Allgemeine Zeitung. Nr. 15. Augsburg, 15. Januar 1840.Menge erlangt." Der Alte der Tage hatte zu Gericht gesessen über Polen. Es ward gewogen in einer Wage und zu leicht befunden. "Seitdem ist es still, sehr still geworden. Die Posaunen des Auslandes sind verstummt, die Liedersänger sind verschwunden, alle Weissagungen ungelöst geblieben. Hier und da ein ausgebranntes zusammensinkendes Gemäuer, das ist der letzte Zeuge von dem Geiste, welcher "der heilsam schaffenden Gewalt die kalte Teufelsfaust entgegensetzte." Doch nein. Es kam ja ein Meuchelmörder, um Altpolens Untergang zu rächen durch Königsmord. Von Alibauds weißen Lippen vernahm Europa die Todtenklage der polnischen Republik. Einzig trauriges Geschick! Altpolens letzte glimmende Funken erlöschen. Sein tausendjähriger kummervoller Lebenslauf ist geschlossen und vollendet für immer. Alles schweigt. Diesseits und jenseits des Canals nur ein sinnloses Gepolter vom alten wohlbekannten Maulwurf. Keine Lücke aber wird bemerkt, keine Leere ist entstanden, denn der Erbe ist schon im Besitz und Recht. Da tritt ein Königsmörder als Leichenredner von Altpolen auf, und während die europäische Politik sich noch streitet und erbittert, ob hier der Proceß völlig zu Ende und ohne Recurs, da spricht das Schaffot: Altpolen hat geendet, ich wollte seinen Untergang rächen, eben weil Alles unabänderlich dahin! "Die polnische Republik ist in ihren letzten Trümmern, d. h. alles dasjenige, was die französischen Kammern und die englische Presse unter "polnischer Nationalität" gemeinhin verstehen, eine Antiquität geworden. Die Sturmeswogen der Revolution haben die Constitution, den Reichstag, die Armee, die Szlachta, die Universität, die Landesfarben und Orden verschlungen. Es bewährte sich hier wiederum, daß eine Revolution zwar Vieles zerstören, aber Nichts aufbauen könne. Solches mag man nun immerhin an der Seine und Themse beklagen; doch schwer einzusehen ist, wie solches für Rußland "eine Verlegenheit" geworden sey. Im Gegentheil scheint es, als habe die polnische Revolution Rußlands Interesse mehr befördert als gefährdet. Denn die Irrthümer, welche Alexanders Großmuth begangen, sind durch jene vollständig und radical corrigirt worden. Nun vermag Rußland auf die radirte Tafel einen neuen Bauplan zu entwerfen, und man muß gestehen, daß in dem Verlauf von acht Jahren schon Manches geschehen, um das Czarthum Polen zu einer Wahrheit zu machen. Polens Scepter und Krone ruhen im Kreml; Festungslinien durchschneiden das Land; eine russische Armee bewacht die Sicherheit des Volkes; russische verdiente Militär- und Civilpersonen haben die früheren Staatsdomänen als Eigenthum erhalten, während der Grundbesitz des unruhigen und feindseligen Adels auf den Staat überging; die griechische Kirche, der "alte Glaube," wie das Volk sie nennt, ist nicht mehr verwaist und verfolgt; der unterdrückte Bauer findet nicht nur auf dem Papier, sondern in der That Schutz und Recht. Der Wohlstand von Warschau, dieses Hauptherdes der Revolution, ist allerdings gegen die frühere Zeit von 1815 bis 1830 gesunken, doch die Wunden des Landes, welche die Revolution geschlagen, sind geheilt und der Staat dem Leichtsinn einer Stadt nicht weiter preisgegeben. Schickt eure Emissäre und Agitatoren, sie werden keinen andern Weg nach Polen finden, als jenen traurigen, letzten, von dem keiner wieder zurückkehrt. Suchet Polen zum andern Male zu insurgiren, wer wird wohl zu euern Lockpfeifen tanzen, tanzen um das Hochgericht! Ihr beschwört eure Hülfe! Hat hier aber ein Hannibal oder Talleyrand geschworen? Ach, die Polen wissen es aus Erfahrung, der letztere schwor und log." Dänemark. Kopenhagen, 30 Dec. Es werden sich gewiß Manche einer Aeußerung eines bekannten französischen Officiers erinnern, der bei dem kleinen Treffen bei Sehestedt eine bedeutende Rolle spielte. Der Generalstab verblieb indeß unverändert derselbe, mit Ausnahme der wenigen subalternen Vacanzen in demselben, die aus natürlichen Gründen in einer langen Reihe von Jahren eintreffen müssen. Erst heute sehen wir uns im Stande, bedeutendere Veränderungen in der Organisation und der speciellen Personal-Repräsentation desselben anmelden können. Der Generaladjutant der Armee, Chef des Generalstabs und vieljährige einflußreiche Freund des verstorbenen Königs, Generallieutenant v. Bülow, hat seinen Abschied genommen. Das, mit Rücksicht auf Personenzahl, bedeutende Büreau des Generalstabs, dessen Chef er war, ist großen Veränderungen unterworfen worden. Ein Theil der Beamten in demselben, und gewiß der tauglichere, ist zu einem ähnlichen, neuen Bureau des Generaladjutanten des See-Etats, zu welchem Posten der Commandeur und Chef der See-Cadetten-Akademie, Wulf, ernannt ist, verwendet worden; das übrige Personale verbleibt in dem Bureau, zu dessen Chef der Obristlieutenant Ewald als Generaladjutant des Landetats ernannt worden ist. Der Obrist Steinmann ist Chef des Generalstabs geworden; die übrigen Mitglieder desselben sind auf die eine oder die andere Weise entfernt, indem der Obristlieutenant Hagemann, Adjutant des commandirenden Generals der Inseln Seeland, Laaland, Falster und Möen, Prinzen Friedrich Ferdinand, und der Kammerherr und Obrist Rothe zum Commandanten der Festung Kronburg ernannt worden ist. Daß dieser letzte Posten in dieser für den Sundzoll so prekären Zeit für eine Sinecure, wie man vermuthen muß, angesehen werden soll, steht im Einklange mit den vorerwähnten Ernennungen. Die am Tage nach der Thronbesteigung des Königs ausgefertigte Bestimmung, daß der Kronprinz in Fridericia verbleiben solle, wurde allgemein als nur interimistisch angesehen, indem die Bildung des Kronprinzen zum künftigen Regenten, welche ja nur in der Haupt- und Residenzstadt, als dem Centralpunkt der Kraft und Intelligenz, stattfinden konnte, aus keinen Rücksichten versäumt werden durfte. Seitdem sind aber mehrere Resolutionen, den Aufenthaltsort und das zukünftige Wirken des Kronprinzen betreffend, emanirt. Demzufolge ist der Kronprinz zum commandirenden General der Halbinsel Jütland und der Insel Fühnen ernannt worden, und, um sich einigermaßen in der Mitte seines Districts befinden zu können, wurde hinzugefügt, solle er sich in Fridericia aufhalten. Späterhin ist der Kronprinz zum Gouverneur der Insel Fühnen ernannt worden, "um Gelegenheit zu erhalten, die administrativen Verhältnisse kennen zu lernen," damit der König zugleich "der Provinz Fühnen, die bisher der besondern Sorge Allerhöchstdesselben anvertraut war, einen neuen Beweis seiner königlichen Huld und Gnade geben könne." Der Kronprinz hat als solcher dieselbe Instruction erhalten, die sein Vater am 15 Nov. 1815 erhielt, als er zum Gouverneur ernannt wurde. Jedoch bedingt dieser hohe Posten keinen beständigen Aufenthalt auf der Insel, da der Prinz Christian unter denselben Verhältnissen den größten Theil des Jahres in der Hauptstadt zubrachte, und dort Theil an den Verhandlungen des Staatsraths nebst manchen andern Verwaltungen nahm. Daß dasselbe mit dem Kronprinzen der Fall seyn wird, hat man allen Grund zu hoffen, und seine auf den 14 Jan. festgesetzte Ankunft in Kopenhagen wird gewiß von wichtigerem Erfolg seyn, als daß er nur dem Leichenbegängnisse des verstorbenen Königs beiwohnen Menge erlangt.“ Der Alte der Tage hatte zu Gericht gesessen über Polen. Es ward gewogen in einer Wage und zu leicht befunden. „Seitdem ist es still, sehr still geworden. Die Posaunen des Auslandes sind verstummt, die Liedersänger sind verschwunden, alle Weissagungen ungelöst geblieben. Hier und da ein ausgebranntes zusammensinkendes Gemäuer, das ist der letzte Zeuge von dem Geiste, welcher „der heilsam schaffenden Gewalt die kalte Teufelsfaust entgegensetzte.“ Doch nein. Es kam ja ein Meuchelmörder, um Altpolens Untergang zu rächen durch Königsmord. Von Alibauds weißen Lippen vernahm Europa die Todtenklage der polnischen Republik. Einzig trauriges Geschick! Altpolens letzte glimmende Funken erlöschen. Sein tausendjähriger kummervoller Lebenslauf ist geschlossen und vollendet für immer. Alles schweigt. Diesseits und jenseits des Canals nur ein sinnloses Gepolter vom alten wohlbekannten Maulwurf. Keine Lücke aber wird bemerkt, keine Leere ist entstanden, denn der Erbe ist schon im Besitz und Recht. Da tritt ein Königsmörder als Leichenredner von Altpolen auf, und während die europäische Politik sich noch streitet und erbittert, ob hier der Proceß völlig zu Ende und ohne Recurs, da spricht das Schaffot: Altpolen hat geendet, ich wollte seinen Untergang rächen, eben weil Alles unabänderlich dahin! „Die polnische Republik ist in ihren letzten Trümmern, d. h. alles dasjenige, was die französischen Kammern und die englische Presse unter „polnischer Nationalität“ gemeinhin verstehen, eine Antiquität geworden. Die Sturmeswogen der Revolution haben die Constitution, den Reichstag, die Armee, die Szlachta, die Universität, die Landesfarben und Orden verschlungen. Es bewährte sich hier wiederum, daß eine Revolution zwar Vieles zerstören, aber Nichts aufbauen könne. Solches mag man nun immerhin an der Seine und Themse beklagen; doch schwer einzusehen ist, wie solches für Rußland „eine Verlegenheit“ geworden sey. Im Gegentheil scheint es, als habe die polnische Revolution Rußlands Interesse mehr befördert als gefährdet. Denn die Irrthümer, welche Alexanders Großmuth begangen, sind durch jene vollständig und radical corrigirt worden. Nun vermag Rußland auf die radirte Tafel einen neuen Bauplan zu entwerfen, und man muß gestehen, daß in dem Verlauf von acht Jahren schon Manches geschehen, um das Czarthum Polen zu einer Wahrheit zu machen. Polens Scepter und Krone ruhen im Kreml; Festungslinien durchschneiden das Land; eine russische Armee bewacht die Sicherheit des Volkes; russische verdiente Militär- und Civilpersonen haben die früheren Staatsdomänen als Eigenthum erhalten, während der Grundbesitz des unruhigen und feindseligen Adels auf den Staat überging; die griechische Kirche, der „alte Glaube,“ wie das Volk sie nennt, ist nicht mehr verwaist und verfolgt; der unterdrückte Bauer findet nicht nur auf dem Papier, sondern in der That Schutz und Recht. Der Wohlstand von Warschau, dieses Hauptherdes der Revolution, ist allerdings gegen die frühere Zeit von 1815 bis 1830 gesunken, doch die Wunden des Landes, welche die Revolution geschlagen, sind geheilt und der Staat dem Leichtsinn einer Stadt nicht weiter preisgegeben. Schickt eure Emissäre und Agitatoren, sie werden keinen andern Weg nach Polen finden, als jenen traurigen, letzten, von dem keiner wieder zurückkehrt. Suchet Polen zum andern Male zu insurgiren, wer wird wohl zu euern Lockpfeifen tanzen, tanzen um das Hochgericht! Ihr beschwört eure Hülfe! Hat hier aber ein Hannibal oder Talleyrand geschworen? Ach, die Polen wissen es aus Erfahrung, der letztere schwor und log.“ Dänemark. Kopenhagen, 30 Dec. Es werden sich gewiß Manche einer Aeußerung eines bekannten französischen Officiers erinnern, der bei dem kleinen Treffen bei Sehestedt eine bedeutende Rolle spielte. Der Generalstab verblieb indeß unverändert derselbe, mit Ausnahme der wenigen subalternen Vacanzen in demselben, die aus natürlichen Gründen in einer langen Reihe von Jahren eintreffen müssen. Erst heute sehen wir uns im Stande, bedeutendere Veränderungen in der Organisation und der speciellen Personal-Repräsentation desselben anmelden können. Der Generaladjutant der Armee, Chef des Generalstabs und vieljährige einflußreiche Freund des verstorbenen Königs, Generallieutenant v. Bülow, hat seinen Abschied genommen. Das, mit Rücksicht auf Personenzahl, bedeutende Büreau des Generalstabs, dessen Chef er war, ist großen Veränderungen unterworfen worden. Ein Theil der Beamten in demselben, und gewiß der tauglichere, ist zu einem ähnlichen, neuen Bureau des Generaladjutanten des See-Etats, zu welchem Posten der Commandeur und Chef der See-Cadetten-Akademie, Wulf, ernannt ist, verwendet worden; das übrige Personale verbleibt in dem Bureau, zu dessen Chef der Obristlieutenant Ewald als Generaladjutant des Landetats ernannt worden ist. Der Obrist Steinmann ist Chef des Generalstabs geworden; die übrigen Mitglieder desselben sind auf die eine oder die andere Weise entfernt, indem der Obristlieutenant Hagemann, Adjutant des commandirenden Generals der Inseln Seeland, Laaland, Falster und Möen, Prinzen Friedrich Ferdinand, und der Kammerherr und Obrist Rothe zum Commandanten der Festung Kronburg ernannt worden ist. Daß dieser letzte Posten in dieser für den Sundzoll so prekären Zeit für eine Sinecure, wie man vermuthen muß, angesehen werden soll, steht im Einklange mit den vorerwähnten Ernennungen. Die am Tage nach der Thronbesteigung des Königs ausgefertigte Bestimmung, daß der Kronprinz in Fridericia verbleiben solle, wurde allgemein als nur interimistisch angesehen, indem die Bildung des Kronprinzen zum künftigen Regenten, welche ja nur in der Haupt- und Residenzstadt, als dem Centralpunkt der Kraft und Intelligenz, stattfinden konnte, aus keinen Rücksichten versäumt werden durfte. Seitdem sind aber mehrere Resolutionen, den Aufenthaltsort und das zukünftige Wirken des Kronprinzen betreffend, emanirt. Demzufolge ist der Kronprinz zum commandirenden General der Halbinsel Jütland und der Insel Fühnen ernannt worden, und, um sich einigermaßen in der Mitte seines Districts befinden zu können, wurde hinzugefügt, solle er sich in Fridericia aufhalten. Späterhin ist der Kronprinz zum Gouverneur der Insel Fühnen ernannt worden, „um Gelegenheit zu erhalten, die administrativen Verhältnisse kennen zu lernen,“ damit der König zugleich „der Provinz Fühnen, die bisher der besondern Sorge Allerhöchstdesselben anvertraut war, einen neuen Beweis seiner königlichen Huld und Gnade geben könne.“ Der Kronprinz hat als solcher dieselbe Instruction erhalten, die sein Vater am 15 Nov. 1815 erhielt, als er zum Gouverneur ernannt wurde. Jedoch bedingt dieser hohe Posten keinen beständigen Aufenthalt auf der Insel, da der Prinz Christian unter denselben Verhältnissen den größten Theil des Jahres in der Hauptstadt zubrachte, und dort Theil an den Verhandlungen des Staatsraths nebst manchen andern Verwaltungen nahm. Daß dasselbe mit dem Kronprinzen der Fall seyn wird, hat man allen Grund zu hoffen, und seine auf den 14 Jan. festgesetzte Ankunft in Kopenhagen wird gewiß von wichtigerem Erfolg seyn, als daß er nur dem Leichenbegängnisse des verstorbenen Königs beiwohnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0012" n="0116"/> Menge erlangt</hi>.“ Der <hi rendition="#g">Alte der Tage</hi> hatte zu Gericht gesessen über Polen. Es ward gewogen in einer Wage und zu leicht befunden.</p><lb/> <p>„Seitdem ist es still, sehr still geworden. Die Posaunen des Auslandes sind verstummt, die Liedersänger sind verschwunden, alle Weissagungen ungelöst geblieben. Hier und da ein ausgebranntes zusammensinkendes Gemäuer, das ist der letzte Zeuge von dem Geiste, welcher „der heilsam schaffenden Gewalt die kalte Teufelsfaust entgegensetzte.“ Doch nein. Es kam ja ein Meuchelmörder, um Altpolens Untergang zu rächen durch Königsmord. Von <hi rendition="#g">Alibauds</hi> weißen Lippen vernahm Europa die Todtenklage der polnischen Republik. Einzig trauriges Geschick! Altpolens letzte glimmende Funken erlöschen. Sein tausendjähriger kummervoller Lebenslauf ist geschlossen und vollendet für immer. Alles schweigt. Diesseits und jenseits des Canals nur ein sinnloses Gepolter vom alten wohlbekannten Maulwurf. Keine Lücke aber wird bemerkt, keine Leere ist entstanden, denn der Erbe ist schon im Besitz und Recht. Da tritt ein Königsmörder als Leichenredner von Altpolen auf, und während die europäische Politik sich noch streitet und erbittert, ob hier der Proceß völlig zu Ende und ohne Recurs, da spricht das Schaffot: Altpolen hat geendet, ich wollte seinen Untergang rächen, eben weil Alles unabänderlich dahin!</p><lb/> <p>„Die polnische Republik ist in ihren letzten Trümmern, d. h. alles dasjenige, was die französischen Kammern und die englische Presse unter „polnischer Nationalität“ gemeinhin verstehen, eine Antiquität geworden. Die Sturmeswogen der Revolution haben die Constitution, den Reichstag, die Armee, die Szlachta, die Universität, die Landesfarben und Orden verschlungen. Es bewährte sich hier wiederum, daß eine Revolution zwar Vieles zerstören, aber Nichts aufbauen könne. Solches mag man nun immerhin an der Seine und Themse beklagen; doch schwer einzusehen ist, wie solches für Rußland „eine Verlegenheit“ geworden sey. Im Gegentheil scheint es, als habe die polnische Revolution Rußlands Interesse mehr befördert als gefährdet. Denn die Irrthümer, welche Alexanders Großmuth begangen, sind durch jene vollständig und radical corrigirt worden. Nun vermag Rußland auf die <hi rendition="#g">radirte Tafel</hi> einen neuen Bauplan zu entwerfen, und man muß gestehen, daß in dem Verlauf von acht Jahren schon Manches geschehen, um das Czarthum Polen zu einer Wahrheit zu machen. Polens Scepter und Krone ruhen im Kreml; Festungslinien durchschneiden das Land; eine russische Armee bewacht die Sicherheit des Volkes; russische verdiente Militär- und Civilpersonen haben die früheren Staatsdomänen als Eigenthum erhalten, während der Grundbesitz des unruhigen und feindseligen Adels auf den Staat überging; die griechische Kirche, der „alte Glaube,“ wie das Volk sie nennt, ist nicht mehr verwaist und verfolgt; der unterdrückte Bauer findet nicht nur auf dem Papier, sondern in der That Schutz und Recht. Der Wohlstand von Warschau, dieses Hauptherdes der Revolution, ist allerdings gegen die frühere Zeit von 1815 bis 1830 gesunken, doch die Wunden des Landes, welche die Revolution geschlagen, sind geheilt und der Staat dem Leichtsinn einer Stadt nicht weiter preisgegeben.</p><lb/> <p>Schickt eure Emissäre und Agitatoren, sie werden keinen andern Weg nach Polen finden, als jenen traurigen, letzten, von dem keiner wieder zurückkehrt. Suchet Polen zum andern Male zu insurgiren, wer wird wohl zu euern Lockpfeifen tanzen, tanzen um das Hochgericht! Ihr beschwört eure Hülfe! Hat hier aber ein Hannibal oder Talleyrand geschworen? Ach, die Polen wissen es aus Erfahrung, der letztere schwor und log.“</p> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Dänemark.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Kopenhagen,</hi> 30 Dec.</dateline> <p> Es werden sich gewiß Manche einer Aeußerung eines bekannten französischen Officiers erinnern, der bei dem kleinen Treffen bei Sehestedt eine bedeutende Rolle spielte. Der Generalstab verblieb indeß unverändert derselbe, mit Ausnahme der wenigen subalternen Vacanzen in demselben, die aus natürlichen Gründen in einer langen Reihe von Jahren eintreffen müssen. Erst heute sehen wir uns im Stande, bedeutendere Veränderungen in der Organisation und der speciellen Personal-Repräsentation desselben anmelden können. Der Generaladjutant der Armee, Chef des Generalstabs und vieljährige einflußreiche Freund des verstorbenen Königs, Generallieutenant v. Bülow, hat seinen Abschied genommen. Das, mit Rücksicht auf Personenzahl, bedeutende Büreau des Generalstabs, dessen Chef er war, ist großen Veränderungen unterworfen worden. Ein Theil der Beamten in demselben, und gewiß der tauglichere, ist zu einem ähnlichen, neuen Bureau des Generaladjutanten des See-Etats, zu welchem Posten der Commandeur und Chef der See-Cadetten-Akademie, Wulf, ernannt ist, verwendet worden; das übrige Personale verbleibt in dem Bureau, zu dessen Chef der Obristlieutenant Ewald als Generaladjutant des Landetats ernannt worden ist. Der Obrist Steinmann ist Chef des Generalstabs geworden; die übrigen Mitglieder desselben sind auf die eine oder die andere Weise entfernt, indem der Obristlieutenant Hagemann, Adjutant des commandirenden Generals der Inseln Seeland, Laaland, Falster und Möen, Prinzen Friedrich Ferdinand, und der Kammerherr und Obrist Rothe zum Commandanten der Festung Kronburg ernannt worden ist. Daß dieser letzte Posten in dieser für den Sundzoll so prekären Zeit für eine Sinecure, wie man vermuthen muß, angesehen werden soll, steht im Einklange mit den vorerwähnten Ernennungen. Die am Tage nach der Thronbesteigung des Königs ausgefertigte Bestimmung, daß der Kronprinz in Fridericia verbleiben solle, wurde allgemein als nur interimistisch angesehen, indem die Bildung des Kronprinzen zum künftigen Regenten, welche ja nur in der Haupt- und Residenzstadt, als dem Centralpunkt der Kraft und Intelligenz, stattfinden konnte, aus keinen Rücksichten versäumt werden durfte. Seitdem sind aber mehrere Resolutionen, den Aufenthaltsort und das zukünftige Wirken des Kronprinzen betreffend, emanirt. Demzufolge ist der Kronprinz zum commandirenden General der Halbinsel Jütland und der Insel Fühnen ernannt worden, und, um sich einigermaßen in der Mitte seines Districts befinden zu können, wurde hinzugefügt, solle er sich in Fridericia aufhalten. Späterhin ist der Kronprinz zum Gouverneur der Insel Fühnen ernannt worden, „um Gelegenheit zu erhalten, die administrativen Verhältnisse kennen zu lernen,“ damit der König zugleich „der Provinz Fühnen, die bisher der besondern Sorge Allerhöchstdesselben anvertraut war, einen neuen Beweis seiner königlichen Huld und Gnade geben könne.“ Der Kronprinz hat als solcher dieselbe Instruction erhalten, die sein Vater am 15 Nov. 1815 erhielt, als er zum Gouverneur ernannt wurde. Jedoch bedingt dieser hohe Posten keinen beständigen Aufenthalt auf der Insel, da der Prinz Christian unter denselben Verhältnissen den größten Theil des Jahres in der Hauptstadt zubrachte, und dort Theil an den Verhandlungen des Staatsraths nebst manchen andern Verwaltungen nahm. Daß dasselbe mit dem Kronprinzen der Fall seyn wird, hat man allen Grund zu hoffen, und seine auf den 14 Jan. festgesetzte Ankunft in Kopenhagen wird gewiß von wichtigerem Erfolg seyn, als daß er nur dem Leichenbegängnisse des verstorbenen Königs beiwohnen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0116/0012]
Menge erlangt.“ Der Alte der Tage hatte zu Gericht gesessen über Polen. Es ward gewogen in einer Wage und zu leicht befunden.
„Seitdem ist es still, sehr still geworden. Die Posaunen des Auslandes sind verstummt, die Liedersänger sind verschwunden, alle Weissagungen ungelöst geblieben. Hier und da ein ausgebranntes zusammensinkendes Gemäuer, das ist der letzte Zeuge von dem Geiste, welcher „der heilsam schaffenden Gewalt die kalte Teufelsfaust entgegensetzte.“ Doch nein. Es kam ja ein Meuchelmörder, um Altpolens Untergang zu rächen durch Königsmord. Von Alibauds weißen Lippen vernahm Europa die Todtenklage der polnischen Republik. Einzig trauriges Geschick! Altpolens letzte glimmende Funken erlöschen. Sein tausendjähriger kummervoller Lebenslauf ist geschlossen und vollendet für immer. Alles schweigt. Diesseits und jenseits des Canals nur ein sinnloses Gepolter vom alten wohlbekannten Maulwurf. Keine Lücke aber wird bemerkt, keine Leere ist entstanden, denn der Erbe ist schon im Besitz und Recht. Da tritt ein Königsmörder als Leichenredner von Altpolen auf, und während die europäische Politik sich noch streitet und erbittert, ob hier der Proceß völlig zu Ende und ohne Recurs, da spricht das Schaffot: Altpolen hat geendet, ich wollte seinen Untergang rächen, eben weil Alles unabänderlich dahin!
„Die polnische Republik ist in ihren letzten Trümmern, d. h. alles dasjenige, was die französischen Kammern und die englische Presse unter „polnischer Nationalität“ gemeinhin verstehen, eine Antiquität geworden. Die Sturmeswogen der Revolution haben die Constitution, den Reichstag, die Armee, die Szlachta, die Universität, die Landesfarben und Orden verschlungen. Es bewährte sich hier wiederum, daß eine Revolution zwar Vieles zerstören, aber Nichts aufbauen könne. Solches mag man nun immerhin an der Seine und Themse beklagen; doch schwer einzusehen ist, wie solches für Rußland „eine Verlegenheit“ geworden sey. Im Gegentheil scheint es, als habe die polnische Revolution Rußlands Interesse mehr befördert als gefährdet. Denn die Irrthümer, welche Alexanders Großmuth begangen, sind durch jene vollständig und radical corrigirt worden. Nun vermag Rußland auf die radirte Tafel einen neuen Bauplan zu entwerfen, und man muß gestehen, daß in dem Verlauf von acht Jahren schon Manches geschehen, um das Czarthum Polen zu einer Wahrheit zu machen. Polens Scepter und Krone ruhen im Kreml; Festungslinien durchschneiden das Land; eine russische Armee bewacht die Sicherheit des Volkes; russische verdiente Militär- und Civilpersonen haben die früheren Staatsdomänen als Eigenthum erhalten, während der Grundbesitz des unruhigen und feindseligen Adels auf den Staat überging; die griechische Kirche, der „alte Glaube,“ wie das Volk sie nennt, ist nicht mehr verwaist und verfolgt; der unterdrückte Bauer findet nicht nur auf dem Papier, sondern in der That Schutz und Recht. Der Wohlstand von Warschau, dieses Hauptherdes der Revolution, ist allerdings gegen die frühere Zeit von 1815 bis 1830 gesunken, doch die Wunden des Landes, welche die Revolution geschlagen, sind geheilt und der Staat dem Leichtsinn einer Stadt nicht weiter preisgegeben.
Schickt eure Emissäre und Agitatoren, sie werden keinen andern Weg nach Polen finden, als jenen traurigen, letzten, von dem keiner wieder zurückkehrt. Suchet Polen zum andern Male zu insurgiren, wer wird wohl zu euern Lockpfeifen tanzen, tanzen um das Hochgericht! Ihr beschwört eure Hülfe! Hat hier aber ein Hannibal oder Talleyrand geschworen? Ach, die Polen wissen es aus Erfahrung, der letztere schwor und log.“
Dänemark.
Kopenhagen, 30 Dec. Es werden sich gewiß Manche einer Aeußerung eines bekannten französischen Officiers erinnern, der bei dem kleinen Treffen bei Sehestedt eine bedeutende Rolle spielte. Der Generalstab verblieb indeß unverändert derselbe, mit Ausnahme der wenigen subalternen Vacanzen in demselben, die aus natürlichen Gründen in einer langen Reihe von Jahren eintreffen müssen. Erst heute sehen wir uns im Stande, bedeutendere Veränderungen in der Organisation und der speciellen Personal-Repräsentation desselben anmelden können. Der Generaladjutant der Armee, Chef des Generalstabs und vieljährige einflußreiche Freund des verstorbenen Königs, Generallieutenant v. Bülow, hat seinen Abschied genommen. Das, mit Rücksicht auf Personenzahl, bedeutende Büreau des Generalstabs, dessen Chef er war, ist großen Veränderungen unterworfen worden. Ein Theil der Beamten in demselben, und gewiß der tauglichere, ist zu einem ähnlichen, neuen Bureau des Generaladjutanten des See-Etats, zu welchem Posten der Commandeur und Chef der See-Cadetten-Akademie, Wulf, ernannt ist, verwendet worden; das übrige Personale verbleibt in dem Bureau, zu dessen Chef der Obristlieutenant Ewald als Generaladjutant des Landetats ernannt worden ist. Der Obrist Steinmann ist Chef des Generalstabs geworden; die übrigen Mitglieder desselben sind auf die eine oder die andere Weise entfernt, indem der Obristlieutenant Hagemann, Adjutant des commandirenden Generals der Inseln Seeland, Laaland, Falster und Möen, Prinzen Friedrich Ferdinand, und der Kammerherr und Obrist Rothe zum Commandanten der Festung Kronburg ernannt worden ist. Daß dieser letzte Posten in dieser für den Sundzoll so prekären Zeit für eine Sinecure, wie man vermuthen muß, angesehen werden soll, steht im Einklange mit den vorerwähnten Ernennungen. Die am Tage nach der Thronbesteigung des Königs ausgefertigte Bestimmung, daß der Kronprinz in Fridericia verbleiben solle, wurde allgemein als nur interimistisch angesehen, indem die Bildung des Kronprinzen zum künftigen Regenten, welche ja nur in der Haupt- und Residenzstadt, als dem Centralpunkt der Kraft und Intelligenz, stattfinden konnte, aus keinen Rücksichten versäumt werden durfte. Seitdem sind aber mehrere Resolutionen, den Aufenthaltsort und das zukünftige Wirken des Kronprinzen betreffend, emanirt. Demzufolge ist der Kronprinz zum commandirenden General der Halbinsel Jütland und der Insel Fühnen ernannt worden, und, um sich einigermaßen in der Mitte seines Districts befinden zu können, wurde hinzugefügt, solle er sich in Fridericia aufhalten. Späterhin ist der Kronprinz zum Gouverneur der Insel Fühnen ernannt worden, „um Gelegenheit zu erhalten, die administrativen Verhältnisse kennen zu lernen,“ damit der König zugleich „der Provinz Fühnen, die bisher der besondern Sorge Allerhöchstdesselben anvertraut war, einen neuen Beweis seiner königlichen Huld und Gnade geben könne.“ Der Kronprinz hat als solcher dieselbe Instruction erhalten, die sein Vater am 15 Nov. 1815 erhielt, als er zum Gouverneur ernannt wurde. Jedoch bedingt dieser hohe Posten keinen beständigen Aufenthalt auf der Insel, da der Prinz Christian unter denselben Verhältnissen den größten Theil des Jahres in der Hauptstadt zubrachte, und dort Theil an den Verhandlungen des Staatsraths nebst manchen andern Verwaltungen nahm. Daß dasselbe mit dem Kronprinzen der Fall seyn wird, hat man allen Grund zu hoffen, und seine auf den 14 Jan. festgesetzte Ankunft in Kopenhagen wird gewiß von wichtigerem Erfolg seyn, als daß er nur dem Leichenbegängnisse des verstorbenen Königs beiwohnen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |