Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 52. Augsburg, 21. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

habsüchtigen Plan auf die westliche Gränze Indiens, dessen Abwendung der Haupt- und Endzweck des Zuges über den Indus, und dessen unmittelbare und ostensible Absicht der Sturz Dost Mohammeds war, verwirklicht. Wir haben daher in diesem Augenblick mit dieser wirklich abgeschlossenen und vollzogenen Vereinigung zu kämpfen, die, wäre sie achtzehn Monate früher bestanden, dreimal mehr Kriegsrüstungen erfordert hätte, als Sir John Keane besaß, und die, sobald eine Erneuerung unserer Unternehmungen in Afghanistan für zweckdienlich erachtet wird - was allem Anschein nach nicht lange verschoben werden kann - sowohl von Seite der Krone, als von Seite der ostindischen Compagnie eine verhältnißmäßige Truppenvermehrung erheischen wird. Ein neues und furchtbareres Element der Gefahr als irgend ein anderes, und als alle übrigen zusammen genommen, hat sich im Nordwesten Afghanistans zu zeigen begonnen, das, im Fall England noch einmal in militärische Experimente in diesen Gegenden sich einläßt, sicherlich nicht unthätig bleiben wird. Rußland ist nach Khiwa und an den Orus vorgerückt. Es droht nicht mehr, sondern marschirt mit einem doppelt so starken Heere als dasjenige, mit welchem die brittische Regierung gegen Dost Mohammed Krieg zu führen und Persien zu bedrohen wagte. Ist Rußland in Khiwa, dann steht es nur noch zwischen 500 und 600 (engl.) Meilen von dem Lande, das kürzlich Sir John Keane besetzt hielt, und in das er nach einem mehr als 800 Meilen langen Marsche von unsern Gränzen einrückte. Weder die Beschaffenheit des Landes noch der Geist der Afghanen, welche Großbritannien verabscheuen, bilden ein Hinderniß, sich, im Verein mit einem persischen Heere von Westen, südlich nach Ghisni in Bewegung zu setzen. Was wird dann aus unsern Danksagungsvoten, Pairie-Verleihungen und Pensionen, wie reich und edel verdient sie auch bei letzter Gelegenheit seyn mochten? Doch es ist genug, um zu zeigen, daß in Indien nicht Alles jenes tiefen und unerschütterten Friedens genießt, wie uns die Lords Minto und Melbourne als Entschuldigung für die Apathie und Schwäche ihrer Vertheidigungsanstalten hartnäckig einreden wollen. Ferner, sind wir nicht im Kriege mit China? Und welche Verwicklung von Folgen hängt an der Beantwortung dieser Frage! Und noch sind die zur Ahndung unserer Unbilden bestimmten Schiffe nicht aus England abgesegelt! Da habt ihr euren Handelsschutz! Da habt ihr, was der Herzog von Wellington so gut die Verrichtung "der Friedensdienste" der brittischen Marine nennt! Wenden wir uns nach Amerika - worüber haben wir uns da zu freuen? Eine Scheinblokade der südamerikanischen Häfen und thätiger Krieg gegen den brittischen Handel, der einzige wahre Zweck, um dessentwillen jene Blokaden angeordnet wurden, so wie eine Reihe ungestraft an der brittischen Flagge verübter Insulten und Beschimpfungen, kaum minder demüthigend, als es die Wegnahme eines Duzend Kriegsschiffe, nach einem gehörigen Versuch die Ehre unserer Flagge zu rächen, gewesen seyn würde. In Nordamerika haben wir, wie der Herzog von Wellington mit gerechtem Tadel gegen Lord Melbourne ausspricht, Bürgerkrieg gehabt; wir haben annoch eine unbefestigte Regierung; wir haben Gränzfragen, die stündlich bitterer und mit weniger Aussicht auf friedliche Ausgleichung bestritten werden. Allein obschon diese Unruhen mehr als drei Jahre alt sind, "so sind sie doch, sagt der Herzog von Wellington, von den radicalen Ministern noch um keinen Zoll ihrer befriedigenden Schlichtung näher gebracht worden, als es drei Monate nach ihrem ersten Ausbruch der Fall war. Der alte Feldherr und Staatsmann ruft aus, man hätte schon seit langem für große Flotten und Armeen sorgen sollen, um diesen vielfachen Emergentien begegnen zu können, und das Parlament forderte dazu auf. Allein wir streben mit "Friedensetats" Krieg zu führen mit der ganzen Welt - im persischen Meerbusen, in Südamerika, in Nordamerika, im Mittelmeer - und was Anderes als Mißlingen und Erniedrigung und endlose Schmach kann der Erfolg davon seyn? Dieß sind die Ansichten eines großen Geistes. Allein kleine Geister, und insbesondere schmutzige Geister, fühlen und begreifen sie nur langsam. Diese elenden Minister der Hintertreppe dürfen der niedrigen Demokratie, welche für sie stimmt, nicht sagen, daß es des Streites würdigere Gegenstände gibt, als Factionsinteressen, oder daß man die öffentlichen Gelder zu etwas Anderm bedarf als zu schnödem Patronat für gemeine und armselige Hinterbankmänner. Sie dürfen kein Geld verlangen, um die Monarchie vom Untergang zu retten; ihre zweifelhafte Majorität würde Zeter schreien über eine so unerhörte Entfremdung des stipulirten Beutetheils."

Aegypten.

Der Pascha hat Lust, Alles aufbieten zu wollen, um sich bis an die Zähne zu bewaffnen. Da es schwer, beinahe unmöglich ist, auf dem gewöhnlichen Wege der erzwungenen Conscription Truppen zu bekommen, so hat ihn Jemand auf den Einfall gebracht, eine Nationalgarde zu errichten, die aus allen waffenfähigen Leuten gebildet werden soll, wohin Alles gerechnet wird, was zum Handel und Verkehr unumgänglich nothwendig ist. Kaufleute, Lastträger, Eseltreiber, Bediente, Matrosen, Handlanger, Alles soll enrolirt werden, um diese Nationalgarde, an deren Spitze der reichste arabische Kaufmann Said el Gharbi steht, zu bilden. Der Pascha war von der Idee einer solchen allgemeinen Volksbewaffnung, die ihm nur ein sehr unverständiger Mensch eingeben konnte, so eingenommen, daß er sogleich befahl, in ganz Aegypten die Listen über die waffentragende Bevölkerung anzufertigen, um fürs erste das Vergnügen zu haben, auf dem Papier die Macht zu sehen, über die er zu gebieten habe. Jedoch bald sollte er sich eines Bessern überzeugen, denn kaum war dieser unsinnige Entschluß bekannt, so erklärte sich auch sogleich auf allen Punkten eine solche allgemeine Unzufriedenheit, man sprach sich überall so offen und ohne Rückhalt aus, daß man genöthigt war, zu erklären, es sey nur ein Project gewesen, das im Interesse des Landes, wie man wohl sehe, nicht ausführbar sey. Wenn es auch keineswegs unwahrscheinlich ist, daß im Fall eines Angriffs ein großer Theil der Bevölkerung zu den Waffen greifen würde, um fürs erste über die friedlichen in Aegypten wohnenden Franken herzufallen, woraus dann weitere Consequenzen folgen müßten, die Mehemed Ali unzweifelhaft benutzen wird, so ist es auf der andern Seite gewiß, daß jede Anordnung einer regelmäßigen Bewaffnung vor einem solchen Ereigniß zu Begebenheiten führen würde, die plötzlich die ganze alpschwere orientalische Frage auf einmal zerhauen dürften. Hätten die Bürger die Ueberzeugung, daß es nur auf ein mehrmaliges Exerciren abgesehen sey, und daß dann Jeder wieder nach wie vor seine bürgerlichen Beschäftigungen in der gewohnten Weise fortsetzen könnte, so würde man sich wohl fügen, allein man traut den süßen Worten des Pascha's nicht, und ist überzeugt, daß man, einmal als Nationalgardist eingereiht, sehr bald zum Linienmilitär übergehen, und nach Syrien oder Arabien in den Krieg geschickt werden wird. Damit sich die Regierung nicht eine förmliche Blöße gebe, werden die Listen noch einige Tage fort gesetzt, und dann wird das ganze unausführbare Project in Vergessenheit fallen, wie so viele andere Dinge, die mit gewaltigem Lärm und Geschrei angefangen wurden. Dessenungeachtet

habsüchtigen Plan auf die westliche Gränze Indiens, dessen Abwendung der Haupt- und Endzweck des Zuges über den Indus, und dessen unmittelbare und ostensible Absicht der Sturz Dost Mohammeds war, verwirklicht. Wir haben daher in diesem Augenblick mit dieser wirklich abgeschlossenen und vollzogenen Vereinigung zu kämpfen, die, wäre sie achtzehn Monate früher bestanden, dreimal mehr Kriegsrüstungen erfordert hätte, als Sir John Keane besaß, und die, sobald eine Erneuerung unserer Unternehmungen in Afghanistan für zweckdienlich erachtet wird – was allem Anschein nach nicht lange verschoben werden kann – sowohl von Seite der Krone, als von Seite der ostindischen Compagnie eine verhältnißmäßige Truppenvermehrung erheischen wird. Ein neues und furchtbareres Element der Gefahr als irgend ein anderes, und als alle übrigen zusammen genommen, hat sich im Nordwesten Afghanistans zu zeigen begonnen, das, im Fall England noch einmal in militärische Experimente in diesen Gegenden sich einläßt, sicherlich nicht unthätig bleiben wird. Rußland ist nach Khiwa und an den Orus vorgerückt. Es droht nicht mehr, sondern marschirt mit einem doppelt so starken Heere als dasjenige, mit welchem die brittische Regierung gegen Dost Mohammed Krieg zu führen und Persien zu bedrohen wagte. Ist Rußland in Khiwa, dann steht es nur noch zwischen 500 und 600 (engl.) Meilen von dem Lande, das kürzlich Sir John Keane besetzt hielt, und in das er nach einem mehr als 800 Meilen langen Marsche von unsern Gränzen einrückte. Weder die Beschaffenheit des Landes noch der Geist der Afghanen, welche Großbritannien verabscheuen, bilden ein Hinderniß, sich, im Verein mit einem persischen Heere von Westen, südlich nach Ghisni in Bewegung zu setzen. Was wird dann aus unsern Danksagungsvoten, Pairie-Verleihungen und Pensionen, wie reich und edel verdient sie auch bei letzter Gelegenheit seyn mochten? Doch es ist genug, um zu zeigen, daß in Indien nicht Alles jenes tiefen und unerschütterten Friedens genießt, wie uns die Lords Minto und Melbourne als Entschuldigung für die Apathie und Schwäche ihrer Vertheidigungsanstalten hartnäckig einreden wollen. Ferner, sind wir nicht im Kriege mit China? Und welche Verwicklung von Folgen hängt an der Beantwortung dieser Frage! Und noch sind die zur Ahndung unserer Unbilden bestimmten Schiffe nicht aus England abgesegelt! Da habt ihr euren Handelsschutz! Da habt ihr, was der Herzog von Wellington so gut die Verrichtung „der Friedensdienste“ der brittischen Marine nennt! Wenden wir uns nach Amerika – worüber haben wir uns da zu freuen? Eine Scheinblokade der südamerikanischen Häfen und thätiger Krieg gegen den brittischen Handel, der einzige wahre Zweck, um dessentwillen jene Blokaden angeordnet wurden, so wie eine Reihe ungestraft an der brittischen Flagge verübter Insulten und Beschimpfungen, kaum minder demüthigend, als es die Wegnahme eines Duzend Kriegsschiffe, nach einem gehörigen Versuch die Ehre unserer Flagge zu rächen, gewesen seyn würde. In Nordamerika haben wir, wie der Herzog von Wellington mit gerechtem Tadel gegen Lord Melbourne ausspricht, Bürgerkrieg gehabt; wir haben annoch eine unbefestigte Regierung; wir haben Gränzfragen, die stündlich bitterer und mit weniger Aussicht auf friedliche Ausgleichung bestritten werden. Allein obschon diese Unruhen mehr als drei Jahre alt sind, „so sind sie doch, sagt der Herzog von Wellington, von den radicalen Ministern noch um keinen Zoll ihrer befriedigenden Schlichtung näher gebracht worden, als es drei Monate nach ihrem ersten Ausbruch der Fall war. Der alte Feldherr und Staatsmann ruft aus, man hätte schon seit langem für große Flotten und Armeen sorgen sollen, um diesen vielfachen Emergentien begegnen zu können, und das Parlament forderte dazu auf. Allein wir streben mit „Friedensetats“ Krieg zu führen mit der ganzen Welt – im persischen Meerbusen, in Südamerika, in Nordamerika, im Mittelmeer – und was Anderes als Mißlingen und Erniedrigung und endlose Schmach kann der Erfolg davon seyn? Dieß sind die Ansichten eines großen Geistes. Allein kleine Geister, und insbesondere schmutzige Geister, fühlen und begreifen sie nur langsam. Diese elenden Minister der Hintertreppe dürfen der niedrigen Demokratie, welche für sie stimmt, nicht sagen, daß es des Streites würdigere Gegenstände gibt, als Factionsinteressen, oder daß man die öffentlichen Gelder zu etwas Anderm bedarf als zu schnödem Patronat für gemeine und armselige Hinterbankmänner. Sie dürfen kein Geld verlangen, um die Monarchie vom Untergang zu retten; ihre zweifelhafte Majorität würde Zeter schreien über eine so unerhörte Entfremdung des stipulirten Beutetheils.“

Aegypten.

Der Pascha hat Lust, Alles aufbieten zu wollen, um sich bis an die Zähne zu bewaffnen. Da es schwer, beinahe unmöglich ist, auf dem gewöhnlichen Wege der erzwungenen Conscription Truppen zu bekommen, so hat ihn Jemand auf den Einfall gebracht, eine Nationalgarde zu errichten, die aus allen waffenfähigen Leuten gebildet werden soll, wohin Alles gerechnet wird, was zum Handel und Verkehr unumgänglich nothwendig ist. Kaufleute, Lastträger, Eseltreiber, Bediente, Matrosen, Handlanger, Alles soll enrolirt werden, um diese Nationalgarde, an deren Spitze der reichste arabische Kaufmann Said el Gharbi steht, zu bilden. Der Pascha war von der Idee einer solchen allgemeinen Volksbewaffnung, die ihm nur ein sehr unverständiger Mensch eingeben konnte, so eingenommen, daß er sogleich befahl, in ganz Aegypten die Listen über die waffentragende Bevölkerung anzufertigen, um fürs erste das Vergnügen zu haben, auf dem Papier die Macht zu sehen, über die er zu gebieten habe. Jedoch bald sollte er sich eines Bessern überzeugen, denn kaum war dieser unsinnige Entschluß bekannt, so erklärte sich auch sogleich auf allen Punkten eine solche allgemeine Unzufriedenheit, man sprach sich überall so offen und ohne Rückhalt aus, daß man genöthigt war, zu erklären, es sey nur ein Project gewesen, das im Interesse des Landes, wie man wohl sehe, nicht ausführbar sey. Wenn es auch keineswegs unwahrscheinlich ist, daß im Fall eines Angriffs ein großer Theil der Bevölkerung zu den Waffen greifen würde, um fürs erste über die friedlichen in Aegypten wohnenden Franken herzufallen, woraus dann weitere Consequenzen folgen müßten, die Mehemed Ali unzweifelhaft benutzen wird, so ist es auf der andern Seite gewiß, daß jede Anordnung einer regelmäßigen Bewaffnung vor einem solchen Ereigniß zu Begebenheiten führen würde, die plötzlich die ganze alpschwere orientalische Frage auf einmal zerhauen dürften. Hätten die Bürger die Ueberzeugung, daß es nur auf ein mehrmaliges Exerciren abgesehen sey, und daß dann Jeder wieder nach wie vor seine bürgerlichen Beschäftigungen in der gewohnten Weise fortsetzen könnte, so würde man sich wohl fügen, allein man traut den süßen Worten des Pascha's nicht, und ist überzeugt, daß man, einmal als Nationalgardist eingereiht, sehr bald zum Linienmilitär übergehen, und nach Syrien oder Arabien in den Krieg geschickt werden wird. Damit sich die Regierung nicht eine förmliche Blöße gebe, werden die Listen noch einige Tage fort gesetzt, und dann wird das ganze unausführbare Project in Vergessenheit fallen, wie so viele andere Dinge, die mit gewaltigem Lärm und Geschrei angefangen wurden. Dessenungeachtet

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0011" n="0411"/>
habsüchtigen Plan auf die westliche Gränze Indiens, dessen Abwendung der Haupt- und Endzweck des Zuges über den Indus, und dessen unmittelbare und ostensible Absicht der Sturz Dost Mohammeds war, verwirklicht. Wir haben daher in diesem Augenblick mit dieser wirklich abgeschlossenen und vollzogenen Vereinigung zu kämpfen, die, wäre sie achtzehn Monate früher bestanden, dreimal mehr Kriegsrüstungen erfordert hätte, als Sir John Keane besaß, und die, sobald eine Erneuerung unserer Unternehmungen in Afghanistan für zweckdienlich erachtet wird &#x2013; was allem Anschein nach nicht lange verschoben werden kann &#x2013; sowohl von Seite der Krone, als von Seite der ostindischen Compagnie eine verhältnißmäßige Truppenvermehrung erheischen wird. Ein neues und furchtbareres Element der Gefahr als irgend ein anderes, und als alle übrigen zusammen genommen, hat sich im Nordwesten Afghanistans zu zeigen begonnen, das, im Fall England noch einmal in militärische Experimente in diesen Gegenden sich einläßt, sicherlich nicht unthätig bleiben wird. Rußland ist nach Khiwa und an den Orus vorgerückt. Es droht nicht mehr, sondern marschirt mit einem doppelt so starken Heere als dasjenige, mit welchem die brittische Regierung gegen Dost Mohammed Krieg zu führen und Persien zu bedrohen wagte. Ist Rußland in Khiwa, dann steht es nur noch zwischen 500 und 600 (engl.) Meilen von dem Lande, das kürzlich Sir John Keane besetzt hielt, und in das er nach einem mehr als 800 Meilen langen Marsche von unsern Gränzen einrückte. Weder die Beschaffenheit des Landes noch der Geist der Afghanen, welche Großbritannien verabscheuen, bilden ein Hinderniß, sich, im Verein mit einem persischen Heere von Westen, südlich nach Ghisni in Bewegung zu setzen. Was wird dann aus unsern Danksagungsvoten, Pairie-Verleihungen und Pensionen, wie reich und edel verdient sie auch bei letzter Gelegenheit seyn mochten? Doch es ist genug, um zu zeigen, daß in Indien nicht Alles jenes tiefen und unerschütterten Friedens genießt, wie uns die Lords Minto und Melbourne als Entschuldigung für die Apathie und Schwäche ihrer Vertheidigungsanstalten hartnäckig einreden wollen. Ferner, sind wir nicht im Kriege mit China? Und welche Verwicklung von Folgen hängt an der Beantwortung dieser Frage! Und noch sind die zur Ahndung unserer Unbilden bestimmten Schiffe nicht aus England abgesegelt! Da habt ihr euren Handelsschutz! Da habt ihr, was der Herzog von Wellington so gut die Verrichtung &#x201E;der Friedensdienste&#x201C; der brittischen Marine nennt! Wenden wir uns nach Amerika &#x2013; worüber haben wir uns da zu freuen? Eine Scheinblokade der südamerikanischen Häfen und thätiger Krieg gegen den brittischen Handel, der einzige wahre Zweck, um dessentwillen jene Blokaden angeordnet wurden, so wie eine Reihe ungestraft an der brittischen Flagge verübter Insulten und Beschimpfungen, kaum minder demüthigend, als es die Wegnahme eines Duzend Kriegsschiffe, nach einem gehörigen Versuch die Ehre unserer Flagge zu rächen, gewesen seyn würde. In Nordamerika haben wir, wie der Herzog von Wellington mit gerechtem Tadel gegen Lord Melbourne ausspricht, Bürgerkrieg gehabt; wir haben annoch eine unbefestigte Regierung; wir haben Gränzfragen, die stündlich bitterer und mit weniger Aussicht auf friedliche Ausgleichung bestritten werden. Allein obschon diese Unruhen mehr als drei Jahre alt sind, &#x201E;so sind sie doch, sagt der Herzog von Wellington, von den radicalen Ministern noch um keinen Zoll ihrer befriedigenden Schlichtung näher gebracht worden, als es drei Monate nach ihrem ersten Ausbruch der Fall war. Der alte Feldherr und Staatsmann ruft aus, man hätte schon seit langem für große Flotten und Armeen sorgen sollen, um diesen vielfachen Emergentien begegnen zu können, und das Parlament forderte dazu auf. Allein wir streben mit &#x201E;Friedensetats&#x201C; Krieg zu führen mit der ganzen Welt &#x2013; im persischen Meerbusen, in Südamerika, in Nordamerika, im Mittelmeer &#x2013; und was Anderes als Mißlingen und Erniedrigung und endlose Schmach kann der Erfolg davon seyn? Dieß sind die Ansichten eines großen Geistes. Allein kleine Geister, und insbesondere schmutzige Geister, fühlen und begreifen sie nur langsam. Diese elenden Minister der Hintertreppe dürfen der niedrigen Demokratie, welche für sie stimmt, nicht sagen, daß es des Streites würdigere Gegenstände gibt, als Factionsinteressen, oder daß man die öffentlichen Gelder zu etwas Anderm bedarf als zu schnödem Patronat für gemeine und armselige Hinterbankmänner. Sie dürfen kein Geld verlangen, um die Monarchie vom Untergang zu retten; ihre zweifelhafte Majorität würde Zeter schreien über eine so unerhörte Entfremdung des stipulirten Beutetheils.&#x201C;</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Aegypten.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Alexandria,</hi> 25 Jan.</dateline>
          <p> Der Pascha hat Lust, Alles aufbieten zu wollen, um sich bis an die Zähne zu bewaffnen. Da es schwer, beinahe unmöglich ist, auf dem gewöhnlichen Wege der erzwungenen Conscription Truppen zu bekommen, so hat ihn Jemand auf den Einfall gebracht, eine Nationalgarde zu errichten, die aus allen waffenfähigen Leuten gebildet werden soll, wohin Alles gerechnet wird, was zum Handel und Verkehr unumgänglich nothwendig ist. Kaufleute, Lastträger, Eseltreiber, Bediente, Matrosen, Handlanger, Alles soll enrolirt werden, um diese Nationalgarde, an deren Spitze der reichste arabische Kaufmann Said el Gharbi steht, zu bilden. Der Pascha war von der Idee einer solchen allgemeinen Volksbewaffnung, die ihm nur ein sehr unverständiger Mensch eingeben konnte, so eingenommen, daß er sogleich befahl, in ganz Aegypten die Listen über die waffentragende Bevölkerung anzufertigen, um fürs erste das Vergnügen zu haben, auf dem Papier die Macht zu sehen, über die er zu gebieten habe. Jedoch bald sollte er sich eines Bessern überzeugen, denn kaum war dieser unsinnige Entschluß bekannt, so erklärte sich auch sogleich auf allen Punkten eine solche allgemeine Unzufriedenheit, man sprach sich überall so offen und ohne Rückhalt aus, daß man genöthigt war, zu erklären, es sey nur ein Project gewesen, das im Interesse des Landes, wie man wohl sehe, nicht ausführbar sey. Wenn es auch keineswegs unwahrscheinlich ist, daß im Fall eines Angriffs ein großer Theil der Bevölkerung zu den Waffen greifen würde, um fürs erste über die friedlichen in Aegypten wohnenden Franken herzufallen, woraus dann weitere Consequenzen folgen müßten, die Mehemed Ali unzweifelhaft benutzen wird, so ist es auf der andern Seite gewiß, daß jede Anordnung einer regelmäßigen Bewaffnung <hi rendition="#g">vor</hi> einem solchen Ereigniß zu Begebenheiten führen würde, die plötzlich die ganze alpschwere orientalische Frage auf einmal zerhauen dürften. Hätten die Bürger die Ueberzeugung, daß es nur auf ein mehrmaliges Exerciren abgesehen sey, und daß dann Jeder wieder nach wie vor seine bürgerlichen Beschäftigungen in der gewohnten Weise fortsetzen könnte, so würde man sich wohl fügen, allein man traut den süßen Worten des Pascha's nicht, und ist überzeugt, daß man, einmal als Nationalgardist eingereiht, sehr bald zum Linienmilitär übergehen, und nach Syrien oder Arabien in den Krieg geschickt werden wird. Damit sich die Regierung nicht eine förmliche Blöße gebe, werden die Listen noch einige Tage fort gesetzt, und dann wird das ganze unausführbare Project in Vergessenheit fallen, wie so viele andere Dinge, die mit gewaltigem Lärm und Geschrei angefangen wurden. Dessenungeachtet<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0411/0011] habsüchtigen Plan auf die westliche Gränze Indiens, dessen Abwendung der Haupt- und Endzweck des Zuges über den Indus, und dessen unmittelbare und ostensible Absicht der Sturz Dost Mohammeds war, verwirklicht. Wir haben daher in diesem Augenblick mit dieser wirklich abgeschlossenen und vollzogenen Vereinigung zu kämpfen, die, wäre sie achtzehn Monate früher bestanden, dreimal mehr Kriegsrüstungen erfordert hätte, als Sir John Keane besaß, und die, sobald eine Erneuerung unserer Unternehmungen in Afghanistan für zweckdienlich erachtet wird – was allem Anschein nach nicht lange verschoben werden kann – sowohl von Seite der Krone, als von Seite der ostindischen Compagnie eine verhältnißmäßige Truppenvermehrung erheischen wird. Ein neues und furchtbareres Element der Gefahr als irgend ein anderes, und als alle übrigen zusammen genommen, hat sich im Nordwesten Afghanistans zu zeigen begonnen, das, im Fall England noch einmal in militärische Experimente in diesen Gegenden sich einläßt, sicherlich nicht unthätig bleiben wird. Rußland ist nach Khiwa und an den Orus vorgerückt. Es droht nicht mehr, sondern marschirt mit einem doppelt so starken Heere als dasjenige, mit welchem die brittische Regierung gegen Dost Mohammed Krieg zu führen und Persien zu bedrohen wagte. Ist Rußland in Khiwa, dann steht es nur noch zwischen 500 und 600 (engl.) Meilen von dem Lande, das kürzlich Sir John Keane besetzt hielt, und in das er nach einem mehr als 800 Meilen langen Marsche von unsern Gränzen einrückte. Weder die Beschaffenheit des Landes noch der Geist der Afghanen, welche Großbritannien verabscheuen, bilden ein Hinderniß, sich, im Verein mit einem persischen Heere von Westen, südlich nach Ghisni in Bewegung zu setzen. Was wird dann aus unsern Danksagungsvoten, Pairie-Verleihungen und Pensionen, wie reich und edel verdient sie auch bei letzter Gelegenheit seyn mochten? Doch es ist genug, um zu zeigen, daß in Indien nicht Alles jenes tiefen und unerschütterten Friedens genießt, wie uns die Lords Minto und Melbourne als Entschuldigung für die Apathie und Schwäche ihrer Vertheidigungsanstalten hartnäckig einreden wollen. Ferner, sind wir nicht im Kriege mit China? Und welche Verwicklung von Folgen hängt an der Beantwortung dieser Frage! Und noch sind die zur Ahndung unserer Unbilden bestimmten Schiffe nicht aus England abgesegelt! Da habt ihr euren Handelsschutz! Da habt ihr, was der Herzog von Wellington so gut die Verrichtung „der Friedensdienste“ der brittischen Marine nennt! Wenden wir uns nach Amerika – worüber haben wir uns da zu freuen? Eine Scheinblokade der südamerikanischen Häfen und thätiger Krieg gegen den brittischen Handel, der einzige wahre Zweck, um dessentwillen jene Blokaden angeordnet wurden, so wie eine Reihe ungestraft an der brittischen Flagge verübter Insulten und Beschimpfungen, kaum minder demüthigend, als es die Wegnahme eines Duzend Kriegsschiffe, nach einem gehörigen Versuch die Ehre unserer Flagge zu rächen, gewesen seyn würde. In Nordamerika haben wir, wie der Herzog von Wellington mit gerechtem Tadel gegen Lord Melbourne ausspricht, Bürgerkrieg gehabt; wir haben annoch eine unbefestigte Regierung; wir haben Gränzfragen, die stündlich bitterer und mit weniger Aussicht auf friedliche Ausgleichung bestritten werden. Allein obschon diese Unruhen mehr als drei Jahre alt sind, „so sind sie doch, sagt der Herzog von Wellington, von den radicalen Ministern noch um keinen Zoll ihrer befriedigenden Schlichtung näher gebracht worden, als es drei Monate nach ihrem ersten Ausbruch der Fall war. Der alte Feldherr und Staatsmann ruft aus, man hätte schon seit langem für große Flotten und Armeen sorgen sollen, um diesen vielfachen Emergentien begegnen zu können, und das Parlament forderte dazu auf. Allein wir streben mit „Friedensetats“ Krieg zu führen mit der ganzen Welt – im persischen Meerbusen, in Südamerika, in Nordamerika, im Mittelmeer – und was Anderes als Mißlingen und Erniedrigung und endlose Schmach kann der Erfolg davon seyn? Dieß sind die Ansichten eines großen Geistes. Allein kleine Geister, und insbesondere schmutzige Geister, fühlen und begreifen sie nur langsam. Diese elenden Minister der Hintertreppe dürfen der niedrigen Demokratie, welche für sie stimmt, nicht sagen, daß es des Streites würdigere Gegenstände gibt, als Factionsinteressen, oder daß man die öffentlichen Gelder zu etwas Anderm bedarf als zu schnödem Patronat für gemeine und armselige Hinterbankmänner. Sie dürfen kein Geld verlangen, um die Monarchie vom Untergang zu retten; ihre zweifelhafte Majorität würde Zeter schreien über eine so unerhörte Entfremdung des stipulirten Beutetheils.“ Aegypten. _ Alexandria, 25 Jan. Der Pascha hat Lust, Alles aufbieten zu wollen, um sich bis an die Zähne zu bewaffnen. Da es schwer, beinahe unmöglich ist, auf dem gewöhnlichen Wege der erzwungenen Conscription Truppen zu bekommen, so hat ihn Jemand auf den Einfall gebracht, eine Nationalgarde zu errichten, die aus allen waffenfähigen Leuten gebildet werden soll, wohin Alles gerechnet wird, was zum Handel und Verkehr unumgänglich nothwendig ist. Kaufleute, Lastträger, Eseltreiber, Bediente, Matrosen, Handlanger, Alles soll enrolirt werden, um diese Nationalgarde, an deren Spitze der reichste arabische Kaufmann Said el Gharbi steht, zu bilden. Der Pascha war von der Idee einer solchen allgemeinen Volksbewaffnung, die ihm nur ein sehr unverständiger Mensch eingeben konnte, so eingenommen, daß er sogleich befahl, in ganz Aegypten die Listen über die waffentragende Bevölkerung anzufertigen, um fürs erste das Vergnügen zu haben, auf dem Papier die Macht zu sehen, über die er zu gebieten habe. Jedoch bald sollte er sich eines Bessern überzeugen, denn kaum war dieser unsinnige Entschluß bekannt, so erklärte sich auch sogleich auf allen Punkten eine solche allgemeine Unzufriedenheit, man sprach sich überall so offen und ohne Rückhalt aus, daß man genöthigt war, zu erklären, es sey nur ein Project gewesen, das im Interesse des Landes, wie man wohl sehe, nicht ausführbar sey. Wenn es auch keineswegs unwahrscheinlich ist, daß im Fall eines Angriffs ein großer Theil der Bevölkerung zu den Waffen greifen würde, um fürs erste über die friedlichen in Aegypten wohnenden Franken herzufallen, woraus dann weitere Consequenzen folgen müßten, die Mehemed Ali unzweifelhaft benutzen wird, so ist es auf der andern Seite gewiß, daß jede Anordnung einer regelmäßigen Bewaffnung vor einem solchen Ereigniß zu Begebenheiten führen würde, die plötzlich die ganze alpschwere orientalische Frage auf einmal zerhauen dürften. Hätten die Bürger die Ueberzeugung, daß es nur auf ein mehrmaliges Exerciren abgesehen sey, und daß dann Jeder wieder nach wie vor seine bürgerlichen Beschäftigungen in der gewohnten Weise fortsetzen könnte, so würde man sich wohl fügen, allein man traut den süßen Worten des Pascha's nicht, und ist überzeugt, daß man, einmal als Nationalgardist eingereiht, sehr bald zum Linienmilitär übergehen, und nach Syrien oder Arabien in den Krieg geschickt werden wird. Damit sich die Regierung nicht eine förmliche Blöße gebe, werden die Listen noch einige Tage fort gesetzt, und dann wird das ganze unausführbare Project in Vergessenheit fallen, wie so viele andere Dinge, die mit gewaltigem Lärm und Geschrei angefangen wurden. Dessenungeachtet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_052_18400221
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_052_18400221/11
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 52. Augsburg, 21. Februar 1840, S. 0411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_052_18400221/11>, abgerufen am 03.12.2024.