Allgemeine Zeitung. Nr. 17. Augsburg, 17. Januar 1840.was man laut aussprach, und der Gewandtheit der einzelnen Redner, es gründete sich auch auf eine gewisse Befangenheit der Versammlung, die von noch unklaren Gerüchten einer Annäherung zwischen Rußland und England gehört hatte, und jeden Satz der gehaltenen Reden mit diesem Gerüchte in Verbindung brachte, ohne daß irgend jemand dasselbe offen berührte. Eine Einwirkung dieses Gerüchts war z. B. unverkennbar in der Rede Mauguins, war klar ersichtlich in der geistreichen und treffenden Antwort Villemains gegen Lamartine und dessen russische Politik England und Rußland, so erzählte man sich, haben sich über die orientalische Frage vereinigt und Frankreich von aller Theilnahme an derselben ausgeschlossen. Die Erwiederung auf eine solche Behauptung lag ganz nahe, und Hr. Villemain hat sie gegeben: hat Rußland auf seine Entwürfe verzichtet, und will es nicht mehr, was es bisher gewollt? Oder aber will England plötzlich, was Rußland will? Das eine ist so unwahrscheinlich wie das andere; in welcher andern Unterstellung aber könnte von einer ernstlichen, dauernden Freundschaft zwischen jenen beiden politischen Antipoden die Sprache seyn! Mauguin hat, seiner alten Gewohnheit gemäß, die Karte von Europa, Asien und Afrika durchmustert; er findet, daß alle Mächte Europas, Rußland wie England, Oesterreich wie Preußen sich zum Nachtheil Frankreichs vergrößert und in ihrer Stärke befestigt haben, und daß Frankreich einen energischen, entscheidenden Entschluß fassen muß, um sich auf gleichen Rang mit diesen Mächten zu schwingen und sich darin zu behaupten. Was wir vor einigen Wochen aus dem Munde Lamartine's vernommen, hat er auch gestern wieder vorgebracht: Theilung der Türkei, und da Frankreich bei dieser Theilung natürlich zu kurz komme, Entschädigung desselben durch Aufhebung der beschränkenden Verträge von 1814 und 1815 - ein Capitel, das seit neuester Zeit immer wiederkehrt und bei dem der Sinn der Nation mit Vorliebe verweilt. Die Verhandlung ist nicht geschlossen: der erste Redner, den wir jetzt vernehmen werden, ist Hr. Thiers, seine Meinung ist von großem Interesse; wir werden ihn morgen hören. - Während im Palais - Bourbon die Deputirten über den Adreßentwurf sich streiten, werden die politischen Gefangenen nach der Pairskammer gebracht, wo ihrer in zwei Tagen die öffentliche Verhandlung harrt. Paris, 12 Jan. Die Reden der drei Minister Dufaure, Passy und Teste in der Sitzung vom 10 haben sowohl ihren Collegen als am Hofe mißfallen, und es ist seitdem fortwährend die Rede von der Nothwendigkeit, das Ministerium durch Zuziehung eines fähigen Redners zu verstärken. Das einzige Mitglied des Cabinets, welches einigermaßen als Redner gelten kann, ist Hr. Villemain, der aber bei weitem nicht die HH. Thiers und Guizot erreicht. Den letzten Gerüchten zufolge soll nach der Entscheidung über die Adresse Hr. Teste austreten, und durch ein anderes Amt entschädigt werden; unter den übrigen Mitgliedern des Cabinets soll dann eine Aenderung der Rollen in der Art vorgenommen werden, daß Hr. Guizot ins Ministerium des Innern eintrete (als Vorbereitung zu einem späteren Cabinet, das ausschließlich aus seinen Freunden zusammengesetzt würde). Hr. Guizot hat aber erklärt, bevor er in das bestehende Ministerium eintrete, wolle er in der Kammer sich einer hinreichenden Anzahl von Stimmen versichern, die eine sogenannte Regierungspartei bildeten, und die Maaßregeln des Cabinets sanctioniren würden: er glaubt, die Zahl derselben, mit Einschluß seiner Freunde (der Doctrinärs), auf 260 bis 270 zu bringen. Wahrscheinlich glückt dieses Unternehmen; denn viele Mitglieder der einzelnen Fractionen, in die jetzt die Kammer zersplittert ist, sind dieser unendlichen Zerstückelungen müde, und werden gern sich einer größern Fahne anreihen, sobald Hr. Guizot seinerseits keine der gewaltsamen Maaßregeln aufs Tapet bringt, die man ihm stets zum Vorwurf macht. Ueberhaupt, wie ich Ihnen bereits neulich angedeutet habe, ist die Stimmung vieler Deputirten dermalen viel günstiger für Hrn. Guizot als früher, wozu noch kömmt, daß Hr. Thiers beinahe gar keine Anhänger mehr in der Kammer zählt. - Die Rede des Hr. Mauguin, über die auswärtigen Angelegenheiten, in der Sitzung von gestern, wird von allen dem Cabinet entgegengesetzten Parteien als glänzend betrachtet; dennoch erwarten selbst die Mitglieder der Opposition eine große Stimmenmehrheit für die Annahme der Adresse, da alle ehemaligen 221 und alle Doctrinärs dafür stimmen werden, weil die Mitglieder der Commission beinahe alle diesen beiden Fractionen angehören. - Die Debatten werden noch die Sitzungen von morgen und übermorgen ausfüllen. Morgen wird Hr. Thiers sprechen; aber Niemand glaubt, daß seine Ansichten sich einer Stimmenmehrheit werden zu erfreuen haben, besonders da Hr. Guizot sicher nach ihm noch auftreten wird. - In der Sitzung vom 10 machte der Deputirte v. Chambolle, der Opposition angehörig und Hauptredacteur des Siecle, dem Ministerium einen Vorwurf in Betreff der Subvention der Journale; seitdem hat der Finanzminister Hr. Passy mehreren Mitgliedern der Opposition augenscheinlich gemacht, daß Hr. Chambolle sein Blatt dem Cabinet gegen eine gewisse Summe angeboten habe; das Ministerium habe aber dieses Anerbieten von sich gewiesen. Diese Aeußerung des Hrn. Passy findet allgemeinen Glauben, besonders da verschiedene Processe den bedrängten Finanzzustand des Siecle zur Kenntniß des Publicums gebracht haben; zugleich erklärt sie die vor einiger Zeit allgemein bemerkte Tendenz des Siecle zum Vortheil des Ministeriums, die in der letzten Zeit wieder verschwunden ist, oder sich wenigstens sehr vermindert hat. Toulon, 9 Jan. Das Dampfboot Sphinx hat diesen Morgen auf unserer Rhede Anker geworfen. Es verließ Algier am 5. Marschall Valee ist am 4 von Belida, dem Lauf der Chiffa folgend, nach Coleah abgegangen; man erwartete ihn am 6 in Algier. In dem Gefecht am 31 Dec. wurden der Obrist und der Obristlieutenant der Chasseurs d'Afrique verwundet und der polnische Lieutenant Skiof getödtet. Das 2 leichte Infanterieregiment griff die Araber mit dem Bajonnet an, wurde auf einer Entfernung von 15 Schritten durch eine Salve empfangen, verlor aber nur einen Todten und 10 Verwundete durch dieses erste Feuer. Dasselbe Regiment nahm die Kanone und die drei Fahnen. Der erwähnte polnische Officier hatte bereits drei arabische Reiter mit eigner Hand getödtet und warf sich eben auf den vierten, als er eine Kugel in den Kopf erhielt. Am 1 Januar kamen die Araber auf das Schlachtfeld des vorhergehenden Tages, um ihre Todten zu holen. Einige Flintenschüsse reichten hin, sie zu verjagen. - Das schöne Wetter, das man seit 20 Tagen in Algier hatte, wurde am 4 wieder durch Regen und Gewitter unterbrochen. Niederlande. Aus dem Haag, 10 Jan. Der König wird die Dimission des Finanzministers, Hrn. Beelaerts van Blokland, annehmen, denselben aber zum Staatsminister ernennen; außerdem wird Hr. Beelaerts van Blokland Mitglied des Staatsraths, wie früher, bleiben. - Die in unserm Militärwesen einzuführenden Einschränkungen werden namentlich durch Beurlaubungen der Mannschaften bereits in Vollzug gesetzt. Aus einigen Garnisonsstädten wird schon über die starke Verminderung der Garnisonen geklagt. Auch die hier garnisonirenden was man laut aussprach, und der Gewandtheit der einzelnen Redner, es gründete sich auch auf eine gewisse Befangenheit der Versammlung, die von noch unklaren Gerüchten einer Annäherung zwischen Rußland und England gehört hatte, und jeden Satz der gehaltenen Reden mit diesem Gerüchte in Verbindung brachte, ohne daß irgend jemand dasselbe offen berührte. Eine Einwirkung dieses Gerüchts war z. B. unverkennbar in der Rede Mauguins, war klar ersichtlich in der geistreichen und treffenden Antwort Villemains gegen Lamartine und dessen russische Politik England und Rußland, so erzählte man sich, haben sich über die orientalische Frage vereinigt und Frankreich von aller Theilnahme an derselben ausgeschlossen. Die Erwiederung auf eine solche Behauptung lag ganz nahe, und Hr. Villemain hat sie gegeben: hat Rußland auf seine Entwürfe verzichtet, und will es nicht mehr, was es bisher gewollt? Oder aber will England plötzlich, was Rußland will? Das eine ist so unwahrscheinlich wie das andere; in welcher andern Unterstellung aber könnte von einer ernstlichen, dauernden Freundschaft zwischen jenen beiden politischen Antipoden die Sprache seyn! Mauguin hat, seiner alten Gewohnheit gemäß, die Karte von Europa, Asien und Afrika durchmustert; er findet, daß alle Mächte Europas, Rußland wie England, Oesterreich wie Preußen sich zum Nachtheil Frankreichs vergrößert und in ihrer Stärke befestigt haben, und daß Frankreich einen energischen, entscheidenden Entschluß fassen muß, um sich auf gleichen Rang mit diesen Mächten zu schwingen und sich darin zu behaupten. Was wir vor einigen Wochen aus dem Munde Lamartine's vernommen, hat er auch gestern wieder vorgebracht: Theilung der Türkei, und da Frankreich bei dieser Theilung natürlich zu kurz komme, Entschädigung desselben durch Aufhebung der beschränkenden Verträge von 1814 und 1815 – ein Capitel, das seit neuester Zeit immer wiederkehrt und bei dem der Sinn der Nation mit Vorliebe verweilt. Die Verhandlung ist nicht geschlossen: der erste Redner, den wir jetzt vernehmen werden, ist Hr. Thiers, seine Meinung ist von großem Interesse; wir werden ihn morgen hören. – Während im Palais - Bourbon die Deputirten über den Adreßentwurf sich streiten, werden die politischen Gefangenen nach der Pairskammer gebracht, wo ihrer in zwei Tagen die öffentliche Verhandlung harrt. Paris, 12 Jan. Die Reden der drei Minister Dufaure, Passy und Teste in der Sitzung vom 10 haben sowohl ihren Collegen als am Hofe mißfallen, und es ist seitdem fortwährend die Rede von der Nothwendigkeit, das Ministerium durch Zuziehung eines fähigen Redners zu verstärken. Das einzige Mitglied des Cabinets, welches einigermaßen als Redner gelten kann, ist Hr. Villemain, der aber bei weitem nicht die HH. Thiers und Guizot erreicht. Den letzten Gerüchten zufolge soll nach der Entscheidung über die Adresse Hr. Teste austreten, und durch ein anderes Amt entschädigt werden; unter den übrigen Mitgliedern des Cabinets soll dann eine Aenderung der Rollen in der Art vorgenommen werden, daß Hr. Guizot ins Ministerium des Innern eintrete (als Vorbereitung zu einem späteren Cabinet, das ausschließlich aus seinen Freunden zusammengesetzt würde). Hr. Guizot hat aber erklärt, bevor er in das bestehende Ministerium eintrete, wolle er in der Kammer sich einer hinreichenden Anzahl von Stimmen versichern, die eine sogenannte Regierungspartei bildeten, und die Maaßregeln des Cabinets sanctioniren würden: er glaubt, die Zahl derselben, mit Einschluß seiner Freunde (der Doctrinärs), auf 260 bis 270 zu bringen. Wahrscheinlich glückt dieses Unternehmen; denn viele Mitglieder der einzelnen Fractionen, in die jetzt die Kammer zersplittert ist, sind dieser unendlichen Zerstückelungen müde, und werden gern sich einer größern Fahne anreihen, sobald Hr. Guizot seinerseits keine der gewaltsamen Maaßregeln aufs Tapet bringt, die man ihm stets zum Vorwurf macht. Ueberhaupt, wie ich Ihnen bereits neulich angedeutet habe, ist die Stimmung vieler Deputirten dermalen viel günstiger für Hrn. Guizot als früher, wozu noch kömmt, daß Hr. Thiers beinahe gar keine Anhänger mehr in der Kammer zählt. – Die Rede des Hr. Mauguin, über die auswärtigen Angelegenheiten, in der Sitzung von gestern, wird von allen dem Cabinet entgegengesetzten Parteien als glänzend betrachtet; dennoch erwarten selbst die Mitglieder der Opposition eine große Stimmenmehrheit für die Annahme der Adresse, da alle ehemaligen 221 und alle Doctrinärs dafür stimmen werden, weil die Mitglieder der Commission beinahe alle diesen beiden Fractionen angehören. – Die Debatten werden noch die Sitzungen von morgen und übermorgen ausfüllen. Morgen wird Hr. Thiers sprechen; aber Niemand glaubt, daß seine Ansichten sich einer Stimmenmehrheit werden zu erfreuen haben, besonders da Hr. Guizot sicher nach ihm noch auftreten wird. – In der Sitzung vom 10 machte der Deputirte v. Chambolle, der Opposition angehörig und Hauptredacteur des Siècle, dem Ministerium einen Vorwurf in Betreff der Subvention der Journale; seitdem hat der Finanzminister Hr. Passy mehreren Mitgliedern der Opposition augenscheinlich gemacht, daß Hr. Chambolle sein Blatt dem Cabinet gegen eine gewisse Summe angeboten habe; das Ministerium habe aber dieses Anerbieten von sich gewiesen. Diese Aeußerung des Hrn. Passy findet allgemeinen Glauben, besonders da verschiedene Processe den bedrängten Finanzzustand des Siècle zur Kenntniß des Publicums gebracht haben; zugleich erklärt sie die vor einiger Zeit allgemein bemerkte Tendenz des Siècle zum Vortheil des Ministeriums, die in der letzten Zeit wieder verschwunden ist, oder sich wenigstens sehr vermindert hat. Toulon, 9 Jan. Das Dampfboot Sphinx hat diesen Morgen auf unserer Rhede Anker geworfen. Es verließ Algier am 5. Marschall Valée ist am 4 von Belida, dem Lauf der Chiffa folgend, nach Coleah abgegangen; man erwartete ihn am 6 in Algier. In dem Gefecht am 31 Dec. wurden der Obrist und der Obristlieutenant der Chasseurs d'Afrique verwundet und der polnische Lieutenant Skiof getödtet. Das 2 leichte Infanterieregiment griff die Araber mit dem Bajonnet an, wurde auf einer Entfernung von 15 Schritten durch eine Salve empfangen, verlor aber nur einen Todten und 10 Verwundete durch dieses erste Feuer. Dasselbe Regiment nahm die Kanone und die drei Fahnen. Der erwähnte polnische Officier hatte bereits drei arabische Reiter mit eigner Hand getödtet und warf sich eben auf den vierten, als er eine Kugel in den Kopf erhielt. Am 1 Januar kamen die Araber auf das Schlachtfeld des vorhergehenden Tages, um ihre Todten zu holen. Einige Flintenschüsse reichten hin, sie zu verjagen. – Das schöne Wetter, das man seit 20 Tagen in Algier hatte, wurde am 4 wieder durch Regen und Gewitter unterbrochen. Niederlande. Aus dem Haag, 10 Jan. Der König wird die Dimission des Finanzministers, Hrn. Beelaerts van Blokland, annehmen, denselben aber zum Staatsminister ernennen; außerdem wird Hr. Beelaerts van Blokland Mitglied des Staatsraths, wie früher, bleiben. – Die in unserm Militärwesen einzuführenden Einschränkungen werden namentlich durch Beurlaubungen der Mannschaften bereits in Vollzug gesetzt. Aus einigen Garnisonsstädten wird schon über die starke Verminderung der Garnisonen geklagt. Auch die hier garnisonirenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="0132"/> was man laut aussprach, und der Gewandtheit der einzelnen Redner, es gründete sich auch auf eine gewisse Befangenheit der Versammlung, die von noch unklaren Gerüchten einer Annäherung zwischen Rußland und England gehört hatte, und jeden Satz der gehaltenen Reden mit diesem Gerüchte in Verbindung brachte, ohne daß irgend jemand dasselbe offen berührte. Eine Einwirkung dieses Gerüchts war z. B. unverkennbar in der Rede Mauguins, war klar ersichtlich in der geistreichen und treffenden Antwort Villemains gegen Lamartine und dessen russische Politik England und Rußland, so erzählte man sich, haben sich über die orientalische Frage vereinigt und Frankreich von aller Theilnahme an derselben ausgeschlossen. Die Erwiederung auf eine solche Behauptung lag ganz nahe, und Hr. Villemain hat sie gegeben: hat Rußland auf seine Entwürfe verzichtet, und will es nicht mehr, was es bisher gewollt? Oder aber will England plötzlich, was Rußland will? Das eine ist so unwahrscheinlich wie das andere; in welcher andern Unterstellung aber könnte von einer ernstlichen, dauernden Freundschaft zwischen jenen beiden politischen Antipoden die Sprache seyn! Mauguin hat, seiner alten Gewohnheit gemäß, die Karte von Europa, Asien und Afrika durchmustert; er findet, daß alle Mächte Europas, Rußland wie England, Oesterreich wie Preußen sich zum Nachtheil Frankreichs vergrößert und in ihrer Stärke befestigt haben, und daß Frankreich einen energischen, entscheidenden Entschluß fassen muß, um sich auf gleichen Rang mit diesen Mächten zu schwingen und sich darin zu behaupten. Was wir vor einigen Wochen aus dem Munde Lamartine's vernommen, hat er auch gestern wieder vorgebracht: Theilung der Türkei, und da Frankreich bei dieser Theilung natürlich zu kurz komme, Entschädigung desselben durch Aufhebung der beschränkenden Verträge von 1814 und 1815 – ein Capitel, das seit neuester Zeit immer wiederkehrt und bei dem der Sinn der Nation mit Vorliebe verweilt. Die Verhandlung ist nicht geschlossen: der erste Redner, den wir jetzt vernehmen werden, ist Hr. Thiers, seine Meinung ist von großem Interesse; wir werden ihn morgen hören. – Während im Palais - Bourbon die Deputirten über den Adreßentwurf sich streiten, werden die politischen Gefangenen nach der Pairskammer gebracht, wo ihrer in zwei Tagen die öffentliche Verhandlung harrt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 12 Jan.</dateline> <p> Die Reden der drei Minister Dufaure, Passy und Teste in der Sitzung vom 10 haben sowohl ihren Collegen als am Hofe mißfallen, und es ist seitdem fortwährend die Rede von der Nothwendigkeit, das Ministerium durch Zuziehung eines fähigen Redners zu verstärken. Das einzige Mitglied des Cabinets, welches einigermaßen als Redner gelten kann, ist Hr. Villemain, der aber bei weitem nicht die HH. Thiers und Guizot erreicht. Den letzten Gerüchten zufolge soll nach der Entscheidung über die Adresse Hr. Teste austreten, und durch ein anderes Amt entschädigt werden; unter den übrigen Mitgliedern des Cabinets soll dann eine Aenderung der Rollen in der Art vorgenommen werden, daß Hr. Guizot ins Ministerium des Innern eintrete (als Vorbereitung zu einem späteren Cabinet, das ausschließlich aus seinen Freunden zusammengesetzt würde). Hr. Guizot hat aber erklärt, bevor er in das bestehende Ministerium eintrete, wolle er in der Kammer sich einer hinreichenden Anzahl von Stimmen versichern, die eine sogenannte Regierungspartei bildeten, und die Maaßregeln des Cabinets sanctioniren würden: er glaubt, die Zahl derselben, mit Einschluß seiner Freunde (der Doctrinärs), auf 260 bis 270 zu bringen. Wahrscheinlich glückt dieses Unternehmen; denn viele Mitglieder der einzelnen Fractionen, in die jetzt die Kammer zersplittert ist, sind dieser unendlichen Zerstückelungen müde, und werden gern sich einer größern Fahne anreihen, sobald Hr. Guizot seinerseits keine der gewaltsamen Maaßregeln aufs Tapet bringt, die man ihm stets zum Vorwurf macht. Ueberhaupt, wie ich Ihnen bereits neulich angedeutet habe, ist die Stimmung vieler Deputirten dermalen viel günstiger für Hrn. Guizot als früher, wozu noch kömmt, daß Hr. Thiers beinahe gar keine Anhänger mehr in der Kammer zählt. – Die Rede des Hr. Mauguin, über die auswärtigen Angelegenheiten, in der Sitzung von gestern, wird von allen dem Cabinet entgegengesetzten Parteien als glänzend betrachtet; dennoch erwarten selbst die Mitglieder der Opposition eine große Stimmenmehrheit für die Annahme der Adresse, da alle ehemaligen 221 und alle Doctrinärs dafür stimmen werden, weil die Mitglieder der Commission beinahe alle diesen beiden Fractionen angehören. – Die Debatten werden noch die Sitzungen von morgen und übermorgen ausfüllen. Morgen wird Hr. Thiers sprechen; aber Niemand glaubt, daß seine Ansichten sich einer Stimmenmehrheit werden zu erfreuen haben, besonders da Hr. Guizot sicher nach ihm noch auftreten wird. – In der Sitzung vom 10 machte der Deputirte v. Chambolle, der Opposition angehörig und Hauptredacteur des Siècle, dem Ministerium einen Vorwurf in Betreff der Subvention der Journale; seitdem hat der Finanzminister Hr. Passy mehreren Mitgliedern der Opposition augenscheinlich gemacht, daß Hr. Chambolle sein Blatt dem Cabinet gegen eine gewisse Summe angeboten habe; das Ministerium habe aber dieses Anerbieten von sich gewiesen. Diese Aeußerung des Hrn. Passy findet allgemeinen Glauben, besonders da verschiedene Processe den bedrängten Finanzzustand des Siècle zur Kenntniß des Publicums gebracht haben; zugleich erklärt sie die vor einiger Zeit allgemein bemerkte Tendenz des Siècle zum Vortheil des Ministeriums, die in der letzten Zeit wieder verschwunden ist, oder sich wenigstens sehr vermindert hat.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Toulon,</hi> 9 Jan.</dateline> <p> Das Dampfboot Sphinx hat diesen Morgen auf unserer Rhede Anker geworfen. Es verließ Algier am 5. Marschall Valée ist am 4 von Belida, dem Lauf der Chiffa folgend, nach Coleah abgegangen; man erwartete ihn am 6 in Algier. In dem Gefecht am 31 Dec. wurden der Obrist und der Obristlieutenant der Chasseurs d'Afrique verwundet und der polnische Lieutenant Skiof getödtet. Das 2 leichte Infanterieregiment griff die Araber mit dem Bajonnet an, wurde auf einer Entfernung von 15 Schritten durch eine Salve empfangen, verlor aber nur einen Todten und 10 Verwundete durch dieses erste Feuer. Dasselbe Regiment nahm die Kanone und die drei Fahnen. Der erwähnte polnische Officier hatte bereits drei arabische Reiter mit eigner Hand getödtet und warf sich eben auf den vierten, als er eine Kugel in den Kopf erhielt. Am 1 Januar kamen die Araber auf das Schlachtfeld des vorhergehenden Tages, um ihre Todten zu holen. Einige Flintenschüsse reichten hin, sie zu verjagen. – Das schöne Wetter, das man seit 20 Tagen in Algier hatte, wurde am 4 wieder durch Regen und Gewitter unterbrochen.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Niederlande.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Aus dem Haag,</hi> 10 Jan.</dateline> <p> Der König wird die Dimission des Finanzministers, Hrn. Beelaerts van Blokland, annehmen, denselben aber zum Staatsminister ernennen; außerdem wird Hr. Beelaerts van Blokland Mitglied des Staatsraths, wie früher, bleiben. – Die in unserm Militärwesen einzuführenden Einschränkungen werden namentlich durch Beurlaubungen der Mannschaften bereits in Vollzug gesetzt. Aus einigen Garnisonsstädten wird schon über die starke Verminderung der Garnisonen geklagt. Auch die hier garnisonirenden<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0132/0004]
was man laut aussprach, und der Gewandtheit der einzelnen Redner, es gründete sich auch auf eine gewisse Befangenheit der Versammlung, die von noch unklaren Gerüchten einer Annäherung zwischen Rußland und England gehört hatte, und jeden Satz der gehaltenen Reden mit diesem Gerüchte in Verbindung brachte, ohne daß irgend jemand dasselbe offen berührte. Eine Einwirkung dieses Gerüchts war z. B. unverkennbar in der Rede Mauguins, war klar ersichtlich in der geistreichen und treffenden Antwort Villemains gegen Lamartine und dessen russische Politik England und Rußland, so erzählte man sich, haben sich über die orientalische Frage vereinigt und Frankreich von aller Theilnahme an derselben ausgeschlossen. Die Erwiederung auf eine solche Behauptung lag ganz nahe, und Hr. Villemain hat sie gegeben: hat Rußland auf seine Entwürfe verzichtet, und will es nicht mehr, was es bisher gewollt? Oder aber will England plötzlich, was Rußland will? Das eine ist so unwahrscheinlich wie das andere; in welcher andern Unterstellung aber könnte von einer ernstlichen, dauernden Freundschaft zwischen jenen beiden politischen Antipoden die Sprache seyn! Mauguin hat, seiner alten Gewohnheit gemäß, die Karte von Europa, Asien und Afrika durchmustert; er findet, daß alle Mächte Europas, Rußland wie England, Oesterreich wie Preußen sich zum Nachtheil Frankreichs vergrößert und in ihrer Stärke befestigt haben, und daß Frankreich einen energischen, entscheidenden Entschluß fassen muß, um sich auf gleichen Rang mit diesen Mächten zu schwingen und sich darin zu behaupten. Was wir vor einigen Wochen aus dem Munde Lamartine's vernommen, hat er auch gestern wieder vorgebracht: Theilung der Türkei, und da Frankreich bei dieser Theilung natürlich zu kurz komme, Entschädigung desselben durch Aufhebung der beschränkenden Verträge von 1814 und 1815 – ein Capitel, das seit neuester Zeit immer wiederkehrt und bei dem der Sinn der Nation mit Vorliebe verweilt. Die Verhandlung ist nicht geschlossen: der erste Redner, den wir jetzt vernehmen werden, ist Hr. Thiers, seine Meinung ist von großem Interesse; wir werden ihn morgen hören. – Während im Palais - Bourbon die Deputirten über den Adreßentwurf sich streiten, werden die politischen Gefangenen nach der Pairskammer gebracht, wo ihrer in zwei Tagen die öffentliche Verhandlung harrt.
_ Paris, 12 Jan. Die Reden der drei Minister Dufaure, Passy und Teste in der Sitzung vom 10 haben sowohl ihren Collegen als am Hofe mißfallen, und es ist seitdem fortwährend die Rede von der Nothwendigkeit, das Ministerium durch Zuziehung eines fähigen Redners zu verstärken. Das einzige Mitglied des Cabinets, welches einigermaßen als Redner gelten kann, ist Hr. Villemain, der aber bei weitem nicht die HH. Thiers und Guizot erreicht. Den letzten Gerüchten zufolge soll nach der Entscheidung über die Adresse Hr. Teste austreten, und durch ein anderes Amt entschädigt werden; unter den übrigen Mitgliedern des Cabinets soll dann eine Aenderung der Rollen in der Art vorgenommen werden, daß Hr. Guizot ins Ministerium des Innern eintrete (als Vorbereitung zu einem späteren Cabinet, das ausschließlich aus seinen Freunden zusammengesetzt würde). Hr. Guizot hat aber erklärt, bevor er in das bestehende Ministerium eintrete, wolle er in der Kammer sich einer hinreichenden Anzahl von Stimmen versichern, die eine sogenannte Regierungspartei bildeten, und die Maaßregeln des Cabinets sanctioniren würden: er glaubt, die Zahl derselben, mit Einschluß seiner Freunde (der Doctrinärs), auf 260 bis 270 zu bringen. Wahrscheinlich glückt dieses Unternehmen; denn viele Mitglieder der einzelnen Fractionen, in die jetzt die Kammer zersplittert ist, sind dieser unendlichen Zerstückelungen müde, und werden gern sich einer größern Fahne anreihen, sobald Hr. Guizot seinerseits keine der gewaltsamen Maaßregeln aufs Tapet bringt, die man ihm stets zum Vorwurf macht. Ueberhaupt, wie ich Ihnen bereits neulich angedeutet habe, ist die Stimmung vieler Deputirten dermalen viel günstiger für Hrn. Guizot als früher, wozu noch kömmt, daß Hr. Thiers beinahe gar keine Anhänger mehr in der Kammer zählt. – Die Rede des Hr. Mauguin, über die auswärtigen Angelegenheiten, in der Sitzung von gestern, wird von allen dem Cabinet entgegengesetzten Parteien als glänzend betrachtet; dennoch erwarten selbst die Mitglieder der Opposition eine große Stimmenmehrheit für die Annahme der Adresse, da alle ehemaligen 221 und alle Doctrinärs dafür stimmen werden, weil die Mitglieder der Commission beinahe alle diesen beiden Fractionen angehören. – Die Debatten werden noch die Sitzungen von morgen und übermorgen ausfüllen. Morgen wird Hr. Thiers sprechen; aber Niemand glaubt, daß seine Ansichten sich einer Stimmenmehrheit werden zu erfreuen haben, besonders da Hr. Guizot sicher nach ihm noch auftreten wird. – In der Sitzung vom 10 machte der Deputirte v. Chambolle, der Opposition angehörig und Hauptredacteur des Siècle, dem Ministerium einen Vorwurf in Betreff der Subvention der Journale; seitdem hat der Finanzminister Hr. Passy mehreren Mitgliedern der Opposition augenscheinlich gemacht, daß Hr. Chambolle sein Blatt dem Cabinet gegen eine gewisse Summe angeboten habe; das Ministerium habe aber dieses Anerbieten von sich gewiesen. Diese Aeußerung des Hrn. Passy findet allgemeinen Glauben, besonders da verschiedene Processe den bedrängten Finanzzustand des Siècle zur Kenntniß des Publicums gebracht haben; zugleich erklärt sie die vor einiger Zeit allgemein bemerkte Tendenz des Siècle zum Vortheil des Ministeriums, die in der letzten Zeit wieder verschwunden ist, oder sich wenigstens sehr vermindert hat.
_ Toulon, 9 Jan. Das Dampfboot Sphinx hat diesen Morgen auf unserer Rhede Anker geworfen. Es verließ Algier am 5. Marschall Valée ist am 4 von Belida, dem Lauf der Chiffa folgend, nach Coleah abgegangen; man erwartete ihn am 6 in Algier. In dem Gefecht am 31 Dec. wurden der Obrist und der Obristlieutenant der Chasseurs d'Afrique verwundet und der polnische Lieutenant Skiof getödtet. Das 2 leichte Infanterieregiment griff die Araber mit dem Bajonnet an, wurde auf einer Entfernung von 15 Schritten durch eine Salve empfangen, verlor aber nur einen Todten und 10 Verwundete durch dieses erste Feuer. Dasselbe Regiment nahm die Kanone und die drei Fahnen. Der erwähnte polnische Officier hatte bereits drei arabische Reiter mit eigner Hand getödtet und warf sich eben auf den vierten, als er eine Kugel in den Kopf erhielt. Am 1 Januar kamen die Araber auf das Schlachtfeld des vorhergehenden Tages, um ihre Todten zu holen. Einige Flintenschüsse reichten hin, sie zu verjagen. – Das schöne Wetter, das man seit 20 Tagen in Algier hatte, wurde am 4 wieder durch Regen und Gewitter unterbrochen.
Niederlande.
Aus dem Haag, 10 Jan. Der König wird die Dimission des Finanzministers, Hrn. Beelaerts van Blokland, annehmen, denselben aber zum Staatsminister ernennen; außerdem wird Hr. Beelaerts van Blokland Mitglied des Staatsraths, wie früher, bleiben. – Die in unserm Militärwesen einzuführenden Einschränkungen werden namentlich durch Beurlaubungen der Mannschaften bereits in Vollzug gesetzt. Aus einigen Garnisonsstädten wird schon über die starke Verminderung der Garnisonen geklagt. Auch die hier garnisonirenden
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |