige Behandlung der Katholiken als möglich, als im Werke angedeutet werden solle – unter einem Gouvernement, welches sich mit solcher Fürsorge und Liberalität den Interessen der katholischen Kirche widmete, mit solcher Langmuth die geflissentliche Vereitlung seiner wohlmeinendsten Absichten ertrug. Wie sich damit, wenn unsere Auslegung die richtige wäre, die Versicherung der unerschütterlichen Treue verträgt, wissen wir nicht, das aber bestreiten wir, daß, wie auch hie und da einzelne Wahlen der andern Stände aus dem katholischen Gesichtspunkt erfolgt seyn mögen, der autonomische Adel, dessen Stellung nie im Volke war, die Gesinnung des Volkes repräsentire, und daß dieses ihn zu der bekannten Deputation nach Berlin, wo er mit den Interessen der Kirche auch besonders die seines Standes zu vertreten Veranlassung hatte, für befugt und berufen erachtet habe. Bedürfte es deßhalb noch eines Beweises, so würden wir uns auf den Ausfall der ritterschaftlichen Wahlen in Düsseldorf beziehen, wo auch die Mehrzahl katholisch war, aber nicht zum autonomischen Adel gehörte und wo, wie wir berichtigend bemerken müssen, auf siebenzehn Wahlstellen zehn Protestanten gewählt wurden. Unser Gegner hält den autonomischen Adel für populär. In einem Lande aber, wo es freudig von einem Ende zum andern widerhallt: „daß eine vollkommene Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze; die feste Begründung der Familie und der Rechte ihrer Mitglieder unter dem unmittelbaren Einfluß und unter der Aufsicht der Staatsgewalt; die gleiche Zulassung aller Kinder, so wie zum Herzen, so auch zum Gute ihrer Eltern; die Freiheit in der Disposition über das Eigenthum und in der Ausübung der Gewerbe; die Theilbarkeit des Grundeigenthums, bei welcher es auch dem Geringsten vergönnt wird, eine Scholle Erde sein zu nennen, und in ihrer Pflege die Liebe zum großen Vaterlande zu nähren – beneidenswerthe Güter sind, in deren Besitz uns unsere Rechtsverfassung gesetzt und erhalten hat“ – in einem solchen Lande konnte es wohl keinen Anklang finden, wenn aus einer Bevölkerung von mehr als zwei Millionen, neunundzwanzig Familien hervortraten, um einen status in statu zu bilden, und als einleitendes Privilegium für andere im Hintergrund liegende das Recht erlangten, einem einzelnen Kinde den ganzen Reichthum ihres Vermögens mit alleinigem Vorbehalte einer geringen Ausstattung für die übrigen zuzuwenden, so zwar, daß nicht etwa eine von Anbeginn her feststehende Ordnung in den Familien den Enterbten als eine Nothwendigkeit erschiene und ihnen mindestens den traurigen Trost ließe: „weh dir, daß du ein Enkel bist!“ sondern daß die persönliche Gunst des Vaters, zu deren Erringung ja alle Mittel führen können, den glücklichen Bevorzugten mit autonomischer Machtvollkommenheit bestimmt, während den andern sogar der ordentliche Rechtsweg abgeschnitten bleibt, zu des Lebens Nothdurft irgend etwas mehr zu erlangen, als der Wille eines ungerechten Vaters ihnen zuweiset. Hierüber erkennt vielmehr ein souveränes ebenbürtiges Schiedsgericht, welches sogar in dem Falle, wo eine Disposition wegen formeller Nichtigkeit ungültig würde, mit möglichster Aufrechthaltung der Absicht dieser nicht mehr existirenden Disposition die Succession und Abfindung, mit Ausschließung der Intestaterbfolge, zu bestimmen hat! Unsern Gegner zu überzeugen, daß ein solches Recht weder im Rechte noch in der Geschichte begründet sey, daß es namentlich dem niedern Adel am Rheine nie zugestanden, würden wir uns vergeblich bemühen, wenn wir ihm auch ein Collegium über den Adel und seine Rechte lesen und uns auf die ein solches Recht durchaus verneinende Autorität sämmtlicher Gerichtshöfe der Rheinprovinzen beziehen wollten. Wenn aber unser Gegner nie etwas davon gehört zu haben behauptet, daß die Stimme des Volks am Rhein sich gegen die Autonomie ausgesprochen habe, so vergißt er oder will er vergessen die kräftigen Anträge, welche das eigentliche Organ der Provinz der (fünfte) Provinciallandtag, gegen dieses Recht an das Gouvernement richtete, und welche uns wenigstens vor fernern Bevorrechtungen dieses Standes schützen mögen. – Die Gesinnungen, woraus diese Anträge hervorgingen, theilen wir mit den Vertretern der Provinz und mit der großen Mehrzahl ihrer Bewohner, ohne daß wir deßhalb zu den „Freiheits- und Gleichheitsmännern von 1789“ gehören, und wir müssen daher die Jakobiner-Mütze eben so wie den uns etwa zugedachten Sanbenito ablehnen. – Freiheit aber wollen wir gegen Standesfreiheiten, und Gleichheit vor dem Gesetz. Und so räumen wir denn dem autonomischen Adel, auf die Gefahr hin, von ihm „gemeiner Natur“ gescholten zu werden, kein anderes Recht ein, als das eben nicht beneidenswerthe, willkürlich seine *) Etwas Definitives festsetzen kann in dieser Hinsicht nur das Unterhaus, das demnächst zusammentritt.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0006" n="0102"/><lb/> – Prinz Albert wird nur seinen geheimen Cabinetssecretär Schnur mitnehmen. Die jährliche Apanage soll bereits entschieden auf 100,000 Pf. St. (1,200,000 fl.) festgesetzt seyn<note place="foot" n="*)"> Etwas Definitives festsetzen kann in dieser Hinsicht nur das Unterhaus, das demnächst zusammentritt.</note>, obgleich die englischen Blätter, besonders die Toryjournale noch darüber mäkeln. (<hi rendition="#g">Fränk</hi>. M.)</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Preußen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline>✠</byline> <dateline> <hi rendition="#b">Aus der preußischen Rheinprovinz.</hi> </dateline> <p> Wir haben durch unsere, in Nr. 326 der Allg. Zeitung vom Jahr 1839 enthaltenen Nachrichten über den Ausfall der ritterschaftlichen Wahlen den Zorn eines Verfechters des autonomischen Adels der Rheinprovinz auf uns herabgezogen, und er tritt uns mit heftigen Schmähungen in Nr. 352 entgegen. Weßhalb erbost er sich denn so? Nicht etwa weil wir irgend eine Thatsache unrichtig angegeben, denn er selbst gesteht zu: daß wir nur zu genaue Kenntniß der Verhältnisse haben; – zwei andere Vorwürfe sind es vielmehr, welche er uns macht: 1) daß wir die Wahlen auf das religiöse Gebiet hinüber ziehen, um unter dieser jetzt geläufigen Form gegen den Stand der rheinischen Ritterschaft und ihre Autonomie in gehässiger Weise zu Felde zu ziehen, und, 2) daß wir die Autonomie als impopulär darstellen und dem autonomischen Adel nicht den gebührenden Respect erweisen. Was den ersten Vorwurf betrifft, so überhebt uns das Geständniß unsers Gegners jeder Rechtfertigung. Wenn er mit dürren Worten zugesteht, daß der autonomische Adel, in den von uns nicht bestrittenen Gränzen seines Rechts, bloß deßhalb keine Protestanten habe wählen wollen, um dem protestantischen Könige und dem protestantischen Gouvernement zu zeigen, was der Provinz in katholisch kirchlicher Beziehung noth thue, so bewegt sich die Wahl doch wohl auf dem religiösen Gebiete, und braucht nicht erst auf dasselbe hinübergezogen zu werden. Wenn wir nun glauben und hoffen, daß die kirchliche Aufregung in der Rheinprovinz mehr und mehr beruhigt sey, wenn wir uns deßhalb im Interesse des Vaterlandes gegen die Absicht aussprechen, die so beruhigte Aufregung wieder aufzuwecken, haben wir dann durch diese patriotischen, gewiß nicht unchristlichen Gesinnungen Veranlassung zu der Schmähung gegeben: „wir möchten, daß das Herz der Katholiken so lange zusammengedrückt würde, bis es spränge!?“ Die blinde Heftigkeit dieses Vorwurfs zeigt, wie wenig unser Gegner und die mit ihm gleiches Sinnes sind, sich unbefangen und gutgesinnt nennen dürfen, und dieß ergibt sich um so mehr, wenn man den Vorwurf in Verbindung bringt mit der unmittelbar vorhergehenden Analyse der protestantischen Elemente des preußischen Gouvernements und aus dieser Verbindung folgert: daß unter solchem eine derartige Behandlung der Katholiken als möglich, als im Werke angedeutet werden solle – unter einem Gouvernement, welches sich mit solcher Fürsorge und Liberalität den Interessen der katholischen Kirche widmete, mit solcher Langmuth die geflissentliche Vereitlung seiner wohlmeinendsten Absichten ertrug. Wie sich damit, wenn unsere Auslegung die richtige wäre, die Versicherung der unerschütterlichen Treue verträgt, wissen wir nicht, das aber bestreiten wir, daß, wie auch hie und da einzelne Wahlen der andern Stände aus dem katholischen Gesichtspunkt erfolgt seyn mögen, der autonomische Adel, dessen Stellung nie im Volke war, die Gesinnung des Volkes repräsentire, und daß dieses ihn zu der bekannten Deputation nach Berlin, wo er mit den Interessen der Kirche auch besonders die seines Standes zu vertreten Veranlassung hatte, für befugt und berufen erachtet habe. Bedürfte es deßhalb noch eines Beweises, so würden wir uns auf den Ausfall der ritterschaftlichen Wahlen in Düsseldorf beziehen, wo auch die Mehrzahl katholisch war, aber nicht zum autonomischen Adel gehörte und wo, wie wir berichtigend bemerken müssen, auf siebenzehn Wahlstellen zehn Protestanten gewählt wurden. Unser Gegner hält den autonomischen Adel für populär. In einem Lande aber, wo es freudig von einem Ende zum andern widerhallt: „daß eine vollkommene Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze; die feste Begründung der Familie und der Rechte ihrer Mitglieder unter dem unmittelbaren Einfluß und unter der Aufsicht der Staatsgewalt; die gleiche Zulassung aller Kinder, so wie zum Herzen, so auch zum Gute ihrer Eltern; die Freiheit in der Disposition über das Eigenthum und in der Ausübung der Gewerbe; die Theilbarkeit des Grundeigenthums, bei welcher es auch dem Geringsten vergönnt wird, eine Scholle Erde sein zu nennen, und in ihrer Pflege die Liebe zum großen Vaterlande zu nähren – beneidenswerthe Güter sind, in deren Besitz uns unsere Rechtsverfassung gesetzt und erhalten hat“ – in einem solchen Lande konnte es wohl keinen Anklang finden, wenn aus einer Bevölkerung von mehr als zwei Millionen, neunundzwanzig Familien hervortraten, um einen status in statu zu bilden, und als einleitendes Privilegium für andere im Hintergrund liegende das Recht erlangten, einem einzelnen Kinde den ganzen Reichthum ihres Vermögens mit alleinigem Vorbehalte einer geringen Ausstattung für die übrigen zuzuwenden, so zwar, daß nicht etwa eine von Anbeginn her feststehende Ordnung in den Familien den Enterbten als eine Nothwendigkeit erschiene und ihnen mindestens den traurigen Trost ließe: „weh dir, daß du ein Enkel bist!“ sondern daß die persönliche Gunst des Vaters, zu deren Erringung ja alle Mittel führen können, den glücklichen Bevorzugten mit autonomischer Machtvollkommenheit bestimmt, während den andern sogar der ordentliche Rechtsweg abgeschnitten bleibt, zu des Lebens Nothdurft irgend etwas mehr zu erlangen, als der Wille eines ungerechten Vaters ihnen zuweiset. Hierüber erkennt vielmehr ein souveränes ebenbürtiges Schiedsgericht, welches sogar in dem Falle, wo eine Disposition wegen formeller Nichtigkeit ungültig würde, mit möglichster Aufrechthaltung der Absicht dieser nicht mehr existirenden Disposition die Succession und Abfindung, mit Ausschließung der Intestaterbfolge, zu bestimmen hat! Unsern Gegner zu überzeugen, daß ein solches Recht weder im Rechte noch in der Geschichte begründet sey, daß es namentlich dem niedern Adel am Rheine nie zugestanden, würden wir uns vergeblich bemühen, wenn wir ihm auch ein Collegium über den Adel und seine Rechte lesen und uns auf die ein solches Recht durchaus verneinende Autorität sämmtlicher Gerichtshöfe der Rheinprovinzen beziehen wollten. Wenn aber unser Gegner nie etwas davon gehört zu haben behauptet, daß die Stimme des Volks am Rhein sich gegen die Autonomie ausgesprochen habe, so vergißt er oder will er vergessen die kräftigen Anträge, welche das eigentliche Organ der Provinz der (fünfte) Provinciallandtag, gegen dieses Recht an das Gouvernement richtete, und welche uns wenigstens vor fernern Bevorrechtungen dieses Standes schützen mögen. – Die Gesinnungen, woraus diese Anträge hervorgingen, theilen wir mit den Vertretern der Provinz und mit der großen Mehrzahl ihrer Bewohner, ohne daß wir deßhalb zu den „Freiheits- und Gleichheitsmännern von 1789“ gehören, und wir müssen daher die Jakobiner-Mütze eben so wie den uns etwa zugedachten Sanbenito ablehnen. – Freiheit aber wollen wir gegen Standesfreiheiten, und Gleichheit vor dem Gesetz. Und so räumen wir denn dem autonomischen Adel, auf die Gefahr hin, von ihm „gemeiner Natur“ gescholten zu werden, kein anderes Recht ein, als das eben nicht beneidenswerthe, willkürlich seine<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102/0006]
– Prinz Albert wird nur seinen geheimen Cabinetssecretär Schnur mitnehmen. Die jährliche Apanage soll bereits entschieden auf 100,000 Pf. St. (1,200,000 fl.) festgesetzt seyn *), obgleich die englischen Blätter, besonders die Toryjournale noch darüber mäkeln. (Fränk. M.)
Preußen.
✠Aus der preußischen Rheinprovinz. Wir haben durch unsere, in Nr. 326 der Allg. Zeitung vom Jahr 1839 enthaltenen Nachrichten über den Ausfall der ritterschaftlichen Wahlen den Zorn eines Verfechters des autonomischen Adels der Rheinprovinz auf uns herabgezogen, und er tritt uns mit heftigen Schmähungen in Nr. 352 entgegen. Weßhalb erbost er sich denn so? Nicht etwa weil wir irgend eine Thatsache unrichtig angegeben, denn er selbst gesteht zu: daß wir nur zu genaue Kenntniß der Verhältnisse haben; – zwei andere Vorwürfe sind es vielmehr, welche er uns macht: 1) daß wir die Wahlen auf das religiöse Gebiet hinüber ziehen, um unter dieser jetzt geläufigen Form gegen den Stand der rheinischen Ritterschaft und ihre Autonomie in gehässiger Weise zu Felde zu ziehen, und, 2) daß wir die Autonomie als impopulär darstellen und dem autonomischen Adel nicht den gebührenden Respect erweisen. Was den ersten Vorwurf betrifft, so überhebt uns das Geständniß unsers Gegners jeder Rechtfertigung. Wenn er mit dürren Worten zugesteht, daß der autonomische Adel, in den von uns nicht bestrittenen Gränzen seines Rechts, bloß deßhalb keine Protestanten habe wählen wollen, um dem protestantischen Könige und dem protestantischen Gouvernement zu zeigen, was der Provinz in katholisch kirchlicher Beziehung noth thue, so bewegt sich die Wahl doch wohl auf dem religiösen Gebiete, und braucht nicht erst auf dasselbe hinübergezogen zu werden. Wenn wir nun glauben und hoffen, daß die kirchliche Aufregung in der Rheinprovinz mehr und mehr beruhigt sey, wenn wir uns deßhalb im Interesse des Vaterlandes gegen die Absicht aussprechen, die so beruhigte Aufregung wieder aufzuwecken, haben wir dann durch diese patriotischen, gewiß nicht unchristlichen Gesinnungen Veranlassung zu der Schmähung gegeben: „wir möchten, daß das Herz der Katholiken so lange zusammengedrückt würde, bis es spränge!?“ Die blinde Heftigkeit dieses Vorwurfs zeigt, wie wenig unser Gegner und die mit ihm gleiches Sinnes sind, sich unbefangen und gutgesinnt nennen dürfen, und dieß ergibt sich um so mehr, wenn man den Vorwurf in Verbindung bringt mit der unmittelbar vorhergehenden Analyse der protestantischen Elemente des preußischen Gouvernements und aus dieser Verbindung folgert: daß unter solchem eine derartige Behandlung der Katholiken als möglich, als im Werke angedeutet werden solle – unter einem Gouvernement, welches sich mit solcher Fürsorge und Liberalität den Interessen der katholischen Kirche widmete, mit solcher Langmuth die geflissentliche Vereitlung seiner wohlmeinendsten Absichten ertrug. Wie sich damit, wenn unsere Auslegung die richtige wäre, die Versicherung der unerschütterlichen Treue verträgt, wissen wir nicht, das aber bestreiten wir, daß, wie auch hie und da einzelne Wahlen der andern Stände aus dem katholischen Gesichtspunkt erfolgt seyn mögen, der autonomische Adel, dessen Stellung nie im Volke war, die Gesinnung des Volkes repräsentire, und daß dieses ihn zu der bekannten Deputation nach Berlin, wo er mit den Interessen der Kirche auch besonders die seines Standes zu vertreten Veranlassung hatte, für befugt und berufen erachtet habe. Bedürfte es deßhalb noch eines Beweises, so würden wir uns auf den Ausfall der ritterschaftlichen Wahlen in Düsseldorf beziehen, wo auch die Mehrzahl katholisch war, aber nicht zum autonomischen Adel gehörte und wo, wie wir berichtigend bemerken müssen, auf siebenzehn Wahlstellen zehn Protestanten gewählt wurden. Unser Gegner hält den autonomischen Adel für populär. In einem Lande aber, wo es freudig von einem Ende zum andern widerhallt: „daß eine vollkommene Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze; die feste Begründung der Familie und der Rechte ihrer Mitglieder unter dem unmittelbaren Einfluß und unter der Aufsicht der Staatsgewalt; die gleiche Zulassung aller Kinder, so wie zum Herzen, so auch zum Gute ihrer Eltern; die Freiheit in der Disposition über das Eigenthum und in der Ausübung der Gewerbe; die Theilbarkeit des Grundeigenthums, bei welcher es auch dem Geringsten vergönnt wird, eine Scholle Erde sein zu nennen, und in ihrer Pflege die Liebe zum großen Vaterlande zu nähren – beneidenswerthe Güter sind, in deren Besitz uns unsere Rechtsverfassung gesetzt und erhalten hat“ – in einem solchen Lande konnte es wohl keinen Anklang finden, wenn aus einer Bevölkerung von mehr als zwei Millionen, neunundzwanzig Familien hervortraten, um einen status in statu zu bilden, und als einleitendes Privilegium für andere im Hintergrund liegende das Recht erlangten, einem einzelnen Kinde den ganzen Reichthum ihres Vermögens mit alleinigem Vorbehalte einer geringen Ausstattung für die übrigen zuzuwenden, so zwar, daß nicht etwa eine von Anbeginn her feststehende Ordnung in den Familien den Enterbten als eine Nothwendigkeit erschiene und ihnen mindestens den traurigen Trost ließe: „weh dir, daß du ein Enkel bist!“ sondern daß die persönliche Gunst des Vaters, zu deren Erringung ja alle Mittel führen können, den glücklichen Bevorzugten mit autonomischer Machtvollkommenheit bestimmt, während den andern sogar der ordentliche Rechtsweg abgeschnitten bleibt, zu des Lebens Nothdurft irgend etwas mehr zu erlangen, als der Wille eines ungerechten Vaters ihnen zuweiset. Hierüber erkennt vielmehr ein souveränes ebenbürtiges Schiedsgericht, welches sogar in dem Falle, wo eine Disposition wegen formeller Nichtigkeit ungültig würde, mit möglichster Aufrechthaltung der Absicht dieser nicht mehr existirenden Disposition die Succession und Abfindung, mit Ausschließung der Intestaterbfolge, zu bestimmen hat! Unsern Gegner zu überzeugen, daß ein solches Recht weder im Rechte noch in der Geschichte begründet sey, daß es namentlich dem niedern Adel am Rheine nie zugestanden, würden wir uns vergeblich bemühen, wenn wir ihm auch ein Collegium über den Adel und seine Rechte lesen und uns auf die ein solches Recht durchaus verneinende Autorität sämmtlicher Gerichtshöfe der Rheinprovinzen beziehen wollten. Wenn aber unser Gegner nie etwas davon gehört zu haben behauptet, daß die Stimme des Volks am Rhein sich gegen die Autonomie ausgesprochen habe, so vergißt er oder will er vergessen die kräftigen Anträge, welche das eigentliche Organ der Provinz der (fünfte) Provinciallandtag, gegen dieses Recht an das Gouvernement richtete, und welche uns wenigstens vor fernern Bevorrechtungen dieses Standes schützen mögen. – Die Gesinnungen, woraus diese Anträge hervorgingen, theilen wir mit den Vertretern der Provinz und mit der großen Mehrzahl ihrer Bewohner, ohne daß wir deßhalb zu den „Freiheits- und Gleichheitsmännern von 1789“ gehören, und wir müssen daher die Jakobiner-Mütze eben so wie den uns etwa zugedachten Sanbenito ablehnen. – Freiheit aber wollen wir gegen Standesfreiheiten, und Gleichheit vor dem Gesetz. Und so räumen wir denn dem autonomischen Adel, auf die Gefahr hin, von ihm „gemeiner Natur“ gescholten zu werden, kein anderes Recht ein, als das eben nicht beneidenswerthe, willkürlich seine
*) Etwas Definitives festsetzen kann in dieser Hinsicht nur das Unterhaus, das demnächst zusammentritt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |