Allgemeine Zeitung. Nr. 39. Augsburg, 8. Februar 1840.das Ministerium werde nie die Ernennung des Hrn. Guizot durchsetzen. Damals dachte man nur daran, den König und die Hartnäckigkeit seiner angeblichen persönlichen Politik und die Schwäche des Cabinets anzuklagen. Gleichwohl wurde Hr. Guizot ernannt. Was hätte man nun sagen müssen, wenn man die geringste Achtung für die Wahrheit hätte? Man hätte sagen müssen, was Jedermann weiß und sieht, daß beide Theile, der König wie das Cabinet, sich ganz natürlich und aufrichtig benommen, ohne dabei im geringsten jenes Widerstreben zu zeigen, das die Opposition dem Hof beständig schuld gibt. Der König hat den General Sebastiani sehr lebhaft in Schutz genommen, ohne dabei den mindesten Widerwillen gegen Hrn. Guizot zu hegen. Das Ministerium bestand seinerseits lebhaft und einstimmig auf der Ernennung des Hrn. Guizot. Der König gab nach, wie bei andern Gelegenheiten das Ministerium nachgegeben hat. So verfährt man unter einer wahrhaft constitutionellen oder parlamentarischen Regierung. Nur die Logiker der Coalition meinen oder stellen sich als meinten sie, der König müsse immer nachgeben. Aber nicht zum beständigen Nachgeben hat die Constitution dem König einen so bedeutenden Antheil an der Regierung eingeräumt. Mit dem Begriff, nie dürfe der König in seinem Conseil einen überwiegenden Willen haben, ist so wenig ein Ministerium möglich, als mit der Ansicht, der König müsse immer Recht behalten. Der eine dieser Begriffe führt zur Republik, der andere zum Despotismus." Paris, 1 Febr. Die Abberufung des Grafen Sebastiani und die Ernennung des Hrn. Guizot zum Botschafter in London sind ein sehr wichtiges Ereigniß. General Sebastiani war durch die Abnahme seiner Geisteskräfte untauglich geworden. Er befand sich beinahe in der traurigen Lage des Hrn. Pozzo di Borgo. Graf Sebastiani war der Mann des Vertrauens des Königs; der eigentliche Vertraute der Botschaft war aber Hr. Bourqueney, bekanntlich früher Redacteur der ausländischen Nachrichten im Journal des Debats. Als politische Person wird Hr. Guizot geringen Einfluß in London haben; es fehlt ihm in der diplomatischen Laufbahn an Antecedentien, überdieß ist er in seinem Wesen trocken und linkisch, faßt die Dinge als unleugsame Ereignisse auf, und weiß sich schwer zu accommodiren. Im Ganzen ist diese Wahl nicht die beste; allein das Ministerium mußte hier politischen Combinationen nachgeben. Hr. Guizot ist der Chef einer Partei in der Kammer und beherrscht die Doctrinäre. Das Ministerium bedurfte ihrer Stimmen, um durch die Session zu kommen, und da es sie nicht in das Conseil berufen konnte, so mußte es zur Gewinnung ihrer Voten ihrem Chef einen bedeutenden Posten sichern. Es gibt Personen, die sogar schon sagen, Hr. Guizot werde gar nicht nach London gehen, jedenfalls handle es sich hier mehr von einer Sache der Form als der Wirklichkeit. Uebrigens ist diese Wahl nicht im Geschmack des Königs, und man darf zum voraus annehmen, daß nicht die ganze Correspondenz durch Guizots Hand gehen wird, indem sich der König hierin, wie gesagt, bloß einem parlamentarischen Auskunftsmittel fügt. Belgien. Brüssel, 29 Jan. In der Repräsentantenkammer dauern die Budgetverhandlungen unausgesetzt fort. Da nämlich jede Summe, für welche Gattung von Ausgaben es auch seyn mag, speciell bewilligt werden muß, so zerfällt nicht bloß das Generalbudget der Ausgaben in so viele Abtheilungen, als es Ministerien gibt, sondern die Abtheilung eines jeden Ministeriums hat auch noch eben so zahlreiche Unterabtheilungen, als es Geschäftszweige in dem betreffenden Departement gibt deren jede besonders debattirt wird. Diese Specialisirung der Ausgaben macht eine willkürliche Verwendung von Geldern unmöglich, da sich die Oberrechenkammer genau an die Allocationen der Kammern hält, und eine mit denselben nicht übereinstimmende Ausgabe nicht genehmigen würde. Es läßt sich Vieles für und wider diese Einrichtung sagen, die den Ministern, nicht selten zum Nachtheil des öffentlichen Dienstes, die Hände bindet. Sie verdankt ihren Ursprung dem Mißtrauen, das die unter der vorigen Regierung in der Finanzverwaltung herrschende Dunkelheit und Verwirrung erzeugt hatte. Doch verweigern auch die Kammern nie, wenn etwa im Laufe des Jahrs unvorgesehene Bedürfnisse eintreten sollten, die Uebertragung der Gelder von einem Zweige auf den andern. - Schon in in einem frühern Briefe sprach ich von der Bedeutung, die das Ministerium selbst auf die Bewilligung der Abtheilungen des Budgets legt, die seit der Wiedereröffnung der Debatten am 15 d. M. noch vorzunehmen waren, da die drei Minister, um deren Departemente es sich handelt, eben diejenigen sind, die vor einem Jahre den Vorschlag zur Annahme des Friedenstractats in die Kammern brachten. Der eine derselben, Hr. Nothomb, Minister der öffentlichen Bauten, hat nun schon sein Budget bewilligt erhalten, und zwar mit einer Opposition von nur 9 Stimmen. So wenig hat die Opposition mit ihren Angriffen gegen einzelne Theile seiner Verwaltung, deren Ungrund sich im Laufe der Debatten deutlich herausstellte, die Kammer im Ganzen umzustimmen vermocht. Nach ihm ist nun die Reihe an Hrn. de Theux, dem Minister des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten, dem einflußreichsten Mitgliede des Cabinets, gegen den daher auch die Opposition am entschiedensten auftritt. Während der dreitägigen allgemeinen Discussion über das Budget des Innern wurde zum zweitenmal die Frage von der Abhängigkeit der höhern Beamten nach allen Richtungen durchgesprochen. Die Opposition behauptet, das Ministerium greife in die Wahlfreiheit ein, indem es von diesen Beamten ein thätiges Mitwirken bei den Wahlen zu Gunsten der Candidaten der Regierung fordere. Das Ministerium erwiedert, und beruft sich dabei auf notorische Thatsachen, es fordere ein solches Mitwirken nicht, sondern nur, daß der Beamte den Einfluß, den ihm das Vertrauen der Regierung verschafft, nicht heimlich gegen dieselbe, zu Gunsten der Opposition verwende, wie dieses bei dem im vorigen Junius seines Amtes entsetzten Gouverneur der Provinz Brabant der Fall gewesen. Die Debatte dehnte sich auch überhaupt auf die Frage aus, ob das Ministerium ein Recht habe, von den höhern Beamten, namentlich von den Gouverneurs, eine mit seinen Ansichten und Grundsätzen übereinstimmende politische Gesinnung zu fordern. Indem die Opposition diese Gesinnung ganz außer Frage gestellt wissen will, ist sie genöthigt, die Thätigkeit dieser Beamten auf einen bloßen administrativen Mechanismus zu beschränken, wodurch sie dieselben herabwürdigt, da die entgegengesetzte Ansicht, die in ihnen denkende, in Geist und Gesinnung mit der Centralregierung übereinstimmende Köpfe sieht, ihnen einen allerdings mit mehr Verantwortlichkeit verbundenen, aber auch höheren Standpunkt anweist. Am schärfsten sprach sich hierüber der Minister der öffentlichen Bauten aus, indem er sich auf das Beispiel Englands berief, wo jeder Ministerwechsel einen Wechsel in allen höhern Staatsämtern nach sich zieht. Wie nun die Opposition hiegegen protestiren, und dennoch den Ministern Mangel an Homogeneität und Energie in der Leitung der Landesangelegenheiten vorwerfen kann, ist nicht wohl mit einander zu versöhnen, und klingt dazu in ihrem Munde das Ministerium werde nie die Ernennung des Hrn. Guizot durchsetzen. Damals dachte man nur daran, den König und die Hartnäckigkeit seiner angeblichen persönlichen Politik und die Schwäche des Cabinets anzuklagen. Gleichwohl wurde Hr. Guizot ernannt. Was hätte man nun sagen müssen, wenn man die geringste Achtung für die Wahrheit hätte? Man hätte sagen müssen, was Jedermann weiß und sieht, daß beide Theile, der König wie das Cabinet, sich ganz natürlich und aufrichtig benommen, ohne dabei im geringsten jenes Widerstreben zu zeigen, das die Opposition dem Hof beständig schuld gibt. Der König hat den General Sebastiani sehr lebhaft in Schutz genommen, ohne dabei den mindesten Widerwillen gegen Hrn. Guizot zu hegen. Das Ministerium bestand seinerseits lebhaft und einstimmig auf der Ernennung des Hrn. Guizot. Der König gab nach, wie bei andern Gelegenheiten das Ministerium nachgegeben hat. So verfährt man unter einer wahrhaft constitutionellen oder parlamentarischen Regierung. Nur die Logiker der Coalition meinen oder stellen sich als meinten sie, der König müsse immer nachgeben. Aber nicht zum beständigen Nachgeben hat die Constitution dem König einen so bedeutenden Antheil an der Regierung eingeräumt. Mit dem Begriff, nie dürfe der König in seinem Conseil einen überwiegenden Willen haben, ist so wenig ein Ministerium möglich, als mit der Ansicht, der König müsse immer Recht behalten. Der eine dieser Begriffe führt zur Republik, der andere zum Despotismus.“ Paris, 1 Febr. Die Abberufung des Grafen Sebastiani und die Ernennung des Hrn. Guizot zum Botschafter in London sind ein sehr wichtiges Ereigniß. General Sebastiani war durch die Abnahme seiner Geisteskräfte untauglich geworden. Er befand sich beinahe in der traurigen Lage des Hrn. Pozzo di Borgo. Graf Sebastiani war der Mann des Vertrauens des Königs; der eigentliche Vertraute der Botschaft war aber Hr. Bourqueney, bekanntlich früher Redacteur der ausländischen Nachrichten im Journal des Débats. Als politische Person wird Hr. Guizot geringen Einfluß in London haben; es fehlt ihm in der diplomatischen Laufbahn an Antecedentien, überdieß ist er in seinem Wesen trocken und linkisch, faßt die Dinge als unleugsame Ereignisse auf, und weiß sich schwer zu accommodiren. Im Ganzen ist diese Wahl nicht die beste; allein das Ministerium mußte hier politischen Combinationen nachgeben. Hr. Guizot ist der Chef einer Partei in der Kammer und beherrscht die Doctrinäre. Das Ministerium bedurfte ihrer Stimmen, um durch die Session zu kommen, und da es sie nicht in das Conseil berufen konnte, so mußte es zur Gewinnung ihrer Voten ihrem Chef einen bedeutenden Posten sichern. Es gibt Personen, die sogar schon sagen, Hr. Guizot werde gar nicht nach London gehen, jedenfalls handle es sich hier mehr von einer Sache der Form als der Wirklichkeit. Uebrigens ist diese Wahl nicht im Geschmack des Königs, und man darf zum voraus annehmen, daß nicht die ganze Correspondenz durch Guizots Hand gehen wird, indem sich der König hierin, wie gesagt, bloß einem parlamentarischen Auskunftsmittel fügt. Belgien. Brüssel, 29 Jan. In der Repräsentantenkammer dauern die Budgetverhandlungen unausgesetzt fort. Da nämlich jede Summe, für welche Gattung von Ausgaben es auch seyn mag, speciell bewilligt werden muß, so zerfällt nicht bloß das Generalbudget der Ausgaben in so viele Abtheilungen, als es Ministerien gibt, sondern die Abtheilung eines jeden Ministeriums hat auch noch eben so zahlreiche Unterabtheilungen, als es Geschäftszweige in dem betreffenden Departement gibt deren jede besonders debattirt wird. Diese Specialisirung der Ausgaben macht eine willkürliche Verwendung von Geldern unmöglich, da sich die Oberrechenkammer genau an die Allocationen der Kammern hält, und eine mit denselben nicht übereinstimmende Ausgabe nicht genehmigen würde. Es läßt sich Vieles für und wider diese Einrichtung sagen, die den Ministern, nicht selten zum Nachtheil des öffentlichen Dienstes, die Hände bindet. Sie verdankt ihren Ursprung dem Mißtrauen, das die unter der vorigen Regierung in der Finanzverwaltung herrschende Dunkelheit und Verwirrung erzeugt hatte. Doch verweigern auch die Kammern nie, wenn etwa im Laufe des Jahrs unvorgesehene Bedürfnisse eintreten sollten, die Uebertragung der Gelder von einem Zweige auf den andern. – Schon in in einem frühern Briefe sprach ich von der Bedeutung, die das Ministerium selbst auf die Bewilligung der Abtheilungen des Budgets legt, die seit der Wiedereröffnung der Debatten am 15 d. M. noch vorzunehmen waren, da die drei Minister, um deren Departemente es sich handelt, eben diejenigen sind, die vor einem Jahre den Vorschlag zur Annahme des Friedenstractats in die Kammern brachten. Der eine derselben, Hr. Nothomb, Minister der öffentlichen Bauten, hat nun schon sein Budget bewilligt erhalten, und zwar mit einer Opposition von nur 9 Stimmen. So wenig hat die Opposition mit ihren Angriffen gegen einzelne Theile seiner Verwaltung, deren Ungrund sich im Laufe der Debatten deutlich herausstellte, die Kammer im Ganzen umzustimmen vermocht. Nach ihm ist nun die Reihe an Hrn. de Theux, dem Minister des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten, dem einflußreichsten Mitgliede des Cabinets, gegen den daher auch die Opposition am entschiedensten auftritt. Während der dreitägigen allgemeinen Discussion über das Budget des Innern wurde zum zweitenmal die Frage von der Abhängigkeit der höhern Beamten nach allen Richtungen durchgesprochen. Die Opposition behauptet, das Ministerium greife in die Wahlfreiheit ein, indem es von diesen Beamten ein thätiges Mitwirken bei den Wahlen zu Gunsten der Candidaten der Regierung fordere. Das Ministerium erwiedert, und beruft sich dabei auf notorische Thatsachen, es fordere ein solches Mitwirken nicht, sondern nur, daß der Beamte den Einfluß, den ihm das Vertrauen der Regierung verschafft, nicht heimlich gegen dieselbe, zu Gunsten der Opposition verwende, wie dieses bei dem im vorigen Junius seines Amtes entsetzten Gouverneur der Provinz Brabant der Fall gewesen. Die Debatte dehnte sich auch überhaupt auf die Frage aus, ob das Ministerium ein Recht habe, von den höhern Beamten, namentlich von den Gouverneurs, eine mit seinen Ansichten und Grundsätzen übereinstimmende politische Gesinnung zu fordern. Indem die Opposition diese Gesinnung ganz außer Frage gestellt wissen will, ist sie genöthigt, die Thätigkeit dieser Beamten auf einen bloßen administrativen Mechanismus zu beschränken, wodurch sie dieselben herabwürdigt, da die entgegengesetzte Ansicht, die in ihnen denkende, in Geist und Gesinnung mit der Centralregierung übereinstimmende Köpfe sieht, ihnen einen allerdings mit mehr Verantwortlichkeit verbundenen, aber auch höheren Standpunkt anweist. Am schärfsten sprach sich hierüber der Minister der öffentlichen Bauten aus, indem er sich auf das Beispiel Englands berief, wo jeder Ministerwechsel einen Wechsel in allen höhern Staatsämtern nach sich zieht. 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Der König hat den General Sebastiani sehr lebhaft in Schutz genommen, ohne dabei den mindesten Widerwillen gegen Hrn. Guizot zu hegen. Das Ministerium bestand seinerseits lebhaft und einstimmig auf der Ernennung des Hrn. Guizot. Der König gab nach, wie bei andern Gelegenheiten das Ministerium nachgegeben hat. So verfährt man unter einer wahrhaft constitutionellen oder parlamentarischen Regierung. Nur die Logiker der Coalition meinen oder stellen sich als meinten sie, der König müsse immer nachgeben. Aber nicht zum beständigen Nachgeben hat die Constitution dem König einen so bedeutenden Antheil an der Regierung eingeräumt. Mit dem Begriff, nie dürfe der König in seinem Conseil einen überwiegenden Willen haben, ist so wenig ein Ministerium möglich, als mit der Ansicht, der König müsse immer Recht behalten. 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Im Ganzen ist diese Wahl nicht die beste; allein das Ministerium mußte hier politischen Combinationen nachgeben. Hr. Guizot ist der Chef einer Partei in der Kammer und beherrscht die Doctrinäre. Das Ministerium bedurfte ihrer Stimmen, um durch die Session zu kommen, und da es sie nicht in das Conseil berufen konnte, so mußte es zur Gewinnung ihrer Voten ihrem Chef einen bedeutenden Posten sichern. Es gibt Personen, die sogar schon sagen, Hr. Guizot werde gar nicht nach London gehen, jedenfalls handle es sich hier mehr von einer Sache der Form als der Wirklichkeit. 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Diese Specialisirung der Ausgaben macht eine willkürliche Verwendung von Geldern unmöglich, da sich die Oberrechenkammer genau an die Allocationen der Kammern hält, und eine mit denselben nicht übereinstimmende Ausgabe nicht genehmigen würde. Es läßt sich Vieles für und wider diese Einrichtung sagen, die den Ministern, nicht selten zum Nachtheil des öffentlichen Dienstes, die Hände bindet. Sie verdankt ihren Ursprung dem Mißtrauen, das die unter der vorigen Regierung in der Finanzverwaltung herrschende Dunkelheit und Verwirrung erzeugt hatte. Doch verweigern auch die Kammern nie, wenn etwa im Laufe des Jahrs unvorgesehene Bedürfnisse eintreten sollten, die Uebertragung der Gelder von einem Zweige auf den andern. – Schon in in einem frühern Briefe sprach ich von der Bedeutung, die das Ministerium selbst auf die Bewilligung der Abtheilungen des Budgets legt, die seit der Wiedereröffnung der Debatten am 15 d. M. noch vorzunehmen waren, da die drei Minister, um deren Departemente es sich handelt, eben diejenigen sind, die vor einem Jahre den Vorschlag zur Annahme des Friedenstractats in die Kammern brachten. Der eine derselben, Hr. Nothomb, Minister der öffentlichen Bauten, hat nun schon sein Budget bewilligt erhalten, und zwar mit einer Opposition von nur 9 Stimmen. So wenig hat die Opposition mit ihren Angriffen gegen einzelne Theile seiner Verwaltung, deren Ungrund sich im Laufe der Debatten deutlich herausstellte, die Kammer im Ganzen umzustimmen vermocht. Nach ihm ist nun die Reihe an Hrn. de Theux, dem Minister des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten, dem einflußreichsten Mitgliede des Cabinets, gegen den daher auch die Opposition am entschiedensten auftritt. Während der dreitägigen allgemeinen Discussion über das Budget des Innern wurde zum zweitenmal die Frage von der Abhängigkeit der höhern Beamten nach allen Richtungen durchgesprochen. Die Opposition behauptet, das Ministerium greife in die Wahlfreiheit ein, indem es von diesen Beamten ein thätiges Mitwirken bei den Wahlen zu Gunsten der Candidaten der Regierung fordere. Das Ministerium erwiedert, und beruft sich dabei auf notorische Thatsachen, es fordere ein solches Mitwirken nicht, sondern nur, daß der Beamte den Einfluß, den ihm das Vertrauen der Regierung verschafft, nicht heimlich gegen dieselbe, zu Gunsten der Opposition verwende, wie dieses bei dem im vorigen Junius seines Amtes entsetzten Gouverneur der Provinz Brabant der Fall gewesen. Die Debatte dehnte sich auch überhaupt auf die Frage aus, ob das Ministerium ein Recht habe, von den höhern Beamten, namentlich von den Gouverneurs, eine mit seinen Ansichten und Grundsätzen übereinstimmende politische Gesinnung zu fordern. Indem die Opposition diese Gesinnung ganz außer Frage gestellt wissen will, ist sie genöthigt, die Thätigkeit dieser Beamten auf einen bloßen administrativen Mechanismus zu beschränken, wodurch sie dieselben herabwürdigt, da die entgegengesetzte Ansicht, die in ihnen denkende, in Geist und Gesinnung mit der Centralregierung übereinstimmende Köpfe sieht, ihnen einen allerdings mit mehr Verantwortlichkeit verbundenen, aber auch höheren Standpunkt anweist. Am schärfsten sprach sich hierüber der Minister der öffentlichen Bauten aus, indem er sich auf das Beispiel Englands berief, wo jeder Ministerwechsel einen Wechsel in allen höhern Staatsämtern nach sich zieht. Wie nun die Opposition hiegegen protestiren, und dennoch den Ministern Mangel an Homogeneität und Energie in der Leitung der Landesangelegenheiten vorwerfen kann, ist nicht wohl mit einander zu versöhnen, und klingt dazu in ihrem Munde<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309/0005]
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✝ Paris, 1 Febr. Die Abberufung des Grafen Sebastiani und die Ernennung des Hrn. Guizot zum Botschafter in London sind ein sehr wichtiges Ereigniß. General Sebastiani war durch die Abnahme seiner Geisteskräfte untauglich geworden. Er befand sich beinahe in der traurigen Lage des Hrn. Pozzo di Borgo. Graf Sebastiani war der Mann des Vertrauens des Königs; der eigentliche Vertraute der Botschaft war aber Hr. Bourqueney, bekanntlich früher Redacteur der ausländischen Nachrichten im Journal des Débats. Als politische Person wird Hr. Guizot geringen Einfluß in London haben; es fehlt ihm in der diplomatischen Laufbahn an Antecedentien, überdieß ist er in seinem Wesen trocken und linkisch, faßt die Dinge als unleugsame Ereignisse auf, und weiß sich schwer zu accommodiren. Im Ganzen ist diese Wahl nicht die beste; allein das Ministerium mußte hier politischen Combinationen nachgeben. Hr. Guizot ist der Chef einer Partei in der Kammer und beherrscht die Doctrinäre. Das Ministerium bedurfte ihrer Stimmen, um durch die Session zu kommen, und da es sie nicht in das Conseil berufen konnte, so mußte es zur Gewinnung ihrer Voten ihrem Chef einen bedeutenden Posten sichern. Es gibt Personen, die sogar schon sagen, Hr. Guizot werde gar nicht nach London gehen, jedenfalls handle es sich hier mehr von einer Sache der Form als der Wirklichkeit. Uebrigens ist diese Wahl nicht im Geschmack des Königs, und man darf zum voraus annehmen, daß nicht die ganze Correspondenz durch Guizots Hand gehen wird, indem sich der König hierin, wie gesagt, bloß einem parlamentarischen Auskunftsmittel fügt.
Belgien.
✝Brüssel, 29 Jan. In der Repräsentantenkammer dauern die Budgetverhandlungen unausgesetzt fort. Da nämlich jede Summe, für welche Gattung von Ausgaben es auch seyn mag, speciell bewilligt werden muß, so zerfällt nicht bloß das Generalbudget der Ausgaben in so viele Abtheilungen, als es Ministerien gibt, sondern die Abtheilung eines jeden Ministeriums hat auch noch eben so zahlreiche Unterabtheilungen, als es Geschäftszweige in dem betreffenden Departement gibt deren jede besonders debattirt wird. Diese Specialisirung der Ausgaben macht eine willkürliche Verwendung von Geldern unmöglich, da sich die Oberrechenkammer genau an die Allocationen der Kammern hält, und eine mit denselben nicht übereinstimmende Ausgabe nicht genehmigen würde. Es läßt sich Vieles für und wider diese Einrichtung sagen, die den Ministern, nicht selten zum Nachtheil des öffentlichen Dienstes, die Hände bindet. Sie verdankt ihren Ursprung dem Mißtrauen, das die unter der vorigen Regierung in der Finanzverwaltung herrschende Dunkelheit und Verwirrung erzeugt hatte. Doch verweigern auch die Kammern nie, wenn etwa im Laufe des Jahrs unvorgesehene Bedürfnisse eintreten sollten, die Uebertragung der Gelder von einem Zweige auf den andern. – Schon in in einem frühern Briefe sprach ich von der Bedeutung, die das Ministerium selbst auf die Bewilligung der Abtheilungen des Budgets legt, die seit der Wiedereröffnung der Debatten am 15 d. M. noch vorzunehmen waren, da die drei Minister, um deren Departemente es sich handelt, eben diejenigen sind, die vor einem Jahre den Vorschlag zur Annahme des Friedenstractats in die Kammern brachten. Der eine derselben, Hr. Nothomb, Minister der öffentlichen Bauten, hat nun schon sein Budget bewilligt erhalten, und zwar mit einer Opposition von nur 9 Stimmen. So wenig hat die Opposition mit ihren Angriffen gegen einzelne Theile seiner Verwaltung, deren Ungrund sich im Laufe der Debatten deutlich herausstellte, die Kammer im Ganzen umzustimmen vermocht. Nach ihm ist nun die Reihe an Hrn. de Theux, dem Minister des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten, dem einflußreichsten Mitgliede des Cabinets, gegen den daher auch die Opposition am entschiedensten auftritt. Während der dreitägigen allgemeinen Discussion über das Budget des Innern wurde zum zweitenmal die Frage von der Abhängigkeit der höhern Beamten nach allen Richtungen durchgesprochen. Die Opposition behauptet, das Ministerium greife in die Wahlfreiheit ein, indem es von diesen Beamten ein thätiges Mitwirken bei den Wahlen zu Gunsten der Candidaten der Regierung fordere. Das Ministerium erwiedert, und beruft sich dabei auf notorische Thatsachen, es fordere ein solches Mitwirken nicht, sondern nur, daß der Beamte den Einfluß, den ihm das Vertrauen der Regierung verschafft, nicht heimlich gegen dieselbe, zu Gunsten der Opposition verwende, wie dieses bei dem im vorigen Junius seines Amtes entsetzten Gouverneur der Provinz Brabant der Fall gewesen. Die Debatte dehnte sich auch überhaupt auf die Frage aus, ob das Ministerium ein Recht habe, von den höhern Beamten, namentlich von den Gouverneurs, eine mit seinen Ansichten und Grundsätzen übereinstimmende politische Gesinnung zu fordern. Indem die Opposition diese Gesinnung ganz außer Frage gestellt wissen will, ist sie genöthigt, die Thätigkeit dieser Beamten auf einen bloßen administrativen Mechanismus zu beschränken, wodurch sie dieselben herabwürdigt, da die entgegengesetzte Ansicht, die in ihnen denkende, in Geist und Gesinnung mit der Centralregierung übereinstimmende Köpfe sieht, ihnen einen allerdings mit mehr Verantwortlichkeit verbundenen, aber auch höheren Standpunkt anweist. Am schärfsten sprach sich hierüber der Minister der öffentlichen Bauten aus, indem er sich auf das Beispiel Englands berief, wo jeder Ministerwechsel einen Wechsel in allen höhern Staatsämtern nach sich zieht. Wie nun die Opposition hiegegen protestiren, und dennoch den Ministern Mangel an Homogeneität und Energie in der Leitung der Landesangelegenheiten vorwerfen kann, ist nicht wohl mit einander zu versöhnen, und klingt dazu in ihrem Munde
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