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Allgemeine Zeitung. Nr. 57. Augsburg, 26. Februar 1840.

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Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Mittwoch
Nr. 57.
26 Februar 1840.

Großbritannien.

Am 18 Febr. Nachmittags 2 Uhr verfügten sich die Mitglieder beider Parlamentshäuser in Gala nach dem Buckinghampalast, um die von ihnen votirten Glückwunschadressen zu überreichen. Die Opposition hatte sich besonders zahlreich eingefunden. Ihre Maj. ertheilte sehr huldvolle Antworten.

Am 19 Febr. Nachmittags hielt die Königin ihr erstes Lever in dieser Saison im St. Jamespalaste; es war eines der zahlreichsten seit vielen Jahren. Auf der Hinfahrt vom Buckinghampalast nach St. James wurden Ihre Maj., die Herzogin von Kent, Prinz Albert und dessen durchlauchtiger Vater und Bruder von der versammelten Volksmenge mit lauten Acclamationen begrüßt. Tags zuvor hatte Prinz Albert im Buckinghampalast die Aufwartung des ganzen diplomatischen Corps empfangen, welches von Lord Palmerston eingeführt wurde. - Die Frage, welchen Rang unter den königlichen Prinzen die Königin ihrem Gemahl anweisen werde, muß sich demnächst entscheiden. Da er nämlich zum Ritter des Hosenbandordens ernannt ist, so wird ihm einer von den Chorstühlen der St. Georgscapelle in Windsorschloß durch Aufhängung seines Banners über demselben angewiesen werden. Der Wappenkönig des Ordens, Sir W. Woods, wird zu diesem Zwecke die Befehle Ihrer Maj. einholen. Räumt die Königin gemäß ihrer Machtvollkommenheit dem Prinzen den Rang vor den übrigen Prinzen von Geblüt ein, so erhält der Prinz den ersten Chorstuhl, welchen bisher der König von Hannover inne hatte. Auch die Stelle, die dem Prinzen im Kirchengebet für die königliche Familie angewiesen wird, muß über die in dem aristokratischen, etikettesüchtigen England hochwichtige Frage des Vortritts entscheiden.

Der Bischof von Exeter ("ein theologischer Charlatan vom reinsten Wasser", wie ihn das Chronicle bei der Gelegenheit nennt) tummelte in der Oberhaussitzung vom 17 Februar wieder sein nachgerade gutgeschultes Bataillenpferd, den Socialismus, indem er an den edlen Viscount, der an der Spitze von Ihrer Maj. Regierung steht, die Frage richtete, ob er nicht im Julius v. J. von dem hochwürdigen Andrew Irvine, Pfarrer an der Margarethenkirche in Leicester, einen Brief erhalten habe, der über die Fortschritte des Socialismus in jener Stadt die fürchterlichsten Data enthalte. Lord Melbourne bejahte die Frage. Der Bischof fragte weiter: "Hat der edle Viscount auf diesen Brief hin Schritte gethan?" Lord Melbourne: "Nein." Bischof: "Der edle Viscount fand es also unnöthig?" Lord Melbourne: "Ich lasse die Frage unbeantwortet, weil ich keine Lust habe, zum dritten- oder viertenmal auf eine lange Discussion über dieses Thema einzugehen, und noch einmal sey es gesagt, ich zweifle sehr, ob es klug war, dieser Sache durch breite Erörterungen in diesem Hause eine solche Wichtigkeit beizulegen, wie geschehen ist." Der Minister ward hierauf von dem Prälaten noch etwas weniges katechisirt, und das Haus vertagte sich. Die Wahrheit scheint zu seyn, daß in Leicester, einer Stadt von 40 bis 50,000 Seelen, sich etwa fünfzig Socialisten befinden, deren Versammlungen manchmal auch von andern Leuten aus Neugierde besucht wurden. (S. die Beilage.)

Der ministerielle Globe erklärt die neue Version über bevorstehende Cabinetsveränderungen, die der Standard vom 18 Febr. mittheilte, für eine ganz grundlose Erdichtung.

Der Herzog v. Wellington ist von seinem Krankheitsanfall beinahe wieder hergestellt.

Die Erklärung, welche in der Unterhaussitzung vom 18 Febr. Lord Palmerston über den Stand der Verhältnisse zwischen England und Persien gab, haben wir gestern mitgetheilt. Sir R. Peel beantragte in derselben Sitzung die Vorlegung einer Liste aller seit dem 18 Febr. 1834 bis auf den heutigen Tag aus der Civilliste verwilligten Pensionen. Die Motion ward angenommen, jedoch mit Lord J. Russells Amendement, daß die Liste bis zum 1 Jan. 1828 zurückgehen solle. Sir R. Peel verlangte ferner die Vorlegung eines Berichts über die Zahl der kraft des Quadrupelvertrags zu Land oder zur See an der spanischen Küste verwendeten Marinesoldaten, über den Gesammtwerth aller nach demselben Vertrag an Spanien gelieferten Kriegsvorräthe, über die von Spanien bis jetzt für diese Lieferungen geleisteten Zahlungen und über die zur Bewirkung der Zahlung getroffenen Maaßregeln. - Nachdem hierauf der vor die Schranken gestellte jüngere Howard der "Verachtung des Hauses" in der Stockdale'schen Sache mit der gestern angegebenen Majorität für schuldig befunden worden, schlug der Attorney-General vor, ihn der Haft des Stabträgers des Hauses zu überantworten. Hr. O'Connell, sonst ein eifriger Verfechter des parlamentarischen Privilegiums, bemerkte: "Das Haus würde wohl gern der Nothwendigkeit überhoben seyn, diesen jungen Menschen einzukerkern (Howard der Sohn ist

Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Mittwoch
Nr. 57.
26 Februar 1840.

Großbritannien.

Am 18 Febr. Nachmittags 2 Uhr verfügten sich die Mitglieder beider Parlamentshäuser in Gala nach dem Buckinghampalast, um die von ihnen votirten Glückwunschadressen zu überreichen. Die Opposition hatte sich besonders zahlreich eingefunden. Ihre Maj. ertheilte sehr huldvolle Antworten.

Am 19 Febr. Nachmittags hielt die Königin ihr erstes Lever in dieser Saison im St. Jamespalaste; es war eines der zahlreichsten seit vielen Jahren. Auf der Hinfahrt vom Buckinghampalast nach St. James wurden Ihre Maj., die Herzogin von Kent, Prinz Albert und dessen durchlauchtiger Vater und Bruder von der versammelten Volksmenge mit lauten Acclamationen begrüßt. Tags zuvor hatte Prinz Albert im Buckinghampalast die Aufwartung des ganzen diplomatischen Corps empfangen, welches von Lord Palmerston eingeführt wurde. – Die Frage, welchen Rang unter den königlichen Prinzen die Königin ihrem Gemahl anweisen werde, muß sich demnächst entscheiden. Da er nämlich zum Ritter des Hosenbandordens ernannt ist, so wird ihm einer von den Chorstühlen der St. Georgscapelle in Windsorschloß durch Aufhängung seines Banners über demselben angewiesen werden. Der Wappenkönig des Ordens, Sir W. Woods, wird zu diesem Zwecke die Befehle Ihrer Maj. einholen. Räumt die Königin gemäß ihrer Machtvollkommenheit dem Prinzen den Rang vor den übrigen Prinzen von Geblüt ein, so erhält der Prinz den ersten Chorstuhl, welchen bisher der König von Hannover inne hatte. Auch die Stelle, die dem Prinzen im Kirchengebet für die königliche Familie angewiesen wird, muß über die in dem aristokratischen, etikettesüchtigen England hochwichtige Frage des Vortritts entscheiden.

Der Bischof von Exeter („ein theologischer Charlatan vom reinsten Wasser“, wie ihn das Chronicle bei der Gelegenheit nennt) tummelte in der Oberhaussitzung vom 17 Februar wieder sein nachgerade gutgeschultes Bataillenpferd, den Socialismus, indem er an den edlen Viscount, der an der Spitze von Ihrer Maj. Regierung steht, die Frage richtete, ob er nicht im Julius v. J. von dem hochwürdigen Andrew Irvine, Pfarrer an der Margarethenkirche in Leicester, einen Brief erhalten habe, der über die Fortschritte des Socialismus in jener Stadt die fürchterlichsten Data enthalte. Lord Melbourne bejahte die Frage. Der Bischof fragte weiter: „Hat der edle Viscount auf diesen Brief hin Schritte gethan?“ Lord Melbourne: „Nein.“ Bischof: „Der edle Viscount fand es also unnöthig?“ Lord Melbourne: „Ich lasse die Frage unbeantwortet, weil ich keine Lust habe, zum dritten- oder viertenmal auf eine lange Discussion über dieses Thema einzugehen, und noch einmal sey es gesagt, ich zweifle sehr, ob es klug war, dieser Sache durch breite Erörterungen in diesem Hause eine solche Wichtigkeit beizulegen, wie geschehen ist.“ Der Minister ward hierauf von dem Prälaten noch etwas weniges katechisirt, und das Haus vertagte sich. Die Wahrheit scheint zu seyn, daß in Leicester, einer Stadt von 40 bis 50,000 Seelen, sich etwa fünfzig Socialisten befinden, deren Versammlungen manchmal auch von andern Leuten aus Neugierde besucht wurden. (S. die Beilage.)

Der ministerielle Globe erklärt die neue Version über bevorstehende Cabinetsveränderungen, die der Standard vom 18 Febr. mittheilte, für eine ganz grundlose Erdichtung.

Der Herzog v. Wellington ist von seinem Krankheitsanfall beinahe wieder hergestellt.

Die Erklärung, welche in der Unterhaussitzung vom 18 Febr. Lord Palmerston über den Stand der Verhältnisse zwischen England und Persien gab, haben wir gestern mitgetheilt. Sir R. Peel beantragte in derselben Sitzung die Vorlegung einer Liste aller seit dem 18 Febr. 1834 bis auf den heutigen Tag aus der Civilliste verwilligten Pensionen. Die Motion ward angenommen, jedoch mit Lord J. Russells Amendement, daß die Liste bis zum 1 Jan. 1828 zurückgehen solle. Sir R. Peel verlangte ferner die Vorlegung eines Berichts über die Zahl der kraft des Quadrupelvertrags zu Land oder zur See an der spanischen Küste verwendeten Marinesoldaten, über den Gesammtwerth aller nach demselben Vertrag an Spanien gelieferten Kriegsvorräthe, über die von Spanien bis jetzt für diese Lieferungen geleisteten Zahlungen und über die zur Bewirkung der Zahlung getroffenen Maaßregeln. – Nachdem hierauf der vor die Schranken gestellte jüngere Howard der „Verachtung des Hauses“ in der Stockdale'schen Sache mit der gestern angegebenen Majorität für schuldig befunden worden, schlug der Attorney-General vor, ihn der Haft des Stabträgers des Hauses zu überantworten. Hr. O'Connell, sonst ein eifriger Verfechter des parlamentarischen Privilegiums, bemerkte: „Das Haus würde wohl gern der Nothwendigkeit überhoben seyn, diesen jungen Menschen einzukerkern (Howard der Sohn ist

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[0449/0001] Augsburger Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. Mittwoch Nr. 57. 26 Februar 1840. Großbritannien. _ London, 19 Febr. Am 18 Febr. Nachmittags 2 Uhr verfügten sich die Mitglieder beider Parlamentshäuser in Gala nach dem Buckinghampalast, um die von ihnen votirten Glückwunschadressen zu überreichen. Die Opposition hatte sich besonders zahlreich eingefunden. Ihre Maj. ertheilte sehr huldvolle Antworten. Am 19 Febr. Nachmittags hielt die Königin ihr erstes Lever in dieser Saison im St. Jamespalaste; es war eines der zahlreichsten seit vielen Jahren. Auf der Hinfahrt vom Buckinghampalast nach St. James wurden Ihre Maj., die Herzogin von Kent, Prinz Albert und dessen durchlauchtiger Vater und Bruder von der versammelten Volksmenge mit lauten Acclamationen begrüßt. Tags zuvor hatte Prinz Albert im Buckinghampalast die Aufwartung des ganzen diplomatischen Corps empfangen, welches von Lord Palmerston eingeführt wurde. – Die Frage, welchen Rang unter den königlichen Prinzen die Königin ihrem Gemahl anweisen werde, muß sich demnächst entscheiden. Da er nämlich zum Ritter des Hosenbandordens ernannt ist, so wird ihm einer von den Chorstühlen der St. Georgscapelle in Windsorschloß durch Aufhängung seines Banners über demselben angewiesen werden. Der Wappenkönig des Ordens, Sir W. Woods, wird zu diesem Zwecke die Befehle Ihrer Maj. einholen. Räumt die Königin gemäß ihrer Machtvollkommenheit dem Prinzen den Rang vor den übrigen Prinzen von Geblüt ein, so erhält der Prinz den ersten Chorstuhl, welchen bisher der König von Hannover inne hatte. Auch die Stelle, die dem Prinzen im Kirchengebet für die königliche Familie angewiesen wird, muß über die in dem aristokratischen, etikettesüchtigen England hochwichtige Frage des Vortritts entscheiden. Der Bischof von Exeter („ein theologischer Charlatan vom reinsten Wasser“, wie ihn das Chronicle bei der Gelegenheit nennt) tummelte in der Oberhaussitzung vom 17 Februar wieder sein nachgerade gutgeschultes Bataillenpferd, den Socialismus, indem er an den edlen Viscount, der an der Spitze von Ihrer Maj. Regierung steht, die Frage richtete, ob er nicht im Julius v. J. von dem hochwürdigen Andrew Irvine, Pfarrer an der Margarethenkirche in Leicester, einen Brief erhalten habe, der über die Fortschritte des Socialismus in jener Stadt die fürchterlichsten Data enthalte. Lord Melbourne bejahte die Frage. Der Bischof fragte weiter: „Hat der edle Viscount auf diesen Brief hin Schritte gethan?“ Lord Melbourne: „Nein.“ Bischof: „Der edle Viscount fand es also unnöthig?“ Lord Melbourne: „Ich lasse die Frage unbeantwortet, weil ich keine Lust habe, zum dritten- oder viertenmal auf eine lange Discussion über dieses Thema einzugehen, und noch einmal sey es gesagt, ich zweifle sehr, ob es klug war, dieser Sache durch breite Erörterungen in diesem Hause eine solche Wichtigkeit beizulegen, wie geschehen ist.“ Der Minister ward hierauf von dem Prälaten noch etwas weniges katechisirt, und das Haus vertagte sich. Die Wahrheit scheint zu seyn, daß in Leicester, einer Stadt von 40 bis 50,000 Seelen, sich etwa fünfzig Socialisten befinden, deren Versammlungen manchmal auch von andern Leuten aus Neugierde besucht wurden. (S. die Beilage.) Der ministerielle Globe erklärt die neue Version über bevorstehende Cabinetsveränderungen, die der Standard vom 18 Febr. mittheilte, für eine ganz grundlose Erdichtung. Der Herzog v. Wellington ist von seinem Krankheitsanfall beinahe wieder hergestellt. Die Erklärung, welche in der Unterhaussitzung vom 18 Febr. Lord Palmerston über den Stand der Verhältnisse zwischen England und Persien gab, haben wir gestern mitgetheilt. Sir R. Peel beantragte in derselben Sitzung die Vorlegung einer Liste aller seit dem 18 Febr. 1834 bis auf den heutigen Tag aus der Civilliste verwilligten Pensionen. Die Motion ward angenommen, jedoch mit Lord J. Russells Amendement, daß die Liste bis zum 1 Jan. 1828 zurückgehen solle. Sir R. Peel verlangte ferner die Vorlegung eines Berichts über die Zahl der kraft des Quadrupelvertrags zu Land oder zur See an der spanischen Küste verwendeten Marinesoldaten, über den Gesammtwerth aller nach demselben Vertrag an Spanien gelieferten Kriegsvorräthe, über die von Spanien bis jetzt für diese Lieferungen geleisteten Zahlungen und über die zur Bewirkung der Zahlung getroffenen Maaßregeln. – Nachdem hierauf der vor die Schranken gestellte jüngere Howard der „Verachtung des Hauses“ in der Stockdale'schen Sache mit der gestern angegebenen Majorität für schuldig befunden worden, schlug der Attorney-General vor, ihn der Haft des Stabträgers des Hauses zu überantworten. Hr. O'Connell, sonst ein eifriger Verfechter des parlamentarischen Privilegiums, bemerkte: „Das Haus würde wohl gern der Nothwendigkeit überhoben seyn, diesen jungen Menschen einzukerkern (Howard der Sohn ist

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 57. Augsburg, 26. Februar 1840, S. 0449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_057_18400226/1>, abgerufen am 21.11.2024.