Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840.Civilliste, als solche, den ihr obliegenden Beweis führen könnte, weil sie wirklich verschuldet und mit ihren Einkünften im Rückstand sey. Man nennt als hauptsächlichen Grund dieser Verschuldung die großen Ausgaben des Königs in Versailles. Wenn übrigens das jetzt begehrte Gesetz zu Gunsten des Herzogs von Nemours nicht durchgeht, so kann man überzeugt seyn, daß der König in einiger Zeit verlangen wird, man soll die Ausgaben für das Museum in Versailles auf das Staatsbudget übertragen. Algier, 25 Jan. Ueber die Begebenheiten im Innern fehlt es durchaus an Nachrichten; man weiß nicht einmal, auf welchem Punkt Abd-El-Kader sich befindet. Unsere Neugierde erhält keine andere Nahrung, als durch die beständige Ankunft von Truppen, deren große Zahl uns zu beunruhigen anfängt, (was besonders hinsichtlich der Infanterie gilt, denn Cavallerie können wir eigentlich nie zu viel bekommen.) Die Armee wird stärker seyn, als bei ihrer Landung im Jahr 1830, und dieß dürfte bedeutende Kosten verursachen, welche in künftiger Session den Gegnern Algiers in der Kammer Stoff zu Declamationen geben werden. Uebrigens ist diese große Entwickelung von Streitkräften unnütz, insofern nicht etwa das Ministerium die Absicht hat, durch eine außerordentliche Truppenmasse des künftigen Obergenerals mangelhafte Kenntnisse des Landes und der Kriegskunst zu ersetzen. Besser wäre es freilich gewesen, wenn man die Führung des bevorstehenden Feldzugs nicht dem Marschall Valee übertragen hätte. Dieser hatte einen zweifachen Fehler begangen: als Militär, daß er sich vom Feinde überfallen ließ und dessen Verheerungen sich nicht widersetzte; als Verwalter, daß er nicht einsah, wie wichtig es des Princips wegen sey, auf keine Weise zu dulden, daß die Araber unsern Anfang von Colonisation in der Metidscha, von so geringer Wichtigkeit derselbe auch in materieller Hinsicht war, zerstören. Die Stadt Scherschell, bei welcher der kürzlich erwähnte Seeraub verübt wurde, ist in einem beständigen Bombardementszustand. Es fährt nicht Ein Schiff der königlichen Marine vorüber, ohne einige Kugeln auf dieselbe zu schleudern. Vor drei Tagen feuerte die Brigg Euryale 200 Kugeln auf Scherschell; vorgestern war an dem Dampfboot Chimere die Reihe, welches 150 Kugeln abschoß. Die Städte sind aber in diesem Land nicht so häufig, als daß man sie so leichtsinnig zerstören sollte, und dieß thut man im Augenblick der Eröffnung eines Feldzugs, welcher vielleicht die Besetzung von Scherschell nothwendig macht! Ueberdieß weiß man wohl, daß jener Piratenact von den Kabylen des Stammes Schenuah, welche die Gebirge in der Umgegend von Scherschell bewohnen, verübt worden ist. Die Stadtbewohner hatten daran keinen Theil. Sie unterhielten mit uns einen beständigen Handel, versahen uns mit Getreide, Weizen, Töpfergeschirr, und hatten keinen Grund uns anzugreifen. Eine kürzlich erschienene Broschüre unter dem Titel: De la necessite de substituer le gouvernement civil au gouvernement militaire pour le succes de la colonisation d'Alger macht hier um so größeres Aufsehen, als der Verfasser dieser Schrift, welche unsere Anhänger der "Säbelregierung" in so große Entrüstung versetzt, selbst ein Militär, Capitän Leblanc de Prebois vom Generalstabe ist, welcher seit zehn Jahren in Algier lebt und das Land gründlich kennt. Die Schrift ist sehr gut und energisch geschrieben. Niederlande. Aus dem Haag, 28 Jan. Die zweite Kammer der Generalstaaten wird in der Mitte des Monats März ihre Sitzungen wieder aufnehmen. Man sagt, es sollten ihr dann von der Regierung mehrere financielle Gesetzentwürfe vorgelegt werden. Es sind bekanntlich der Regierung die Mittel nur bis zu Ende des Junius bewilligt. Es ist aber sehr zweifelhaft, daß sich die Kammer mit Budgetsangelegenheiten beschäftigen werde, bevor die Revision des Staatsgrundgesetzes erledigt oder wenigstens vorgelegt ist. Die Aufhebung des Syndicats soll, nach dem Versprechen der Regierung, in dieser Kammersession auch noch berathen werden. - Der Legationsrath Mazel, welcher seither als diesseitiger Geschäftsträger in Paris functionirte, ist hierher zurückgekehrt und in seine Stelle als Referendarius beim Ministerium des Aeußern wieder eingetreten. - Der König hat in der Nähe seines Palais aus seiner Schatulle ein Haus ankaufen lassen, in welchem die Bureaux für die luxemburgischen Angelegenheiten eingerichtet werden sollen. Aus dem Haag, 31 Jan. Nach Allem, was man hört, dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß unsere Regierung sich mit den Generalstaaten bezüglich der Revision des Staatsgrundgesetzes zu verständigen suchen werde. Ueberhaupt ist es ja nicht anzunehmen, daß die Regierung absichtlich einen Zwiespalt mit den Generalstaaten unterhalten wolle. Vorgestern hatte, bevor die gewöhnliche Mittwochsaudienz beim Könige begann, eines der ersten Mitglieder der Generalstaaten eine lange Conferenz mit Sr. Maj., wie man vermuthet, bezüglich der Revisionsangelegenheit. - Die Festlichkeiten folgen nun in unserer Residenz rascher aufeinander. Die königl. Familie wird der am 15 d. in Leyden stattfindenden großen Studentenmaskerade, darstellend den Einzug des Herzogs Johann von Bayern in Leyden, beiwohnen. - Zur Errichtung eines neuen Dampfschifffahrsdienstes zwischen Rotterdam und Antwerpen hat sich eine Gesellschaft gebildet und eine Deputation derselben vorgestern Audienz bei dem Könige gehabt. - Die k. bayerische Kammersängerin, Madame Sigl-Vespermann und ihr Bruder, der k. bayerische Kammermusikus, Hr. Sigl, sind hier angekommen und werden sich in den ersten Tagen öffentlich hören lassen; in Amsterdam haben sie großen Beifall geernte. Deutschland. München, 5 Febr. Nach Berichten aus Landshut ist daselbst der Regierungsdirector für Niederbayern, Kammer der Finanzen, Karl Joseph Hartmann, mit Tod abgegangen. - Mit nächstem wird in der Kammer der Abgeordneten der Gesetzesentwurf über Sicherstellung des litterarischen Eigenthums zur Berathung kommen. Referent im Ausschluß ist darüber dem Vernehmen nach Hofrath Bayer. Man wünscht allgemein und zweifelt auch nicht, daß dieses von der Regierung trefflich motivirte Gesetz von den Ständen des Reichs angenommen werde.-Der Carneval ist bei uns in vollem Zuge; Bälle folgen auf Bälle, Maskenzüge werden vorbereitet und hatten bereits statt. Der letzte Hofball im Foyer des Hoftheaters, auf welchem die prächtigen und geschmackvollen Charaktermasken aus Kenilworth und Tasso, dann die Quadrillen aus dem Ballet: "Der Aufruhr im Serail," erschienen, war überaus brillant und belebt. Mit dem Soirees und Tanzunterhaltungen der höhern Kreise wechseln nun die öffentlichen Maskenbälle im Hoftheater so wie die, welche das Museum, der Frohsinn, der Bürgerverein etc. ihren Mitarbeitern bereiten, ab. Der große Maskenzug der hiesigen Künstler, der die Zahl von 400 Theilnehmern bereits überschritten, wird am 17 Febr. vor den Augen des bis zur höchsten Neugierde gesteigerten Publicums erscheinen, und nach Allem, was darüber verlautet, von ausgezeichneter Schönheit seyn. Das festordnende Comite, aus acht Künstlern bestehend, ist schon seit drei Wochen beschäftigt, theils die Zeichnungen zu den Costumes zu fertigen und zu prüfen, theils auch die passenden Individuen zu Civilliste, als solche, den ihr obliegenden Beweis führen könnte, weil sie wirklich verschuldet und mit ihren Einkünften im Rückstand sey. Man nennt als hauptsächlichen Grund dieser Verschuldung die großen Ausgaben des Königs in Versailles. Wenn übrigens das jetzt begehrte Gesetz zu Gunsten des Herzogs von Nemours nicht durchgeht, so kann man überzeugt seyn, daß der König in einiger Zeit verlangen wird, man soll die Ausgaben für das Museum in Versailles auf das Staatsbudget übertragen. Algier, 25 Jan. Ueber die Begebenheiten im Innern fehlt es durchaus an Nachrichten; man weiß nicht einmal, auf welchem Punkt Abd-El-Kader sich befindet. Unsere Neugierde erhält keine andere Nahrung, als durch die beständige Ankunft von Truppen, deren große Zahl uns zu beunruhigen anfängt, (was besonders hinsichtlich der Infanterie gilt, denn Cavallerie können wir eigentlich nie zu viel bekommen.) Die Armee wird stärker seyn, als bei ihrer Landung im Jahr 1830, und dieß dürfte bedeutende Kosten verursachen, welche in künftiger Session den Gegnern Algiers in der Kammer Stoff zu Declamationen geben werden. Uebrigens ist diese große Entwickelung von Streitkräften unnütz, insofern nicht etwa das Ministerium die Absicht hat, durch eine außerordentliche Truppenmasse des künftigen Obergenerals mangelhafte Kenntnisse des Landes und der Kriegskunst zu ersetzen. Besser wäre es freilich gewesen, wenn man die Führung des bevorstehenden Feldzugs nicht dem Marschall Valée übertragen hätte. Dieser hatte einen zweifachen Fehler begangen: als Militär, daß er sich vom Feinde überfallen ließ und dessen Verheerungen sich nicht widersetzte; als Verwalter, daß er nicht einsah, wie wichtig es des Princips wegen sey, auf keine Weise zu dulden, daß die Araber unsern Anfang von Colonisation in der Metidscha, von so geringer Wichtigkeit derselbe auch in materieller Hinsicht war, zerstören. Die Stadt Scherschell, bei welcher der kürzlich erwähnte Seeraub verübt wurde, ist in einem beständigen Bombardementszustand. Es fährt nicht Ein Schiff der königlichen Marine vorüber, ohne einige Kugeln auf dieselbe zu schleudern. Vor drei Tagen feuerte die Brigg Euryale 200 Kugeln auf Scherschell; vorgestern war an dem Dampfboot Chimère die Reihe, welches 150 Kugeln abschoß. Die Städte sind aber in diesem Land nicht so häufig, als daß man sie so leichtsinnig zerstören sollte, und dieß thut man im Augenblick der Eröffnung eines Feldzugs, welcher vielleicht die Besetzung von Scherschell nothwendig macht! Ueberdieß weiß man wohl, daß jener Piratenact von den Kabylen des Stammes Schenuah, welche die Gebirge in der Umgegend von Scherschell bewohnen, verübt worden ist. Die Stadtbewohner hatten daran keinen Theil. Sie unterhielten mit uns einen beständigen Handel, versahen uns mit Getreide, Weizen, Töpfergeschirr, und hatten keinen Grund uns anzugreifen. Eine kürzlich erschienene Broschüre unter dem Titel: De la nécessité de substituer le gouvernement civil au gouvernement militaire pour le succès de la colonisation d'Alger macht hier um so größeres Aufsehen, als der Verfasser dieser Schrift, welche unsere Anhänger der „Säbelregierung“ in so große Entrüstung versetzt, selbst ein Militär, Capitän Leblanc de Prébois vom Generalstabe ist, welcher seit zehn Jahren in Algier lebt und das Land gründlich kennt. Die Schrift ist sehr gut und energisch geschrieben. Niederlande. Aus dem Haag, 28 Jan. Die zweite Kammer der Generalstaaten wird in der Mitte des Monats März ihre Sitzungen wieder aufnehmen. Man sagt, es sollten ihr dann von der Regierung mehrere financielle Gesetzentwürfe vorgelegt werden. Es sind bekanntlich der Regierung die Mittel nur bis zu Ende des Junius bewilligt. Es ist aber sehr zweifelhaft, daß sich die Kammer mit Budgetsangelegenheiten beschäftigen werde, bevor die Revision des Staatsgrundgesetzes erledigt oder wenigstens vorgelegt ist. Die Aufhebung des Syndicats soll, nach dem Versprechen der Regierung, in dieser Kammersession auch noch berathen werden. – Der Legationsrath Mazel, welcher seither als diesseitiger Geschäftsträger in Paris functionirte, ist hierher zurückgekehrt und in seine Stelle als Referendarius beim Ministerium des Aeußern wieder eingetreten. – Der König hat in der Nähe seines Palais aus seiner Schatulle ein Haus ankaufen lassen, in welchem die Bureaux für die luxemburgischen Angelegenheiten eingerichtet werden sollen. Aus dem Haag, 31 Jan. Nach Allem, was man hört, dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß unsere Regierung sich mit den Generalstaaten bezüglich der Revision des Staatsgrundgesetzes zu verständigen suchen werde. Ueberhaupt ist es ja nicht anzunehmen, daß die Regierung absichtlich einen Zwiespalt mit den Generalstaaten unterhalten wolle. Vorgestern hatte, bevor die gewöhnliche Mittwochsaudienz beim Könige begann, eines der ersten Mitglieder der Generalstaaten eine lange Conferenz mit Sr. Maj., wie man vermuthet, bezüglich der Revisionsangelegenheit. – Die Festlichkeiten folgen nun in unserer Residenz rascher aufeinander. Die königl. Familie wird der am 15 d. in Leyden stattfindenden großen Studentenmaskerade, darstellend den Einzug des Herzogs Johann von Bayern in Leyden, beiwohnen. – Zur Errichtung eines neuen Dampfschifffahrsdienstes zwischen Rotterdam und Antwerpen hat sich eine Gesellschaft gebildet und eine Deputation derselben vorgestern Audienz bei dem Könige gehabt. – Die k. bayerische Kammersängerin, Madame Sigl-Vespermann und ihr Bruder, der k. bayerische Kammermusikus, Hr. Sigl, sind hier angekommen und werden sich in den ersten Tagen öffentlich hören lassen; in Amsterdam haben sie großen Beifall geernte. Deutschland. München, 5 Febr. Nach Berichten aus Landshut ist daselbst der Regierungsdirector für Niederbayern, Kammer der Finanzen, Karl Joseph Hartmann, mit Tod abgegangen. – Mit nächstem wird in der Kammer der Abgeordneten der Gesetzesentwurf über Sicherstellung des litterarischen Eigenthums zur Berathung kommen. Referent im Ausschluß ist darüber dem Vernehmen nach Hofrath Bayer. Man wünscht allgemein und zweifelt auch nicht, daß dieses von der Regierung trefflich motivirte Gesetz von den Ständen des Reichs angenommen werde.–Der Carneval ist bei uns in vollem Zuge; Bälle folgen auf Bälle, Maskenzüge werden vorbereitet und hatten bereits statt. Der letzte Hofball im Foyer des Hoftheaters, auf welchem die prächtigen und geschmackvollen Charaktermasken aus Kenilworth und Tasso, dann die Quadrillen aus dem Ballet: „Der Aufruhr im Serail,“ erschienen, war überaus brillant und belebt. Mit dem Soirées und Tanzunterhaltungen der höhern Kreise wechseln nun die öffentlichen Maskenbälle im Hoftheater so wie die, welche das Museum, der Frohsinn, der Bürgerverein etc. ihren Mitarbeitern bereiten, ab. Der große Maskenzug der hiesigen Künstler, der die Zahl von 400 Theilnehmern bereits überschritten, wird am 17 Febr. vor den Augen des bis zur höchsten Neugierde gesteigerten Publicums erscheinen, und nach Allem, was darüber verlautet, von ausgezeichneter Schönheit seyn. Das festordnende Comité, aus acht Künstlern bestehend, ist schon seit drei Wochen beschäftigt, theils die Zeichnungen zu den Costumes zu fertigen und zu prüfen, theils auch die passenden Individuen zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="0303"/> Civilliste, als solche, den ihr obliegenden Beweis führen könnte, weil sie wirklich verschuldet und mit ihren Einkünften im Rückstand sey. Man nennt als hauptsächlichen Grund dieser Verschuldung die großen Ausgaben des Königs in Versailles. Wenn übrigens das jetzt begehrte Gesetz zu Gunsten des Herzogs von Nemours nicht durchgeht, so kann man überzeugt seyn, daß der König in einiger Zeit verlangen wird, man soll die Ausgaben für das Museum in Versailles auf das Staatsbudget übertragen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Algier,</hi> 25 Jan.</dateline> <p> Ueber die Begebenheiten im Innern fehlt es durchaus an Nachrichten; man weiß nicht einmal, auf welchem Punkt Abd-El-Kader sich befindet. Unsere Neugierde erhält keine andere Nahrung, als durch die beständige Ankunft von Truppen, deren große Zahl uns zu beunruhigen anfängt, (was besonders hinsichtlich der Infanterie gilt, denn Cavallerie können wir eigentlich nie zu viel bekommen.) Die Armee wird stärker seyn, als bei ihrer Landung im Jahr 1830, und dieß dürfte bedeutende Kosten verursachen, welche in künftiger Session den Gegnern Algiers in der Kammer Stoff zu Declamationen geben werden. Uebrigens ist diese große Entwickelung von Streitkräften unnütz, insofern nicht etwa das Ministerium die Absicht hat, durch eine außerordentliche Truppenmasse des künftigen Obergenerals mangelhafte Kenntnisse des Landes und der Kriegskunst zu ersetzen. Besser wäre es freilich gewesen, wenn man die Führung des bevorstehenden Feldzugs nicht dem Marschall Valée übertragen hätte. Dieser hatte einen zweifachen Fehler begangen: als Militär, daß er sich vom Feinde überfallen ließ und dessen Verheerungen sich nicht widersetzte; als Verwalter, daß er nicht einsah, wie wichtig es des Princips wegen sey, auf keine Weise zu dulden, daß die Araber unsern Anfang von Colonisation in der Metidscha, von so geringer Wichtigkeit derselbe auch in materieller Hinsicht war, zerstören. Die Stadt Scherschell, bei welcher der kürzlich erwähnte Seeraub verübt wurde, ist in einem beständigen Bombardementszustand. Es fährt nicht Ein Schiff der königlichen Marine vorüber, ohne einige Kugeln auf dieselbe zu schleudern. Vor drei Tagen feuerte die Brigg Euryale 200 Kugeln auf Scherschell; vorgestern war an dem Dampfboot <hi rendition="#g">Chimère</hi> die Reihe, welches 150 Kugeln abschoß. Die Städte sind aber in diesem Land nicht so häufig, als daß man sie so leichtsinnig zerstören sollte, und dieß thut man im Augenblick der Eröffnung eines Feldzugs, welcher vielleicht die Besetzung von Scherschell nothwendig macht! Ueberdieß weiß man wohl, daß jener Piratenact von den Kabylen des Stammes Schenuah, welche die Gebirge in der Umgegend von Scherschell bewohnen, verübt worden ist. Die Stadtbewohner hatten daran keinen Theil. Sie unterhielten mit uns einen beständigen Handel, versahen uns mit Getreide, Weizen, Töpfergeschirr, und hatten keinen Grund uns anzugreifen. Eine kürzlich erschienene Broschüre unter dem Titel: De la nécessité de substituer le gouvernement civil au gouvernement militaire pour le succès de la colonisation d'Alger macht hier um so größeres Aufsehen, als der Verfasser dieser Schrift, welche unsere Anhänger der „Säbelregierung“ in so große Entrüstung versetzt, selbst ein Militär, Capitän Leblanc de Prébois vom Generalstabe ist, welcher seit zehn Jahren in Algier lebt und das Land gründlich kennt. Die Schrift ist sehr gut und energisch geschrieben.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Niederlande.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Aus dem Haag,</hi> 28 Jan.</dateline> <p> Die zweite Kammer der Generalstaaten wird in der Mitte des Monats März ihre Sitzungen wieder aufnehmen. Man sagt, es sollten ihr dann von der Regierung mehrere financielle Gesetzentwürfe vorgelegt werden. Es sind bekanntlich der Regierung die Mittel nur bis zu Ende des Junius bewilligt. Es ist aber sehr zweifelhaft, daß sich die Kammer mit Budgetsangelegenheiten beschäftigen werde, bevor die Revision des Staatsgrundgesetzes erledigt oder wenigstens vorgelegt ist. Die Aufhebung des Syndicats soll, nach dem Versprechen der Regierung, in dieser Kammersession auch noch berathen werden. – Der Legationsrath Mazel, welcher seither als diesseitiger Geschäftsträger in Paris functionirte, ist hierher zurückgekehrt und in seine Stelle als Referendarius beim Ministerium des Aeußern wieder eingetreten. – Der König hat in der Nähe seines Palais aus seiner Schatulle ein Haus ankaufen lassen, in welchem die Bureaux für die luxemburgischen Angelegenheiten eingerichtet werden sollen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Aus dem Haag,</hi> 31 Jan.</dateline> <p> Nach Allem, was man hört, dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß unsere Regierung sich mit den Generalstaaten bezüglich der Revision des Staatsgrundgesetzes zu verständigen suchen werde. Ueberhaupt ist es ja nicht anzunehmen, daß die Regierung absichtlich einen Zwiespalt mit den Generalstaaten unterhalten wolle. Vorgestern hatte, bevor die gewöhnliche Mittwochsaudienz beim Könige begann, eines der ersten Mitglieder der Generalstaaten eine lange Conferenz mit Sr. Maj., wie man vermuthet, bezüglich der Revisionsangelegenheit. – Die Festlichkeiten folgen nun in unserer Residenz rascher aufeinander. Die königl. Familie wird der am 15 d. in Leyden stattfindenden großen Studentenmaskerade, darstellend den Einzug des Herzogs Johann von Bayern in Leyden, beiwohnen. – Zur Errichtung eines neuen Dampfschifffahrsdienstes zwischen Rotterdam und Antwerpen hat sich eine Gesellschaft gebildet und eine Deputation derselben vorgestern Audienz bei dem Könige gehabt. – Die k. bayerische Kammersängerin, Madame Sigl-Vespermann und ihr Bruder, der k. bayerische Kammermusikus, Hr. Sigl, sind hier angekommen und werden sich in den ersten Tagen öffentlich hören lassen; in Amsterdam haben sie großen Beifall geernte.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Deutschland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 5 Febr.</dateline> <p> Nach Berichten aus Landshut ist daselbst der Regierungsdirector für Niederbayern, Kammer der Finanzen, Karl Joseph Hartmann, mit Tod abgegangen. – Mit nächstem wird in der Kammer der Abgeordneten der Gesetzesentwurf über Sicherstellung des litterarischen Eigenthums zur Berathung kommen. Referent im Ausschluß ist darüber dem Vernehmen nach Hofrath Bayer. Man wünscht allgemein und zweifelt auch nicht, daß dieses von der Regierung trefflich motivirte Gesetz von den Ständen des Reichs angenommen werde.–Der Carneval ist bei uns in vollem Zuge; Bälle folgen auf Bälle, Maskenzüge werden vorbereitet und hatten bereits statt. Der letzte Hofball im Foyer des Hoftheaters, auf welchem die prächtigen und geschmackvollen Charaktermasken aus Kenilworth und Tasso, dann die Quadrillen aus dem Ballet: „Der Aufruhr im Serail,“ erschienen, war überaus brillant und belebt. Mit dem Soirées und Tanzunterhaltungen der höhern Kreise wechseln nun die öffentlichen Maskenbälle im Hoftheater so wie die, welche das Museum, der Frohsinn, der Bürgerverein etc. ihren Mitarbeitern bereiten, ab. Der große Maskenzug der hiesigen Künstler, der die Zahl von 400 Theilnehmern bereits überschritten, wird am 17 Febr. vor den Augen des bis zur höchsten Neugierde gesteigerten Publicums erscheinen, und nach Allem, was darüber verlautet, von ausgezeichneter Schönheit seyn. Das festordnende Comité, aus acht Künstlern bestehend, ist schon seit drei Wochen beschäftigt, theils die Zeichnungen zu den Costumes zu fertigen und zu prüfen, theils auch die passenden Individuen zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0303/0007]
Civilliste, als solche, den ihr obliegenden Beweis führen könnte, weil sie wirklich verschuldet und mit ihren Einkünften im Rückstand sey. Man nennt als hauptsächlichen Grund dieser Verschuldung die großen Ausgaben des Königs in Versailles. Wenn übrigens das jetzt begehrte Gesetz zu Gunsten des Herzogs von Nemours nicht durchgeht, so kann man überzeugt seyn, daß der König in einiger Zeit verlangen wird, man soll die Ausgaben für das Museum in Versailles auf das Staatsbudget übertragen.
_ Algier, 25 Jan. Ueber die Begebenheiten im Innern fehlt es durchaus an Nachrichten; man weiß nicht einmal, auf welchem Punkt Abd-El-Kader sich befindet. Unsere Neugierde erhält keine andere Nahrung, als durch die beständige Ankunft von Truppen, deren große Zahl uns zu beunruhigen anfängt, (was besonders hinsichtlich der Infanterie gilt, denn Cavallerie können wir eigentlich nie zu viel bekommen.) Die Armee wird stärker seyn, als bei ihrer Landung im Jahr 1830, und dieß dürfte bedeutende Kosten verursachen, welche in künftiger Session den Gegnern Algiers in der Kammer Stoff zu Declamationen geben werden. Uebrigens ist diese große Entwickelung von Streitkräften unnütz, insofern nicht etwa das Ministerium die Absicht hat, durch eine außerordentliche Truppenmasse des künftigen Obergenerals mangelhafte Kenntnisse des Landes und der Kriegskunst zu ersetzen. Besser wäre es freilich gewesen, wenn man die Führung des bevorstehenden Feldzugs nicht dem Marschall Valée übertragen hätte. Dieser hatte einen zweifachen Fehler begangen: als Militär, daß er sich vom Feinde überfallen ließ und dessen Verheerungen sich nicht widersetzte; als Verwalter, daß er nicht einsah, wie wichtig es des Princips wegen sey, auf keine Weise zu dulden, daß die Araber unsern Anfang von Colonisation in der Metidscha, von so geringer Wichtigkeit derselbe auch in materieller Hinsicht war, zerstören. Die Stadt Scherschell, bei welcher der kürzlich erwähnte Seeraub verübt wurde, ist in einem beständigen Bombardementszustand. Es fährt nicht Ein Schiff der königlichen Marine vorüber, ohne einige Kugeln auf dieselbe zu schleudern. Vor drei Tagen feuerte die Brigg Euryale 200 Kugeln auf Scherschell; vorgestern war an dem Dampfboot Chimère die Reihe, welches 150 Kugeln abschoß. Die Städte sind aber in diesem Land nicht so häufig, als daß man sie so leichtsinnig zerstören sollte, und dieß thut man im Augenblick der Eröffnung eines Feldzugs, welcher vielleicht die Besetzung von Scherschell nothwendig macht! Ueberdieß weiß man wohl, daß jener Piratenact von den Kabylen des Stammes Schenuah, welche die Gebirge in der Umgegend von Scherschell bewohnen, verübt worden ist. Die Stadtbewohner hatten daran keinen Theil. Sie unterhielten mit uns einen beständigen Handel, versahen uns mit Getreide, Weizen, Töpfergeschirr, und hatten keinen Grund uns anzugreifen. Eine kürzlich erschienene Broschüre unter dem Titel: De la nécessité de substituer le gouvernement civil au gouvernement militaire pour le succès de la colonisation d'Alger macht hier um so größeres Aufsehen, als der Verfasser dieser Schrift, welche unsere Anhänger der „Säbelregierung“ in so große Entrüstung versetzt, selbst ein Militär, Capitän Leblanc de Prébois vom Generalstabe ist, welcher seit zehn Jahren in Algier lebt und das Land gründlich kennt. Die Schrift ist sehr gut und energisch geschrieben.
Niederlande.
_ Aus dem Haag, 28 Jan. Die zweite Kammer der Generalstaaten wird in der Mitte des Monats März ihre Sitzungen wieder aufnehmen. Man sagt, es sollten ihr dann von der Regierung mehrere financielle Gesetzentwürfe vorgelegt werden. Es sind bekanntlich der Regierung die Mittel nur bis zu Ende des Junius bewilligt. Es ist aber sehr zweifelhaft, daß sich die Kammer mit Budgetsangelegenheiten beschäftigen werde, bevor die Revision des Staatsgrundgesetzes erledigt oder wenigstens vorgelegt ist. Die Aufhebung des Syndicats soll, nach dem Versprechen der Regierung, in dieser Kammersession auch noch berathen werden. – Der Legationsrath Mazel, welcher seither als diesseitiger Geschäftsträger in Paris functionirte, ist hierher zurückgekehrt und in seine Stelle als Referendarius beim Ministerium des Aeußern wieder eingetreten. – Der König hat in der Nähe seines Palais aus seiner Schatulle ein Haus ankaufen lassen, in welchem die Bureaux für die luxemburgischen Angelegenheiten eingerichtet werden sollen.
_ Aus dem Haag, 31 Jan. Nach Allem, was man hört, dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß unsere Regierung sich mit den Generalstaaten bezüglich der Revision des Staatsgrundgesetzes zu verständigen suchen werde. Ueberhaupt ist es ja nicht anzunehmen, daß die Regierung absichtlich einen Zwiespalt mit den Generalstaaten unterhalten wolle. Vorgestern hatte, bevor die gewöhnliche Mittwochsaudienz beim Könige begann, eines der ersten Mitglieder der Generalstaaten eine lange Conferenz mit Sr. Maj., wie man vermuthet, bezüglich der Revisionsangelegenheit. – Die Festlichkeiten folgen nun in unserer Residenz rascher aufeinander. Die königl. Familie wird der am 15 d. in Leyden stattfindenden großen Studentenmaskerade, darstellend den Einzug des Herzogs Johann von Bayern in Leyden, beiwohnen. – Zur Errichtung eines neuen Dampfschifffahrsdienstes zwischen Rotterdam und Antwerpen hat sich eine Gesellschaft gebildet und eine Deputation derselben vorgestern Audienz bei dem Könige gehabt. – Die k. bayerische Kammersängerin, Madame Sigl-Vespermann und ihr Bruder, der k. bayerische Kammermusikus, Hr. Sigl, sind hier angekommen und werden sich in den ersten Tagen öffentlich hören lassen; in Amsterdam haben sie großen Beifall geernte.
Deutschland.
_ München, 5 Febr. Nach Berichten aus Landshut ist daselbst der Regierungsdirector für Niederbayern, Kammer der Finanzen, Karl Joseph Hartmann, mit Tod abgegangen. – Mit nächstem wird in der Kammer der Abgeordneten der Gesetzesentwurf über Sicherstellung des litterarischen Eigenthums zur Berathung kommen. Referent im Ausschluß ist darüber dem Vernehmen nach Hofrath Bayer. Man wünscht allgemein und zweifelt auch nicht, daß dieses von der Regierung trefflich motivirte Gesetz von den Ständen des Reichs angenommen werde.–Der Carneval ist bei uns in vollem Zuge; Bälle folgen auf Bälle, Maskenzüge werden vorbereitet und hatten bereits statt. Der letzte Hofball im Foyer des Hoftheaters, auf welchem die prächtigen und geschmackvollen Charaktermasken aus Kenilworth und Tasso, dann die Quadrillen aus dem Ballet: „Der Aufruhr im Serail,“ erschienen, war überaus brillant und belebt. Mit dem Soirées und Tanzunterhaltungen der höhern Kreise wechseln nun die öffentlichen Maskenbälle im Hoftheater so wie die, welche das Museum, der Frohsinn, der Bürgerverein etc. ihren Mitarbeitern bereiten, ab. Der große Maskenzug der hiesigen Künstler, der die Zahl von 400 Theilnehmern bereits überschritten, wird am 17 Febr. vor den Augen des bis zur höchsten Neugierde gesteigerten Publicums erscheinen, und nach Allem, was darüber verlautet, von ausgezeichneter Schönheit seyn. Das festordnende Comité, aus acht Künstlern bestehend, ist schon seit drei Wochen beschäftigt, theils die Zeichnungen zu den Costumes zu fertigen und zu prüfen, theils auch die passenden Individuen zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |