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Allgemeine Zeitung. Nr. 26. Augsburg, 26. Januar 1840.

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den Strömungen einer Völkerbewegung, wie der Occident seit den Kreuzzügen keine ähnliche erlebt - ich sage was der letzte Römer der Modernen mit seinem Verstande, seinem Willen, seiner Macht nicht vermocht hat - wie sollten es diese Zwerge einer kleinen Zeit, die wie Affen an seinem Standbild emporklimmen? "Wie er sich räuspert und wie er spuckt, das haben sie ihm freilich abgeguckt," und nun ist es ergötzlich zu sehen, wie das heroische Stirnrunzeln und der nachgeäffte Blick des Imperatorauges so putzig steht zu den kleinen Gesichtern! Und da die Sache sich denn im Grunde so komisch verhält, so wollen wir auch von Hrn. v. Lamartine Abschied nehmen mit den Worten einer Komödie: "Ihr wollt wissen, wofür ich Euch halte, und meiner Treu, ich will es Euch sagen. Ihr sprecht wie ein Buch, nichtsdestoweniger seyd Ihr ein faselnder verworrener Geselle! Ihr habt eine hübsche Zunge, Freund, eine wahre Goldwage von Zunge; was Ihr aber darauf legt, sind Feilspäne. Ihr habt uns schreckliche Dinge prophezeit, haarsträubende Geschichten; was mich aber beruhigt, ist, daß ich Euren Vater gekannt habe, dem Ihr ähnlich seht, und daß Ihr Semmel eßt, wie wir Andern. Und somit Gott befohlen!"

Der Orient und die französischen Kammerdebatten.

(Fortsetzung.)

Nicht weniger wie die Veranlassung, welche Frankreich seinen Verbündeten zur Trennung gegeben hat, ist die Veranlassung, welche England zum Einschreiten gegen den Vicekönig bestimmt, von Hrn. Thiers verkleinert, verschleiert und, so zu sagen, auf ein Minimum zurückgebracht worden. Der Vicekönig hat sich den Engländern bei ihrer Verbindung mit Indien über Aegypten unfreundlich, schwierig erwiesen. Sie sind darüber gereizt. In Folge dieser Gereiztheit sind sie darauf versessen, ihn ihren Zorn fühlen zu lassen und ihn zu bestrafen. Auf dieses Thema ging auch zusammen, was letzthin das Journal des Debats über diesen Punkt vorgetragen hat mit der Schlußbemerkung: England würde sich eben am Ende doch entschließen müssen, seines Stolzes zu vergessen, um mit dem Pascha, den es als einen Vasall einer ihm befreundeten Macht bis jetzt gering geachtet, wie mit einem Souverän sich in Verkehr und Vertrag einzulassen. Ist es absichtlich, daß man jenes Verhängniß auf den verjüngten Maaßstab bringt, will namentlich Hr. Thiers, indem er jenes verkleinernde Maaß und seinen politischen Storchschnabel an das kolossale Zerwürfniß des Pascha's und des Sultans, die nach ihm nur wegen einer leeren Form streiten, an die Spaltung zwischen England und Frankreich, die nach ihm nur aus einer Verspätung in der Darlegung der eigentlichen Absicht von Seite Frankreichs entsprang, und nun auch an die Zwietracht Englands mit dem Pascha legt, die wieder nach ihm nur in einer verletzten Eitelkeit zu suchen ist - will er durch diese Verkleinerung, vielleicht gegen bessere Einsicht in die Größe und Tiefe dieses dreifachen Spaltes, desto leichter und sicherer zu seiner Ausfüllung kommen? Fast scheint es so. Jene Verkleinerung wäre dann nur ein Vorwand, und der letzte Gedanke des klugen Sachwalters der englisch-französischen Allianz wäre, ganz abgesehen von des gewandten Redners eigener Ueberzeugung, etwa dieser: "Es ist nicht der Rede werth, daß ihr euch wegen so untergeordneter Dinge zerwerft, befehdet und mit eurem Bündniß die Existenz der Pforte und die Ruhe von Europa auf das Spiel setzt. Ihr braucht nur die Sachen in ihrem wahren Maaß, als das, was sie sind, als Kleinigkeiten, zu erkennen, und ihr werdet keine Mühe haben, euch schleunig darüber hinweg in die alte Eintracht zurückzusetzen, ehe der gemeinsame Gegner tiefer in den Riß eindringt und durch eure definitive Trennung in dieser hochwichtigen Angelegenheit einen Triumph über eure Kurzsichtigkeit feiert, den er über eure Waffen nie gewonnen hätte." Der Plan, durch das Argumentum a minimo zum Ziel zu kommen, wäre weder neu noch übel. Man hat in gewöhnlichem Verkehr mit diesem Argument oft wichtige Dinge ausgerichtet; am Ende sind es auch in der Politik nur Individuen. Es sind wenige, die über öffentliche Dinge rathen und entscheiden, und ihre Ansicht, ihr Entschluß wird nicht selten durch ein Geringfügiges bestimmt; aber dabei wird vorausgesetzt, daß sie derselben Ansicht sind oder werden, oder sich wollen täuschen lassen, um auf irgend eine Weise, und was man sagt, mit guter Manier, aus einer schlimmen Sache herauszukommen. Hat es zu einem Fall von diesen dreien den Anschein, z. B. daß die englischen Politiker derselben Ansicht sind oder nach der Rede des Hrn. Thiers seyn werden? Daran möchte sehr zu zweifeln seyn. England hat noch keineswegs verrathen, daß es seinen Zwist mit Aegypten als etwas so Geringfügiges wie eine Aeußerung gereizter Eitelkeit betrachtete, noch ha es irgend etwas gethan, um Hrn. Thiers zur Annahme zu berechtigen, daß es wünsche leichten Kaufs aus dem Spiele zu kommen; im Gegentheil, scheint es, daß es fortdauernd die Gründe seiner Unzufriedenheit mit dem Vicekönig von Aegypten als zahlreich und tief betrachtet und entschlossen ist, gegen ihn vorzugehen. Wenigstens melden die neuesten Berichte, daß dahin die Erklärungen des Hrn. Hodges an den Vicekönig lauten, und daß dieser sich rüstet, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen. Das ist also ein ganz anderer Zustand der Dinge, als welchen die verkleinernde und verkleisternde Rede des ehemaligen Chefs des französischen Cabinets zeigen oder übrig lassen möchte, und gegenüber diesen Auspicien möchte man besorgen, er werde ungeachtet seiner Künste und Gewandtheit gerade auf dem wichtigsten Punkt, als zu klein für das Maaß der Begebenheiten, als zu flach für ihre Tiefe und zu beschränkt für ihren Umfang, bei Seite gestellt und gelassen werden.

Es sind, so weit jetzt die Begebenheiten in ihrem Innern zu erkennen sind, außer dem obenbezeichneten ostindischen Verkehr, vorzüglich zwei Gründe, welche die Gesinnung Englands gegen Mehemed Ali bestimmt und über die im Interesse der englischen Macht gegen ihn zu ergreifenden Maaßregeln entschieden haben: seine Stellung zur Pforte und die Entwickung seines Systems gegen Abyssinien, gegen Arabien und im arabischen und persischen Meerbusen.

Behält Mehemed Ali ganz Syrien bis auf die Höhen, und an einzelnen Stellen bis in die nördlichen Abhänge des Taurus, so daß er Mesopotamien im Osten und die kurdischen Gebirge im Norden vor sich hat, so darf man wohl auf der französischen Bühne von einem schönen, großen, mächtigen und gesicherten Reiche träumen - was dem Sultan zwischen dem Taurus und dem Balkan bleibt, ich glaube, daß er es durch einige im orientalischen Geist entworfene Maaßregeln, zu denen Hr. Thiers wahrscheinlich auch den neuesten Hattischerif rechnet, beglücken könne, aber in der Wirklichkeit und der Thatsache gegenüber wird sich auf jenem Gebiete nichts zeigen, als eine Masse bloßgestellter Länder, deren ganze Lebenskraft wie bisher angewendet werden muß, den letzten Tag des Schicksals, mit welchem der Nachbar droht, wo möglich abzuhalten. Syrien kann gegen das mittlere Asien nicht gehalten und benützt werden ohne den Euphrat und Tigris mit Mesopotamien, und die Ebenen von Syrien und Mesopotamien sind in der Gewalt desjenigen, der die kurdischen Gebirge beherrscht. Indem man also Mehemed


den Strömungen einer Völkerbewegung, wie der Occident seit den Kreuzzügen keine ähnliche erlebt – ich sage was der letzte Römer der Modernen mit seinem Verstande, seinem Willen, seiner Macht nicht vermocht hat – wie sollten es diese Zwerge einer kleinen Zeit, die wie Affen an seinem Standbild emporklimmen? „Wie er sich räuspert und wie er spuckt, das haben sie ihm freilich abgeguckt,“ und nun ist es ergötzlich zu sehen, wie das heroische Stirnrunzeln und der nachgeäffte Blick des Imperatorauges so putzig steht zu den kleinen Gesichtern! Und da die Sache sich denn im Grunde so komisch verhält, so wollen wir auch von Hrn. v. Lamartine Abschied nehmen mit den Worten einer Komödie: „Ihr wollt wissen, wofür ich Euch halte, und meiner Treu, ich will es Euch sagen. Ihr sprecht wie ein Buch, nichtsdestoweniger seyd Ihr ein faselnder verworrener Geselle! Ihr habt eine hübsche Zunge, Freund, eine wahre Goldwage von Zunge; was Ihr aber darauf legt, sind Feilspäne. Ihr habt uns schreckliche Dinge prophezeit, haarsträubende Geschichten; was mich aber beruhigt, ist, daß ich Euren Vater gekannt habe, dem Ihr ähnlich seht, und daß Ihr Semmel eßt, wie wir Andern. Und somit Gott befohlen!“

Der Orient und die französischen Kammerdebatten.

(Fortsetzung.)

Nicht weniger wie die Veranlassung, welche Frankreich seinen Verbündeten zur Trennung gegeben hat, ist die Veranlassung, welche England zum Einschreiten gegen den Vicekönig bestimmt, von Hrn. Thiers verkleinert, verschleiert und, so zu sagen, auf ein Minimum zurückgebracht worden. Der Vicekönig hat sich den Engländern bei ihrer Verbindung mit Indien über Aegypten unfreundlich, schwierig erwiesen. Sie sind darüber gereizt. In Folge dieser Gereiztheit sind sie darauf versessen, ihn ihren Zorn fühlen zu lassen und ihn zu bestrafen. Auf dieses Thema ging auch zusammen, was letzthin das Journal des Débats über diesen Punkt vorgetragen hat mit der Schlußbemerkung: England würde sich eben am Ende doch entschließen müssen, seines Stolzes zu vergessen, um mit dem Pascha, den es als einen Vasall einer ihm befreundeten Macht bis jetzt gering geachtet, wie mit einem Souverän sich in Verkehr und Vertrag einzulassen. Ist es absichtlich, daß man jenes Verhängniß auf den verjüngten Maaßstab bringt, will namentlich Hr. Thiers, indem er jenes verkleinernde Maaß und seinen politischen Storchschnabel an das kolossale Zerwürfniß des Pascha's und des Sultans, die nach ihm nur wegen einer leeren Form streiten, an die Spaltung zwischen England und Frankreich, die nach ihm nur aus einer Verspätung in der Darlegung der eigentlichen Absicht von Seite Frankreichs entsprang, und nun auch an die Zwietracht Englands mit dem Pascha legt, die wieder nach ihm nur in einer verletzten Eitelkeit zu suchen ist – will er durch diese Verkleinerung, vielleicht gegen bessere Einsicht in die Größe und Tiefe dieses dreifachen Spaltes, desto leichter und sicherer zu seiner Ausfüllung kommen? Fast scheint es so. Jene Verkleinerung wäre dann nur ein Vorwand, und der letzte Gedanke des klugen Sachwalters der englisch-französischen Allianz wäre, ganz abgesehen von des gewandten Redners eigener Ueberzeugung, etwa dieser: „Es ist nicht der Rede werth, daß ihr euch wegen so untergeordneter Dinge zerwerft, befehdet und mit eurem Bündniß die Existenz der Pforte und die Ruhe von Europa auf das Spiel setzt. Ihr braucht nur die Sachen in ihrem wahren Maaß, als das, was sie sind, als Kleinigkeiten, zu erkennen, und ihr werdet keine Mühe haben, euch schleunig darüber hinweg in die alte Eintracht zurückzusetzen, ehe der gemeinsame Gegner tiefer in den Riß eindringt und durch eure definitive Trennung in dieser hochwichtigen Angelegenheit einen Triumph über eure Kurzsichtigkeit feiert, den er über eure Waffen nie gewonnen hätte.“ Der Plan, durch das Argumentum a minimo zum Ziel zu kommen, wäre weder neu noch übel. Man hat in gewöhnlichem Verkehr mit diesem Argument oft wichtige Dinge ausgerichtet; am Ende sind es auch in der Politik nur Individuen. Es sind wenige, die über öffentliche Dinge rathen und entscheiden, und ihre Ansicht, ihr Entschluß wird nicht selten durch ein Geringfügiges bestimmt; aber dabei wird vorausgesetzt, daß sie derselben Ansicht sind oder werden, oder sich wollen täuschen lassen, um auf irgend eine Weise, und was man sagt, mit guter Manier, aus einer schlimmen Sache herauszukommen. Hat es zu einem Fall von diesen dreien den Anschein, z. B. daß die englischen Politiker derselben Ansicht sind oder nach der Rede des Hrn. Thiers seyn werden? Daran möchte sehr zu zweifeln seyn. England hat noch keineswegs verrathen, daß es seinen Zwist mit Aegypten als etwas so Geringfügiges wie eine Aeußerung gereizter Eitelkeit betrachtete, noch ha es irgend etwas gethan, um Hrn. Thiers zur Annahme zu berechtigen, daß es wünsche leichten Kaufs aus dem Spiele zu kommen; im Gegentheil, scheint es, daß es fortdauernd die Gründe seiner Unzufriedenheit mit dem Vicekönig von Aegypten als zahlreich und tief betrachtet und entschlossen ist, gegen ihn vorzugehen. Wenigstens melden die neuesten Berichte, daß dahin die Erklärungen des Hrn. Hodges an den Vicekönig lauten, und daß dieser sich rüstet, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen. Das ist also ein ganz anderer Zustand der Dinge, als welchen die verkleinernde und verkleisternde Rede des ehemaligen Chefs des französischen Cabinets zeigen oder übrig lassen möchte, und gegenüber diesen Auspicien möchte man besorgen, er werde ungeachtet seiner Künste und Gewandtheit gerade auf dem wichtigsten Punkt, als zu klein für das Maaß der Begebenheiten, als zu flach für ihre Tiefe und zu beschränkt für ihren Umfang, bei Seite gestellt und gelassen werden.

Es sind, so weit jetzt die Begebenheiten in ihrem Innern zu erkennen sind, außer dem obenbezeichneten ostindischen Verkehr, vorzüglich zwei Gründe, welche die Gesinnung Englands gegen Mehemed Ali bestimmt und über die im Interesse der englischen Macht gegen ihn zu ergreifenden Maaßregeln entschieden haben: seine Stellung zur Pforte und die Entwickung seines Systems gegen Abyssinien, gegen Arabien und im arabischen und persischen Meerbusen.

Behält Mehemed Ali ganz Syrien bis auf die Höhen, und an einzelnen Stellen bis in die nördlichen Abhänge des Taurus, so daß er Mesopotamien im Osten und die kurdischen Gebirge im Norden vor sich hat, so darf man wohl auf der französischen Bühne von einem schönen, großen, mächtigen und gesicherten Reiche träumen – was dem Sultan zwischen dem Taurus und dem Balkan bleibt, ich glaube, daß er es durch einige im orientalischen Geist entworfene Maaßregeln, zu denen Hr. Thiers wahrscheinlich auch den neuesten Hattischerif rechnet, beglücken könne, aber in der Wirklichkeit und der Thatsache gegenüber wird sich auf jenem Gebiete nichts zeigen, als eine Masse bloßgestellter Länder, deren ganze Lebenskraft wie bisher angewendet werden muß, den letzten Tag des Schicksals, mit welchem der Nachbar droht, wo möglich abzuhalten. Syrien kann gegen das mittlere Asien nicht gehalten und benützt werden ohne den Euphrat und Tigris mit Mesopotamien, und die Ebenen von Syrien und Mesopotamien sind in der Gewalt desjenigen, der die kurdischen Gebirge beherrscht. Indem man also Mehemed

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[0202/0010] den Strömungen einer Völkerbewegung, wie der Occident seit den Kreuzzügen keine ähnliche erlebt – ich sage was der letzte Römer der Modernen mit seinem Verstande, seinem Willen, seiner Macht nicht vermocht hat – wie sollten es diese Zwerge einer kleinen Zeit, die wie Affen an seinem Standbild emporklimmen? „Wie er sich räuspert und wie er spuckt, das haben sie ihm freilich abgeguckt,“ und nun ist es ergötzlich zu sehen, wie das heroische Stirnrunzeln und der nachgeäffte Blick des Imperatorauges so putzig steht zu den kleinen Gesichtern! Und da die Sache sich denn im Grunde so komisch verhält, so wollen wir auch von Hrn. v. Lamartine Abschied nehmen mit den Worten einer Komödie: „Ihr wollt wissen, wofür ich Euch halte, und meiner Treu, ich will es Euch sagen. Ihr sprecht wie ein Buch, nichtsdestoweniger seyd Ihr ein faselnder verworrener Geselle! Ihr habt eine hübsche Zunge, Freund, eine wahre Goldwage von Zunge; was Ihr aber darauf legt, sind Feilspäne. Ihr habt uns schreckliche Dinge prophezeit, haarsträubende Geschichten; was mich aber beruhigt, ist, daß ich Euren Vater gekannt habe, dem Ihr ähnlich seht, und daß Ihr Semmel eßt, wie wir Andern. Und somit Gott befohlen!“ Der Orient und die französischen Kammerdebatten. (Fortsetzung.) Nicht weniger wie die Veranlassung, welche Frankreich seinen Verbündeten zur Trennung gegeben hat, ist die Veranlassung, welche England zum Einschreiten gegen den Vicekönig bestimmt, von Hrn. Thiers verkleinert, verschleiert und, so zu sagen, auf ein Minimum zurückgebracht worden. Der Vicekönig hat sich den Engländern bei ihrer Verbindung mit Indien über Aegypten unfreundlich, schwierig erwiesen. Sie sind darüber gereizt. In Folge dieser Gereiztheit sind sie darauf versessen, ihn ihren Zorn fühlen zu lassen und ihn zu bestrafen. Auf dieses Thema ging auch zusammen, was letzthin das Journal des Débats über diesen Punkt vorgetragen hat mit der Schlußbemerkung: England würde sich eben am Ende doch entschließen müssen, seines Stolzes zu vergessen, um mit dem Pascha, den es als einen Vasall einer ihm befreundeten Macht bis jetzt gering geachtet, wie mit einem Souverän sich in Verkehr und Vertrag einzulassen. Ist es absichtlich, daß man jenes Verhängniß auf den verjüngten Maaßstab bringt, will namentlich Hr. Thiers, indem er jenes verkleinernde Maaß und seinen politischen Storchschnabel an das kolossale Zerwürfniß des Pascha's und des Sultans, die nach ihm nur wegen einer leeren Form streiten, an die Spaltung zwischen England und Frankreich, die nach ihm nur aus einer Verspätung in der Darlegung der eigentlichen Absicht von Seite Frankreichs entsprang, und nun auch an die Zwietracht Englands mit dem Pascha legt, die wieder nach ihm nur in einer verletzten Eitelkeit zu suchen ist – will er durch diese Verkleinerung, vielleicht gegen bessere Einsicht in die Größe und Tiefe dieses dreifachen Spaltes, desto leichter und sicherer zu seiner Ausfüllung kommen? Fast scheint es so. Jene Verkleinerung wäre dann nur ein Vorwand, und der letzte Gedanke des klugen Sachwalters der englisch-französischen Allianz wäre, ganz abgesehen von des gewandten Redners eigener Ueberzeugung, etwa dieser: „Es ist nicht der Rede werth, daß ihr euch wegen so untergeordneter Dinge zerwerft, befehdet und mit eurem Bündniß die Existenz der Pforte und die Ruhe von Europa auf das Spiel setzt. Ihr braucht nur die Sachen in ihrem wahren Maaß, als das, was sie sind, als Kleinigkeiten, zu erkennen, und ihr werdet keine Mühe haben, euch schleunig darüber hinweg in die alte Eintracht zurückzusetzen, ehe der gemeinsame Gegner tiefer in den Riß eindringt und durch eure definitive Trennung in dieser hochwichtigen Angelegenheit einen Triumph über eure Kurzsichtigkeit feiert, den er über eure Waffen nie gewonnen hätte.“ Der Plan, durch das Argumentum a minimo zum Ziel zu kommen, wäre weder neu noch übel. Man hat in gewöhnlichem Verkehr mit diesem Argument oft wichtige Dinge ausgerichtet; am Ende sind es auch in der Politik nur Individuen. Es sind wenige, die über öffentliche Dinge rathen und entscheiden, und ihre Ansicht, ihr Entschluß wird nicht selten durch ein Geringfügiges bestimmt; aber dabei wird vorausgesetzt, daß sie derselben Ansicht sind oder werden, oder sich wollen täuschen lassen, um auf irgend eine Weise, und was man sagt, mit guter Manier, aus einer schlimmen Sache herauszukommen. Hat es zu einem Fall von diesen dreien den Anschein, z. B. daß die englischen Politiker derselben Ansicht sind oder nach der Rede des Hrn. Thiers seyn werden? Daran möchte sehr zu zweifeln seyn. England hat noch keineswegs verrathen, daß es seinen Zwist mit Aegypten als etwas so Geringfügiges wie eine Aeußerung gereizter Eitelkeit betrachtete, noch ha es irgend etwas gethan, um Hrn. Thiers zur Annahme zu berechtigen, daß es wünsche leichten Kaufs aus dem Spiele zu kommen; im Gegentheil, scheint es, daß es fortdauernd die Gründe seiner Unzufriedenheit mit dem Vicekönig von Aegypten als zahlreich und tief betrachtet und entschlossen ist, gegen ihn vorzugehen. Wenigstens melden die neuesten Berichte, daß dahin die Erklärungen des Hrn. Hodges an den Vicekönig lauten, und daß dieser sich rüstet, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen. Das ist also ein ganz anderer Zustand der Dinge, als welchen die verkleinernde und verkleisternde Rede des ehemaligen Chefs des französischen Cabinets zeigen oder übrig lassen möchte, und gegenüber diesen Auspicien möchte man besorgen, er werde ungeachtet seiner Künste und Gewandtheit gerade auf dem wichtigsten Punkt, als zu klein für das Maaß der Begebenheiten, als zu flach für ihre Tiefe und zu beschränkt für ihren Umfang, bei Seite gestellt und gelassen werden. Es sind, so weit jetzt die Begebenheiten in ihrem Innern zu erkennen sind, außer dem obenbezeichneten ostindischen Verkehr, vorzüglich zwei Gründe, welche die Gesinnung Englands gegen Mehemed Ali bestimmt und über die im Interesse der englischen Macht gegen ihn zu ergreifenden Maaßregeln entschieden haben: seine Stellung zur Pforte und die Entwickung seines Systems gegen Abyssinien, gegen Arabien und im arabischen und persischen Meerbusen. Behält Mehemed Ali ganz Syrien bis auf die Höhen, und an einzelnen Stellen bis in die nördlichen Abhänge des Taurus, so daß er Mesopotamien im Osten und die kurdischen Gebirge im Norden vor sich hat, so darf man wohl auf der französischen Bühne von einem schönen, großen, mächtigen und gesicherten Reiche träumen – was dem Sultan zwischen dem Taurus und dem Balkan bleibt, ich glaube, daß er es durch einige im orientalischen Geist entworfene Maaßregeln, zu denen Hr. Thiers wahrscheinlich auch den neuesten Hattischerif rechnet, beglücken könne, aber in der Wirklichkeit und der Thatsache gegenüber wird sich auf jenem Gebiete nichts zeigen, als eine Masse bloßgestellter Länder, deren ganze Lebenskraft wie bisher angewendet werden muß, den letzten Tag des Schicksals, mit welchem der Nachbar droht, wo möglich abzuhalten. Syrien kann gegen das mittlere Asien nicht gehalten und benützt werden ohne den Euphrat und Tigris mit Mesopotamien, und die Ebenen von Syrien und Mesopotamien sind in der Gewalt desjenigen, der die kurdischen Gebirge beherrscht. Indem man also Mehemed

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 26. Augsburg, 26. Januar 1840, S. 0202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_026_18400126/10>, abgerufen am 24.11.2024.