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Allgemeine Zeitung. Nr. 45. Augsburg, 14. Februar 1840.

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von England emancipirt, auf dem Wege zu einer rein amerikanischen von Europa unabhängigen Staatsform, obgleich dieser Schritt von manchen Erscheinungen begleitet ist, die uns mit Besorgnissen für die Zukunft erfüllen. Wie ich Ihnen stets in meinen früheren Correspondenzartikeln bemerkte, bedarf kein Land wie das unsrige einer starken, kräftigen Opposition, um die Partei, welche am Ruder steht, im Zaume zu halten, sey es nun, daß diese die demokratische oder die aristokratische ist. In diesem Augenblick aber ist die Bank-, Whig- oder Aristokratenpartei so gänzlich geschlagen, daß sie nicht einmal einen Mann findet, der sich von ihr zum nächsten Präsidenten vorschlagen lassen will. Clay und Webster sind längst zu Grabe getragen, und so hat sie denn neuerdings die Ernennung des Generals Harison in Anregung gebracht, die selbst unsere reichen Kaufleute und Pflanzer dermaßen in Verzweiflung setzt, daß sie laut erklären, lieber für Van Buren, der doch wenigstens ein Gentleman sey, stimmen zu wollen, als für diesen Bauerngeneral des Westen, der bei seinem Blödsinn nicht einmal eine Schlacht gewonnen habe. - Aber diese Macht der Demokraten ist gefährlicher als die von ihnen vor zwei Jahren erlittene Niederlage, denn man kann selbst hier der Bewegungspartei angehören, und am Ende doch gezwungen seyn zu fragen: bis wie weit darf ich gehen ohne Gefahr für den Umsturz des Ganzen? Diese Frage muß zuletzt jeder rechtschaffene Mensch aufwerfen. - Allerdings freue ich mich mit allen wahren Freunden der Menschheit, die Häupter unserer stolzen Geldmänner gebeugt, und die rein materiellen Interessen hinter dem geistigen Aufschwung der Nation in dem materiellsten aller Länder zurückstehen zu sehen; mit innigem Antheil nehme ich wahr, daß die große Mission der Vereinsstaaten nicht an dem eingelernten Macchiavellismus von ein paar Hundert plötzlich reich gewordenen Familien scheitert, und daß die Richtung, die der größte amerikanische Geist - Thomas Jefferson - der Revolution von Amerika gab, trotz aller von Osten empfangenen Perturbationen dieselbe geblieben ist; aber ich kenne auch den jugendlichen ungezähmten Eifer unsers schnell aufblühenden Volkes, der mich für den ruhigen, besonnenen Fortgang unserer socialen Entwickelung sorgen läßt. Zwar stehen demselben keine Jahrhunderte lang eingeprägten Vorurtheile entgegen, zwar drückt uns keine geschichtlich belastete Vorzeit, dafür gebricht es uns aber auch an Erfahrung und an der allen civilisirten Völkern unentbehrlichen Toleranz. Trotz unsers kurzen Staatenlebens stehen die Bewegungs- und die Stillstandspartei einander nirgends so schroff entgegen als gerade hier, wo sich gewissermaßen die Endpunkte der europäischen Geschichte verlieren, und sich uns die Zukunft der Menschheit erschließt. Es scheint, als ob der große Kampf der europäischen Menschheit, den man in gewissen Ländern so gerne in das Reich der Ideen hinüber spielen möchte, hier in Amerika physisch durchgekämpft werden soll, um zuletzt - es koste was es wolle - zu einem historischen Resultate zu gelangen, an welches die Anhänger gewisser Meinungen appelliren können. Die Völker aus anglo-sächsischer Race sind einmal matter of fact men, die nur Thatsachen als erwiesene Wahrheiten anerkennen, und so ist auch das Ziel unserer Bewegungsmänner weniger die Begründung von Principien, als die Besiegung einzelner Classen und Individuen, welche ihnen als Repräsentanten der von ihnen gehaßten Theorien gelten. Wie weit dieser Mißgriff den eigentlichen Sieg und die Früchte der neuesten Civilisation hinaus schieben wird, muß uns die Zukunft lehren; gewiß ist, daß sowohl der Politik als der Religion das größte Unheil durch Zeloten widerfährt. - Jetzt, seitdem selbst der Staat Massachussetts, der mit einer einzigen Ausnahme, seit dem Revolutionskriege, nur föderalistische Gouverneurs erwählte, den Göttinger Gelehrten Everett aufgegeben, und an seiner Stelle den demokratischen Richter Morton zum Staatsoberhaupt ernannt hat, bleibt der Whigpartei keine andere Hoffnung, als die des baldigen Zerfalls der Demokraten unter sich selbst. "Sie sind zu mächtig geworden, sagen ihre Anführer, um sich ruhig in die Früchte ihres Siegs zu theilen. Eine solche Masse vereint sich nie über so viele neue Staatstheorien; - die Unterschiede der Erziehung und des Vermögens müssen nothwendigerweise auch eine Verschiedenheit der Meinungen hervorrufen - die Schlechtesten müssen am Ende doch noch Bessere ausscheiden, die zu etwas Edlerm heranreifen;" - und so bleibt unsern Aristokraten noch immer die Hoffnung auf eine baldige Reorganisation ihrer Partei. Es ist gut, daß sich unsere Whigs mit Hoffnungen trösten, statt wie vor drei Jahren durch eine Kriegserklärung an die materiellen Interessen des Landes sich an dem "Unverstand der Massen" zu rächen. Auch wir, wie Sie bereits aus dem Bericht des Kriegsministers Poinsett, über den ich mir vorbehalte, in meinem nächsten das Nöthigste nachzutragen, ersehen haben werden, bedürfen der Ruhe und des Friedens zu unserm Wohlstand und Gedeihen. Pax nobiscum!

Spanien.

Die spanische Nation hat über die Revolution, welche eine Rotte entarteter und unverbesserlicher Selbstlinge ihr ausdringen will, den Stab gebrochen. Die Revolutionäre selbst haben sich auf dieses Urtheil berufen; das Volk sollte vermittelst der Wähler entscheiden: diese haben in unerwartet überwiegender Mehrheit ihr Urtheil zu Gunsten derjenigen Männer gefällt, von denen sie die Rückkehr zur gesetzmäßigen Ordnung, die Befestigung des Throns auf sichere Grundlagen, die Heilighaltung der überlieferten Religion, die Unverbrüchlichkeit des den sich dem Scepter der Königin friedlich Unterwerfenden gegebenen Wortes, die Herbeiführung der Aussöhnung mit dem die Halbinsel noch mit Mißtrauen betrachtenden Theile von Europa, erwarten. Die Anarchisten, welche den durch die Wähler verkündeten Ausspruch des Volkes bisher als den höchsten aufstellten, berufen sich nun auf einen höhern; der Dolch, die Brandfackel soll die letzte Entscheidung fällen, und es muß sich nun zeigen, ob die Revolution nicht bloß durch den gesunden Sinn des Volks, sondern auch auf offener Straße, durch die Spitze der Bajonnette unterdrückt werden wird. Aus der Wendung, welche die Wahlen genommen haben, ergibt sich mehr als Eine wichtige Erfahrung. Zuerst steht der Satz fest, daß die Nation von dem Bedürfniß durchdrungen ist, Ruhe und Frieden zu haben; denn nie strömten die Wähler in so großer Anzahl herbei, um von ihrer Berechtigung Gebrauch zu machen, und dieser Gebrauch geschah im Sinne der Ordnung. An die Freunde des Friedens und der Gesetzlichkeit schlossen sich größtentheils die Personen, welche bisher die Sache des Prätendenten vertheidigt hatten, weil sie in dem Scepter der Königin keine genügende Bürgschaft für die Ruhe des Landes und den Schutz der Rechte der Einzelnen zu erblicken glaubten. Nunmehr finden sie die Sicherstellung ihrer Interessen in dem Siege derjenigen Partei, welche man bisher die gemäßigte nannte, und die von nun an den der monarchischen zu verdienen strebt. Vergebens haben die Exaltirten alle Künste aufgeboten, um - wer sollte es glauben? - die von ihnen so verabscheuten Carlisten auf ihre Seite zu ziehen; nur, wo letztere wähnen, durch die

von England emancipirt, auf dem Wege zu einer rein amerikanischen von Europa unabhängigen Staatsform, obgleich dieser Schritt von manchen Erscheinungen begleitet ist, die uns mit Besorgnissen für die Zukunft erfüllen. Wie ich Ihnen stets in meinen früheren Correspondenzartikeln bemerkte, bedarf kein Land wie das unsrige einer starken, kräftigen Opposition, um die Partei, welche am Ruder steht, im Zaume zu halten, sey es nun, daß diese die demokratische oder die aristokratische ist. In diesem Augenblick aber ist die Bank-, Whig- oder Aristokratenpartei so gänzlich geschlagen, daß sie nicht einmal einen Mann findet, der sich von ihr zum nächsten Präsidenten vorschlagen lassen will. Clay und Webster sind längst zu Grabe getragen, und so hat sie denn neuerdings die Ernennung des Generals Harison in Anregung gebracht, die selbst unsere reichen Kaufleute und Pflanzer dermaßen in Verzweiflung setzt, daß sie laut erklären, lieber für Van Buren, der doch wenigstens ein Gentleman sey, stimmen zu wollen, als für diesen Bauerngeneral des Westen, der bei seinem Blödsinn nicht einmal eine Schlacht gewonnen habe. – Aber diese Macht der Demokraten ist gefährlicher als die von ihnen vor zwei Jahren erlittene Niederlage, denn man kann selbst hier der Bewegungspartei angehören, und am Ende doch gezwungen seyn zu fragen: bis wie weit darf ich gehen ohne Gefahr für den Umsturz des Ganzen? Diese Frage muß zuletzt jeder rechtschaffene Mensch aufwerfen. – Allerdings freue ich mich mit allen wahren Freunden der Menschheit, die Häupter unserer stolzen Geldmänner gebeugt, und die rein materiellen Interessen hinter dem geistigen Aufschwung der Nation in dem materiellsten aller Länder zurückstehen zu sehen; mit innigem Antheil nehme ich wahr, daß die große Mission der Vereinsstaaten nicht an dem eingelernten Macchiavellismus von ein paar Hundert plötzlich reich gewordenen Familien scheitert, und daß die Richtung, die der größte amerikanische Geist – Thomas Jefferson – der Revolution von Amerika gab, trotz aller von Osten empfangenen Perturbationen dieselbe geblieben ist; aber ich kenne auch den jugendlichen ungezähmten Eifer unsers schnell aufblühenden Volkes, der mich für den ruhigen, besonnenen Fortgang unserer socialen Entwickelung sorgen läßt. Zwar stehen demselben keine Jahrhunderte lang eingeprägten Vorurtheile entgegen, zwar drückt uns keine geschichtlich belastete Vorzeit, dafür gebricht es uns aber auch an Erfahrung und an der allen civilisirten Völkern unentbehrlichen Toleranz. Trotz unsers kurzen Staatenlebens stehen die Bewegungs- und die Stillstandspartei einander nirgends so schroff entgegen als gerade hier, wo sich gewissermaßen die Endpunkte der europäischen Geschichte verlieren, und sich uns die Zukunft der Menschheit erschließt. Es scheint, als ob der große Kampf der europäischen Menschheit, den man in gewissen Ländern so gerne in das Reich der Ideen hinüber spielen möchte, hier in Amerika physisch durchgekämpft werden soll, um zuletzt – es koste was es wolle – zu einem historischen Resultate zu gelangen, an welches die Anhänger gewisser Meinungen appelliren können. Die Völker aus anglo-sächsischer Race sind einmal matter of fact men, die nur Thatsachen als erwiesene Wahrheiten anerkennen, und so ist auch das Ziel unserer Bewegungsmänner weniger die Begründung von Principien, als die Besiegung einzelner Classen und Individuen, welche ihnen als Repräsentanten der von ihnen gehaßten Theorien gelten. Wie weit dieser Mißgriff den eigentlichen Sieg und die Früchte der neuesten Civilisation hinaus schieben wird, muß uns die Zukunft lehren; gewiß ist, daß sowohl der Politik als der Religion das größte Unheil durch Zeloten widerfährt. – Jetzt, seitdem selbst der Staat Massachussetts, der mit einer einzigen Ausnahme, seit dem Revolutionskriege, nur föderalistische Gouverneurs erwählte, den Göttinger Gelehrten Everett aufgegeben, und an seiner Stelle den demokratischen Richter Morton zum Staatsoberhaupt ernannt hat, bleibt der Whigpartei keine andere Hoffnung, als die des baldigen Zerfalls der Demokraten unter sich selbst. „Sie sind zu mächtig geworden, sagen ihre Anführer, um sich ruhig in die Früchte ihres Siegs zu theilen. Eine solche Masse vereint sich nie über so viele neue Staatstheorien; – die Unterschiede der Erziehung und des Vermögens müssen nothwendigerweise auch eine Verschiedenheit der Meinungen hervorrufen – die Schlechtesten müssen am Ende doch noch Bessere ausscheiden, die zu etwas Edlerm heranreifen;“ – und so bleibt unsern Aristokraten noch immer die Hoffnung auf eine baldige Reorganisation ihrer Partei. Es ist gut, daß sich unsere Whigs mit Hoffnungen trösten, statt wie vor drei Jahren durch eine Kriegserklärung an die materiellen Interessen des Landes sich an dem „Unverstand der Massen“ zu rächen. Auch wir, wie Sie bereits aus dem Bericht des Kriegsministers Poinsett, über den ich mir vorbehalte, in meinem nächsten das Nöthigste nachzutragen, ersehen haben werden, bedürfen der Ruhe und des Friedens zu unserm Wohlstand und Gedeihen. Pax nobiscum!

Spanien.

Die spanische Nation hat über die Revolution, welche eine Rotte entarteter und unverbesserlicher Selbstlinge ihr ausdringen will, den Stab gebrochen. Die Revolutionäre selbst haben sich auf dieses Urtheil berufen; das Volk sollte vermittelst der Wähler entscheiden: diese haben in unerwartet überwiegender Mehrheit ihr Urtheil zu Gunsten derjenigen Männer gefällt, von denen sie die Rückkehr zur gesetzmäßigen Ordnung, die Befestigung des Throns auf sichere Grundlagen, die Heilighaltung der überlieferten Religion, die Unverbrüchlichkeit des den sich dem Scepter der Königin friedlich Unterwerfenden gegebenen Wortes, die Herbeiführung der Aussöhnung mit dem die Halbinsel noch mit Mißtrauen betrachtenden Theile von Europa, erwarten. Die Anarchisten, welche den durch die Wähler verkündeten Ausspruch des Volkes bisher als den höchsten aufstellten, berufen sich nun auf einen höhern; der Dolch, die Brandfackel soll die letzte Entscheidung fällen, und es muß sich nun zeigen, ob die Revolution nicht bloß durch den gesunden Sinn des Volks, sondern auch auf offener Straße, durch die Spitze der Bajonnette unterdrückt werden wird. Aus der Wendung, welche die Wahlen genommen haben, ergibt sich mehr als Eine wichtige Erfahrung. Zuerst steht der Satz fest, daß die Nation von dem Bedürfniß durchdrungen ist, Ruhe und Frieden zu haben; denn nie strömten die Wähler in so großer Anzahl herbei, um von ihrer Berechtigung Gebrauch zu machen, und dieser Gebrauch geschah im Sinne der Ordnung. An die Freunde des Friedens und der Gesetzlichkeit schlossen sich größtentheils die Personen, welche bisher die Sache des Prätendenten vertheidigt hatten, weil sie in dem Scepter der Königin keine genügende Bürgschaft für die Ruhe des Landes und den Schutz der Rechte der Einzelnen zu erblicken glaubten. Nunmehr finden sie die Sicherstellung ihrer Interessen in dem Siege derjenigen Partei, welche man bisher die gemäßigte nannte, und die von nun an den der monarchischen zu verdienen strebt. Vergebens haben die Exaltirten alle Künste aufgeboten, um – wer sollte es glauben? – die von ihnen so verabscheuten Carlisten auf ihre Seite zu ziehen; nur, wo letztere wähnen, durch die

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Clay und Webster sind längst zu Grabe getragen, und so hat sie denn neuerdings die Ernennung des Generals Harison in Anregung gebracht, die selbst unsere reichen Kaufleute und Pflanzer dermaßen in Verzweiflung setzt, daß sie laut erklären, lieber für Van Buren, der doch wenigstens ein Gentleman sey, stimmen zu wollen, als für diesen Bauerngeneral des Westen, der bei seinem Blödsinn nicht einmal eine Schlacht gewonnen habe. &#x2013; Aber diese Macht der Demokraten ist gefährlicher als die von ihnen vor zwei Jahren erlittene Niederlage, denn man kann selbst hier der Bewegungspartei angehören, und am Ende doch gezwungen seyn zu fragen: <hi rendition="#g">bis wie weit darf ich gehen ohne Gefahr für den Umsturz des Ganzen</hi>? 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[0355/0011] von England emancipirt, auf dem Wege zu einer rein amerikanischen von Europa unabhängigen Staatsform, obgleich dieser Schritt von manchen Erscheinungen begleitet ist, die uns mit Besorgnissen für die Zukunft erfüllen. Wie ich Ihnen stets in meinen früheren Correspondenzartikeln bemerkte, bedarf kein Land wie das unsrige einer starken, kräftigen Opposition, um die Partei, welche am Ruder steht, im Zaume zu halten, sey es nun, daß diese die demokratische oder die aristokratische ist. In diesem Augenblick aber ist die Bank-, Whig- oder Aristokratenpartei so gänzlich geschlagen, daß sie nicht einmal einen Mann findet, der sich von ihr zum nächsten Präsidenten vorschlagen lassen will. Clay und Webster sind längst zu Grabe getragen, und so hat sie denn neuerdings die Ernennung des Generals Harison in Anregung gebracht, die selbst unsere reichen Kaufleute und Pflanzer dermaßen in Verzweiflung setzt, daß sie laut erklären, lieber für Van Buren, der doch wenigstens ein Gentleman sey, stimmen zu wollen, als für diesen Bauerngeneral des Westen, der bei seinem Blödsinn nicht einmal eine Schlacht gewonnen habe. – Aber diese Macht der Demokraten ist gefährlicher als die von ihnen vor zwei Jahren erlittene Niederlage, denn man kann selbst hier der Bewegungspartei angehören, und am Ende doch gezwungen seyn zu fragen: bis wie weit darf ich gehen ohne Gefahr für den Umsturz des Ganzen? Diese Frage muß zuletzt jeder rechtschaffene Mensch aufwerfen. – Allerdings freue ich mich mit allen wahren Freunden der Menschheit, die Häupter unserer stolzen Geldmänner gebeugt, und die rein materiellen Interessen hinter dem geistigen Aufschwung der Nation in dem materiellsten aller Länder zurückstehen zu sehen; mit innigem Antheil nehme ich wahr, daß die große Mission der Vereinsstaaten nicht an dem eingelernten Macchiavellismus von ein paar Hundert plötzlich reich gewordenen Familien scheitert, und daß die Richtung, die der größte amerikanische Geist – Thomas Jefferson – der Revolution von Amerika gab, trotz aller von Osten empfangenen Perturbationen dieselbe geblieben ist; aber ich kenne auch den jugendlichen ungezähmten Eifer unsers schnell aufblühenden Volkes, der mich für den ruhigen, besonnenen Fortgang unserer socialen Entwickelung sorgen läßt. Zwar stehen demselben keine Jahrhunderte lang eingeprägten Vorurtheile entgegen, zwar drückt uns keine geschichtlich belastete Vorzeit, dafür gebricht es uns aber auch an Erfahrung und an der allen civilisirten Völkern unentbehrlichen Toleranz. Trotz unsers kurzen Staatenlebens stehen die Bewegungs- und die Stillstandspartei einander nirgends so schroff entgegen als gerade hier, wo sich gewissermaßen die Endpunkte der europäischen Geschichte verlieren, und sich uns die Zukunft der Menschheit erschließt. Es scheint, als ob der große Kampf der europäischen Menschheit, den man in gewissen Ländern so gerne in das Reich der Ideen hinüber spielen möchte, hier in Amerika physisch durchgekämpft werden soll, um zuletzt – es koste was es wolle – zu einem historischen Resultate zu gelangen, an welches die Anhänger gewisser Meinungen appelliren können. Die Völker aus anglo-sächsischer Race sind einmal matter of fact men, die nur Thatsachen als erwiesene Wahrheiten anerkennen, und so ist auch das Ziel unserer Bewegungsmänner weniger die Begründung von Principien, als die Besiegung einzelner Classen und Individuen, welche ihnen als Repräsentanten der von ihnen gehaßten Theorien gelten. Wie weit dieser Mißgriff den eigentlichen Sieg und die Früchte der neuesten Civilisation hinaus schieben wird, muß uns die Zukunft lehren; gewiß ist, daß sowohl der Politik als der Religion das größte Unheil durch Zeloten widerfährt. – Jetzt, seitdem selbst der Staat Massachussetts, der mit einer einzigen Ausnahme, seit dem Revolutionskriege, nur föderalistische Gouverneurs erwählte, den Göttinger Gelehrten Everett aufgegeben, und an seiner Stelle den demokratischen Richter Morton zum Staatsoberhaupt ernannt hat, bleibt der Whigpartei keine andere Hoffnung, als die des baldigen Zerfalls der Demokraten unter sich selbst. „Sie sind zu mächtig geworden, sagen ihre Anführer, um sich ruhig in die Früchte ihres Siegs zu theilen. Eine solche Masse vereint sich nie über so viele neue Staatstheorien; – die Unterschiede der Erziehung und des Vermögens müssen nothwendigerweise auch eine Verschiedenheit der Meinungen hervorrufen – die Schlechtesten müssen am Ende doch noch Bessere ausscheiden, die zu etwas Edlerm heranreifen;“ – und so bleibt unsern Aristokraten noch immer die Hoffnung auf eine baldige Reorganisation ihrer Partei. Es ist gut, daß sich unsere Whigs mit Hoffnungen trösten, statt wie vor drei Jahren durch eine Kriegserklärung an die materiellen Interessen des Landes sich an dem „Unverstand der Massen“ zu rächen. Auch wir, wie Sie bereits aus dem Bericht des Kriegsministers Poinsett, über den ich mir vorbehalte, in meinem nächsten das Nöthigste nachzutragen, ersehen haben werden, bedürfen der Ruhe und des Friedens zu unserm Wohlstand und Gedeihen. Pax nobiscum! Spanien. _ Madrid, 1 Februar. Die spanische Nation hat über die Revolution, welche eine Rotte entarteter und unverbesserlicher Selbstlinge ihr ausdringen will, den Stab gebrochen. Die Revolutionäre selbst haben sich auf dieses Urtheil berufen; das Volk sollte vermittelst der Wähler entscheiden: diese haben in unerwartet überwiegender Mehrheit ihr Urtheil zu Gunsten derjenigen Männer gefällt, von denen sie die Rückkehr zur gesetzmäßigen Ordnung, die Befestigung des Throns auf sichere Grundlagen, die Heilighaltung der überlieferten Religion, die Unverbrüchlichkeit des den sich dem Scepter der Königin friedlich Unterwerfenden gegebenen Wortes, die Herbeiführung der Aussöhnung mit dem die Halbinsel noch mit Mißtrauen betrachtenden Theile von Europa, erwarten. Die Anarchisten, welche den durch die Wähler verkündeten Ausspruch des Volkes bisher als den höchsten aufstellten, berufen sich nun auf einen höhern; der Dolch, die Brandfackel soll die letzte Entscheidung fällen, und es muß sich nun zeigen, ob die Revolution nicht bloß durch den gesunden Sinn des Volks, sondern auch auf offener Straße, durch die Spitze der Bajonnette unterdrückt werden wird. Aus der Wendung, welche die Wahlen genommen haben, ergibt sich mehr als Eine wichtige Erfahrung. Zuerst steht der Satz fest, daß die Nation von dem Bedürfniß durchdrungen ist, Ruhe und Frieden zu haben; denn nie strömten die Wähler in so großer Anzahl herbei, um von ihrer Berechtigung Gebrauch zu machen, und dieser Gebrauch geschah im Sinne der Ordnung. An die Freunde des Friedens und der Gesetzlichkeit schlossen sich größtentheils die Personen, welche bisher die Sache des Prätendenten vertheidigt hatten, weil sie in dem Scepter der Königin keine genügende Bürgschaft für die Ruhe des Landes und den Schutz der Rechte der Einzelnen zu erblicken glaubten. Nunmehr finden sie die Sicherstellung ihrer Interessen in dem Siege derjenigen Partei, welche man bisher die gemäßigte nannte, und die von nun an den der monarchischen zu verdienen strebt. Vergebens haben die Exaltirten alle Künste aufgeboten, um – wer sollte es glauben? – die von ihnen so verabscheuten Carlisten auf ihre Seite zu ziehen; nur, wo letztere wähnen, durch die

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 45. Augsburg, 14. Februar 1840, S. 0355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_045_18400214/11>, abgerufen am 29.04.2024.