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Allgemeine Zeitung. Nr. 39. Augsburg, 8. Februar 1840.

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occupirt, die es zunächst als Kohlendepot für die Dampfschifffahrt benützten. Lord Ripon fragt, wie lange diese Occupation schon daure. Lord Clarendon: "Seit vier oder fünf Jahren. Das Inselchen war früher an die Nordamerikaner abgetreten, aus deren Händen es an Frankreich überging. Die spanische Regierung ist indeß durch die ihr von Frankreich deßhalb geleistete Sicherheit ganz befriedigt." Lord Colchester zeigt an, er werde demnächst die Vorlegung der darauf bezüglichen Papiere beantragen. Lord Clarendon entgegnete, er für seine Person werde sie mit Vergnügen bewilligen. Lord Londonderry fügte die Ankündigung bei, er werde Abschriften aller Correspondenzen vorgelegt verlangen, die zwischen der englischen und der Madrider Regierung in Betreff der Convention von Bergara gewechselt worden. Das Haus vertagte sich bis zum 3 Febr.

In der Unterhaussitzung am 31 Jan. wurde der ehrenwerthe N. Cholmondeley als neues Mitglied für Denbighshire beeidigt, und nahm seinen Sitz ein. Der Lordmayor von London, Alderman Sir W. Heygate und eine Deputation des gemeinen Raths erschienen an den Schranken, und übergaben eine in einer Plenarsitzung des Gemeinderaths beschlossene Petition um Freilassung der Sheriffs von London und Middlesex. Auf Sir M. Woods Antrag wurde sie vom Clerk an der Tafel gelesen, und dem Wunsche des Sir R. Inglis gemäß deren Druck angeordnet. Nach Ueberreichung vieler anderer Petitionen über die verschiedenartigsten Gegenstände wurden die Debatten über die Frage: "Ob Ihrer Maj. jetzige Regierung Vertrauen verdiene oder nicht" von neuem aufgenommen, und ein Viertel nach fünf Uhr Morgens endlich zum Schluß gebracht, nachdem die Leiter der beiden Parteien im Haus, Sir R. Peel und Lord J. Russell, zuletzt gesprochen. Ihre Reden gelten als die gewichtigsten der ganzen wortreichen Discussion; die Times aber tadelt diese Sitte, die Triarier erst Morgens 3 Uhr in den parlamentarischen Kampf zu führen, wo das Haus übernächtig erschöpft und die Reporters der Journale kaum mehr im Stande seyen, die Reden ordentlich für den Druck vorzubereiten. Die Abstimmung ergab für Bullers Motion 287, gegen dieselbe 308, also eine ministerielle Majorität von 21 Stimmen. (S. den Brief.)

An die Stelle des ehrenwerthen W. M. Noel, des aus dem Unterhaus zurückgetretenen conservativen Mitglieds für die Grafschaft Rutland, die kleinste aller englischen Shires, wurde dessen gleichgesinnter Neffe, der ehrenwerthe C. G. Noel, ältester Sohn Lord Barhams, ohne Opposition gewählt.

In einem Schreiben aus London (das norddeutsche Blätter mittheilen) heißt es: "Carlyle, der bekannte Freund Goethe's und Verehrer der deutschen Litteratur, hat den Chartismus für werth gehalten, ihn zum Gegenstand eines eigenen Werkes zu machen, und sucht die Nothwendigkeit für das Parlament darzuthun, den Zustand des Landes in ernstliche Berathung zu nehmen. Carlyle gehört nicht gerade zu den beliebtesten Schriftstellern, wenn man auch seine Talente anerkennt; er ist nicht pikant, und seine dargereichte Kost zu kräftig für fashionable Magen. Man findet selbst seine Sprache nicht rein englisch, weil er sich selbstständig bewegt und nicht in den verflachten Modeton einstimmt. Er kommt allen Parteien mit seiner Schrift unberufen und ungelegen, und den Liberalen nicht am wenigsten, weil er Wahrheiten sagt und Schwächen des englischen Staatslebens berührt, die man lieber unter hergebrachten Parteiphrasen oder gewohnten liberalen Tiraden verdeckt hält."

Diesen Morgen gegen 5 Uhr ist das Unterhaus endlich zur Entscheidung gekommen, daß der Vorschlag, "das jetzige Ministerium verdiene sein Vertrauen nicht," verworfen werden solle. Diese Verwerfung erfolgte durch eine Mehrheit von 308 gegen 287. Fügt man hiezu die zwei sogenannten Zähler, welche bei jeder Abstimmung von jeder Seite die Stimmen zu zählen haben, und nie mitgerechnet werden, und den Sprecher, so waren nicht weniger als 600 von 658 Mitgliedern bei dieser wichtigen Entscheidung zugegen. Die übrigen hatten entweder abgepaart, d. h. hatten sich von beiden Seiten das Wort gegeben wegzubleiben, oder werden sich genöthigt sehen ihre Abwesenheit durch besondere Gründe zu entschuldigen. Obgleich nun die Debatten drei Nächte durch, von 5 bis nach 12 Uhr, und die letzte Nacht an 12 Stunden gedauert, so hat sich doch nichts daraus ergeben, was nicht bereits hundertmal in Reden und Zeitungsartikeln gesagt worden wäre. Das Bedeutendste, was man gegen das Ministerium vorbrachte, war der Beitritt Macaulay's, eines erklärten eifrigen Freundes der Ballotage, und der demselben dadurch gegebene Anstrich des Radicalismus. Und in dieser Ansicht fühlten sich die Conservativen durch das Zeugniß des Lords Howick und des Hrn. Ward bestärkt, welche erklärten, daß sie letzten Sommer das Cabinet eben wegen dieser Annäherung an den Radicalismus verlassen hätten, während der Radicale Ward in seinem und seiner Collegen Namen versicherte, eben wegen jener Annäherung, und weil die Minister die Ballotage und die Getreidegesetze zu offenen Fragen gemacht, sey es den Radicalen möglich geworden für die Minister zu stimmen. Unter dem Ausdrucke "offene Fragen" versteht man bekanntlich die Freiheit eines jeden Mitgliedes und Beamten der Regierung über irgend einen bestrittenen Gegenstand nach Belieben zu reden und zu stimmen, so daß die Regierung darauf verzichtet, sich im Ganzen für oder gegen denselben zu erklären. Obgleich nun die Gewalt der Umstände seit dem amerikanischen Freiheitskriege fast jedem Cabinette die Nothwendigkeit aufgelegt hat, gewisse bestrittene Punkte auf diese Weise unentschieden zu lassen, bis die Zeit darüber entschied (und dieses war vordem besonders bei den Fragen über Parlamentsreform, dann über den Sklavenhandel und zuletzt über die Emancipation der Katholiken der Fall), so bleibt es doch immer ein Uebelstand, daher denn auch die Opposition und namentlich Peel den Umstand vor allen benutzt haben, um die Unfähigkeit des jetzigen Ministeriums zu beweisen. Mit dieser Ausnahme (die sich gut genug durch die Noth der Zeit entschuldigen ließ) wurde wirklich wenig vorgebracht, was dem Ministerium mit Recht zur Last gelegt werden konnte. Wenn England durch den Chartismus beunruhigt und bedroht ist, so rief Lord John Russell mit Recht die Jahre 1817, 1818 und 1819 ins Gedächtniß, wo das Land in so furchtbarer Gährung war, daß man nicht nur sechs neue strenge Gesetze gegen die Rechte der freien Rede und Presse machen, sondern auch jenes große Bollwerk der brittischen Freiheit, die Habeas Corpus-Acte eine Zeit lang beseitigen mußte, jene Jahre, wo Bürgerblut auf den Straßen floß, und die Kerker gefüllt mit politischen Gefangenen waren. Er durfte mit Stolz darauf hinweisen, daß während damals die Regierung nur höchst selten die Schuldigerkennung eines Gefangenen zu erlangen vermochte, jetzt selten ein Mann wegen politischer Vergehen vor Gericht gestellt wird, ohne daß die Geschwornen solchen für schuldig erkennen. Dann durften sich auch die Minister (wenn sie ja an den Unruhen in England mit Schuld seyn sollten) der Ruhe in Irland rühmen, selbst wenn ihnen die Tories dabei vorwarfen, sie hätten mit Fleiß Irland seiner Besatzungen entblößt, damit im Fall eines Ministerwechsels

occupirt, die es zunächst als Kohlendepot für die Dampfschifffahrt benützten. Lord Ripon fragt, wie lange diese Occupation schon daure. Lord Clarendon: „Seit vier oder fünf Jahren. Das Inselchen war früher an die Nordamerikaner abgetreten, aus deren Händen es an Frankreich überging. Die spanische Regierung ist indeß durch die ihr von Frankreich deßhalb geleistete Sicherheit ganz befriedigt.“ Lord Colchester zeigt an, er werde demnächst die Vorlegung der darauf bezüglichen Papiere beantragen. Lord Clarendon entgegnete, er für seine Person werde sie mit Vergnügen bewilligen. Lord Londonderry fügte die Ankündigung bei, er werde Abschriften aller Correspondenzen vorgelegt verlangen, die zwischen der englischen und der Madrider Regierung in Betreff der Convention von Bergara gewechselt worden. Das Haus vertagte sich bis zum 3 Febr.

In der Unterhaussitzung am 31 Jan. wurde der ehrenwerthe N. Cholmondeley als neues Mitglied für Denbighshire beeidigt, und nahm seinen Sitz ein. Der Lordmayor von London, Alderman Sir W. Heygate und eine Deputation des gemeinen Raths erschienen an den Schranken, und übergaben eine in einer Plenarsitzung des Gemeinderaths beschlossene Petition um Freilassung der Sheriffs von London und Middlesex. Auf Sir M. Woods Antrag wurde sie vom Clerk an der Tafel gelesen, und dem Wunsche des Sir R. Inglis gemäß deren Druck angeordnet. Nach Ueberreichung vieler anderer Petitionen über die verschiedenartigsten Gegenstände wurden die Debatten über die Frage: „Ob Ihrer Maj. jetzige Regierung Vertrauen verdiene oder nicht“ von neuem aufgenommen, und ein Viertel nach fünf Uhr Morgens endlich zum Schluß gebracht, nachdem die Leiter der beiden Parteien im Haus, Sir R. Peel und Lord J. Russell, zuletzt gesprochen. Ihre Reden gelten als die gewichtigsten der ganzen wortreichen Discussion; die Times aber tadelt diese Sitte, die Triarier erst Morgens 3 Uhr in den parlamentarischen Kampf zu führen, wo das Haus übernächtig erschöpft und die Reporters der Journale kaum mehr im Stande seyen, die Reden ordentlich für den Druck vorzubereiten. Die Abstimmung ergab für Bullers Motion 287, gegen dieselbe 308, also eine ministerielle Majorität von 21 Stimmen. (S. den Brief.)

An die Stelle des ehrenwerthen W. M. Noel, des aus dem Unterhaus zurückgetretenen conservativen Mitglieds für die Grafschaft Rutland, die kleinste aller englischen Shires, wurde dessen gleichgesinnter Neffe, der ehrenwerthe C. G. Noel, ältester Sohn Lord Barhams, ohne Opposition gewählt.

In einem Schreiben aus London (das norddeutsche Blätter mittheilen) heißt es: „Carlyle, der bekannte Freund Goethe's und Verehrer der deutschen Litteratur, hat den Chartismus für werth gehalten, ihn zum Gegenstand eines eigenen Werkes zu machen, und sucht die Nothwendigkeit für das Parlament darzuthun, den Zustand des Landes in ernstliche Berathung zu nehmen. Carlyle gehört nicht gerade zu den beliebtesten Schriftstellern, wenn man auch seine Talente anerkennt; er ist nicht pikant, und seine dargereichte Kost zu kräftig für fashionable Magen. Man findet selbst seine Sprache nicht rein englisch, weil er sich selbstständig bewegt und nicht in den verflachten Modeton einstimmt. Er kommt allen Parteien mit seiner Schrift unberufen und ungelegen, und den Liberalen nicht am wenigsten, weil er Wahrheiten sagt und Schwächen des englischen Staatslebens berührt, die man lieber unter hergebrachten Parteiphrasen oder gewohnten liberalen Tiraden verdeckt hält.“

Diesen Morgen gegen 5 Uhr ist das Unterhaus endlich zur Entscheidung gekommen, daß der Vorschlag, „das jetzige Ministerium verdiene sein Vertrauen nicht,“ verworfen werden solle. Diese Verwerfung erfolgte durch eine Mehrheit von 308 gegen 287. Fügt man hiezu die zwei sogenannten Zähler, welche bei jeder Abstimmung von jeder Seite die Stimmen zu zählen haben, und nie mitgerechnet werden, und den Sprecher, so waren nicht weniger als 600 von 658 Mitgliedern bei dieser wichtigen Entscheidung zugegen. Die übrigen hatten entweder abgepaart, d. h. hatten sich von beiden Seiten das Wort gegeben wegzubleiben, oder werden sich genöthigt sehen ihre Abwesenheit durch besondere Gründe zu entschuldigen. Obgleich nun die Debatten drei Nächte durch, von 5 bis nach 12 Uhr, und die letzte Nacht an 12 Stunden gedauert, so hat sich doch nichts daraus ergeben, was nicht bereits hundertmal in Reden und Zeitungsartikeln gesagt worden wäre. Das Bedeutendste, was man gegen das Ministerium vorbrachte, war der Beitritt Macaulay's, eines erklärten eifrigen Freundes der Ballotage, und der demselben dadurch gegebene Anstrich des Radicalismus. Und in dieser Ansicht fühlten sich die Conservativen durch das Zeugniß des Lords Howick und des Hrn. Ward bestärkt, welche erklärten, daß sie letzten Sommer das Cabinet eben wegen dieser Annäherung an den Radicalismus verlassen hätten, während der Radicale Ward in seinem und seiner Collegen Namen versicherte, eben wegen jener Annäherung, und weil die Minister die Ballotage und die Getreidegesetze zu offenen Fragen gemacht, sey es den Radicalen möglich geworden für die Minister zu stimmen. Unter dem Ausdrucke „offene Fragen“ versteht man bekanntlich die Freiheit eines jeden Mitgliedes und Beamten der Regierung über irgend einen bestrittenen Gegenstand nach Belieben zu reden und zu stimmen, so daß die Regierung darauf verzichtet, sich im Ganzen für oder gegen denselben zu erklären. Obgleich nun die Gewalt der Umstände seit dem amerikanischen Freiheitskriege fast jedem Cabinette die Nothwendigkeit aufgelegt hat, gewisse bestrittene Punkte auf diese Weise unentschieden zu lassen, bis die Zeit darüber entschied (und dieses war vordem besonders bei den Fragen über Parlamentsreform, dann über den Sklavenhandel und zuletzt über die Emancipation der Katholiken der Fall), so bleibt es doch immer ein Uebelstand, daher denn auch die Opposition und namentlich Peel den Umstand vor allen benutzt haben, um die Unfähigkeit des jetzigen Ministeriums zu beweisen. Mit dieser Ausnahme (die sich gut genug durch die Noth der Zeit entschuldigen ließ) wurde wirklich wenig vorgebracht, was dem Ministerium mit Recht zur Last gelegt werden konnte. Wenn England durch den Chartismus beunruhigt und bedroht ist, so rief Lord John Russell mit Recht die Jahre 1817, 1818 und 1819 ins Gedächtniß, wo das Land in so furchtbarer Gährung war, daß man nicht nur sechs neue strenge Gesetze gegen die Rechte der freien Rede und Presse machen, sondern auch jenes große Bollwerk der brittischen Freiheit, die Habeas Corpus-Acte eine Zeit lang beseitigen mußte, jene Jahre, wo Bürgerblut auf den Straßen floß, und die Kerker gefüllt mit politischen Gefangenen waren. Er durfte mit Stolz darauf hinweisen, daß während damals die Regierung nur höchst selten die Schuldigerkennung eines Gefangenen zu erlangen vermochte, jetzt selten ein Mann wegen politischer Vergehen vor Gericht gestellt wird, ohne daß die Geschwornen solchen für schuldig erkennen. Dann durften sich auch die Minister (wenn sie ja an den Unruhen in England mit Schuld seyn sollten) der Ruhe in Irland rühmen, selbst wenn ihnen die Tories dabei vorwarfen, sie hätten mit Fleiß Irland seiner Besatzungen entblößt, damit im Fall eines Ministerwechsels

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[0307/0003] occupirt, die es zunächst als Kohlendepot für die Dampfschifffahrt benützten. Lord Ripon fragt, wie lange diese Occupation schon daure. Lord Clarendon: „Seit vier oder fünf Jahren. Das Inselchen war früher an die Nordamerikaner abgetreten, aus deren Händen es an Frankreich überging. Die spanische Regierung ist indeß durch die ihr von Frankreich deßhalb geleistete Sicherheit ganz befriedigt.“ Lord Colchester zeigt an, er werde demnächst die Vorlegung der darauf bezüglichen Papiere beantragen. Lord Clarendon entgegnete, er für seine Person werde sie mit Vergnügen bewilligen. Lord Londonderry fügte die Ankündigung bei, er werde Abschriften aller Correspondenzen vorgelegt verlangen, die zwischen der englischen und der Madrider Regierung in Betreff der Convention von Bergara gewechselt worden. Das Haus vertagte sich bis zum 3 Febr. In der Unterhaussitzung am 31 Jan. wurde der ehrenwerthe N. Cholmondeley als neues Mitglied für Denbighshire beeidigt, und nahm seinen Sitz ein. Der Lordmayor von London, Alderman Sir W. Heygate und eine Deputation des gemeinen Raths erschienen an den Schranken, und übergaben eine in einer Plenarsitzung des Gemeinderaths beschlossene Petition um Freilassung der Sheriffs von London und Middlesex. Auf Sir M. Woods Antrag wurde sie vom Clerk an der Tafel gelesen, und dem Wunsche des Sir R. Inglis gemäß deren Druck angeordnet. Nach Ueberreichung vieler anderer Petitionen über die verschiedenartigsten Gegenstände wurden die Debatten über die Frage: „Ob Ihrer Maj. jetzige Regierung Vertrauen verdiene oder nicht“ von neuem aufgenommen, und ein Viertel nach fünf Uhr Morgens endlich zum Schluß gebracht, nachdem die Leiter der beiden Parteien im Haus, Sir R. Peel und Lord J. Russell, zuletzt gesprochen. Ihre Reden gelten als die gewichtigsten der ganzen wortreichen Discussion; die Times aber tadelt diese Sitte, die Triarier erst Morgens 3 Uhr in den parlamentarischen Kampf zu führen, wo das Haus übernächtig erschöpft und die Reporters der Journale kaum mehr im Stande seyen, die Reden ordentlich für den Druck vorzubereiten. Die Abstimmung ergab für Bullers Motion 287, gegen dieselbe 308, also eine ministerielle Majorität von 21 Stimmen. (S. den Brief.) An die Stelle des ehrenwerthen W. M. Noel, des aus dem Unterhaus zurückgetretenen conservativen Mitglieds für die Grafschaft Rutland, die kleinste aller englischen Shires, wurde dessen gleichgesinnter Neffe, der ehrenwerthe C. G. Noel, ältester Sohn Lord Barhams, ohne Opposition gewählt. In einem Schreiben aus London (das norddeutsche Blätter mittheilen) heißt es: „Carlyle, der bekannte Freund Goethe's und Verehrer der deutschen Litteratur, hat den Chartismus für werth gehalten, ihn zum Gegenstand eines eigenen Werkes zu machen, und sucht die Nothwendigkeit für das Parlament darzuthun, den Zustand des Landes in ernstliche Berathung zu nehmen. Carlyle gehört nicht gerade zu den beliebtesten Schriftstellern, wenn man auch seine Talente anerkennt; er ist nicht pikant, und seine dargereichte Kost zu kräftig für fashionable Magen. Man findet selbst seine Sprache nicht rein englisch, weil er sich selbstständig bewegt und nicht in den verflachten Modeton einstimmt. Er kommt allen Parteien mit seiner Schrift unberufen und ungelegen, und den Liberalen nicht am wenigsten, weil er Wahrheiten sagt und Schwächen des englischen Staatslebens berührt, die man lieber unter hergebrachten Parteiphrasen oder gewohnten liberalen Tiraden verdeckt hält.“ **London, 1 Febr. Diesen Morgen gegen 5 Uhr ist das Unterhaus endlich zur Entscheidung gekommen, daß der Vorschlag, „das jetzige Ministerium verdiene sein Vertrauen nicht,“ verworfen werden solle. Diese Verwerfung erfolgte durch eine Mehrheit von 308 gegen 287. Fügt man hiezu die zwei sogenannten Zähler, welche bei jeder Abstimmung von jeder Seite die Stimmen zu zählen haben, und nie mitgerechnet werden, und den Sprecher, so waren nicht weniger als 600 von 658 Mitgliedern bei dieser wichtigen Entscheidung zugegen. Die übrigen hatten entweder abgepaart, d. h. hatten sich von beiden Seiten das Wort gegeben wegzubleiben, oder werden sich genöthigt sehen ihre Abwesenheit durch besondere Gründe zu entschuldigen. Obgleich nun die Debatten drei Nächte durch, von 5 bis nach 12 Uhr, und die letzte Nacht an 12 Stunden gedauert, so hat sich doch nichts daraus ergeben, was nicht bereits hundertmal in Reden und Zeitungsartikeln gesagt worden wäre. Das Bedeutendste, was man gegen das Ministerium vorbrachte, war der Beitritt Macaulay's, eines erklärten eifrigen Freundes der Ballotage, und der demselben dadurch gegebene Anstrich des Radicalismus. Und in dieser Ansicht fühlten sich die Conservativen durch das Zeugniß des Lords Howick und des Hrn. Ward bestärkt, welche erklärten, daß sie letzten Sommer das Cabinet eben wegen dieser Annäherung an den Radicalismus verlassen hätten, während der Radicale Ward in seinem und seiner Collegen Namen versicherte, eben wegen jener Annäherung, und weil die Minister die Ballotage und die Getreidegesetze zu offenen Fragen gemacht, sey es den Radicalen möglich geworden für die Minister zu stimmen. Unter dem Ausdrucke „offene Fragen“ versteht man bekanntlich die Freiheit eines jeden Mitgliedes und Beamten der Regierung über irgend einen bestrittenen Gegenstand nach Belieben zu reden und zu stimmen, so daß die Regierung darauf verzichtet, sich im Ganzen für oder gegen denselben zu erklären. Obgleich nun die Gewalt der Umstände seit dem amerikanischen Freiheitskriege fast jedem Cabinette die Nothwendigkeit aufgelegt hat, gewisse bestrittene Punkte auf diese Weise unentschieden zu lassen, bis die Zeit darüber entschied (und dieses war vordem besonders bei den Fragen über Parlamentsreform, dann über den Sklavenhandel und zuletzt über die Emancipation der Katholiken der Fall), so bleibt es doch immer ein Uebelstand, daher denn auch die Opposition und namentlich Peel den Umstand vor allen benutzt haben, um die Unfähigkeit des jetzigen Ministeriums zu beweisen. Mit dieser Ausnahme (die sich gut genug durch die Noth der Zeit entschuldigen ließ) wurde wirklich wenig vorgebracht, was dem Ministerium mit Recht zur Last gelegt werden konnte. Wenn England durch den Chartismus beunruhigt und bedroht ist, so rief Lord John Russell mit Recht die Jahre 1817, 1818 und 1819 ins Gedächtniß, wo das Land in so furchtbarer Gährung war, daß man nicht nur sechs neue strenge Gesetze gegen die Rechte der freien Rede und Presse machen, sondern auch jenes große Bollwerk der brittischen Freiheit, die Habeas Corpus-Acte eine Zeit lang beseitigen mußte, jene Jahre, wo Bürgerblut auf den Straßen floß, und die Kerker gefüllt mit politischen Gefangenen waren. Er durfte mit Stolz darauf hinweisen, daß während damals die Regierung nur höchst selten die Schuldigerkennung eines Gefangenen zu erlangen vermochte, jetzt selten ein Mann wegen politischer Vergehen vor Gericht gestellt wird, ohne daß die Geschwornen solchen für schuldig erkennen. Dann durften sich auch die Minister (wenn sie ja an den Unruhen in England mit Schuld seyn sollten) der Ruhe in Irland rühmen, selbst wenn ihnen die Tories dabei vorwarfen, sie hätten mit Fleiß Irland seiner Besatzungen entblößt, damit im Fall eines Ministerwechsels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 39. Augsburg, 8. Februar 1840, S. 0307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_039_18400208/3>, abgerufen am 21.11.2024.