Allgemeine Zeitung. Nr. 39. Augsburg, 8. Februar 1840.Es wird zum Behuf eines anschaulichen Localbildes dienen, diese beiden Eingebornen hier mit wenigen Zügen zu schildern. Der älteste von beiden war ein gedrungen gebauter, kleiner Mann von ungefähr 35 Jahren, der uns schon von Merävi an begleitet, und von uns wegen seiner furienartigen Coiffure den Namen des Waldteufels erhalten hatte. Dickes pechschwarzes Haar, das er ohne alle weitere Kopfbedeckung trägt, hängt ihm auf allen Seiten bis über die Schultern, wie Schlangen, herab, und vermischt sich mit einem gleich üppigen und gleich schwarzen Bart, der auch nicht viel weniger lang ist. Schlohweiße, große Zähne, die fast immer sichtbar bleiben, und brennende kleine Augen schauen aus dem runden Gesichte hervor, das die Farbe eines von Ruß geschwärzten, alten kupfernen Kessels hat. Brust und Schulterblätter sind so hervorstehend und so fleischig, daß sie auf die seltsamste Weise, vorn wie auf dem Rücken, die wiederholte Form eines weiblichen Busens präsentiren; die Beine dagegen, mit dicken Knieen, sind äußerst mager und fast ohne Waden - ein Fehler, der bei den Arabern häufig, bei den Baräbras Dongolesen und den hiesigen Einwohnern aber fast allgemein ist. Füße und Hände zeigen sich wohl geformt, wie es ebenfalls bei den meisten der Eingebornen stattfindet. In jeder Backe sind unserm Freunde fünf tiefe parallel laufende Linien eingebrannt, was theils als Zierde, theils als Präservativ gegen Krankheiten dienen soll. Zu demselben Zweck trägt er am rechten Arm ein Bracelet von Leder, mit einer Capsel aus gleichem Stoff, die ein geschriebenes Amulet verschließt. Am linken Arm bildet den Pendant zu diesem Schmuck ein messerartiger Dolch, und über der Schulter hängt, so wie wir die Jagdgewehre tragen, an einem kurzen breiten Riemen ein Schwert mit eisernem Kreuzesgriff. Man versicherte mich in Karthum, daß diese, hier sehr allgemeinen, Waffen in Holland verfertigt werden, und einen bedeutenden Handelsartikel für die hiesigen Länder ausmachen. Die europäische Arbeit war wenigstens nicht daran zu verkennen. Außer einem kleinen Leinwandschurz um die Lenden, geht unser Original, gleich seinen Landsleuten völlig nackt, und nur höchst selten schnallt er sich dünne Ledersandalen an, oder schlägt ein Tuch um den Kopf. Dafür sind Körper und Haare fortwährend mit Fett wohleingeschmiert, und er ermangelt nie nach der Mahlzeit der Diener, an der er sonst nur wenig Theil nimmt, den Rest des Fettes oder der Butter, welcher in der Schüssel zurückbleibt, sorgsam auszukratzen, um ihn als kostbare Salbe für sich zu benützen. So ekelhaft uns dieß erscheinen mag, so befriedigend ist doch das Resultat; denn es hält die Insecten gänzlich ab, und gibt der Haut des Körpers die größte Schönheit. Ich sah nie in Europa eine Frau, deren Haut einen so wundervollen matten Glanz, eine solche fleckenlose Ebenheit und eine solche Sammtweiche gehabt hätte, als hier fast allgemein bei Männern und Weibern angetroffen wird. Dazu gestehe ich, daß mir die röthlich schwarzbraune Nuance von allen Menschenfarben als die schönste erscheint, Weiß dagegen mir jetzt immer wie krankhaft vorkommt, das Negerschwarz aber wie verbrannt. Wenn die Sonne auf den Nacken eines Individuums von jener gerühmten Farbe scheint, so glaubt man einen dunklen Seidenflor über Goldplatten ausgebreitet zu sehen, und Atlaß wie Sammt fassen sich hart dagegen an. Ich für meine Person zweifle daher auch nicht - da die Bibel sich nicht deutlich darüber ausspricht - daß Adam im Paradiese diese Hautfarbe, als die normale, besessen haben müsse, und seitdem erst seine nordischen Kinder vor Kälte, Kummer, Noth und zu vielem Nachdenken so blaß geworden, die südlichen aber von der glühenden Sonne, wie im Ofen, schwarz gebeitzt worden sind. Des Habib-Allah (dieser Name ist wörtlich unser deutsches Gottlieb) Fassungskraft war weit schwächer als sein Körper, und seine Seele wahrscheinlich auch weniger schön als seine Haut. Oft war es schwer, nicht ungeduldig über sein Benehmen zu werden. So ist es eine, zwar im Grunde unnütze, aber bei einer beschwerlichen langen Tour doch gewissermaßen erleichternde Sache (ungefähr so wie das Schreien beim Schmerz) zu fragen, ob man noch weit bis zum Ziele habe, ob die Hälfte, das Drittheil des Weges zurückgelegt sey, wie viel Stunden noch durchritten werden müßten u. s. w. Alle diese Fragen konnten Habib-Allah nie verständlich gemacht werden, und seine Antworten blieben immer ganz unbefriedigend, weil er unter "weit" nur das zu verstehen fähig war, was eine ganze Tagreise oder darüber umfaßte, unter "nahe," was keine ganze Tagreise betrug, eine Sonderung des Weges aber in verschiedene kleinere Abtheilungen, oder gar eine Berechnung nach Stunden, durchaus nicht zu begreifen vermochte. Frug man ihn, auf entfernte Berge oder einen andern Gegenstand hinweisend: liegt der Ort, nach dem wir gehen, vor oder hinter diesem Berge? so konnte man keine andere Antwort von ihm erhalten als: "der Ort, wo wir hingehen, liegt vor, nicht hinter uns." Uebrigens war er stets guter Laune und Alles ihm recht. Indolenz und Heiterkeit scheinen wahrlich die Grundzüge des Charakters aller seiner Landsleute zu seyn. Gutmüthig und dienstfertig, mit scharfen Sinnen begabt, fast ohne Bedürfnisse, und gegen Alles abgehärtet gleich den Thieren, mit der kleinsten Gabe begnügt, und die geringste Gunst des Schicksals als ein Glück ansehend, scheinen sie völlig zufrieden zu leben, ja sie genießen vielleicht so die einzig mögliche, wahre Freiheit. Denn nur wer für sich selbst beinahe nichts, und folglich auch keinen Andern braucht, mag sich mit Recht frei nennen - welche Galeerensklaven aber sind wir unglückseligen Europäer in dieser Hinsicht! - Wir spürten es in den letzten Tagen dieser Wüstenreise, wo wir sämmtlich auf etwas Reis ohne Zuthat und verfaultes Wasser reducirt blieben, was uns Herren niedergeschlagen und mißmuthig, alle unsere Diener aber widerspänstig und nachlässig machte, während diese glücklichen Menschen von alle dem gar nichts bemerkten, da jede Temperatur ihnen gleichgültig, jedes Wasser ihnen recht, und ein bißchen angefeuchtetes Mehl zur Nahrung schon ganz hinlänglich war. Habib-Allah's guter Humor ward dabei oft noch so überfließend, daß er vom Kamel herabsprang, und ohne unsern Marsch aufzuhalten in der fürchterlichsten Hitze neben dem Thiere herlaufend, zugleich mit gezogenem Schwert einen Waffentanz ausführte, dessen groteske Sprünge und linkische Körperverdrehungen auch den Verdrießlichsten zum Lachen bringen mußten. Je mehr wir aber über ihn lachten, je zufriedener fühlte er selbst sich. Unser zweiter Führer, den wir erst von Magaaga aus angenommen hatten, war von etwas verschiedenem Schlage, und eine Art Dandy unter seinen Landleuten, weit aufgeweckter als Habib Allah, obgleich nicht scharfsichtiger in intellectueller Beziehung, aber gesprächiger, noch mehr zum Scherz geneigt, und besonders viel eitler. Dieß zeigte sich schon in seiner Tracht, denn außer seinem weiten zierlichen Schurz, Dolch und Amulet, trug er auch noch Glasperlen in vielen Farben um mehrere Theile des Körpers gewunden. Seine Haare waren, wie die der Weiber, in hundert Flechten gedreht, und an der Mitte des Halses in gleicher Länge sehr accurat abgeschnitten. Um diesen sorgfältigen (altägyptischen) Kopfputz fortwährend in bester Ordnung erhalten zu können, stack immer eine starke Binse hinter seinem rechten Ohre, wie bei uns die Comptoirschreiber ihre Schreibfedern zu placiren pflegen. Wenn er nicht sprach, so sang er, Es wird zum Behuf eines anschaulichen Localbildes dienen, diese beiden Eingebornen hier mit wenigen Zügen zu schildern. Der älteste von beiden war ein gedrungen gebauter, kleiner Mann von ungefähr 35 Jahren, der uns schon von Merävi an begleitet, und von uns wegen seiner furienartigen Coiffure den Namen des Waldteufels erhalten hatte. Dickes pechschwarzes Haar, das er ohne alle weitere Kopfbedeckung trägt, hängt ihm auf allen Seiten bis über die Schultern, wie Schlangen, herab, und vermischt sich mit einem gleich üppigen und gleich schwarzen Bart, der auch nicht viel weniger lang ist. Schlohweiße, große Zähne, die fast immer sichtbar bleiben, und brennende kleine Augen schauen aus dem runden Gesichte hervor, das die Farbe eines von Ruß geschwärzten, alten kupfernen Kessels hat. Brust und Schulterblätter sind so hervorstehend und so fleischig, daß sie auf die seltsamste Weise, vorn wie auf dem Rücken, die wiederholte Form eines weiblichen Busens präsentiren; die Beine dagegen, mit dicken Knieen, sind äußerst mager und fast ohne Waden – ein Fehler, der bei den Arabern häufig, bei den Baräbras Dongolesen und den hiesigen Einwohnern aber fast allgemein ist. Füße und Hände zeigen sich wohl geformt, wie es ebenfalls bei den meisten der Eingebornen stattfindet. In jeder Backe sind unserm Freunde fünf tiefe parallel laufende Linien eingebrannt, was theils als Zierde, theils als Präservativ gegen Krankheiten dienen soll. Zu demselben Zweck trägt er am rechten Arm ein Bracelet von Leder, mit einer Capsel aus gleichem Stoff, die ein geschriebenes Amulet verschließt. Am linken Arm bildet den Pendant zu diesem Schmuck ein messerartiger Dolch, und über der Schulter hängt, so wie wir die Jagdgewehre tragen, an einem kurzen breiten Riemen ein Schwert mit eisernem Kreuzesgriff. Man versicherte mich in Karthum, daß diese, hier sehr allgemeinen, Waffen in Holland verfertigt werden, und einen bedeutenden Handelsartikel für die hiesigen Länder ausmachen. Die europäische Arbeit war wenigstens nicht daran zu verkennen. Außer einem kleinen Leinwandschurz um die Lenden, geht unser Original, gleich seinen Landsleuten völlig nackt, und nur höchst selten schnallt er sich dünne Ledersandalen an, oder schlägt ein Tuch um den Kopf. Dafür sind Körper und Haare fortwährend mit Fett wohleingeschmiert, und er ermangelt nie nach der Mahlzeit der Diener, an der er sonst nur wenig Theil nimmt, den Rest des Fettes oder der Butter, welcher in der Schüssel zurückbleibt, sorgsam auszukratzen, um ihn als kostbare Salbe für sich zu benützen. So ekelhaft uns dieß erscheinen mag, so befriedigend ist doch das Resultat; denn es hält die Insecten gänzlich ab, und gibt der Haut des Körpers die größte Schönheit. Ich sah nie in Europa eine Frau, deren Haut einen so wundervollen matten Glanz, eine solche fleckenlose Ebenheit und eine solche Sammtweiche gehabt hätte, als hier fast allgemein bei Männern und Weibern angetroffen wird. Dazu gestehe ich, daß mir die röthlich schwarzbraune Nuance von allen Menschenfarben als die schönste erscheint, Weiß dagegen mir jetzt immer wie krankhaft vorkommt, das Negerschwarz aber wie verbrannt. Wenn die Sonne auf den Nacken eines Individuums von jener gerühmten Farbe scheint, so glaubt man einen dunklen Seidenflor über Goldplatten ausgebreitet zu sehen, und Atlaß wie Sammt fassen sich hart dagegen an. Ich für meine Person zweifle daher auch nicht – da die Bibel sich nicht deutlich darüber ausspricht – daß Adam im Paradiese diese Hautfarbe, als die normale, besessen haben müsse, und seitdem erst seine nordischen Kinder vor Kälte, Kummer, Noth und zu vielem Nachdenken so blaß geworden, die südlichen aber von der glühenden Sonne, wie im Ofen, schwarz gebeitzt worden sind. Des Habib-Allah (dieser Name ist wörtlich unser deutsches Gottlieb) Fassungskraft war weit schwächer als sein Körper, und seine Seele wahrscheinlich auch weniger schön als seine Haut. Oft war es schwer, nicht ungeduldig über sein Benehmen zu werden. So ist es eine, zwar im Grunde unnütze, aber bei einer beschwerlichen langen Tour doch gewissermaßen erleichternde Sache (ungefähr so wie das Schreien beim Schmerz) zu fragen, ob man noch weit bis zum Ziele habe, ob die Hälfte, das Drittheil des Weges zurückgelegt sey, wie viel Stunden noch durchritten werden müßten u. s. w. Alle diese Fragen konnten Habib-Allah nie verständlich gemacht werden, und seine Antworten blieben immer ganz unbefriedigend, weil er unter „weit“ nur das zu verstehen fähig war, was eine ganze Tagreise oder darüber umfaßte, unter „nahe,“ was keine ganze Tagreise betrug, eine Sonderung des Weges aber in verschiedene kleinere Abtheilungen, oder gar eine Berechnung nach Stunden, durchaus nicht zu begreifen vermochte. Frug man ihn, auf entfernte Berge oder einen andern Gegenstand hinweisend: liegt der Ort, nach dem wir gehen, vor oder hinter diesem Berge? so konnte man keine andere Antwort von ihm erhalten als: „der Ort, wo wir hingehen, liegt vor, nicht hinter uns.“ Uebrigens war er stets guter Laune und Alles ihm recht. Indolenz und Heiterkeit scheinen wahrlich die Grundzüge des Charakters aller seiner Landsleute zu seyn. Gutmüthig und dienstfertig, mit scharfen Sinnen begabt, fast ohne Bedürfnisse, und gegen Alles abgehärtet gleich den Thieren, mit der kleinsten Gabe begnügt, und die geringste Gunst des Schicksals als ein Glück ansehend, scheinen sie völlig zufrieden zu leben, ja sie genießen vielleicht so die einzig mögliche, wahre Freiheit. Denn nur wer für sich selbst beinahe nichts, und folglich auch keinen Andern braucht, mag sich mit Recht frei nennen – welche Galeerensklaven aber sind wir unglückseligen Europäer in dieser Hinsicht! – Wir spürten es in den letzten Tagen dieser Wüstenreise, wo wir sämmtlich auf etwas Reis ohne Zuthat und verfaultes Wasser reducirt blieben, was uns Herren niedergeschlagen und mißmuthig, alle unsere Diener aber widerspänstig und nachlässig machte, während diese glücklichen Menschen von alle dem gar nichts bemerkten, da jede Temperatur ihnen gleichgültig, jedes Wasser ihnen recht, und ein bißchen angefeuchtetes Mehl zur Nahrung schon ganz hinlänglich war. Habib-Allah's guter Humor ward dabei oft noch so überfließend, daß er vom Kamel herabsprang, und ohne unsern Marsch aufzuhalten in der fürchterlichsten Hitze neben dem Thiere herlaufend, zugleich mit gezogenem Schwert einen Waffentanz ausführte, dessen groteske Sprünge und linkische Körperverdrehungen auch den Verdrießlichsten zum Lachen bringen mußten. Je mehr wir aber über ihn lachten, je zufriedener fühlte er selbst sich. Unser zweiter Führer, den wir erst von Māgáagā aus angenommen hatten, war von etwas verschiedenem Schlage, und eine Art Dandy unter seinen Landleuten, weit aufgeweckter als Habib Allah, obgleich nicht scharfsichtiger in intellectueller Beziehung, aber gesprächiger, noch mehr zum Scherz geneigt, und besonders viel eitler. Dieß zeigte sich schon in seiner Tracht, denn außer seinem weiten zierlichen Schurz, Dolch und Amulet, trug er auch noch Glasperlen in vielen Farben um mehrere Theile des Körpers gewunden. Seine Haare waren, wie die der Weiber, in hundert Flechten gedreht, und an der Mitte des Halses in gleicher Länge sehr accurat abgeschnitten. Um diesen sorgfältigen (altägyptischen) Kopfputz fortwährend in bester Ordnung erhalten zu können, stack immer eine starke Binse hinter seinem rechten Ohre, wie bei uns die Comptoirschreiber ihre Schreibfedern zu placiren pflegen. Wenn er nicht sprach, so sang er, <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="0307"/> Es wird zum Behuf eines anschaulichen Localbildes dienen, diese beiden Eingebornen hier mit wenigen Zügen zu schildern. Der älteste von beiden war ein gedrungen gebauter, kleiner Mann von ungefähr 35 Jahren, der uns schon von Merävi an begleitet, und von uns wegen seiner furienartigen Coiffure den Namen des Waldteufels erhalten hatte. Dickes pechschwarzes Haar, das er ohne alle weitere Kopfbedeckung trägt, hängt ihm auf allen Seiten bis über die Schultern, wie Schlangen, herab, und vermischt sich mit einem gleich üppigen und gleich schwarzen Bart, der auch nicht viel weniger lang ist. Schlohweiße, große Zähne, die fast immer sichtbar bleiben, und brennende kleine Augen schauen aus dem runden Gesichte hervor, das die Farbe eines von Ruß geschwärzten, alten kupfernen Kessels hat. Brust und Schulterblätter sind so hervorstehend und so fleischig, daß sie auf die seltsamste Weise, vorn wie auf dem Rücken, die wiederholte Form eines weiblichen Busens präsentiren; die Beine dagegen, mit dicken Knieen, sind äußerst mager und fast ohne Waden – ein Fehler, der bei den Arabern häufig, bei den Baräbras Dongolesen und den hiesigen Einwohnern aber fast allgemein ist. Füße und Hände zeigen sich wohl geformt, wie es ebenfalls bei den meisten der Eingebornen stattfindet. In jeder Backe sind unserm Freunde fünf tiefe parallel laufende Linien eingebrannt, was theils als Zierde, theils als Präservativ gegen Krankheiten dienen soll. Zu demselben Zweck trägt er am rechten Arm ein Bracelet von Leder, mit einer Capsel aus gleichem Stoff, die ein geschriebenes Amulet verschließt. Am linken Arm bildet den Pendant zu diesem Schmuck ein messerartiger Dolch, und über der Schulter hängt, so wie wir die Jagdgewehre tragen, an einem kurzen breiten Riemen ein Schwert mit eisernem Kreuzesgriff. Man versicherte mich in Karthum, daß diese, hier sehr allgemeinen, Waffen in Holland verfertigt werden, und einen bedeutenden Handelsartikel für die hiesigen Länder ausmachen. Die europäische Arbeit war wenigstens nicht daran zu verkennen. Außer einem kleinen Leinwandschurz um die Lenden, geht unser Original, gleich seinen Landsleuten völlig nackt, und nur höchst selten schnallt er sich dünne Ledersandalen an, oder schlägt ein Tuch um den Kopf. Dafür sind Körper und Haare fortwährend mit Fett wohleingeschmiert, und er ermangelt nie nach der Mahlzeit der Diener, an der er sonst nur wenig Theil nimmt, den Rest des Fettes oder der Butter, welcher in der Schüssel zurückbleibt, sorgsam auszukratzen, um ihn als <hi rendition="#g">kostbare Salbe</hi> für sich zu benützen. So ekelhaft uns dieß erscheinen mag, so befriedigend ist doch das Resultat; denn es hält die Insecten gänzlich ab, und gibt der Haut des Körpers die größte Schönheit. Ich sah nie in Europa eine Frau, deren Haut einen so wundervollen matten Glanz, eine solche fleckenlose Ebenheit und eine solche Sammtweiche gehabt hätte, als hier fast allgemein bei Männern und Weibern angetroffen wird. Dazu gestehe ich, daß mir die röthlich schwarzbraune Nuance von allen Menschenfarben als die schönste erscheint, Weiß dagegen mir jetzt immer wie krankhaft vorkommt, das Negerschwarz aber wie verbrannt. Wenn die Sonne auf den Nacken eines Individuums von jener gerühmten Farbe scheint, so glaubt man einen dunklen Seidenflor über Goldplatten ausgebreitet zu sehen, und Atlaß wie Sammt fassen sich hart dagegen an. Ich für meine Person zweifle daher auch nicht – da die Bibel sich nicht deutlich darüber ausspricht – daß Adam im Paradiese diese Hautfarbe, als die normale, besessen haben müsse, und seitdem erst seine nordischen Kinder vor Kälte, Kummer, Noth und zu vielem Nachdenken so blaß geworden, die südlichen aber von der glühenden Sonne, wie im Ofen, schwarz gebeitzt worden sind. Des Habib-Allah (dieser Name ist wörtlich unser deutsches Gottlieb) Fassungskraft war weit schwächer als sein Körper, und seine Seele wahrscheinlich auch weniger schön als seine Haut. Oft war es schwer, nicht ungeduldig über sein Benehmen zu werden. So ist es eine, zwar im Grunde unnütze, aber bei einer beschwerlichen langen Tour doch gewissermaßen erleichternde Sache (ungefähr so wie das Schreien beim Schmerz) zu fragen, ob man noch weit bis zum Ziele habe, ob die Hälfte, das Drittheil des Weges zurückgelegt sey, wie viel Stunden noch durchritten werden müßten u. s. w. Alle diese Fragen konnten Habib-Allah nie verständlich gemacht werden, und seine Antworten blieben immer ganz unbefriedigend, weil er unter „<hi rendition="#g">weit</hi>“ nur das zu verstehen fähig war, was eine ganze Tagreise oder darüber umfaßte, unter „<hi rendition="#g">nahe</hi>,“ was keine ganze Tagreise betrug, eine Sonderung des Weges aber in verschiedene kleinere Abtheilungen, oder gar eine Berechnung nach Stunden, durchaus nicht zu begreifen vermochte. Frug man ihn, auf entfernte Berge oder einen andern Gegenstand hinweisend: liegt der Ort, nach dem wir gehen, vor oder hinter diesem Berge? so konnte man keine andere Antwort von ihm erhalten als: „der Ort, wo wir hingehen, liegt <hi rendition="#g">vor</hi>, nicht <hi rendition="#g">hinter</hi> uns.“ Uebrigens war er stets guter Laune und Alles ihm recht. Indolenz und Heiterkeit scheinen wahrlich die Grundzüge des Charakters aller seiner Landsleute zu seyn. Gutmüthig und dienstfertig, mit scharfen Sinnen begabt, fast ohne Bedürfnisse, und gegen Alles abgehärtet gleich den Thieren, mit der kleinsten Gabe begnügt, und die geringste Gunst des Schicksals als ein Glück ansehend, scheinen sie völlig zufrieden zu leben, ja sie genießen vielleicht so die einzig mögliche, wahre Freiheit. Denn nur wer für sich selbst beinahe nichts, und folglich auch keinen Andern braucht, mag sich mit Recht frei nennen – welche Galeerensklaven aber sind wir unglückseligen Europäer in dieser Hinsicht! – Wir spürten es in den letzten Tagen dieser Wüstenreise, wo wir sämmtlich auf etwas Reis ohne Zuthat und verfaultes Wasser reducirt blieben, was uns Herren niedergeschlagen und mißmuthig, alle unsere Diener aber widerspänstig und nachlässig machte, während diese glücklichen Menschen von alle dem gar nichts bemerkten, da jede Temperatur ihnen gleichgültig, jedes Wasser ihnen recht, und ein bißchen angefeuchtetes Mehl zur Nahrung schon ganz hinlänglich war. Habib-Allah's guter Humor ward dabei oft noch so überfließend, daß er vom Kamel herabsprang, und ohne unsern Marsch aufzuhalten in der fürchterlichsten Hitze neben dem Thiere herlaufend, zugleich mit gezogenem Schwert einen Waffentanz ausführte, dessen groteske Sprünge und linkische Körperverdrehungen auch den Verdrießlichsten zum Lachen bringen mußten. Je mehr wir aber über ihn lachten, je zufriedener fühlte er selbst sich.</p><lb/> <p>Unser zweiter Führer, den wir erst von Māgáagā aus angenommen hatten, war von etwas verschiedenem Schlage, und eine Art Dandy unter seinen Landleuten, weit aufgeweckter als Habib Allah, obgleich nicht scharfsichtiger in intellectueller Beziehung, aber gesprächiger, noch mehr zum Scherz geneigt, und besonders viel eitler. Dieß zeigte sich schon in seiner Tracht, denn außer seinem weiten zierlichen Schurz, Dolch und Amulet, trug er auch noch Glasperlen in vielen Farben um mehrere Theile des Körpers gewunden. Seine Haare waren, wie die der Weiber, in hundert Flechten gedreht, und an der Mitte des Halses in gleicher Länge sehr accurat abgeschnitten. Um diesen sorgfältigen (altägyptischen) Kopfputz fortwährend in bester Ordnung erhalten zu können, stack immer eine starke Binse hinter seinem rechten Ohre, wie bei uns die Comptoirschreiber ihre Schreibfedern zu placiren pflegen. Wenn er nicht sprach, so sang er,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0307/0011]
Es wird zum Behuf eines anschaulichen Localbildes dienen, diese beiden Eingebornen hier mit wenigen Zügen zu schildern. Der älteste von beiden war ein gedrungen gebauter, kleiner Mann von ungefähr 35 Jahren, der uns schon von Merävi an begleitet, und von uns wegen seiner furienartigen Coiffure den Namen des Waldteufels erhalten hatte. Dickes pechschwarzes Haar, das er ohne alle weitere Kopfbedeckung trägt, hängt ihm auf allen Seiten bis über die Schultern, wie Schlangen, herab, und vermischt sich mit einem gleich üppigen und gleich schwarzen Bart, der auch nicht viel weniger lang ist. Schlohweiße, große Zähne, die fast immer sichtbar bleiben, und brennende kleine Augen schauen aus dem runden Gesichte hervor, das die Farbe eines von Ruß geschwärzten, alten kupfernen Kessels hat. Brust und Schulterblätter sind so hervorstehend und so fleischig, daß sie auf die seltsamste Weise, vorn wie auf dem Rücken, die wiederholte Form eines weiblichen Busens präsentiren; die Beine dagegen, mit dicken Knieen, sind äußerst mager und fast ohne Waden – ein Fehler, der bei den Arabern häufig, bei den Baräbras Dongolesen und den hiesigen Einwohnern aber fast allgemein ist. Füße und Hände zeigen sich wohl geformt, wie es ebenfalls bei den meisten der Eingebornen stattfindet. In jeder Backe sind unserm Freunde fünf tiefe parallel laufende Linien eingebrannt, was theils als Zierde, theils als Präservativ gegen Krankheiten dienen soll. Zu demselben Zweck trägt er am rechten Arm ein Bracelet von Leder, mit einer Capsel aus gleichem Stoff, die ein geschriebenes Amulet verschließt. Am linken Arm bildet den Pendant zu diesem Schmuck ein messerartiger Dolch, und über der Schulter hängt, so wie wir die Jagdgewehre tragen, an einem kurzen breiten Riemen ein Schwert mit eisernem Kreuzesgriff. Man versicherte mich in Karthum, daß diese, hier sehr allgemeinen, Waffen in Holland verfertigt werden, und einen bedeutenden Handelsartikel für die hiesigen Länder ausmachen. Die europäische Arbeit war wenigstens nicht daran zu verkennen. Außer einem kleinen Leinwandschurz um die Lenden, geht unser Original, gleich seinen Landsleuten völlig nackt, und nur höchst selten schnallt er sich dünne Ledersandalen an, oder schlägt ein Tuch um den Kopf. Dafür sind Körper und Haare fortwährend mit Fett wohleingeschmiert, und er ermangelt nie nach der Mahlzeit der Diener, an der er sonst nur wenig Theil nimmt, den Rest des Fettes oder der Butter, welcher in der Schüssel zurückbleibt, sorgsam auszukratzen, um ihn als kostbare Salbe für sich zu benützen. So ekelhaft uns dieß erscheinen mag, so befriedigend ist doch das Resultat; denn es hält die Insecten gänzlich ab, und gibt der Haut des Körpers die größte Schönheit. Ich sah nie in Europa eine Frau, deren Haut einen so wundervollen matten Glanz, eine solche fleckenlose Ebenheit und eine solche Sammtweiche gehabt hätte, als hier fast allgemein bei Männern und Weibern angetroffen wird. Dazu gestehe ich, daß mir die röthlich schwarzbraune Nuance von allen Menschenfarben als die schönste erscheint, Weiß dagegen mir jetzt immer wie krankhaft vorkommt, das Negerschwarz aber wie verbrannt. Wenn die Sonne auf den Nacken eines Individuums von jener gerühmten Farbe scheint, so glaubt man einen dunklen Seidenflor über Goldplatten ausgebreitet zu sehen, und Atlaß wie Sammt fassen sich hart dagegen an. Ich für meine Person zweifle daher auch nicht – da die Bibel sich nicht deutlich darüber ausspricht – daß Adam im Paradiese diese Hautfarbe, als die normale, besessen haben müsse, und seitdem erst seine nordischen Kinder vor Kälte, Kummer, Noth und zu vielem Nachdenken so blaß geworden, die südlichen aber von der glühenden Sonne, wie im Ofen, schwarz gebeitzt worden sind. Des Habib-Allah (dieser Name ist wörtlich unser deutsches Gottlieb) Fassungskraft war weit schwächer als sein Körper, und seine Seele wahrscheinlich auch weniger schön als seine Haut. Oft war es schwer, nicht ungeduldig über sein Benehmen zu werden. So ist es eine, zwar im Grunde unnütze, aber bei einer beschwerlichen langen Tour doch gewissermaßen erleichternde Sache (ungefähr so wie das Schreien beim Schmerz) zu fragen, ob man noch weit bis zum Ziele habe, ob die Hälfte, das Drittheil des Weges zurückgelegt sey, wie viel Stunden noch durchritten werden müßten u. s. w. Alle diese Fragen konnten Habib-Allah nie verständlich gemacht werden, und seine Antworten blieben immer ganz unbefriedigend, weil er unter „weit“ nur das zu verstehen fähig war, was eine ganze Tagreise oder darüber umfaßte, unter „nahe,“ was keine ganze Tagreise betrug, eine Sonderung des Weges aber in verschiedene kleinere Abtheilungen, oder gar eine Berechnung nach Stunden, durchaus nicht zu begreifen vermochte. Frug man ihn, auf entfernte Berge oder einen andern Gegenstand hinweisend: liegt der Ort, nach dem wir gehen, vor oder hinter diesem Berge? so konnte man keine andere Antwort von ihm erhalten als: „der Ort, wo wir hingehen, liegt vor, nicht hinter uns.“ Uebrigens war er stets guter Laune und Alles ihm recht. Indolenz und Heiterkeit scheinen wahrlich die Grundzüge des Charakters aller seiner Landsleute zu seyn. Gutmüthig und dienstfertig, mit scharfen Sinnen begabt, fast ohne Bedürfnisse, und gegen Alles abgehärtet gleich den Thieren, mit der kleinsten Gabe begnügt, und die geringste Gunst des Schicksals als ein Glück ansehend, scheinen sie völlig zufrieden zu leben, ja sie genießen vielleicht so die einzig mögliche, wahre Freiheit. Denn nur wer für sich selbst beinahe nichts, und folglich auch keinen Andern braucht, mag sich mit Recht frei nennen – welche Galeerensklaven aber sind wir unglückseligen Europäer in dieser Hinsicht! – Wir spürten es in den letzten Tagen dieser Wüstenreise, wo wir sämmtlich auf etwas Reis ohne Zuthat und verfaultes Wasser reducirt blieben, was uns Herren niedergeschlagen und mißmuthig, alle unsere Diener aber widerspänstig und nachlässig machte, während diese glücklichen Menschen von alle dem gar nichts bemerkten, da jede Temperatur ihnen gleichgültig, jedes Wasser ihnen recht, und ein bißchen angefeuchtetes Mehl zur Nahrung schon ganz hinlänglich war. Habib-Allah's guter Humor ward dabei oft noch so überfließend, daß er vom Kamel herabsprang, und ohne unsern Marsch aufzuhalten in der fürchterlichsten Hitze neben dem Thiere herlaufend, zugleich mit gezogenem Schwert einen Waffentanz ausführte, dessen groteske Sprünge und linkische Körperverdrehungen auch den Verdrießlichsten zum Lachen bringen mußten. Je mehr wir aber über ihn lachten, je zufriedener fühlte er selbst sich.
Unser zweiter Führer, den wir erst von Māgáagā aus angenommen hatten, war von etwas verschiedenem Schlage, und eine Art Dandy unter seinen Landleuten, weit aufgeweckter als Habib Allah, obgleich nicht scharfsichtiger in intellectueller Beziehung, aber gesprächiger, noch mehr zum Scherz geneigt, und besonders viel eitler. Dieß zeigte sich schon in seiner Tracht, denn außer seinem weiten zierlichen Schurz, Dolch und Amulet, trug er auch noch Glasperlen in vielen Farben um mehrere Theile des Körpers gewunden. Seine Haare waren, wie die der Weiber, in hundert Flechten gedreht, und an der Mitte des Halses in gleicher Länge sehr accurat abgeschnitten. Um diesen sorgfältigen (altägyptischen) Kopfputz fortwährend in bester Ordnung erhalten zu können, stack immer eine starke Binse hinter seinem rechten Ohre, wie bei uns die Comptoirschreiber ihre Schreibfedern zu placiren pflegen. Wenn er nicht sprach, so sang er,
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