Allgemeine Zeitung. Nr. 14. Augsburg, 14. Januar 1840.
(Beschluß folgt.) Frankreich. Akademiesitzungen vom November bis Januar. Dutrochet, welchem die Physiologie höchst werthvolle Untersuchungen verdankt, beschäftigte sich diesen Sommer hindurch mit Experimenten über die Wärmeentwicklung der Pflanzen vermittelst des äußerst empfindlichen Galvanometers von Peltier, bei welchem 16 Grade Abweichung der Nadel einem Grade des hunderttheiligen Thermometers entsprechen. Den einen Pol seines thermo-elektrischen Apparats brachte er zu dem Zweck mit dem Innern eines von der Pflanze getrennten, somit der Lebenswärme beraubten Zweiges in Verbindung, den andern mit der lebenden und vegetirenden Pflanze, und das Ganze bedeckte eine große Glasglocke. Aus der Abweichung der Nadel ging die Differenz der Temperatur der todten und lebenden Pflanze deutlich hervor, deren letzterer Temperatur nach Dutrochet immer höher gestellt ist, als die der sie umgebenden Medien. Diese Lebenswärme der Vegetabilien ist aber sehr verschieden, denn während der Stamm und die holzigen Theile, z. B. von Sambucus nigra, Rosa canina durchaus keine Wärme zeigen, ist die Wärmeentwicklung am Laub, den Sprößlingen nur im Moment der vollkommensten Entfaltung der Pflanze am ausgesprochensten. Unter allen Pflanzen bot ihm die Euphorbia Lathyris die höchste Temperatur dar, aber sie verschwand während der Nacht auch vollkommen, so wie überhaupt ein Steigen der Temperatur bei Tag und ein Fallen bei der Nacht sich allenthalben bemerklich machte. Versetzte man die Pflanzen auch in gänzliche Dunkelheit, so brachte man die Temperatur wohl ins Fallen, nichtsdestoweniger aber waltete das Gesetz der Ab- und Zunahme der Temperatur fort, welche von 10 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags am höchsten stieg. Bisher theilte man die Erfindung der Uebertragung der Dampfkraft auf die Schifffahrt immer Fulton zu. Allein es scheint seit den interessanten Aufschlüssen von Jouffroy gewiß, daß dem Marquis de Jouffroy diese Ehre gebühre und Fulton dessen Versuchen damals beigewohnt habe. Jouffroy errichtete zu Beaume auf dem Doubs das erste Dampfboot, welches im Junius und Julius 1776 diesen Strom beschiffte. 1780 errichtete er ein größeres zu Lyon mit bedeutenden Verbesserungen, und manövrirte damit auf der Saone in Gegenwart der Mitglieder der Academie de science zu Lyon und einer großen Menge von andern Zuschauern, wovon noch einige am Leben sind. Dumas gab Rechenschaft von einer Entdeckung eines jungen Chemikers, De la Lande, wodurch die Anzahl der uns bekannten isomeren Körper neuerdings vermehrt wurde. Es ist dieß der Camster, welcher, wenn er mit Schwefelsäure behandelt wird, in eine Art Oel sich umwandelt, aus welchem, durch Zuthun von Kali, der Camster in seiner frühern Gestalt wieder erscheint. Während die aufmerksamste Untersuchung in diesen zwei Gestaltungen, unter welcher der Camster erscheint, nicht die mindeste Verschiedenheit in der chemischen Constitution nachzuweisen im Stande ist, hat Biot gefunden, daß - obgleich die Wirkung des polarisirten Lichtstrahls auf beide dieselbe - doch die Rotationsfähigkeit der einzelnen Molecule eine verschiedene ist. Sollte, fragt Biot, diese Erscheinung isomerer Körper vom Dazwischentreten einer der Chemie noch unentdeckbaren oder unwägbaren Substanz abhängen, oder nicht viel wahrscheinlicher einer Umänderung in der specifischen Wärme ihr Daseyn verdanken? - Fragen, deren Lösung, als nächstens zu veröffentlichend, Arago ankündet. Aime, erst der Gelehrtencommission in Algier beigegeben, stellte Versuche über die Niveauveränderungen des Meeres im Algierer Hafen an, da zu vermuthen stand, daß die Ebbe und Fluth des atlantischen Meeres von der Meerenge zu Gibraltar her sich bemerklich machte. Allein es fand sich keine Spur, wohl aber, daß das Steigen und Fallen des Meeres vollkommen mit dem des Barometers übereinkomme. Rousseau übergab neue Resultate, welche ihm sein Instrument zur Untersuchung der elektrischen Leitungsfähigkeit verschiedener im Hauswesen und in der Pharmacie gebräuchlicher Stoffe lieferte. Er nennt sein Instrument Diagometer, und will damit jede Verfälschung des pulverisirten Kaffees, z. B. mit Cichorie, des Cacao's, Olivenöls und mancher Gummiharze augenblicklich erkennen, daß dieselben Leiter für die Elektricität werden, was sie im reinen, unverfälschten Zustande nicht sind. Junod hat neuerdings eine Heilung des schwarzen Staares durch mehrmalige Anwendung seiner großen Ventousen zu Stande gebracht. Junods Versuche datiren sich seit 1828. Er begann damals damit, eines seiner Zimmer luftdicht zu machen und durch allmähliches Auspumpen die Luft so zu verdünnen, daß der Barometer eine größere Verminderung des Luftdrucks angab, als Gay-Lussac und Saussure beim Ersteigen des Montblanc zu erdulden hatten. Er studirte nun sämmtliche physiologische Vorgänge, und wies zuerst die rein mechanische Wirkung des verminderten Luftdrucks auf den menschlichen Körper bei Ersteigung von großen Höhen nach - Erscheinungen, welche man früher theilweise der größern Trockenheit und der Elektricität der Luft zuschrieb. Von diesen Versuchen ging er zur Anwendung des verminderten und vermehrten Luftdrucks in der Medicin über, und gebraucht nunmehr große Metallröhren, welche an dem einen offenen Ende eine Vorrichtung aus Kautschuk haben, welche sich dem Theile des menschlichen Körpers, der in die Röhre kommt, genau anschließt. Es sind bald bloß die Arme, die Füße, bald die untere Hälfte des Leibes, welche in den durch die angebrachte Pumpe fast luftleer gemachten Raum kommen. Merkwürdig sind die Folgen. Ein großer Theil des im Körper befindlichen Blutes wendet sich gegen genannte Partien, und verläßt somit von der Krankheit bedrohte Körperregionen. Sämmtliche blutführende Gefäße strotzen, der Theil röthet sich, schwillt, oft um mehrere Zolle - es kommt zur vermehrten Wärmeentwicklung und Schweißbildung. Damit experimentirte er im Hotel-Dieu zur Zeit der Cholera, damit heilt er Schlagflüsse, Lähmungen, Rheumatismen, Krankheiten der Ohren, Augen etc. der hartnäckigsten Art. Wirklich hat auch die Medicin nicht leicht ein energischeres Mittel an der Hand; aber immer ward dem Erfinder die Gefahr entgegengesetzt, welche in dem Hin- und Herschwanken einer solchen Blutmasse besteht - denn die Vorrichtung läßt durch Hineinpumpen der Luft auch vermehrten Luftdruck zu, was nöthig wird, wenn, was öfter der Fall ist, während der Application Ohnmachten entstehen. Das Blut strömt sodann wieder zurück in Folge des Drucks, der auf den Körpertheil überall gleich vertheilt ausgeübt wird, was in der Medicin bis jetzt noch Problem war. Gannal, bekannt durch seine Einbalsamirungsmethode, sprach über die Nachtheile, welche die Anwendung des Arseniks zum
(Beschluß folgt.) Frankreich. Akademiesitzungen vom November bis Januar. Dutrochet, welchem die Physiologie höchst werthvolle Untersuchungen verdankt, beschäftigte sich diesen Sommer hindurch mit Experimenten über die Wärmeentwicklung der Pflanzen vermittelst des äußerst empfindlichen Galvanometers von Peltier, bei welchem 16 Grade Abweichung der Nadel einem Grade des hunderttheiligen Thermometers entsprechen. Den einen Pol seines thermo-elektrischen Apparats brachte er zu dem Zweck mit dem Innern eines von der Pflanze getrennten, somit der Lebenswärme beraubten Zweiges in Verbindung, den andern mit der lebenden und vegetirenden Pflanze, und das Ganze bedeckte eine große Glasglocke. Aus der Abweichung der Nadel ging die Differenz der Temperatur der todten und lebenden Pflanze deutlich hervor, deren letzterer Temperatur nach Dutrochet immer höher gestellt ist, als die der sie umgebenden Medien. Diese Lebenswärme der Vegetabilien ist aber sehr verschieden, denn während der Stamm und die holzigen Theile, z. B. von Sambucus nigra, Rosa canina durchaus keine Wärme zeigen, ist die Wärmeentwicklung am Laub, den Sprößlingen nur im Moment der vollkommensten Entfaltung der Pflanze am ausgesprochensten. Unter allen Pflanzen bot ihm die Euphorbia Lathyris die höchste Temperatur dar, aber sie verschwand während der Nacht auch vollkommen, so wie überhaupt ein Steigen der Temperatur bei Tag und ein Fallen bei der Nacht sich allenthalben bemerklich machte. Versetzte man die Pflanzen auch in gänzliche Dunkelheit, so brachte man die Temperatur wohl ins Fallen, nichtsdestoweniger aber waltete das Gesetz der Ab- und Zunahme der Temperatur fort, welche von 10 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags am höchsten stieg. Bisher theilte man die Erfindung der Uebertragung der Dampfkraft auf die Schifffahrt immer Fulton zu. Allein es scheint seit den interessanten Aufschlüssen von Jouffroy gewiß, daß dem Marquis de Jouffroy diese Ehre gebühre und Fulton dessen Versuchen damals beigewohnt habe. Jouffroy errichtete zu Beaume auf dem Doubs das erste Dampfboot, welches im Junius und Julius 1776 diesen Strom beschiffte. 1780 errichtete er ein größeres zu Lyon mit bedeutenden Verbesserungen, und manövrirte damit auf der Saone in Gegenwart der Mitglieder der Académie de science zu Lyon und einer großen Menge von andern Zuschauern, wovon noch einige am Leben sind. Dumas gab Rechenschaft von einer Entdeckung eines jungen Chemikers, De la Lande, wodurch die Anzahl der uns bekannten isomeren Körper neuerdings vermehrt wurde. Es ist dieß der Camster, welcher, wenn er mit Schwefelsäure behandelt wird, in eine Art Oel sich umwandelt, aus welchem, durch Zuthun von Kali, der Camster in seiner frühern Gestalt wieder erscheint. Während die aufmerksamste Untersuchung in diesen zwei Gestaltungen, unter welcher der Camster erscheint, nicht die mindeste Verschiedenheit in der chemischen Constitution nachzuweisen im Stande ist, hat Biot gefunden, daß – obgleich die Wirkung des polarisirten Lichtstrahls auf beide dieselbe – doch die Rotationsfähigkeit der einzelnen Molecule eine verschiedene ist. Sollte, fragt Biot, diese Erscheinung isomerer Körper vom Dazwischentreten einer der Chemie noch unentdeckbaren oder unwägbaren Substanz abhängen, oder nicht viel wahrscheinlicher einer Umänderung in der specifischen Wärme ihr Daseyn verdanken? – Fragen, deren Lösung, als nächstens zu veröffentlichend, Arago ankündet. Aimé, erst der Gelehrtencommission in Algier beigegeben, stellte Versuche über die Niveauveränderungen des Meeres im Algierer Hafen an, da zu vermuthen stand, daß die Ebbe und Fluth des atlantischen Meeres von der Meerenge zu Gibraltar her sich bemerklich machte. Allein es fand sich keine Spur, wohl aber, daß das Steigen und Fallen des Meeres vollkommen mit dem des Barometers übereinkomme. Rousseau übergab neue Resultate, welche ihm sein Instrument zur Untersuchung der elektrischen Leitungsfähigkeit verschiedener im Hauswesen und in der Pharmacie gebräuchlicher Stoffe lieferte. Er nennt sein Instrument Diagometer, und will damit jede Verfälschung des pulverisirten Kaffees, z. B. mit Cichorie, des Cacao's, Olivenöls und mancher Gummiharze augenblicklich erkennen, daß dieselben Leiter für die Elektricität werden, was sie im reinen, unverfälschten Zustande nicht sind. Junod hat neuerdings eine Heilung des schwarzen Staares durch mehrmalige Anwendung seiner großen Ventousen zu Stande gebracht. Junods Versuche datiren sich seit 1828. Er begann damals damit, eines seiner Zimmer luftdicht zu machen und durch allmähliches Auspumpen die Luft so zu verdünnen, daß der Barometer eine größere Verminderung des Luftdrucks angab, als Gay-Lussac und Saussure beim Ersteigen des Montblanc zu erdulden hatten. Er studirte nun sämmtliche physiologische Vorgänge, und wies zuerst die rein mechanische Wirkung des verminderten Luftdrucks auf den menschlichen Körper bei Ersteigung von großen Höhen nach – Erscheinungen, welche man früher theilweise der größern Trockenheit und der Elektricität der Luft zuschrieb. Von diesen Versuchen ging er zur Anwendung des verminderten und vermehrten Luftdrucks in der Medicin über, und gebraucht nunmehr große Metallröhren, welche an dem einen offenen Ende eine Vorrichtung aus Kautschuk haben, welche sich dem Theile des menschlichen Körpers, der in die Röhre kommt, genau anschließt. Es sind bald bloß die Arme, die Füße, bald die untere Hälfte des Leibes, welche in den durch die angebrachte Pumpe fast luftleer gemachten Raum kommen. Merkwürdig sind die Folgen. Ein großer Theil des im Körper befindlichen Blutes wendet sich gegen genannte Partien, und verläßt somit von der Krankheit bedrohte Körperregionen. Sämmtliche blutführende Gefäße strotzen, der Theil röthet sich, schwillt, oft um mehrere Zolle – es kommt zur vermehrten Wärmeentwicklung und Schweißbildung. Damit experimentirte er im Hotel-Dieu zur Zeit der Cholera, damit heilt er Schlagflüsse, Lähmungen, Rheumatismen, Krankheiten der Ohren, Augen etc. der hartnäckigsten Art. Wirklich hat auch die Medicin nicht leicht ein energischeres Mittel an der Hand; aber immer ward dem Erfinder die Gefahr entgegengesetzt, welche in dem Hin- und Herschwanken einer solchen Blutmasse besteht – denn die Vorrichtung läßt durch Hineinpumpen der Luft auch vermehrten Luftdruck zu, was nöthig wird, wenn, was öfter der Fall ist, während der Application Ohnmachten entstehen. Das Blut strömt sodann wieder zurück in Folge des Drucks, der auf den Körpertheil überall gleich vertheilt ausgeübt wird, was in der Medicin bis jetzt noch Problem war. Gannal, bekannt durch seine Einbalsamirungsmethode, sprach über die Nachtheile, welche die Anwendung des Arseniks zum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0011" n="0108"/><lb/> gefürchtet wird, geht schon daraus hervor, daß Rußland gerade dem Aufkommen der polnischen Bauern den entschiedensten Widerstand entgegensetzt, während Preußen sie am meisten zu gewinnen sucht. – Rußland will sie zu russischen, Preußen möchte sie zu deutschen Bauern machen.</p><lb/> <p>(Beschluß folgt.)</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#g">Akademiesitzungen vom November bis Januar</hi>.</p><lb/> <p>Dutrochet, welchem die Physiologie höchst werthvolle Untersuchungen verdankt, beschäftigte sich diesen Sommer hindurch mit Experimenten über die Wärmeentwicklung der Pflanzen vermittelst des äußerst empfindlichen Galvanometers von Peltier, bei welchem 16 Grade Abweichung der Nadel einem Grade des hunderttheiligen Thermometers entsprechen. Den einen Pol seines thermo-elektrischen Apparats brachte er zu dem Zweck mit dem Innern eines von der Pflanze getrennten, somit der Lebenswärme beraubten Zweiges in Verbindung, den andern mit der lebenden und vegetirenden Pflanze, und das Ganze bedeckte eine große Glasglocke. Aus der Abweichung der Nadel ging die Differenz der Temperatur der todten und lebenden Pflanze deutlich hervor, deren letzterer Temperatur nach Dutrochet immer höher gestellt ist, als die der sie umgebenden Medien. Diese Lebenswärme der Vegetabilien ist aber sehr verschieden, denn während der Stamm und die holzigen Theile, z. B. von Sambucus nigra, Rosa canina durchaus keine Wärme zeigen, ist die Wärmeentwicklung am Laub, den Sprößlingen nur im Moment der vollkommensten Entfaltung der Pflanze am ausgesprochensten. Unter allen Pflanzen bot ihm die Euphorbia Lathyris die höchste Temperatur dar, aber sie verschwand während der Nacht auch vollkommen, so wie überhaupt ein Steigen der Temperatur bei Tag und ein Fallen bei der Nacht sich allenthalben bemerklich machte. Versetzte man die Pflanzen auch in gänzliche Dunkelheit, so brachte man die Temperatur wohl ins Fallen, nichtsdestoweniger aber waltete das Gesetz der Ab- und Zunahme der Temperatur fort, welche von 10 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags am höchsten stieg.</p><lb/> <p>Bisher theilte man die Erfindung der Uebertragung der Dampfkraft auf die Schifffahrt immer Fulton zu. Allein es scheint seit den interessanten Aufschlüssen von Jouffroy gewiß, daß dem Marquis de Jouffroy diese Ehre gebühre und Fulton dessen Versuchen damals beigewohnt habe. Jouffroy errichtete zu Beaume auf dem Doubs das erste Dampfboot, welches im Junius und Julius 1776 diesen Strom beschiffte. 1780 errichtete er ein größeres zu Lyon mit bedeutenden Verbesserungen, und manövrirte damit auf der Saone in Gegenwart der Mitglieder der Académie de science zu Lyon und einer großen Menge von andern Zuschauern, wovon noch einige am Leben sind.</p><lb/> <p>Dumas gab Rechenschaft von einer Entdeckung eines jungen Chemikers, De la Lande, wodurch die Anzahl der uns bekannten isomeren Körper neuerdings vermehrt wurde. Es ist dieß der Camster, welcher, wenn er mit Schwefelsäure behandelt wird, in eine Art Oel sich umwandelt, aus welchem, durch Zuthun von Kali, der Camster in seiner frühern Gestalt wieder erscheint. Während die aufmerksamste Untersuchung in diesen zwei Gestaltungen, unter welcher der Camster erscheint, nicht die mindeste Verschiedenheit in der chemischen Constitution nachzuweisen im Stande ist, hat Biot gefunden, daß – obgleich die Wirkung des polarisirten Lichtstrahls auf beide dieselbe – doch die Rotationsfähigkeit der einzelnen Molecule eine verschiedene ist. Sollte, fragt Biot, diese Erscheinung isomerer Körper vom Dazwischentreten einer der Chemie noch unentdeckbaren oder unwägbaren Substanz abhängen, oder nicht viel wahrscheinlicher einer Umänderung in der specifischen Wärme ihr Daseyn verdanken? – Fragen, deren Lösung, als nächstens zu veröffentlichend, Arago ankündet.</p><lb/> <p>Aimé, erst der Gelehrtencommission in Algier beigegeben, stellte Versuche über die Niveauveränderungen des Meeres im Algierer Hafen an, da zu vermuthen stand, daß die Ebbe und Fluth des atlantischen Meeres von der Meerenge zu Gibraltar her sich bemerklich machte. Allein es fand sich keine Spur, wohl aber, daß das Steigen und Fallen des Meeres vollkommen mit dem des Barometers übereinkomme.</p><lb/> <p>Rousseau übergab neue Resultate, welche ihm sein Instrument zur Untersuchung der elektrischen Leitungsfähigkeit verschiedener im Hauswesen und in der Pharmacie gebräuchlicher Stoffe lieferte. Er nennt sein Instrument Diagometer, und will damit jede Verfälschung des pulverisirten Kaffees, z. B. mit Cichorie, des Cacao's, Olivenöls und mancher Gummiharze augenblicklich erkennen, daß dieselben Leiter für die Elektricität werden, was sie im reinen, unverfälschten Zustande nicht sind.</p><lb/> <p>Junod hat neuerdings eine Heilung des schwarzen Staares durch mehrmalige Anwendung seiner großen Ventousen zu Stande gebracht. Junods Versuche datiren sich seit 1828. Er begann damals damit, eines seiner Zimmer luftdicht zu machen und durch allmähliches Auspumpen die Luft so zu verdünnen, daß der Barometer eine größere Verminderung des Luftdrucks angab, als Gay-Lussac und Saussure beim Ersteigen des Montblanc zu erdulden hatten. Er studirte nun sämmtliche physiologische Vorgänge, und wies zuerst die rein mechanische Wirkung des verminderten Luftdrucks auf den menschlichen Körper bei Ersteigung von großen Höhen nach – Erscheinungen, welche man früher theilweise der größern Trockenheit und der Elektricität der Luft zuschrieb. Von diesen Versuchen ging er zur Anwendung des verminderten und vermehrten Luftdrucks in der Medicin über, und gebraucht nunmehr große Metallröhren, welche an dem einen offenen Ende eine Vorrichtung aus Kautschuk haben, welche sich dem Theile des menschlichen Körpers, der in die Röhre kommt, genau anschließt. Es sind bald bloß die Arme, die Füße, bald die untere Hälfte des Leibes, welche in den durch die angebrachte Pumpe fast luftleer gemachten Raum kommen. Merkwürdig sind die Folgen. Ein großer Theil des im Körper befindlichen Blutes wendet sich gegen genannte Partien, und verläßt somit von der Krankheit bedrohte Körperregionen. Sämmtliche blutführende Gefäße strotzen, der Theil röthet sich, schwillt, oft um mehrere Zolle – es kommt zur vermehrten Wärmeentwicklung und Schweißbildung. Damit experimentirte er im Hotel-Dieu zur Zeit der Cholera, damit heilt er Schlagflüsse, Lähmungen, Rheumatismen, Krankheiten der Ohren, Augen etc. der hartnäckigsten Art. Wirklich hat auch die Medicin nicht leicht ein energischeres Mittel an der Hand; aber immer ward dem Erfinder die Gefahr entgegengesetzt, welche in dem Hin- und Herschwanken einer solchen Blutmasse besteht – denn die Vorrichtung läßt durch Hineinpumpen der Luft auch vermehrten Luftdruck zu, was nöthig wird, wenn, was öfter der Fall ist, während der Application Ohnmachten entstehen. Das Blut strömt sodann wieder zurück in Folge des Drucks, der auf den Körpertheil überall <hi rendition="#g">gleich vertheilt</hi> ausgeübt wird, was in der Medicin bis jetzt noch Problem war.</p><lb/> <p>Gannal, bekannt durch seine Einbalsamirungsmethode, sprach über die Nachtheile, welche die Anwendung des Arseniks zum<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108/0011]
gefürchtet wird, geht schon daraus hervor, daß Rußland gerade dem Aufkommen der polnischen Bauern den entschiedensten Widerstand entgegensetzt, während Preußen sie am meisten zu gewinnen sucht. – Rußland will sie zu russischen, Preußen möchte sie zu deutschen Bauern machen.
(Beschluß folgt.)
Frankreich.
Akademiesitzungen vom November bis Januar.
Dutrochet, welchem die Physiologie höchst werthvolle Untersuchungen verdankt, beschäftigte sich diesen Sommer hindurch mit Experimenten über die Wärmeentwicklung der Pflanzen vermittelst des äußerst empfindlichen Galvanometers von Peltier, bei welchem 16 Grade Abweichung der Nadel einem Grade des hunderttheiligen Thermometers entsprechen. Den einen Pol seines thermo-elektrischen Apparats brachte er zu dem Zweck mit dem Innern eines von der Pflanze getrennten, somit der Lebenswärme beraubten Zweiges in Verbindung, den andern mit der lebenden und vegetirenden Pflanze, und das Ganze bedeckte eine große Glasglocke. Aus der Abweichung der Nadel ging die Differenz der Temperatur der todten und lebenden Pflanze deutlich hervor, deren letzterer Temperatur nach Dutrochet immer höher gestellt ist, als die der sie umgebenden Medien. Diese Lebenswärme der Vegetabilien ist aber sehr verschieden, denn während der Stamm und die holzigen Theile, z. B. von Sambucus nigra, Rosa canina durchaus keine Wärme zeigen, ist die Wärmeentwicklung am Laub, den Sprößlingen nur im Moment der vollkommensten Entfaltung der Pflanze am ausgesprochensten. Unter allen Pflanzen bot ihm die Euphorbia Lathyris die höchste Temperatur dar, aber sie verschwand während der Nacht auch vollkommen, so wie überhaupt ein Steigen der Temperatur bei Tag und ein Fallen bei der Nacht sich allenthalben bemerklich machte. Versetzte man die Pflanzen auch in gänzliche Dunkelheit, so brachte man die Temperatur wohl ins Fallen, nichtsdestoweniger aber waltete das Gesetz der Ab- und Zunahme der Temperatur fort, welche von 10 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags am höchsten stieg.
Bisher theilte man die Erfindung der Uebertragung der Dampfkraft auf die Schifffahrt immer Fulton zu. Allein es scheint seit den interessanten Aufschlüssen von Jouffroy gewiß, daß dem Marquis de Jouffroy diese Ehre gebühre und Fulton dessen Versuchen damals beigewohnt habe. Jouffroy errichtete zu Beaume auf dem Doubs das erste Dampfboot, welches im Junius und Julius 1776 diesen Strom beschiffte. 1780 errichtete er ein größeres zu Lyon mit bedeutenden Verbesserungen, und manövrirte damit auf der Saone in Gegenwart der Mitglieder der Académie de science zu Lyon und einer großen Menge von andern Zuschauern, wovon noch einige am Leben sind.
Dumas gab Rechenschaft von einer Entdeckung eines jungen Chemikers, De la Lande, wodurch die Anzahl der uns bekannten isomeren Körper neuerdings vermehrt wurde. Es ist dieß der Camster, welcher, wenn er mit Schwefelsäure behandelt wird, in eine Art Oel sich umwandelt, aus welchem, durch Zuthun von Kali, der Camster in seiner frühern Gestalt wieder erscheint. Während die aufmerksamste Untersuchung in diesen zwei Gestaltungen, unter welcher der Camster erscheint, nicht die mindeste Verschiedenheit in der chemischen Constitution nachzuweisen im Stande ist, hat Biot gefunden, daß – obgleich die Wirkung des polarisirten Lichtstrahls auf beide dieselbe – doch die Rotationsfähigkeit der einzelnen Molecule eine verschiedene ist. Sollte, fragt Biot, diese Erscheinung isomerer Körper vom Dazwischentreten einer der Chemie noch unentdeckbaren oder unwägbaren Substanz abhängen, oder nicht viel wahrscheinlicher einer Umänderung in der specifischen Wärme ihr Daseyn verdanken? – Fragen, deren Lösung, als nächstens zu veröffentlichend, Arago ankündet.
Aimé, erst der Gelehrtencommission in Algier beigegeben, stellte Versuche über die Niveauveränderungen des Meeres im Algierer Hafen an, da zu vermuthen stand, daß die Ebbe und Fluth des atlantischen Meeres von der Meerenge zu Gibraltar her sich bemerklich machte. Allein es fand sich keine Spur, wohl aber, daß das Steigen und Fallen des Meeres vollkommen mit dem des Barometers übereinkomme.
Rousseau übergab neue Resultate, welche ihm sein Instrument zur Untersuchung der elektrischen Leitungsfähigkeit verschiedener im Hauswesen und in der Pharmacie gebräuchlicher Stoffe lieferte. Er nennt sein Instrument Diagometer, und will damit jede Verfälschung des pulverisirten Kaffees, z. B. mit Cichorie, des Cacao's, Olivenöls und mancher Gummiharze augenblicklich erkennen, daß dieselben Leiter für die Elektricität werden, was sie im reinen, unverfälschten Zustande nicht sind.
Junod hat neuerdings eine Heilung des schwarzen Staares durch mehrmalige Anwendung seiner großen Ventousen zu Stande gebracht. Junods Versuche datiren sich seit 1828. Er begann damals damit, eines seiner Zimmer luftdicht zu machen und durch allmähliches Auspumpen die Luft so zu verdünnen, daß der Barometer eine größere Verminderung des Luftdrucks angab, als Gay-Lussac und Saussure beim Ersteigen des Montblanc zu erdulden hatten. Er studirte nun sämmtliche physiologische Vorgänge, und wies zuerst die rein mechanische Wirkung des verminderten Luftdrucks auf den menschlichen Körper bei Ersteigung von großen Höhen nach – Erscheinungen, welche man früher theilweise der größern Trockenheit und der Elektricität der Luft zuschrieb. Von diesen Versuchen ging er zur Anwendung des verminderten und vermehrten Luftdrucks in der Medicin über, und gebraucht nunmehr große Metallröhren, welche an dem einen offenen Ende eine Vorrichtung aus Kautschuk haben, welche sich dem Theile des menschlichen Körpers, der in die Röhre kommt, genau anschließt. Es sind bald bloß die Arme, die Füße, bald die untere Hälfte des Leibes, welche in den durch die angebrachte Pumpe fast luftleer gemachten Raum kommen. Merkwürdig sind die Folgen. Ein großer Theil des im Körper befindlichen Blutes wendet sich gegen genannte Partien, und verläßt somit von der Krankheit bedrohte Körperregionen. Sämmtliche blutführende Gefäße strotzen, der Theil röthet sich, schwillt, oft um mehrere Zolle – es kommt zur vermehrten Wärmeentwicklung und Schweißbildung. Damit experimentirte er im Hotel-Dieu zur Zeit der Cholera, damit heilt er Schlagflüsse, Lähmungen, Rheumatismen, Krankheiten der Ohren, Augen etc. der hartnäckigsten Art. Wirklich hat auch die Medicin nicht leicht ein energischeres Mittel an der Hand; aber immer ward dem Erfinder die Gefahr entgegengesetzt, welche in dem Hin- und Herschwanken einer solchen Blutmasse besteht – denn die Vorrichtung läßt durch Hineinpumpen der Luft auch vermehrten Luftdruck zu, was nöthig wird, wenn, was öfter der Fall ist, während der Application Ohnmachten entstehen. Das Blut strömt sodann wieder zurück in Folge des Drucks, der auf den Körpertheil überall gleich vertheilt ausgeübt wird, was in der Medicin bis jetzt noch Problem war.
Gannal, bekannt durch seine Einbalsamirungsmethode, sprach über die Nachtheile, welche die Anwendung des Arseniks zum
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