Allgemeine Zeitung. Nr. 58. Augsburg, 27. Februar 1840.da dieser unabhängigen und reinen Jugend die Zukunft gehöre; sie hätte ganz richtig eingesehen, daß es sich bei dieser ganzen Sache weit mehr von einer Frage hoher Moralität als von einer Geldfrage handle u. s. w. (Journal des Debats.) Die Beweggründe der Verwerfung der Dotation lassen sich in drei Worten zusammenfassen: Haß, Ehrgeiz, Furcht. Der Haß gegen das Königthum hat ein Drittel, die Ehrsucht nach der Gewalt und die Furcht vor der Presse die zwei andern Drittel ausgemacht. In der That gebührt der republicanischen Partei die Ehre des Siegs. Die Ehrsüchtigen und die Furchtsamen haben nur ihren Befehlen gehorcht und in ihrem Gefolge gestritten. Die republicanische Partei hat zuerst dem Dotationsentwurfe den Krieg erklärt; sie hat den Feldzugsplan entworfen; sie hat die Feindseligkeiten begonnen, und sie mit unaussprechlicher Erbitterung bis zur Entwickelung verfolgt. Die radicale Partei hat sonach Alles gethan. Die Leute, welche sich aus Ehrgeiz oder aus Schwäche ihrer Sache angeschlossen haben, und einwilligten, sich unter ihre Fahne zu reihen, haben nur ein stillschweigendes Votum gewagt. Sie werden vielleicht den Gewinn des Siegs erringen, sie haben aber nicht das Recht, die Ehre davon in Anspruch zu nehmen. Sie haben wie jene Horden von Stummen des Serails gekämpft, welche die Sultane in kritischen Augenblicken im Gefolge ihrer Janitscharen einreihten. Die republicanische Partei kündigt heute eine Nationalsubscription zu einer Medaille für den Hrn. Vicomte v. Cormenin an. Die Republicaner haben Recht. In dem Gewühl feindseliger Leidenschaften, die vor einem Monat den Feldzug gegen das Königthum angefangen haben, gebührt der republicanischen Partei der erste Rang; der Vicomte v. Cormenin ist aber der erste in der republicanischen Partei, so daß es am Ende der Hr. Vicomte v. Cormenin ist, der die Kammer trotz der Minister, trotz der Commission, trotz der Conservativen, trotz aller Welt angeführt hat; es ist der Hr. Vicomte v. Cormenin, der erklärte Feind des Julius-Königthums und der Julius-Charte, der die Stimmen eines Parlaments hingerissen hat, das zur Erhaltung des Königthums und zur Vertheidigung der Charte gewählt ward - ein denkwürdiger Sieg, der wohl verdient, in das Erz einer Ehrenmedaille eingegraben zu werden! Wir hoffen indessen, daß man nicht vergessen wird, neben den eben jetzt von Hrn. v. Cormenin gepflückten Lorbeern das Vicomte's Krönlein anzubringen, das er in früherer Zeit (zur Zeit der Restauration) nachsuchte, und von der Dankbarkeit des Hrn. v. Peyronnet erhielt. ... Niemand kann bestreiten, daß bei Vorlegung des Dotationsentwurfs vor sechs Wochen, derselbe mit einem fast allgemeinen Wohlwollen aufgenommen ward. Der Beweis liegt darin, daß, als einige Tage später die Bureaux eine Commission zu ernennen hatten, fast durchaus nur Anhänger des Entwurfs gewählt wurden. In einem Bureau hielt sogar einer der hervorragenden Chefs der Linken (Odilon-Barrot) eine Rede, die für einen Beitritt gelten konnte; so sehr hatte sich der Redner bemüht, allen Meinungen zu schmeicheln, alle Empfindlichkeiten zu schonen. Allerdings soll er sich später klarer ausgedrückt haben, aber da fing schon der Wind an umzuschlagen. Er wehte nicht mehr von der Kammer, sondern von der Presse..." Wie die Opposition urtheilt, davon mögen folgende kurze Stellen eine schwache Probe geben. "Das Land - sagt der National - verdankt dem gesunden Sinn und der Tugend der Massen, dem von den Bittstellern so rasch und energisch ausgesprochenen Wunsch, der Presse und Hrn. Cormenin insbesondere diesen Sieg der öffentlichen Moral über die Habgierde der Höflinge und die klägliche Schwäche der Minister vom 12 Mai. Es ist die große Stimme des Volks, welche, über schamlose Debatten sich erhebend, die Tribune zum Schweigen brachte, und das stillschweigende Verdict eines Monopolparlaments dictirte. Zweihundertsechsundzwanzig schwarze Kugeln gegen die Dotation, und nicht eine Rede dafür oder dagegen, dieß sind die Resultate der moralischen Intervention des Landes! Jetzt wäre es das größte Unglück, wenn die Nation bei diesem ersten Sieg ausruhen wollte. Noch einige Anstrengungen mehr, und bald wird für die Erfüllung der Versprechungen zweier Revolutionen nur noch die nöthige Wachsamkeit erforderlich seyn, um zu hindern, daß die freisinnigsten Institutionen das Werkzeug einer Classe oder einer Partei werden." - Die Gazette de France, die vor zehn Jahren unter ähnlichen Umständen wohl eine andere Sprache geführt haben würde, sagt: "Die Folgen dieser Maaßregel sind unermeßlich. Die Kammer hat der öffentlichen Meinung nachgegeben. Das Ministerium wird unter diesem Schlag erliegen, und die Wahlreform neue Fortschritte machen. Wenn die öffentliche Meinung bei einem Punkt Genugthuung erlangt hat, wird sie dieselbe auch bei andern Fragen erlangen; der Hof hat durch seine ewigen Geldfragen Alles compromittirt. Man sieht, daß jede Leidenschaft ihr Moskau findet." Paris, 22 Febr. Unter den Anhängern des Hofes herrscht großer Kummer. Man grämt sich nicht sowohl über die Verwerfung des Dotationsantrags, als über die Art und Weise wie er verworfen worden. Man kann sich nicht verhehlen, daß eine abschlägige Antwort in dieser Form der Regierung in der öffentlichen Meinung unermeßlichen Schaden bringen muß, und mehr als je haben Zweifel und Besorgniß über den Bestand der Dinge Platz gegriffen. Von der entgegengesetzten Seite wird der Sieg nach Möglichkeit ausgebeutet, insbesondere von den Legitimisten. Sie setzen allerlei Histörchen in Umlauf, zum Theil offenbar erfundene. So soll der Herzog von Nemours, als er durch die Zeitungen von der öffentlichen Stimmung Kenntniß bekommen, den Conseilpräsidenten ersucht haben, einer hohen Person zu erklären, daß er seinerseits von dem Antrag abzustehen wünsche, worauf dieselbe erklärt habe, es komme nicht darauf an, was der Herzog von Nemours wünsche oder nicht wünsche, es handle sich von Behauptung königlicher Prärogative. Man sehe - behaupten die Legitimisten - dem Herzog von Orleans den Schmerz an über die Politik, die nur dazu beitragen könne, seine künftige Lage zu erschweren. Die Republicaner rechnen darauf, daß es jetzt wieder an ein Pourparliren über die Minister-Composition gehen werde, daß darüber Monate verfließen würden, daß inzwischen in allen den großen Fragen, deren Lösung so dringend sey, nichts geschehen könne, daß alsdann gegen das Ende der Session hin plötzlich ein neues Ministerium zum Vorschein kommen werde, wo möglich noch unbedeutender und abhängiger als das abgetretene, und daß die noch übrige Zeit kaum noch zureichen werde, das Budget in aller Eile zu votiren. Ja sie hegen sogar geheime Hoffnung, daß das Dotationsgesetz nächstes Jahr wieder zum Vorschein komme. Ein Anzeichen davon sey der Umstand, daß man die Vermählung suspendire, denn an ein Aufgeben derselben sey wohl nicht zu denken. Dieses Verfahren, meinen sie, liege ganz im Geist des Systems. Auf diese Weise, hoffen sie, könne doch am Ende noch ihr Weizen zur Blüthe kommen. Verständige Politiker sehen ernst vor sich hin und in die Zukunft. Daß der Herzog von Broglie sich bei bewandten Umständen mit Ministerialaffairen befassen sollte, hält man für unwahrscheinlich; dazu sey er zu klug. Und im Fall auch er oder irgend Jemand anderer an die Spitze des Ministeriums träte, wie sollte ohne Auflösung der Kammer eine Majorität zu Stande kommen? und welche Bürgschaft hätte man für das günstige Ergebniß der Wahlen? da dieser unabhängigen und reinen Jugend die Zukunft gehöre; sie hätte ganz richtig eingesehen, daß es sich bei dieser ganzen Sache weit mehr von einer Frage hoher Moralität als von einer Geldfrage handle u. s. w. (Journal des Débats.) Die Beweggründe der Verwerfung der Dotation lassen sich in drei Worten zusammenfassen: Haß, Ehrgeiz, Furcht. Der Haß gegen das Königthum hat ein Drittel, die Ehrsucht nach der Gewalt und die Furcht vor der Presse die zwei andern Drittel ausgemacht. In der That gebührt der republicanischen Partei die Ehre des Siegs. Die Ehrsüchtigen und die Furchtsamen haben nur ihren Befehlen gehorcht und in ihrem Gefolge gestritten. Die republicanische Partei hat zuerst dem Dotationsentwurfe den Krieg erklärt; sie hat den Feldzugsplan entworfen; sie hat die Feindseligkeiten begonnen, und sie mit unaussprechlicher Erbitterung bis zur Entwickelung verfolgt. Die radicale Partei hat sonach Alles gethan. Die Leute, welche sich aus Ehrgeiz oder aus Schwäche ihrer Sache angeschlossen haben, und einwilligten, sich unter ihre Fahne zu reihen, haben nur ein stillschweigendes Votum gewagt. Sie werden vielleicht den Gewinn des Siegs erringen, sie haben aber nicht das Recht, die Ehre davon in Anspruch zu nehmen. Sie haben wie jene Horden von Stummen des Serails gekämpft, welche die Sultane in kritischen Augenblicken im Gefolge ihrer Janitscharen einreihten. Die republicanische Partei kündigt heute eine Nationalsubscription zu einer Medaille für den Hrn. Vicomte v. Cormenin an. Die Republicaner haben Recht. In dem Gewühl feindseliger Leidenschaften, die vor einem Monat den Feldzug gegen das Königthum angefangen haben, gebührt der republicanischen Partei der erste Rang; der Vicomte v. Cormenin ist aber der erste in der republicanischen Partei, so daß es am Ende der Hr. Vicomte v. Cormenin ist, der die Kammer trotz der Minister, trotz der Commission, trotz der Conservativen, trotz aller Welt angeführt hat; es ist der Hr. Vicomte v. Cormenin, der erklärte Feind des Julius-Königthums und der Julius-Charte, der die Stimmen eines Parlaments hingerissen hat, das zur Erhaltung des Königthums und zur Vertheidigung der Charte gewählt ward – ein denkwürdiger Sieg, der wohl verdient, in das Erz einer Ehrenmedaille eingegraben zu werden! Wir hoffen indessen, daß man nicht vergessen wird, neben den eben jetzt von Hrn. v. Cormenin gepflückten Lorbeern das Vicomte's Krönlein anzubringen, das er in früherer Zeit (zur Zeit der Restauration) nachsuchte, und von der Dankbarkeit des Hrn. v. Peyronnet erhielt. ... Niemand kann bestreiten, daß bei Vorlegung des Dotationsentwurfs vor sechs Wochen, derselbe mit einem fast allgemeinen Wohlwollen aufgenommen ward. Der Beweis liegt darin, daß, als einige Tage später die Bureaux eine Commission zu ernennen hatten, fast durchaus nur Anhänger des Entwurfs gewählt wurden. In einem Bureau hielt sogar einer der hervorragenden Chefs der Linken (Odilon-Barrot) eine Rede, die für einen Beitritt gelten konnte; so sehr hatte sich der Redner bemüht, allen Meinungen zu schmeicheln, alle Empfindlichkeiten zu schonen. Allerdings soll er sich später klarer ausgedrückt haben, aber da fing schon der Wind an umzuschlagen. Er wehte nicht mehr von der Kammer, sondern von der Presse...“ Wie die Opposition urtheilt, davon mögen folgende kurze Stellen eine schwache Probe geben. „Das Land – sagt der National – verdankt dem gesunden Sinn und der Tugend der Massen, dem von den Bittstellern so rasch und energisch ausgesprochenen Wunsch, der Presse und Hrn. Cormenin insbesondere diesen Sieg der öffentlichen Moral über die Habgierde der Höflinge und die klägliche Schwäche der Minister vom 12 Mai. Es ist die große Stimme des Volks, welche, über schamlose Debatten sich erhebend, die Tribune zum Schweigen brachte, und das stillschweigende Verdict eines Monopolparlaments dictirte. Zweihundertsechsundzwanzig schwarze Kugeln gegen die Dotation, und nicht eine Rede dafür oder dagegen, dieß sind die Resultate der moralischen Intervention des Landes! Jetzt wäre es das größte Unglück, wenn die Nation bei diesem ersten Sieg ausruhen wollte. Noch einige Anstrengungen mehr, und bald wird für die Erfüllung der Versprechungen zweier Revolutionen nur noch die nöthige Wachsamkeit erforderlich seyn, um zu hindern, daß die freisinnigsten Institutionen das Werkzeug einer Classe oder einer Partei werden.“ – Die Gazette de France, die vor zehn Jahren unter ähnlichen Umständen wohl eine andere Sprache geführt haben würde, sagt: „Die Folgen dieser Maaßregel sind unermeßlich. Die Kammer hat der öffentlichen Meinung nachgegeben. Das Ministerium wird unter diesem Schlag erliegen, und die Wahlreform neue Fortschritte machen. Wenn die öffentliche Meinung bei einem Punkt Genugthuung erlangt hat, wird sie dieselbe auch bei andern Fragen erlangen; der Hof hat durch seine ewigen Geldfragen Alles compromittirt. Man sieht, daß jede Leidenschaft ihr Moskau findet.“ Paris, 22 Febr. Unter den Anhängern des Hofes herrscht großer Kummer. Man grämt sich nicht sowohl über die Verwerfung des Dotationsantrags, als über die Art und Weise wie er verworfen worden. Man kann sich nicht verhehlen, daß eine abschlägige Antwort in dieser Form der Regierung in der öffentlichen Meinung unermeßlichen Schaden bringen muß, und mehr als je haben Zweifel und Besorgniß über den Bestand der Dinge Platz gegriffen. Von der entgegengesetzten Seite wird der Sieg nach Möglichkeit ausgebeutet, insbesondere von den Legitimisten. Sie setzen allerlei Histörchen in Umlauf, zum Theil offenbar erfundene. So soll der Herzog von Nemours, als er durch die Zeitungen von der öffentlichen Stimmung Kenntniß bekommen, den Conseilpräsidenten ersucht haben, einer hohen Person zu erklären, daß er seinerseits von dem Antrag abzustehen wünsche, worauf dieselbe erklärt habe, es komme nicht darauf an, was der Herzog von Nemours wünsche oder nicht wünsche, es handle sich von Behauptung königlicher Prärogative. Man sehe – behaupten die Legitimisten – dem Herzog von Orleans den Schmerz an über die Politik, die nur dazu beitragen könne, seine künftige Lage zu erschweren. Die Republicaner rechnen darauf, daß es jetzt wieder an ein Pourparliren über die Minister-Composition gehen werde, daß darüber Monate verfließen würden, daß inzwischen in allen den großen Fragen, deren Lösung so dringend sey, nichts geschehen könne, daß alsdann gegen das Ende der Session hin plötzlich ein neues Ministerium zum Vorschein kommen werde, wo möglich noch unbedeutender und abhängiger als das abgetretene, und daß die noch übrige Zeit kaum noch zureichen werde, das Budget in aller Eile zu votiren. Ja sie hegen sogar geheime Hoffnung, daß das Dotationsgesetz nächstes Jahr wieder zum Vorschein komme. Ein Anzeichen davon sey der Umstand, daß man die Vermählung suspendire, denn an ein Aufgeben derselben sey wohl nicht zu denken. Dieses Verfahren, meinen sie, liege ganz im Geist des Systems. Auf diese Weise, hoffen sie, könne doch am Ende noch ihr Weizen zur Blüthe kommen. Verständige Politiker sehen ernst vor sich hin und in die Zukunft. Daß der Herzog von Broglie sich bei bewandten Umständen mit Ministerialaffairen befassen sollte, hält man für unwahrscheinlich; dazu sey er zu klug. Und im Fall auch er oder irgend Jemand anderer an die Spitze des Ministeriums träte, wie sollte ohne Auflösung der Kammer eine Majorität zu Stande kommen? und welche Bürgschaft hätte man für das günstige Ergebniß der Wahlen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0003" n="0459"/> da dieser unabhängigen und reinen Jugend die Zukunft gehöre; sie hätte ganz richtig eingesehen, daß es sich bei dieser ganzen Sache weit mehr von einer Frage hoher Moralität als von einer Geldfrage handle u. s. w.</p><lb/> <p>(<hi rendition="#g">Journal des Débats</hi>.) Die Beweggründe der Verwerfung der Dotation lassen sich in drei Worten zusammenfassen: Haß, Ehrgeiz, Furcht. Der Haß gegen das Königthum hat ein Drittel, die Ehrsucht nach der Gewalt und die Furcht vor der Presse die zwei andern Drittel ausgemacht. In der That gebührt der republicanischen Partei die Ehre des Siegs. Die Ehrsüchtigen und die Furchtsamen haben nur ihren Befehlen gehorcht und in ihrem Gefolge gestritten. Die republicanische Partei hat zuerst dem Dotationsentwurfe den Krieg erklärt; sie hat den Feldzugsplan entworfen; sie hat die Feindseligkeiten begonnen, und sie mit unaussprechlicher Erbitterung bis zur Entwickelung verfolgt. Die radicale Partei hat sonach Alles gethan. Die Leute, welche sich aus Ehrgeiz oder aus Schwäche ihrer Sache angeschlossen haben, und einwilligten, sich unter ihre Fahne zu reihen, haben nur ein stillschweigendes Votum gewagt. Sie werden vielleicht den Gewinn des Siegs erringen, sie haben aber nicht das Recht, die Ehre davon in Anspruch zu nehmen. Sie haben wie jene Horden von Stummen des Serails gekämpft, welche die Sultane in kritischen Augenblicken im Gefolge ihrer Janitscharen einreihten. Die republicanische Partei kündigt heute eine Nationalsubscription zu einer Medaille für den Hrn. Vicomte v. Cormenin an. Die Republicaner haben Recht. In dem Gewühl feindseliger Leidenschaften, die vor einem Monat den Feldzug gegen das Königthum angefangen haben, gebührt der republicanischen Partei der erste Rang; der Vicomte v. Cormenin ist aber der erste in der republicanischen Partei, so daß es am Ende der Hr. Vicomte v. Cormenin ist, der die Kammer trotz der Minister, trotz der Commission, trotz der Conservativen, trotz aller Welt angeführt hat; es ist der Hr. Vicomte v. Cormenin, der erklärte Feind des Julius-Königthums und der Julius-Charte, der die Stimmen eines Parlaments hingerissen hat, das zur Erhaltung des Königthums und zur Vertheidigung der Charte gewählt ward – ein denkwürdiger Sieg, der wohl verdient, in das Erz einer Ehrenmedaille eingegraben zu werden! Wir hoffen indessen, daß man nicht vergessen wird, neben den eben jetzt von Hrn. v. Cormenin gepflückten Lorbeern das Vicomte's Krönlein anzubringen, das er in früherer Zeit (zur Zeit der Restauration) nachsuchte, und von der Dankbarkeit des Hrn. v. Peyronnet erhielt. ... Niemand kann bestreiten, daß bei Vorlegung des Dotationsentwurfs vor sechs Wochen, derselbe mit einem fast allgemeinen Wohlwollen aufgenommen ward. Der Beweis liegt darin, daß, als einige Tage später die Bureaux eine Commission zu ernennen hatten, fast durchaus nur Anhänger des Entwurfs gewählt wurden. In einem Bureau hielt sogar einer der hervorragenden Chefs der Linken (Odilon-Barrot) eine Rede, die für einen Beitritt gelten konnte; so sehr hatte sich der Redner bemüht, allen Meinungen zu schmeicheln, alle Empfindlichkeiten zu schonen. Allerdings soll er sich später klarer ausgedrückt haben, aber da fing schon der Wind an umzuschlagen. Er wehte nicht mehr von der Kammer, sondern von der Presse...“</p><lb/> <p>Wie die Opposition urtheilt, davon mögen folgende kurze Stellen eine schwache Probe geben. „Das Land – sagt der <hi rendition="#g">National</hi> – verdankt dem gesunden Sinn und der Tugend der Massen, dem von den Bittstellern so rasch und energisch ausgesprochenen Wunsch, der Presse und Hrn. Cormenin insbesondere diesen Sieg der öffentlichen Moral über die Habgierde der Höflinge und die klägliche Schwäche der Minister vom 12 Mai. 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Das Ministerium wird unter diesem Schlag erliegen, und die Wahlreform neue Fortschritte machen. Wenn die öffentliche Meinung bei einem Punkt Genugthuung erlangt hat, wird sie dieselbe auch bei andern Fragen erlangen; der Hof hat durch seine ewigen Geldfragen Alles compromittirt. Man sieht, daß jede Leidenschaft ihr Moskau findet.“</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 22 Febr.</dateline> <p> Unter den Anhängern des Hofes herrscht großer Kummer. Man grämt sich nicht sowohl über die Verwerfung des Dotationsantrags, als über die Art und Weise wie er verworfen worden. Man kann sich nicht verhehlen, daß eine abschlägige Antwort in dieser Form der Regierung in der öffentlichen Meinung unermeßlichen Schaden bringen muß, und mehr als je haben Zweifel und Besorgniß über den Bestand der Dinge Platz gegriffen. Von der entgegengesetzten Seite wird der Sieg nach Möglichkeit ausgebeutet, insbesondere von den Legitimisten. Sie setzen allerlei Histörchen in Umlauf, zum Theil offenbar erfundene. So soll der Herzog von Nemours, als er durch die Zeitungen von der öffentlichen Stimmung Kenntniß bekommen, den Conseilpräsidenten ersucht haben, einer hohen Person zu erklären, daß er seinerseits von dem Antrag abzustehen wünsche, worauf dieselbe erklärt habe, es komme nicht darauf an, was der Herzog von Nemours wünsche oder nicht wünsche, es handle sich von Behauptung königlicher Prärogative. Man sehe – behaupten die Legitimisten – dem Herzog von Orleans den Schmerz an über die Politik, die nur dazu beitragen könne, seine künftige Lage zu erschweren. Die Republicaner rechnen darauf, daß es jetzt wieder an ein Pourparliren über die Minister-Composition gehen werde, daß darüber Monate verfließen würden, daß inzwischen in allen den großen Fragen, deren Lösung so dringend sey, nichts geschehen könne, daß alsdann gegen das Ende der Session hin plötzlich ein neues Ministerium zum Vorschein kommen werde, wo möglich noch unbedeutender und abhängiger als das abgetretene, und daß die noch übrige Zeit kaum noch zureichen werde, das Budget in aller Eile zu votiren. Ja sie hegen sogar geheime Hoffnung, daß das Dotationsgesetz nächstes Jahr wieder zum Vorschein komme. Ein Anzeichen davon sey der Umstand, daß man die Vermählung suspendire, denn an ein Aufgeben derselben sey wohl nicht zu denken. Dieses Verfahren, meinen sie, liege ganz im Geist des Systems. Auf diese Weise, hoffen sie, könne doch am Ende noch ihr Weizen zur Blüthe kommen. Verständige Politiker sehen ernst vor sich hin und in die Zukunft. 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da dieser unabhängigen und reinen Jugend die Zukunft gehöre; sie hätte ganz richtig eingesehen, daß es sich bei dieser ganzen Sache weit mehr von einer Frage hoher Moralität als von einer Geldfrage handle u. s. w.
(Journal des Débats.) Die Beweggründe der Verwerfung der Dotation lassen sich in drei Worten zusammenfassen: Haß, Ehrgeiz, Furcht. Der Haß gegen das Königthum hat ein Drittel, die Ehrsucht nach der Gewalt und die Furcht vor der Presse die zwei andern Drittel ausgemacht. In der That gebührt der republicanischen Partei die Ehre des Siegs. Die Ehrsüchtigen und die Furchtsamen haben nur ihren Befehlen gehorcht und in ihrem Gefolge gestritten. Die republicanische Partei hat zuerst dem Dotationsentwurfe den Krieg erklärt; sie hat den Feldzugsplan entworfen; sie hat die Feindseligkeiten begonnen, und sie mit unaussprechlicher Erbitterung bis zur Entwickelung verfolgt. Die radicale Partei hat sonach Alles gethan. Die Leute, welche sich aus Ehrgeiz oder aus Schwäche ihrer Sache angeschlossen haben, und einwilligten, sich unter ihre Fahne zu reihen, haben nur ein stillschweigendes Votum gewagt. Sie werden vielleicht den Gewinn des Siegs erringen, sie haben aber nicht das Recht, die Ehre davon in Anspruch zu nehmen. Sie haben wie jene Horden von Stummen des Serails gekämpft, welche die Sultane in kritischen Augenblicken im Gefolge ihrer Janitscharen einreihten. Die republicanische Partei kündigt heute eine Nationalsubscription zu einer Medaille für den Hrn. Vicomte v. Cormenin an. Die Republicaner haben Recht. In dem Gewühl feindseliger Leidenschaften, die vor einem Monat den Feldzug gegen das Königthum angefangen haben, gebührt der republicanischen Partei der erste Rang; der Vicomte v. Cormenin ist aber der erste in der republicanischen Partei, so daß es am Ende der Hr. Vicomte v. Cormenin ist, der die Kammer trotz der Minister, trotz der Commission, trotz der Conservativen, trotz aller Welt angeführt hat; es ist der Hr. Vicomte v. Cormenin, der erklärte Feind des Julius-Königthums und der Julius-Charte, der die Stimmen eines Parlaments hingerissen hat, das zur Erhaltung des Königthums und zur Vertheidigung der Charte gewählt ward – ein denkwürdiger Sieg, der wohl verdient, in das Erz einer Ehrenmedaille eingegraben zu werden! Wir hoffen indessen, daß man nicht vergessen wird, neben den eben jetzt von Hrn. v. Cormenin gepflückten Lorbeern das Vicomte's Krönlein anzubringen, das er in früherer Zeit (zur Zeit der Restauration) nachsuchte, und von der Dankbarkeit des Hrn. v. Peyronnet erhielt. ... Niemand kann bestreiten, daß bei Vorlegung des Dotationsentwurfs vor sechs Wochen, derselbe mit einem fast allgemeinen Wohlwollen aufgenommen ward. Der Beweis liegt darin, daß, als einige Tage später die Bureaux eine Commission zu ernennen hatten, fast durchaus nur Anhänger des Entwurfs gewählt wurden. In einem Bureau hielt sogar einer der hervorragenden Chefs der Linken (Odilon-Barrot) eine Rede, die für einen Beitritt gelten konnte; so sehr hatte sich der Redner bemüht, allen Meinungen zu schmeicheln, alle Empfindlichkeiten zu schonen. Allerdings soll er sich später klarer ausgedrückt haben, aber da fing schon der Wind an umzuschlagen. Er wehte nicht mehr von der Kammer, sondern von der Presse...“
Wie die Opposition urtheilt, davon mögen folgende kurze Stellen eine schwache Probe geben. „Das Land – sagt der National – verdankt dem gesunden Sinn und der Tugend der Massen, dem von den Bittstellern so rasch und energisch ausgesprochenen Wunsch, der Presse und Hrn. Cormenin insbesondere diesen Sieg der öffentlichen Moral über die Habgierde der Höflinge und die klägliche Schwäche der Minister vom 12 Mai. Es ist die große Stimme des Volks, welche, über schamlose Debatten sich erhebend, die Tribune zum Schweigen brachte, und das stillschweigende Verdict eines Monopolparlaments dictirte. Zweihundertsechsundzwanzig schwarze Kugeln gegen die Dotation, und nicht eine Rede dafür oder dagegen, dieß sind die Resultate der moralischen Intervention des Landes! Jetzt wäre es das größte Unglück, wenn die Nation bei diesem ersten Sieg ausruhen wollte. Noch einige Anstrengungen mehr, und bald wird für die Erfüllung der Versprechungen zweier Revolutionen nur noch die nöthige Wachsamkeit erforderlich seyn, um zu hindern, daß die freisinnigsten Institutionen das Werkzeug einer Classe oder einer Partei werden.“ – Die Gazette de France, die vor zehn Jahren unter ähnlichen Umständen wohl eine andere Sprache geführt haben würde, sagt: „Die Folgen dieser Maaßregel sind unermeßlich. Die Kammer hat der öffentlichen Meinung nachgegeben. Das Ministerium wird unter diesem Schlag erliegen, und die Wahlreform neue Fortschritte machen. Wenn die öffentliche Meinung bei einem Punkt Genugthuung erlangt hat, wird sie dieselbe auch bei andern Fragen erlangen; der Hof hat durch seine ewigen Geldfragen Alles compromittirt. Man sieht, daß jede Leidenschaft ihr Moskau findet.“
_ Paris, 22 Febr. Unter den Anhängern des Hofes herrscht großer Kummer. Man grämt sich nicht sowohl über die Verwerfung des Dotationsantrags, als über die Art und Weise wie er verworfen worden. Man kann sich nicht verhehlen, daß eine abschlägige Antwort in dieser Form der Regierung in der öffentlichen Meinung unermeßlichen Schaden bringen muß, und mehr als je haben Zweifel und Besorgniß über den Bestand der Dinge Platz gegriffen. Von der entgegengesetzten Seite wird der Sieg nach Möglichkeit ausgebeutet, insbesondere von den Legitimisten. Sie setzen allerlei Histörchen in Umlauf, zum Theil offenbar erfundene. So soll der Herzog von Nemours, als er durch die Zeitungen von der öffentlichen Stimmung Kenntniß bekommen, den Conseilpräsidenten ersucht haben, einer hohen Person zu erklären, daß er seinerseits von dem Antrag abzustehen wünsche, worauf dieselbe erklärt habe, es komme nicht darauf an, was der Herzog von Nemours wünsche oder nicht wünsche, es handle sich von Behauptung königlicher Prärogative. Man sehe – behaupten die Legitimisten – dem Herzog von Orleans den Schmerz an über die Politik, die nur dazu beitragen könne, seine künftige Lage zu erschweren. Die Republicaner rechnen darauf, daß es jetzt wieder an ein Pourparliren über die Minister-Composition gehen werde, daß darüber Monate verfließen würden, daß inzwischen in allen den großen Fragen, deren Lösung so dringend sey, nichts geschehen könne, daß alsdann gegen das Ende der Session hin plötzlich ein neues Ministerium zum Vorschein kommen werde, wo möglich noch unbedeutender und abhängiger als das abgetretene, und daß die noch übrige Zeit kaum noch zureichen werde, das Budget in aller Eile zu votiren. Ja sie hegen sogar geheime Hoffnung, daß das Dotationsgesetz nächstes Jahr wieder zum Vorschein komme. Ein Anzeichen davon sey der Umstand, daß man die Vermählung suspendire, denn an ein Aufgeben derselben sey wohl nicht zu denken. Dieses Verfahren, meinen sie, liege ganz im Geist des Systems. Auf diese Weise, hoffen sie, könne doch am Ende noch ihr Weizen zur Blüthe kommen. Verständige Politiker sehen ernst vor sich hin und in die Zukunft. Daß der Herzog von Broglie sich bei bewandten Umständen mit Ministerialaffairen befassen sollte, hält man für unwahrscheinlich; dazu sey er zu klug. Und im Fall auch er oder irgend Jemand anderer an die Spitze des Ministeriums träte, wie sollte ohne Auflösung der Kammer eine Majorität zu Stande kommen? und welche Bürgschaft hätte man für das günstige Ergebniß der Wahlen?
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