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Allgemeine Zeitung. Nr. 48. Augsburg, 17. Februar 1840.

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Griechenlands. Es braucht nicht mehr gesagt zu werden, daß er hier ganz in demselben Geiste der Kapodistrianisch - Napistischen Partei verfuhr, ja hier entschiedener als in irgend einem andern Zweige seiner ministeriellen Thätigkeit. Er begnügte sich nicht damit, daß er keine neuen Schulen anlegte, daß er die Anlegung derselben durch die Communen unter irgend einem nichtigen Grunde förmlich untersagte, wie z. B. in einem Dorf bei Athen, sondern er wußte das Gymnasium in Nauplia seiner gänzlichen Auflösung nahe zu bringen, die Organisation der Universität bis auf den heutigen Tag zurückzuhalten, das polytechnische Institut durch räumliche Beschränkung in seiner Thätigkeit zu hemmen. Die wissenschaftlichen Gesellschaften entbehrten jeder Aufmunterung, welche ein kundiges, die Wissenschaft zu schätzen und zu fördern wissendes Ministerium einzuflößen vermag, und um seiner Thätigkeit für die Civilisirung Griechenlands die Krone aufzusetzen, schlug er jüngst einen Arzt aus türkischen Zeiten, der überdieß seit Jahren die Medicin aufgegeben hatte und Weinbauer geworden war, zum Professor der Anatomie vor. Eine Kritik der Sünden dieses Ministers des öffentlichen Unterrichts würde Bogen füllen.

Alles zusammen genommen hatte also dieser Minister des Cultus, des öffentlichen Unterrichts und des Innern wieder nächst dem König die höchste Gewalt in den drei Hauptrichtungen des öffentlichen Lebens der Griechen, in Religion, humaner Bildung und innerer Politik in sich vereinigt. Er war eine neue concrete Erscheinung jener unirten Dreiheit, des Un-Christenthums, der Un-Cultur und der Un-Politik, die Griechenlands Selbstständigkeit und damit sein Daseyn zu vernichten trachtet. Er war eine neue Incarnation des Johann Kapodistrias, und jene absurde Prophezeiung, welche im Original in einem Hause in Athen, so sagt man, unter Glas und Rahmen aufbewahrt wird, brauchte nicht erst die Auferstehung Kapodistrias im Jahr 1840vorherzuverkünden: er war schon wieder da in optima forma. Es scheint die Erfahrung zu lehren, daß die Vereinigung jener drei Ministerien in Griechenland nicht nur die Kräfte Eines Mannes übersteigt, sondern auch politisch unrathsam ist. Jeder Staatsbürger ist zugleich Christ, der religiöse Freiheit, und Mensch, der möglichste Entwickelung seiner intellectuellen Kräfte begehrt. Fühlt der Unterthan sich in einer Beziehung gekränkt, so mag er in der andern um so vertrauensvoller hoffen. Was aber bleibt ihm zu hoffen, wenn er zugleich als Mensch, als Christ und als Staatsbürger die Eine Person, von der er in allen diesen Beziehungen abhängig ist, als seinen und des Staats Gegner, Feind erkennt? Nur Eine Hoffnung bleibt ihm, die Hoffnung auf den König. Die Hellenen haben auf den König gehofft, und die Hoffnung hat sie nicht getäuscht.

Die Gefahr sahen alle voraus: Gefahr für den König und Gefahr für das Land. Daß sie so nahe war, daß sie schon mit offenen Verbrechen heranschlich, daß sie nicht nur von irrenden Fanatikern, von verführten Unwissenden, sondern von schmutzig Undankbaren ausgehen würde, erwartete wohl Niemand. Die Partei der Uncultur hatte sich bemüht, die Partei der Bildung glauben zu machen, daß nicht ihr Minister, sondern ein höchster Wille den gegenwärtigen Zustand herbeigeführt habe. Sie meinten so das Odium von sich abzuwälzen, und vergaßen, oder vergaßen vielleicht nicht, daß sie es auf den warfen, dem sie Treue geschworen. Die Hand Gottes leitete es so, daß Verrath und Undankbarkeit sich selbst verriethen. Nicht durch die Gegner, welche von einer so unsinnigen Verschwörung unter der Partei der Uncultur, die, wie es schien, alle ihre Wünsche erreicht hatte, sich keine Vorstellung machten, sondern durch die Partei selbst kam das Verbrechen an den Tag. Unter dem Vorwand, Thessalien zu befreien, waren eine Menge Mitglieder eingeschworen auf den künftigen "rechtgläubigen König von Konstantinopel," mit Zuweisung von Gage und Patronen. Der verborgene Zweck ging gegen die Nichtorthodoxen, gegen die Gelehrten und Gebildeten, gegen die Constitutionellen, kurz gegen die Partei, die man mit Unrecht englisch oder französisch nennt, und die man die Partei der Bildung nennen sollte, wie die entgegengesetzte nicht die russische, nicht die Kapodistrianische, nicht die napistische, sondern die der Unwissenheit und Uncultur. Diese Namen allein bezeichnen ihren wahren Charakter. Die Engländer und Franzosen wissen recht gut, in welchem Sinne man die nach Bildung strebende Partei mit ihrem Namen bezeichnet. Verhält es sich etwa anders mit der sogenannten russischen Partei? Rußland selbst befördert auf alle Weise europäische Bildung; Rußland selbst ist vielleicht unter allen Staaten am strengsten gegen Einmischung der geistlichen Macht in die weltliche; Rußlands Kaiser hat am entschiedensten die Unabhängigkeit Griechenlands durch den Frieden von Adrianopel gefördert. Wie reimte es sich nun, daß Rußland jetzt in Griechenland von allem dem das Gegentheil thun soll? So ist die Behauptung, und wenigstens auch der Schein. Gleichwohl muß man hier vorläufig wohl Partei und Regierung Rußlands unterscheiden. Vielleicht kehrt sich das Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi um, und die, welche hier unsinnig verfuhren, waren die, welche den Auftrag hatten, gescheidt zu seyn, aber es nicht waren, und nun die Schuld tragen, daß es scheint, als habe eine fremde Regierung die Absicht gehabt, durch Förderung von Uncultur und Obscurantismus ein Reich ins Unglück zu stürzen, um dessen Aufrichtung sie sich eben so viele Mühe gegeben.

Ueber das Einzelne der Verschwörung und der Aenderungen in Folge ihrer Entdeckung werden zahlreiche Berichte Europa aufklären. Wer aber stimmte nicht mit Freuden ein in den unbeschreiblichen Jubelruf, mit welchem der König und die Königin am griechischen Neujahrstage nach der Abwendung der Gefahr und nach der Entlassung Glarakis', an der Irenenkirche empfangen wurden? Seit der ersten Landung in Nauplia war dem König ein so einstimmiger Ausdruck der ungeheucheltsten Liebe und zuversichtlicher Hoffnung nicht begegnet. Die Blätter der Opposition kehrten augenblicklich zu größerer Mäßigung zurück. Sie erklärten sich mit der Ernennung des Hrn. Theocharis zum Minister, den sie jüngst noch scharf angegriffen, vollkommen einverstanden; wie man denn der ganzen Partei der Bildung, d. h. den wahren Griechen das Zeugniß schuldig ist, daß sie bei diesem unerwarteten Siege keineswegs auf eine unedle Weise über ihre Gegner triumphirt, sondern nur wie über die Rettung des Königs und des Vaterlandes mit Aufrichtigkeit und in Hoffnung auf die Zukunft sich gefreut haben. Derselbe ungetheilte Jubel offenbarte sich am heiligen Drei Königstage bei der Einweihung des neuen Theaters. Immer von neuem wiederholte sich das [fremdsprachliches Material - fehlt],[fremdsprachliches Material - fehlt].

Um zurückzukehren zu den Worten, womit diese Zeilen anfingen, mag wiederholt werden, daß die Parteiungen mehr und mehr einen erfreulichen Charakter annehmen. Die eine Partei schwört entschieden zur Fahne der Intelligenz, der wachsenden Bildung, der geistigen Freiheit ohne Rücksicht auf frühere persönliche Stellung, auf Parteihäupter und Palikarenchefs. Die andere, eben so sehr ohne diese Rücksichten, bekennt sich zum Obscurantismus, zur Uncultur. jetzt ist die Gränze bestimmt, der Streit rein und rund: Jeder weiß woran er sich zu halten hat, von beiden Seiten

Griechenlands. Es braucht nicht mehr gesagt zu werden, daß er hier ganz in demselben Geiste der Kapodistrianisch - Napistischen Partei verfuhr, ja hier entschiedener als in irgend einem andern Zweige seiner ministeriellen Thätigkeit. Er begnügte sich nicht damit, daß er keine neuen Schulen anlegte, daß er die Anlegung derselben durch die Communen unter irgend einem nichtigen Grunde förmlich untersagte, wie z. B. in einem Dorf bei Athen, sondern er wußte das Gymnasium in Nauplia seiner gänzlichen Auflösung nahe zu bringen, die Organisation der Universität bis auf den heutigen Tag zurückzuhalten, das polytechnische Institut durch räumliche Beschränkung in seiner Thätigkeit zu hemmen. Die wissenschaftlichen Gesellschaften entbehrten jeder Aufmunterung, welche ein kundiges, die Wissenschaft zu schätzen und zu fördern wissendes Ministerium einzuflößen vermag, und um seiner Thätigkeit für die Civilisirung Griechenlands die Krone aufzusetzen, schlug er jüngst einen Arzt aus türkischen Zeiten, der überdieß seit Jahren die Medicin aufgegeben hatte und Weinbauer geworden war, zum Professor der Anatomie vor. Eine Kritik der Sünden dieses Ministers des öffentlichen Unterrichts würde Bogen füllen.

Alles zusammen genommen hatte also dieser Minister des Cultus, des öffentlichen Unterrichts und des Innern wieder nächst dem König die höchste Gewalt in den drei Hauptrichtungen des öffentlichen Lebens der Griechen, in Religion, humaner Bildung und innerer Politik in sich vereinigt. Er war eine neue concrete Erscheinung jener unirten Dreiheit, des Un-Christenthums, der Un-Cultur und der Un-Politik, die Griechenlands Selbstständigkeit und damit sein Daseyn zu vernichten trachtet. Er war eine neue Incarnation des Johann Kapodistrias, und jene absurde Prophezeiung, welche im Original in einem Hause in Athen, so sagt man, unter Glas und Rahmen aufbewahrt wird, brauchte nicht erst die Auferstehung Kapodistrias im Jahr 1840vorherzuverkünden: er war schon wieder da in optima forma. Es scheint die Erfahrung zu lehren, daß die Vereinigung jener drei Ministerien in Griechenland nicht nur die Kräfte Eines Mannes übersteigt, sondern auch politisch unrathsam ist. Jeder Staatsbürger ist zugleich Christ, der religiöse Freiheit, und Mensch, der möglichste Entwickelung seiner intellectuellen Kräfte begehrt. Fühlt der Unterthan sich in einer Beziehung gekränkt, so mag er in der andern um so vertrauensvoller hoffen. Was aber bleibt ihm zu hoffen, wenn er zugleich als Mensch, als Christ und als Staatsbürger die Eine Person, von der er in allen diesen Beziehungen abhängig ist, als seinen und des Staats Gegner, Feind erkennt? Nur Eine Hoffnung bleibt ihm, die Hoffnung auf den König. Die Hellenen haben auf den König gehofft, und die Hoffnung hat sie nicht getäuscht.

Die Gefahr sahen alle voraus: Gefahr für den König und Gefahr für das Land. Daß sie so nahe war, daß sie schon mit offenen Verbrechen heranschlich, daß sie nicht nur von irrenden Fanatikern, von verführten Unwissenden, sondern von schmutzig Undankbaren ausgehen würde, erwartete wohl Niemand. Die Partei der Uncultur hatte sich bemüht, die Partei der Bildung glauben zu machen, daß nicht ihr Minister, sondern ein höchster Wille den gegenwärtigen Zustand herbeigeführt habe. Sie meinten so das Odium von sich abzuwälzen, und vergaßen, oder vergaßen vielleicht nicht, daß sie es auf den warfen, dem sie Treue geschworen. Die Hand Gottes leitete es so, daß Verrath und Undankbarkeit sich selbst verriethen. Nicht durch die Gegner, welche von einer so unsinnigen Verschwörung unter der Partei der Uncultur, die, wie es schien, alle ihre Wünsche erreicht hatte, sich keine Vorstellung machten, sondern durch die Partei selbst kam das Verbrechen an den Tag. Unter dem Vorwand, Thessalien zu befreien, waren eine Menge Mitglieder eingeschworen auf den künftigen „rechtgläubigen König von Konstantinopel,“ mit Zuweisung von Gage und Patronen. Der verborgene Zweck ging gegen die Nichtorthodoxen, gegen die Gelehrten und Gebildeten, gegen die Constitutionellen, kurz gegen die Partei, die man mit Unrecht englisch oder französisch nennt, und die man die Partei der Bildung nennen sollte, wie die entgegengesetzte nicht die russische, nicht die Kapodistrianische, nicht die napistische, sondern die der Unwissenheit und Uncultur. Diese Namen allein bezeichnen ihren wahren Charakter. Die Engländer und Franzosen wissen recht gut, in welchem Sinne man die nach Bildung strebende Partei mit ihrem Namen bezeichnet. Verhält es sich etwa anders mit der sogenannten russischen Partei? Rußland selbst befördert auf alle Weise europäische Bildung; Rußland selbst ist vielleicht unter allen Staaten am strengsten gegen Einmischung der geistlichen Macht in die weltliche; Rußlands Kaiser hat am entschiedensten die Unabhängigkeit Griechenlands durch den Frieden von Adrianopel gefördert. Wie reimte es sich nun, daß Rußland jetzt in Griechenland von allem dem das Gegentheil thun soll? So ist die Behauptung, und wenigstens auch der Schein. Gleichwohl muß man hier vorläufig wohl Partei und Regierung Rußlands unterscheiden. Vielleicht kehrt sich das Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi um, und die, welche hier unsinnig verfuhren, waren die, welche den Auftrag hatten, gescheidt zu seyn, aber es nicht waren, und nun die Schuld tragen, daß es scheint, als habe eine fremde Regierung die Absicht gehabt, durch Förderung von Uncultur und Obscurantismus ein Reich ins Unglück zu stürzen, um dessen Aufrichtung sie sich eben so viele Mühe gegeben.

Ueber das Einzelne der Verschwörung und der Aenderungen in Folge ihrer Entdeckung werden zahlreiche Berichte Europa aufklären. Wer aber stimmte nicht mit Freuden ein in den unbeschreiblichen Jubelruf, mit welchem der König und die Königin am griechischen Neujahrstage nach der Abwendung der Gefahr und nach der Entlassung Glarakis', an der Irenenkirche empfangen wurden? Seit der ersten Landung in Nauplia war dem König ein so einstimmiger Ausdruck der ungeheucheltsten Liebe und zuversichtlicher Hoffnung nicht begegnet. Die Blätter der Opposition kehrten augenblicklich zu größerer Mäßigung zurück. Sie erklärten sich mit der Ernennung des Hrn. Theocharis zum Minister, den sie jüngst noch scharf angegriffen, vollkommen einverstanden; wie man denn der ganzen Partei der Bildung, d. h. den wahren Griechen das Zeugniß schuldig ist, daß sie bei diesem unerwarteten Siege keineswegs auf eine unedle Weise über ihre Gegner triumphirt, sondern nur wie über die Rettung des Königs und des Vaterlandes mit Aufrichtigkeit und in Hoffnung auf die Zukunft sich gefreut haben. Derselbe ungetheilte Jubel offenbarte sich am heiligen Drei Königstage bei der Einweihung des neuen Theaters. Immer von neuem wiederholte sich das [fremdsprachliches Material – fehlt],[fremdsprachliches Material – fehlt].

Um zurückzukehren zu den Worten, womit diese Zeilen anfingen, mag wiederholt werden, daß die Parteiungen mehr und mehr einen erfreulichen Charakter annehmen. Die eine Partei schwört entschieden zur Fahne der Intelligenz, der wachsenden Bildung, der geistigen Freiheit ohne Rücksicht auf frühere persönliche Stellung, auf Parteihäupter und Palikarenchefs. Die andere, eben so sehr ohne diese Rücksichten, bekennt sich zum Obscurantismus, zur Uncultur. jetzt ist die Gränze bestimmt, der Streit rein und rund: Jeder weiß woran er sich zu halten hat, von beiden Seiten

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Griechenlands. Es braucht nicht mehr gesagt zu werden, daß er hier ganz in demselben Geiste der Kapodistrianisch - Napistischen Partei verfuhr, ja hier entschiedener als in irgend einem andern Zweige seiner ministeriellen Thätigkeit. Er begnügte sich nicht damit, daß er keine neuen Schulen anlegte, daß er die Anlegung derselben durch die Communen unter irgend einem nichtigen Grunde förmlich untersagte, wie z. B. in einem Dorf bei Athen, sondern er wußte das Gymnasium in Nauplia seiner gänzlichen Auflösung nahe zu bringen, die Organisation der Universität bis auf den heutigen Tag zurückzuhalten, das polytechnische Institut durch räumliche Beschränkung in seiner Thätigkeit zu hemmen. Die wissenschaftlichen Gesellschaften entbehrten jeder Aufmunterung, welche ein kundiges, die Wissenschaft zu schätzen und zu fördern wissendes Ministerium einzuflößen vermag, und um seiner Thätigkeit für die Civilisirung Griechenlands die Krone aufzusetzen, schlug er jüngst einen Arzt aus türkischen Zeiten, der überdieß seit Jahren die Medicin aufgegeben hatte und Weinbauer geworden war, zum Professor der Anatomie vor. Eine Kritik der Sünden dieses Ministers des öffentlichen Unterrichts würde Bogen füllen.</p><lb/>
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[0380/0012] Griechenlands. Es braucht nicht mehr gesagt zu werden, daß er hier ganz in demselben Geiste der Kapodistrianisch - Napistischen Partei verfuhr, ja hier entschiedener als in irgend einem andern Zweige seiner ministeriellen Thätigkeit. Er begnügte sich nicht damit, daß er keine neuen Schulen anlegte, daß er die Anlegung derselben durch die Communen unter irgend einem nichtigen Grunde förmlich untersagte, wie z. B. in einem Dorf bei Athen, sondern er wußte das Gymnasium in Nauplia seiner gänzlichen Auflösung nahe zu bringen, die Organisation der Universität bis auf den heutigen Tag zurückzuhalten, das polytechnische Institut durch räumliche Beschränkung in seiner Thätigkeit zu hemmen. Die wissenschaftlichen Gesellschaften entbehrten jeder Aufmunterung, welche ein kundiges, die Wissenschaft zu schätzen und zu fördern wissendes Ministerium einzuflößen vermag, und um seiner Thätigkeit für die Civilisirung Griechenlands die Krone aufzusetzen, schlug er jüngst einen Arzt aus türkischen Zeiten, der überdieß seit Jahren die Medicin aufgegeben hatte und Weinbauer geworden war, zum Professor der Anatomie vor. Eine Kritik der Sünden dieses Ministers des öffentlichen Unterrichts würde Bogen füllen. Alles zusammen genommen hatte also dieser Minister des Cultus, des öffentlichen Unterrichts und des Innern wieder nächst dem König die höchste Gewalt in den drei Hauptrichtungen des öffentlichen Lebens der Griechen, in Religion, humaner Bildung und innerer Politik in sich vereinigt. Er war eine neue concrete Erscheinung jener unirten Dreiheit, des Un-Christenthums, der Un-Cultur und der Un-Politik, die Griechenlands Selbstständigkeit und damit sein Daseyn zu vernichten trachtet. Er war eine neue Incarnation des Johann Kapodistrias, und jene absurde Prophezeiung, welche im Original in einem Hause in Athen, so sagt man, unter Glas und Rahmen aufbewahrt wird, brauchte nicht erst die Auferstehung Kapodistrias im Jahr 1840vorherzuverkünden: er war schon wieder da in optima forma. Es scheint die Erfahrung zu lehren, daß die Vereinigung jener drei Ministerien in Griechenland nicht nur die Kräfte Eines Mannes übersteigt, sondern auch politisch unrathsam ist. Jeder Staatsbürger ist zugleich Christ, der religiöse Freiheit, und Mensch, der möglichste Entwickelung seiner intellectuellen Kräfte begehrt. Fühlt der Unterthan sich in einer Beziehung gekränkt, so mag er in der andern um so vertrauensvoller hoffen. Was aber bleibt ihm zu hoffen, wenn er zugleich als Mensch, als Christ und als Staatsbürger die Eine Person, von der er in allen diesen Beziehungen abhängig ist, als seinen und des Staats Gegner, Feind erkennt? Nur Eine Hoffnung bleibt ihm, die Hoffnung auf den König. Die Hellenen haben auf den König gehofft, und die Hoffnung hat sie nicht getäuscht. Die Gefahr sahen alle voraus: Gefahr für den König und Gefahr für das Land. Daß sie so nahe war, daß sie schon mit offenen Verbrechen heranschlich, daß sie nicht nur von irrenden Fanatikern, von verführten Unwissenden, sondern von schmutzig Undankbaren ausgehen würde, erwartete wohl Niemand. Die Partei der Uncultur hatte sich bemüht, die Partei der Bildung glauben zu machen, daß nicht ihr Minister, sondern ein höchster Wille den gegenwärtigen Zustand herbeigeführt habe. Sie meinten so das Odium von sich abzuwälzen, und vergaßen, oder vergaßen vielleicht nicht, daß sie es auf den warfen, dem sie Treue geschworen. Die Hand Gottes leitete es so, daß Verrath und Undankbarkeit sich selbst verriethen. Nicht durch die Gegner, welche von einer so unsinnigen Verschwörung unter der Partei der Uncultur, die, wie es schien, alle ihre Wünsche erreicht hatte, sich keine Vorstellung machten, sondern durch die Partei selbst kam das Verbrechen an den Tag. Unter dem Vorwand, Thessalien zu befreien, waren eine Menge Mitglieder eingeschworen auf den künftigen „rechtgläubigen König von Konstantinopel,“ mit Zuweisung von Gage und Patronen. Der verborgene Zweck ging gegen die Nichtorthodoxen, gegen die Gelehrten und Gebildeten, gegen die Constitutionellen, kurz gegen die Partei, die man mit Unrecht englisch oder französisch nennt, und die man die Partei der Bildung nennen sollte, wie die entgegengesetzte nicht die russische, nicht die Kapodistrianische, nicht die napistische, sondern die der Unwissenheit und Uncultur. Diese Namen allein bezeichnen ihren wahren Charakter. Die Engländer und Franzosen wissen recht gut, in welchem Sinne man die nach Bildung strebende Partei mit ihrem Namen bezeichnet. Verhält es sich etwa anders mit der sogenannten russischen Partei? Rußland selbst befördert auf alle Weise europäische Bildung; Rußland selbst ist vielleicht unter allen Staaten am strengsten gegen Einmischung der geistlichen Macht in die weltliche; Rußlands Kaiser hat am entschiedensten die Unabhängigkeit Griechenlands durch den Frieden von Adrianopel gefördert. Wie reimte es sich nun, daß Rußland jetzt in Griechenland von allem dem das Gegentheil thun soll? So ist die Behauptung, und wenigstens auch der Schein. Gleichwohl muß man hier vorläufig wohl Partei und Regierung Rußlands unterscheiden. Vielleicht kehrt sich das Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi um, und die, welche hier unsinnig verfuhren, waren die, welche den Auftrag hatten, gescheidt zu seyn, aber es nicht waren, und nun die Schuld tragen, daß es scheint, als habe eine fremde Regierung die Absicht gehabt, durch Förderung von Uncultur und Obscurantismus ein Reich ins Unglück zu stürzen, um dessen Aufrichtung sie sich eben so viele Mühe gegeben. Ueber das Einzelne der Verschwörung und der Aenderungen in Folge ihrer Entdeckung werden zahlreiche Berichte Europa aufklären. Wer aber stimmte nicht mit Freuden ein in den unbeschreiblichen Jubelruf, mit welchem der König und die Königin am griechischen Neujahrstage nach der Abwendung der Gefahr und nach der Entlassung Glarakis', an der Irenenkirche empfangen wurden? Seit der ersten Landung in Nauplia war dem König ein so einstimmiger Ausdruck der ungeheucheltsten Liebe und zuversichtlicher Hoffnung nicht begegnet. Die Blätter der Opposition kehrten augenblicklich zu größerer Mäßigung zurück. Sie erklärten sich mit der Ernennung des Hrn. Theocharis zum Minister, den sie jüngst noch scharf angegriffen, vollkommen einverstanden; wie man denn der ganzen Partei der Bildung, d. h. den wahren Griechen das Zeugniß schuldig ist, daß sie bei diesem unerwarteten Siege keineswegs auf eine unedle Weise über ihre Gegner triumphirt, sondern nur wie über die Rettung des Königs und des Vaterlandes mit Aufrichtigkeit und in Hoffnung auf die Zukunft sich gefreut haben. Derselbe ungetheilte Jubel offenbarte sich am heiligen Drei Königstage bei der Einweihung des neuen Theaters. Immer von neuem wiederholte sich das _ ,_ . Um zurückzukehren zu den Worten, womit diese Zeilen anfingen, mag wiederholt werden, daß die Parteiungen mehr und mehr einen erfreulichen Charakter annehmen. Die eine Partei schwört entschieden zur Fahne der Intelligenz, der wachsenden Bildung, der geistigen Freiheit ohne Rücksicht auf frühere persönliche Stellung, auf Parteihäupter und Palikarenchefs. Die andere, eben so sehr ohne diese Rücksichten, bekennt sich zum Obscurantismus, zur Uncultur. jetzt ist die Gränze bestimmt, der Streit rein und rund: Jeder weiß woran er sich zu halten hat, von beiden Seiten

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 48. Augsburg, 17. Februar 1840, S. 0380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_048_18400217/12>, abgerufen am 24.11.2024.