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Allgemeine Zeitung. Nr. 40. Augsburg, 9. Februar 1840.

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Nov. mit Bestimmtheit berührten Verhältnisse einer bestehenden vertragsmäßigen Allianz zwischen Frankreich und dem Pascha keiner Aufmerksamkeit gewürdigt; er mochte besorgen, daß die Portfolios nicht für immer geschlossen sind; er hat Frankreichs Benehmen hinsichtlich der Dardanellenfrage mit keiner Sylbe berührt; als politischer Optimist hat er endlich das Verfahren dieser oder jener dissentirenden Macht immer aus dem Umstande sich zu erklären gesucht, daß von den andern Mächten gegen die Form gesündigt worden, nie aber gesagt, worin diese Formverletzungen beständen. Am Schlusse seines Schreibens macht er noch einen Versuch, die Last der Beweise, die er selbst führen wollte, auf die Zukunft, auf die Geschichte zu übertragen. Aber in Nro. 355 der Allgem. Ztg. hatte ja der genannte Correspondent diese Last auf sich genommen, und mit großem Eclat verkündigt, daß er unverzüglich die Beweise von der Falschheit meiner Angaben liefern werde!

Rußland.

Die so häufig wiederkehrenden angeblichen Correspondenzberichte des Pariser Commerce aus St. Petersburg veranlassen das über die Begebenheiten in Rußland gewöhnlich gut unterrichtete Journal de Francfort zu folgender umständlicher Widerlegung. "Das Journal le Commerce publicirt nach einer Correspondenz aus St. Petersburg vom 2 Jan. die Nachricht von einer großen Verschwörung, deren Urheber aber durch Anzündung des Hauses, welches die verrätherischen Papiere barg, der Polizei zum Theil entgangen seyen. Wir führen die Correspondenz wörtlich an: "Dieses Ereigniß bildet in unserer Hauptstadt den Stoff aller Gespräche, und gleichwohl gestattet die Censur keinem unserer Journale die mindeste Erwähnung davon zu machen." Dieß ist offenbar ein Kunstgriff des Correspondenten des Commerce, welcher, aus guten Gründen überzeugt, daß die St. Petersburger Journale von dem angeblichen Ereigniß keine Erwähnung machen werden, gegen die Widerlegung, die aus ihrem Stillschweigen hervorgeht, durch die Behauptung sich verschanzen will, daß die Censur jenen Journalen nicht gestattet habe, irgend eine Erwähnung davon zu machen. Damit das Commerce sich künftighin etwas pfiffiger benehme, bemerken wir ihm, daß es, so oft dergleichen Ereignisse der Stoff aller Unterhaltungen in der Hauptstadt geworden sind, in der Gewohnheit, wie im Interesse der Regierung liegt, solche Ereignisse durch die Journale publiciren zu lassen, um boshaften Uebertreibungen ein schnelles Ende zu machen. Dieser Fall ist zu wiederholtenmalen vorgekommen. Wäre aber im vorliegenden Fall die Censur auch wirklich so dumm vorsichtig gewesen, hätte sie wohl dasselbe Schweigen auch den Privatbriefen und den Reisenden auferlegen können, welche nach Deutschland und namentlich nach Frankfurt kommen? Wir haben aus St. Petersburg neuere Briefe als vom 2 Jan. erhalten, welche durchaus keine Erwähnung von jenem Vorgang machen; wir sahen Reisende, welche direct von St. Petersburg kamen und zu träumen wähnten, als man sie über ein Ereigniß befragte, welches in dieser Hauptstadt "den Stoff aller Gespräche" bildet, und von dem sie gleichwohl nie sprechen gehört haben. "Vorgestern, sagt der Correspondent des Commerce, wurde Generallieutenant Benkendorf, Oberdirector der geheimen Polizei der Armee, benachrichtigt, daß in St. Petersburg eine Verschwörung angezettelt worden, an welcher Männer aus den edelsten Familien Theil genommen. Als Versammlungsort der Verschwörer wurde das Hotel der Wittwe Bestuscheff bezeichnet, Tante desselben Bestuscheff, welcher im Jahr 1826 als Mitschuldiger von Pestel und Murawieff gehängt wurde. Dieses Hotel ist in der Straße Mata-Dworanskaja gelegen. Dort, hieß es, seyen auch die Briefe und übrigen Papiere der Verschwornen verborgen." Wo soll man nun anfangen, um all die Lügen zu bezeichnen, welche in diesen wenigen Zeilen zusammengehäuft sind? Erstlich gibt es, im Vorbeigehen gesagt, in Rußland keinen Generallieutenant v. Benkendorf, wohl aber einen General der Infanterie Grafen v. Benkendorf. Der Correspondent sagt ferner, die Wittwe Bestuscheff sey von mütterlicher Seite Tante desselben Bestuscheff, welcher 1826 gehängt wurde. Nun ist aber 1826 kein Mann dieses Namens gehängt worden. Jener Bestuscheff, welcher in die Verschwörung Murawieff's und Trubetzkoy's verwickelt war, wurde nach Sibirien verbannt; später wies ihm der Kaiser, welcher sehr milde gegen ihn verfuhr, eine Stadt an der tscherkessischen Gränze zum Aufenthaltsort an. Dort genoß er einer solchen Freiheit, daß er oft aus der Stadt zur Jagd in die Umgegend ritt. Auf einem dieser Ausflüge wurde er von den räuberischen Bewohnern der dortigen Gebirge getödtet. So verhielt es sich mit dem Hängen des Hrn. Bestuscheff. Es gibt auch in St. Petersburg keine Straße Mata-Dworanskaja; letzteres Wort ist polnisch und bringt uns auf die Spur des Correspondenten." Das Journal de Francfort macht sodann auf die Unwahrscheinlichkeit aufmerksam, daß Hr. v. Benkendorf, der "vermeiden wollte, die Aufmerksamkeit des Publicums auf seine Operationen zu ziehen," gleichwohl "eine Rotte Polizeiagenten, ein Detaschement Gendarmen und ein Cuirassierregiment" habe ausrücken lassen. Der Bericht des Commerce schließt mit der Angabe, die Verschwornen hätten bei Annäherung der bewaffneten Macht das Hotel der Wittwe Bestuscheff angezündet, und von diesem schönen Gebäude seyen nur die vier Mauern übrig geblieben. Das Journal de Francfort versichert aber, es sey um jene Zeit gar keine Feuersbrunst in St. Petersburg ausgebrochen, mit Ausnahme einer Seidenspinnerei, die 12 Werste von St. Petersburg entfernt ist.

Südamerika.

(Commerce.) Wir erhalten so eben das Handelsblatt von Rio Janeiro bis zum 21 Nov. Die letzten Nachrichten aus Santa-Catarina vom 16 Nov. meldeten, daß der Vortrab der Rebellen am 2 bei Encantada von den Streitkräften des Obristen Fernando geschlagen wurde. Letzterer besetzte Villanova und Morio de Igi, welches eine Stunde von Laguna entfernt ist. In Rio Grande und Porto-Allegre war nichts Neues von Bedeutung vorgefallen. - Die Nachrichten aus Montevideo, welche wir über Brasilien erhalten, reichen bis zum 4 Nov. Sie bestätigen die Erhebung der Provinz Corientes zu Gunsten des Generals Lavalle. Die Streitkräfte Echague's und Rivera's waren noch nicht handgemein geworden und man zweifelte, wie zwei Briefe im Jornal do Commercio sagen, ob es so weit kommen würde.

Nov. mit Bestimmtheit berührten Verhältnisse einer bestehenden vertragsmäßigen Allianz zwischen Frankreich und dem Pascha keiner Aufmerksamkeit gewürdigt; er mochte besorgen, daß die Portfolios nicht für immer geschlossen sind; er hat Frankreichs Benehmen hinsichtlich der Dardanellenfrage mit keiner Sylbe berührt; als politischer Optimist hat er endlich das Verfahren dieser oder jener dissentirenden Macht immer aus dem Umstande sich zu erklären gesucht, daß von den andern Mächten gegen die Form gesündigt worden, nie aber gesagt, worin diese Formverletzungen beständen. Am Schlusse seines Schreibens macht er noch einen Versuch, die Last der Beweise, die er selbst führen wollte, auf die Zukunft, auf die Geschichte zu übertragen. Aber in Nro. 355 der Allgem. Ztg. hatte ja der genannte Correspondent diese Last auf sich genommen, und mit großem Eclat verkündigt, daß er unverzüglich die Beweise von der Falschheit meiner Angaben liefern werde!

Rußland.

Die so häufig wiederkehrenden angeblichen Correspondenzberichte des Pariser Commerce aus St. Petersburg veranlassen das über die Begebenheiten in Rußland gewöhnlich gut unterrichtete Journal de Francfort zu folgender umständlicher Widerlegung. „Das Journal le Commerce publicirt nach einer Correspondenz aus St. Petersburg vom 2 Jan. die Nachricht von einer großen Verschwörung, deren Urheber aber durch Anzündung des Hauses, welches die verrätherischen Papiere barg, der Polizei zum Theil entgangen seyen. Wir führen die Correspondenz wörtlich an: „Dieses Ereigniß bildet in unserer Hauptstadt den Stoff aller Gespräche, und gleichwohl gestattet die Censur keinem unserer Journale die mindeste Erwähnung davon zu machen.“ Dieß ist offenbar ein Kunstgriff des Correspondenten des Commerce, welcher, aus guten Gründen überzeugt, daß die St. Petersburger Journale von dem angeblichen Ereigniß keine Erwähnung machen werden, gegen die Widerlegung, die aus ihrem Stillschweigen hervorgeht, durch die Behauptung sich verschanzen will, daß die Censur jenen Journalen nicht gestattet habe, irgend eine Erwähnung davon zu machen. Damit das Commerce sich künftighin etwas pfiffiger benehme, bemerken wir ihm, daß es, so oft dergleichen Ereignisse der Stoff aller Unterhaltungen in der Hauptstadt geworden sind, in der Gewohnheit, wie im Interesse der Regierung liegt, solche Ereignisse durch die Journale publiciren zu lassen, um boshaften Uebertreibungen ein schnelles Ende zu machen. Dieser Fall ist zu wiederholtenmalen vorgekommen. Wäre aber im vorliegenden Fall die Censur auch wirklich so dumm vorsichtig gewesen, hätte sie wohl dasselbe Schweigen auch den Privatbriefen und den Reisenden auferlegen können, welche nach Deutschland und namentlich nach Frankfurt kommen? Wir haben aus St. Petersburg neuere Briefe als vom 2 Jan. erhalten, welche durchaus keine Erwähnung von jenem Vorgang machen; wir sahen Reisende, welche direct von St. Petersburg kamen und zu träumen wähnten, als man sie über ein Ereigniß befragte, welches in dieser Hauptstadt „den Stoff aller Gespräche“ bildet, und von dem sie gleichwohl nie sprechen gehört haben. „Vorgestern, sagt der Correspondent des Commerce, wurde Generallieutenant Benkendorf, Oberdirector der geheimen Polizei der Armee, benachrichtigt, daß in St. Petersburg eine Verschwörung angezettelt worden, an welcher Männer aus den edelsten Familien Theil genommen. Als Versammlungsort der Verschwörer wurde das Hôtel der Wittwe Bestuscheff bezeichnet, Tante desselben Bestuscheff, welcher im Jahr 1826 als Mitschuldiger von Pestel und Murawieff gehängt wurde. Dieses Hôtel ist in der Straße Mata-Dworanskaja gelegen. Dort, hieß es, seyen auch die Briefe und übrigen Papiere der Verschwornen verborgen.“ Wo soll man nun anfangen, um all die Lügen zu bezeichnen, welche in diesen wenigen Zeilen zusammengehäuft sind? Erstlich gibt es, im Vorbeigehen gesagt, in Rußland keinen Generallieutenant v. Benkendorf, wohl aber einen General der Infanterie Grafen v. Benkendorf. Der Correspondent sagt ferner, die Wittwe Bestuscheff sey von mütterlicher Seite Tante desselben Bestuscheff, welcher 1826 gehängt wurde. Nun ist aber 1826 kein Mann dieses Namens gehängt worden. Jener Bestuscheff, welcher in die Verschwörung Murawieff's und Trubetzkoy's verwickelt war, wurde nach Sibirien verbannt; später wies ihm der Kaiser, welcher sehr milde gegen ihn verfuhr, eine Stadt an der tscherkessischen Gränze zum Aufenthaltsort an. Dort genoß er einer solchen Freiheit, daß er oft aus der Stadt zur Jagd in die Umgegend ritt. Auf einem dieser Ausflüge wurde er von den räuberischen Bewohnern der dortigen Gebirge getödtet. So verhielt es sich mit dem Hängen des Hrn. Bestuscheff. Es gibt auch in St. Petersburg keine Straße Mata-Dworanskaja; letzteres Wort ist polnisch und bringt uns auf die Spur des Correspondenten.“ Das Journal de Francfort macht sodann auf die Unwahrscheinlichkeit aufmerksam, daß Hr. v. Benkendorf, der „vermeiden wollte, die Aufmerksamkeit des Publicums auf seine Operationen zu ziehen,“ gleichwohl „eine Rotte Polizeiagenten, ein Detaschement Gendarmen und ein Cuirassierregiment“ habe ausrücken lassen. Der Bericht des Commerce schließt mit der Angabe, die Verschwornen hätten bei Annäherung der bewaffneten Macht das Hôtel der Wittwe Bestuscheff angezündet, und von diesem schönen Gebäude seyen nur die vier Mauern übrig geblieben. Das Journal de Francfort versichert aber, es sey um jene Zeit gar keine Feuersbrunst in St. Petersburg ausgebrochen, mit Ausnahme einer Seidenspinnerei, die 12 Werste von St. Petersburg entfernt ist.

Südamerika.

(Commerce.) Wir erhalten so eben das Handelsblatt von Rio Janeiro bis zum 21 Nov. Die letzten Nachrichten aus Santa-Catarina vom 16 Nov. meldeten, daß der Vortrab der Rebellen am 2 bei Encantada von den Streitkräften des Obristen Fernando geschlagen wurde. Letzterer besetzte Villanova und Morio de Igi, welches eine Stunde von Laguna entfernt ist. In Rio Grande und Porto-Allegre war nichts Neues von Bedeutung vorgefallen. – Die Nachrichten aus Montevideo, welche wir über Brasilien erhalten, reichen bis zum 4 Nov. Sie bestätigen die Erhebung der Provinz Corientes zu Gunsten des Generals Lavalle. Die Streitkräfte Echague's und Rivera's waren noch nicht handgemein geworden und man zweifelte, wie zwei Briefe im Jornal do Commercio sagen, ob es so weit kommen würde.

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[0318/0014] Nov. mit Bestimmtheit berührten Verhältnisse einer bestehenden vertragsmäßigen Allianz zwischen Frankreich und dem Pascha keiner Aufmerksamkeit gewürdigt; er mochte besorgen, daß die Portfolios nicht für immer geschlossen sind; er hat Frankreichs Benehmen hinsichtlich der Dardanellenfrage mit keiner Sylbe berührt; als politischer Optimist hat er endlich das Verfahren dieser oder jener dissentirenden Macht immer aus dem Umstande sich zu erklären gesucht, daß von den andern Mächten gegen die Form gesündigt worden, nie aber gesagt, worin diese Formverletzungen beständen. Am Schlusse seines Schreibens macht er noch einen Versuch, die Last der Beweise, die er selbst führen wollte, auf die Zukunft, auf die Geschichte zu übertragen. Aber in Nro. 355 der Allgem. Ztg. hatte ja der genannte Correspondent diese Last auf sich genommen, und mit großem Eclat verkündigt, daß er unverzüglich die Beweise von der Falschheit meiner Angaben liefern werde! Rußland. Die so häufig wiederkehrenden angeblichen Correspondenzberichte des Pariser Commerce aus St. Petersburg veranlassen das über die Begebenheiten in Rußland gewöhnlich gut unterrichtete Journal de Francfort zu folgender umständlicher Widerlegung. „Das Journal le Commerce publicirt nach einer Correspondenz aus St. Petersburg vom 2 Jan. die Nachricht von einer großen Verschwörung, deren Urheber aber durch Anzündung des Hauses, welches die verrätherischen Papiere barg, der Polizei zum Theil entgangen seyen. Wir führen die Correspondenz wörtlich an: „Dieses Ereigniß bildet in unserer Hauptstadt den Stoff aller Gespräche, und gleichwohl gestattet die Censur keinem unserer Journale die mindeste Erwähnung davon zu machen.“ Dieß ist offenbar ein Kunstgriff des Correspondenten des Commerce, welcher, aus guten Gründen überzeugt, daß die St. Petersburger Journale von dem angeblichen Ereigniß keine Erwähnung machen werden, gegen die Widerlegung, die aus ihrem Stillschweigen hervorgeht, durch die Behauptung sich verschanzen will, daß die Censur jenen Journalen nicht gestattet habe, irgend eine Erwähnung davon zu machen. Damit das Commerce sich künftighin etwas pfiffiger benehme, bemerken wir ihm, daß es, so oft dergleichen Ereignisse der Stoff aller Unterhaltungen in der Hauptstadt geworden sind, in der Gewohnheit, wie im Interesse der Regierung liegt, solche Ereignisse durch die Journale publiciren zu lassen, um boshaften Uebertreibungen ein schnelles Ende zu machen. Dieser Fall ist zu wiederholtenmalen vorgekommen. Wäre aber im vorliegenden Fall die Censur auch wirklich so dumm vorsichtig gewesen, hätte sie wohl dasselbe Schweigen auch den Privatbriefen und den Reisenden auferlegen können, welche nach Deutschland und namentlich nach Frankfurt kommen? Wir haben aus St. Petersburg neuere Briefe als vom 2 Jan. erhalten, welche durchaus keine Erwähnung von jenem Vorgang machen; wir sahen Reisende, welche direct von St. Petersburg kamen und zu träumen wähnten, als man sie über ein Ereigniß befragte, welches in dieser Hauptstadt „den Stoff aller Gespräche“ bildet, und von dem sie gleichwohl nie sprechen gehört haben. „Vorgestern, sagt der Correspondent des Commerce, wurde Generallieutenant Benkendorf, Oberdirector der geheimen Polizei der Armee, benachrichtigt, daß in St. Petersburg eine Verschwörung angezettelt worden, an welcher Männer aus den edelsten Familien Theil genommen. Als Versammlungsort der Verschwörer wurde das Hôtel der Wittwe Bestuscheff bezeichnet, Tante desselben Bestuscheff, welcher im Jahr 1826 als Mitschuldiger von Pestel und Murawieff gehängt wurde. Dieses Hôtel ist in der Straße Mata-Dworanskaja gelegen. Dort, hieß es, seyen auch die Briefe und übrigen Papiere der Verschwornen verborgen.“ Wo soll man nun anfangen, um all die Lügen zu bezeichnen, welche in diesen wenigen Zeilen zusammengehäuft sind? Erstlich gibt es, im Vorbeigehen gesagt, in Rußland keinen Generallieutenant v. Benkendorf, wohl aber einen General der Infanterie Grafen v. Benkendorf. Der Correspondent sagt ferner, die Wittwe Bestuscheff sey von mütterlicher Seite Tante desselben Bestuscheff, welcher 1826 gehängt wurde. Nun ist aber 1826 kein Mann dieses Namens gehängt worden. Jener Bestuscheff, welcher in die Verschwörung Murawieff's und Trubetzkoy's verwickelt war, wurde nach Sibirien verbannt; später wies ihm der Kaiser, welcher sehr milde gegen ihn verfuhr, eine Stadt an der tscherkessischen Gränze zum Aufenthaltsort an. Dort genoß er einer solchen Freiheit, daß er oft aus der Stadt zur Jagd in die Umgegend ritt. Auf einem dieser Ausflüge wurde er von den räuberischen Bewohnern der dortigen Gebirge getödtet. So verhielt es sich mit dem Hängen des Hrn. Bestuscheff. Es gibt auch in St. Petersburg keine Straße Mata-Dworanskaja; letzteres Wort ist polnisch und bringt uns auf die Spur des Correspondenten.“ Das Journal de Francfort macht sodann auf die Unwahrscheinlichkeit aufmerksam, daß Hr. v. Benkendorf, der „vermeiden wollte, die Aufmerksamkeit des Publicums auf seine Operationen zu ziehen,“ gleichwohl „eine Rotte Polizeiagenten, ein Detaschement Gendarmen und ein Cuirassierregiment“ habe ausrücken lassen. Der Bericht des Commerce schließt mit der Angabe, die Verschwornen hätten bei Annäherung der bewaffneten Macht das Hôtel der Wittwe Bestuscheff angezündet, und von diesem schönen Gebäude seyen nur die vier Mauern übrig geblieben. Das Journal de Francfort versichert aber, es sey um jene Zeit gar keine Feuersbrunst in St. Petersburg ausgebrochen, mit Ausnahme einer Seidenspinnerei, die 12 Werste von St. Petersburg entfernt ist. Südamerika. (Commerce.) Wir erhalten so eben das Handelsblatt von Rio Janeiro bis zum 21 Nov. Die letzten Nachrichten aus Santa-Catarina vom 16 Nov. meldeten, daß der Vortrab der Rebellen am 2 bei Encantada von den Streitkräften des Obristen Fernando geschlagen wurde. Letzterer besetzte Villanova und Morio de Igi, welches eine Stunde von Laguna entfernt ist. In Rio Grande und Porto-Allegre war nichts Neues von Bedeutung vorgefallen. – Die Nachrichten aus Montevideo, welche wir über Brasilien erhalten, reichen bis zum 4 Nov. Sie bestätigen die Erhebung der Provinz Corientes zu Gunsten des Generals Lavalle. Die Streitkräfte Echague's und Rivera's waren noch nicht handgemein geworden und man zweifelte, wie zwei Briefe im Jornal do Commercio sagen, ob es so weit kommen würde.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 40. Augsburg, 9. Februar 1840, S. 0318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_040_18400209/14>, abgerufen am 03.12.2024.