Allgemeine Zeitung. Nr. 59. Augsburg, 28. Februar 1840.auch den frömmsten Gläubigen an die freiwillige, republicanische Unterwerfung der Menschen unter das Gesetz zur Ueberzeugung führen, daß es sowohl in der bürgerlichen Gesellschaft als in der Menschheit überhaupt gewisse Kräfte gibt, welche nur durch Gewalt den höheren sittlichen Gesetzen unterworfen werden können, es sey nun die Regierungsform eine vom Volk selbst ausgegangene oder eine auf dasselbe bloß zurückwirkende. Es gibt aber auch noch eine andere Ansicht dieser Sache, und diese ist folgende: bei der stets wachsenden Erbitterung der beiden großen politischen Parteien, der aristokratischen und demokratischen - der Whigs und Locofocos, wie man sie zuletzt getauft hat - und der Unmöglichkeit, ihnen durch eine höhere, über beide gestellte Macht Ehrfurcht und Stillstand zu gebieten, ist es zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, so wie zur Erhaltung des Ganzen unumgänglich nöthig, daß die Partei, die am Ruder steht, das heißt die, welche an den Stimmkästen den Sieg davon getragen hat, ihren Widersachern auch in denjenigen Staaten und Orten, wo sie absolut in der Minorität sich befindet, die Spitze bieten könne. Dieß ist aber rein unmöglich, so lange das stehende Heer (circa 12,000 Mann) klein und an den Gränzen der Union in elenden, unter sich nicht einmal zusammenhängenden Forts vertheilt, die Miliz aber von selbstgewählten Officieren und den Gouverneurs der respectiven Staaten befehligt ist. Es ist also klar, daß, um unangenehmen Auftritten oder gar einem Bürgerkrieg vorzubeugen, oder auch, um der obsiegenden Partei die Mittel ihres Fortbestandes zu verschaffen, die Organisation der absoluten Macht von oben, das heißt von der höchsten Centralgewalt ausgehen muß, und daß ohne diese wichtige Aenderung an ein Zusammenwirken aller Staatskräfte zu einem gemeinschaftlichen Zweck gar nicht zu denken ist. Nun ist es aber auch klar, daß nur, so lange die demokratische Partei am Ruder steht, eine freiwillige Uebergabe der den einzelnen Staaten zustehenden Privilegien an die Centralregierung denkbar ist, denn nur die demokratische Partei kann hoffen dadurch Vortheile zu erlangen, die ihr unter dem gegenwärtigen System der Nationalvertheidigung entgehen, oder hiedurch einen Einfluß auf die höheren Staatsangelegenheiten zu gewinnen, dessen sie sich jetzt, trotz ihrer Zahl, beraubt sieht. Hat nämlich jetzt schon die demokratische Partei den Vortheil der besseren Organisation und, ich möchte sagen, der Disciplin vor der aristokratischen hier voraus, so wird sie im Besitz der absoluten Macht, und an eine militärische Zucht gewöhnt, erst vollkommen unüberwindlich; denn es ist einmal eine ausgemachte Sache, daß sich die Geldaristokratie des 19ten Jahrhunderts von dem Ritterthum des Mittelalters hauptsächlich dadurch unterscheidet, daß sie zu den größten Staatszwecken höchstens nur die Mittel, keineswegs aber sich selbst hergibt; bei den Demokraten verhält sich dieses umgekehrt, und es ist daher nicht Anders zu erwarten, als daß die vorgeschlagene Nationalbewaffnung aus rein demokratischen Elementen bestehen, und auch so bleiben wird, bis sie sich im Laufe der Zeit und durch die Begebenheiten der fortlaufenden Geschichte zu einem mehr zusammengesetzten Wesen organisiren muß. Amerika ist einmal durch seine Entstehung auf die synthetische Methode angewiesen, während Frankreich, England u. dergl. das analytische Verfahren zu ergreifen gezwungen sind. Nun aber ist die reine Geldaristokratie hier wie anderwärts durchaus keiner Disciplin fähig: sie ist beständig, je nach ihren verschiedenen Interessen, unter sich getheilt, kann daher keinen großen Zweck verfolgen, sondern ist vielmehr selbst Zweck und letzte Aufgabe ihrer Bestrebungen. Sie taugt daher außer für sich selbst zu gar nichts Anderm, steht aus Mangel aller historischen Verknüpfungen mit der Vergangenheit von der übrigen Menschheit gänzlich isolirt da, und repräsentirt keine auch noch so unbedeutenden Interessen der letzteren, wodurch es ihr möglich wäre die Massen zu ihren Gunsten zu inspiriren. Ganz anders verhält es sich mit der Demokratie. Diese war leider von jeher nur das Mittel zum Zwecke Anderer, zu dem sie sich willig hingab im vollsten Vertrauen auf ihre Führer und mit kindlichem Glauben an die Menschheit. Es ist daher mit ihr auch mehr anzufangen, und darum haben sich auch von jeher alle guten Köpfe an sie angeschlossen, obgleich ihre Absicht dabei selten eine reine gewesen. Indessen liegt in unseren Institutionen und in dem Geist der Zeit eine in der Geschichte noch unbekannte Kraft, deren Entwicklung vielleicht alle Hindernisse besiegt, die sich ihr im Laufe der Begebenheiten immer wieder von neuem entgegen zu stellen scheinen. (Beschluß folgt.) Brasilien. Rio Janeiro, 20 Dec. Der 2 Dec., des Kaisers Geburtstag, ist auch dieß Jahr mit den gewöhnlichen Festlichkeiten begangen worden. Die Regierung scheint dabei die ganz richtige Tendenz zu befolgen, indem sie diesen Tag mit immer größerem Glanze umgibt, die Nation wieder mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß sie einen Kaiser hat. Nach der Abdication Dom Pedro's hob der Republicanismus und Föderalismus überall sein Haupt empor; ob der schwächliche, fünfjährige Knabe, der einsam im Schlosse von S. Christoph erzogen wurde, jemals zum Manne heranwachsen würde, war durchaus zweifelhaft, und bei der damaligen Aufregung der Gemüther, bei dem Charakter südamerikanischer Republicaner, kann man vielleicht sagen, daß dieser Zweifel das Leben des jungen Kaisers gerettet hat. Jedenfalls hatte man so viel Zeit vor sich, daß es gerathener schien, diese zu nutzen und die Sorge, wie man etwanigen Ansprüchen des Kaisers zu begegnen habe, der Zukunft zu überlassen. Indessen hat das Land Gelegenheit genug gehabt, durch Schaden klug zu werden und einzusehen, wie heilsam es ist, in der Person des Monarchen den verderblichen Kämpfen individueller und provincieller Leidenschaften und Interessen ein Ziel zu setzen. Es ist gar nicht daran zu zweifeln, daß die Freude darüber, daß die vormundschaftliche Regierung zu Ende geht, ehrlich und aufrichtig gemeint ist. Dieses Jahr wurde die frohe Stimmung besonders durch die zwei Tage vorher eingetroffenen Nachrichten aus Sta. Katharina erhöht. Rio ist der Mittelpunkt des Handels dieser südlichen Provinzen; viele der reichsten hiesigen Kaufleute haben ihr Vermögen in Rio-Grande, Sta. Katharina und S. Paulo, und so waren sie durch das Umsichgreifen der Insurrection persönlich berührt; auch hatte sich schon in Laguna ein Piratennest gebildet, welches anfing, den Küstenhandel zu beunruhigen und zu stören. Darum war die Freude allgemein, als man vernahm, am 15 Nov. sey Laguna eingenommen und die Piraten-Flottille zerstört worden. Lages hatte sich an demselben Tage unterworfen, und somit ist die Provinz Sta. Katharina gerettet und der Marschall Andrea, der sich um Para so verdient machte, hat abermals seine Feinde aufs rühmlichste beschämt. Wahrscheinlich aber wird es dabei nicht bleiben; seine Mitwirkung an der Nordgränze von Rio-Grande wird von entscheidendem Einflusse seyn. Eine nicht unbedeutende Colonne, die der Brigadier Cunha aus S. Paulo herbeigeführt hat, ist durch die Einnahme Laguna's disponibel geworden, und wird gleichfalls von Norden her gegen die Farrapos agiren, so daß die so oft getäuschte Hoffnung auf einen auch den frömmsten Gläubigen an die freiwillige, republicanische Unterwerfung der Menschen unter das Gesetz zur Ueberzeugung führen, daß es sowohl in der bürgerlichen Gesellschaft als in der Menschheit überhaupt gewisse Kräfte gibt, welche nur durch Gewalt den höheren sittlichen Gesetzen unterworfen werden können, es sey nun die Regierungsform eine vom Volk selbst ausgegangene oder eine auf dasselbe bloß zurückwirkende. Es gibt aber auch noch eine andere Ansicht dieser Sache, und diese ist folgende: bei der stets wachsenden Erbitterung der beiden großen politischen Parteien, der aristokratischen und demokratischen – der Whigs und Locofocos, wie man sie zuletzt getauft hat – und der Unmöglichkeit, ihnen durch eine höhere, über beide gestellte Macht Ehrfurcht und Stillstand zu gebieten, ist es zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, so wie zur Erhaltung des Ganzen unumgänglich nöthig, daß die Partei, die am Ruder steht, das heißt die, welche an den Stimmkästen den Sieg davon getragen hat, ihren Widersachern auch in denjenigen Staaten und Orten, wo sie absolut in der Minorität sich befindet, die Spitze bieten könne. Dieß ist aber rein unmöglich, so lange das stehende Heer (circa 12,000 Mann) klein und an den Gränzen der Union in elenden, unter sich nicht einmal zusammenhängenden Forts vertheilt, die Miliz aber von selbstgewählten Officieren und den Gouverneurs der respectiven Staaten befehligt ist. Es ist also klar, daß, um unangenehmen Auftritten oder gar einem Bürgerkrieg vorzubeugen, oder auch, um der obsiegenden Partei die Mittel ihres Fortbestandes zu verschaffen, die Organisation der absoluten Macht von oben, das heißt von der höchsten Centralgewalt ausgehen muß, und daß ohne diese wichtige Aenderung an ein Zusammenwirken aller Staatskräfte zu einem gemeinschaftlichen Zweck gar nicht zu denken ist. Nun ist es aber auch klar, daß nur, so lange die demokratische Partei am Ruder steht, eine freiwillige Uebergabe der den einzelnen Staaten zustehenden Privilegien an die Centralregierung denkbar ist, denn nur die demokratische Partei kann hoffen dadurch Vortheile zu erlangen, die ihr unter dem gegenwärtigen System der Nationalvertheidigung entgehen, oder hiedurch einen Einfluß auf die höheren Staatsangelegenheiten zu gewinnen, dessen sie sich jetzt, trotz ihrer Zahl, beraubt sieht. Hat nämlich jetzt schon die demokratische Partei den Vortheil der besseren Organisation und, ich möchte sagen, der Disciplin vor der aristokratischen hier voraus, so wird sie im Besitz der absoluten Macht, und an eine militärische Zucht gewöhnt, erst vollkommen unüberwindlich; denn es ist einmal eine ausgemachte Sache, daß sich die Geldaristokratie des 19ten Jahrhunderts von dem Ritterthum des Mittelalters hauptsächlich dadurch unterscheidet, daß sie zu den größten Staatszwecken höchstens nur die Mittel, keineswegs aber sich selbst hergibt; bei den Demokraten verhält sich dieses umgekehrt, und es ist daher nicht Anders zu erwarten, als daß die vorgeschlagene Nationalbewaffnung aus rein demokratischen Elementen bestehen, und auch so bleiben wird, bis sie sich im Laufe der Zeit und durch die Begebenheiten der fortlaufenden Geschichte zu einem mehr zusammengesetzten Wesen organisiren muß. Amerika ist einmal durch seine Entstehung auf die synthetische Methode angewiesen, während Frankreich, England u. dergl. das analytische Verfahren zu ergreifen gezwungen sind. Nun aber ist die reine Geldaristokratie hier wie anderwärts durchaus keiner Disciplin fähig: sie ist beständig, je nach ihren verschiedenen Interessen, unter sich getheilt, kann daher keinen großen Zweck verfolgen, sondern ist vielmehr selbst Zweck und letzte Aufgabe ihrer Bestrebungen. Sie taugt daher außer für sich selbst zu gar nichts Anderm, steht aus Mangel aller historischen Verknüpfungen mit der Vergangenheit von der übrigen Menschheit gänzlich isolirt da, und repräsentirt keine auch noch so unbedeutenden Interessen der letzteren, wodurch es ihr möglich wäre die Massen zu ihren Gunsten zu inspiriren. Ganz anders verhält es sich mit der Demokratie. Diese war leider von jeher nur das Mittel zum Zwecke Anderer, zu dem sie sich willig hingab im vollsten Vertrauen auf ihre Führer und mit kindlichem Glauben an die Menschheit. Es ist daher mit ihr auch mehr anzufangen, und darum haben sich auch von jeher alle guten Köpfe an sie angeschlossen, obgleich ihre Absicht dabei selten eine reine gewesen. Indessen liegt in unseren Institutionen und in dem Geist der Zeit eine in der Geschichte noch unbekannte Kraft, deren Entwicklung vielleicht alle Hindernisse besiegt, die sich ihr im Laufe der Begebenheiten immer wieder von neuem entgegen zu stellen scheinen. (Beschluß folgt.) Brasilien. Rio Janeiro, 20 Dec. Der 2 Dec., des Kaisers Geburtstag, ist auch dieß Jahr mit den gewöhnlichen Festlichkeiten begangen worden. Die Regierung scheint dabei die ganz richtige Tendenz zu befolgen, indem sie diesen Tag mit immer größerem Glanze umgibt, die Nation wieder mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß sie einen Kaiser hat. Nach der Abdication Dom Pedro's hob der Republicanismus und Föderalismus überall sein Haupt empor; ob der schwächliche, fünfjährige Knabe, der einsam im Schlosse von S. Christoph erzogen wurde, jemals zum Manne heranwachsen würde, war durchaus zweifelhaft, und bei der damaligen Aufregung der Gemüther, bei dem Charakter südamerikanischer Republicaner, kann man vielleicht sagen, daß dieser Zweifel das Leben des jungen Kaisers gerettet hat. Jedenfalls hatte man so viel Zeit vor sich, daß es gerathener schien, diese zu nutzen und die Sorge, wie man etwanigen Ansprüchen des Kaisers zu begegnen habe, der Zukunft zu überlassen. Indessen hat das Land Gelegenheit genug gehabt, durch Schaden klug zu werden und einzusehen, wie heilsam es ist, in der Person des Monarchen den verderblichen Kämpfen individueller und provincieller Leidenschaften und Interessen ein Ziel zu setzen. Es ist gar nicht daran zu zweifeln, daß die Freude darüber, daß die vormundschaftliche Regierung zu Ende geht, ehrlich und aufrichtig gemeint ist. Dieses Jahr wurde die frohe Stimmung besonders durch die zwei Tage vorher eingetroffenen Nachrichten aus Sta. Katharina erhöht. Rio ist der Mittelpunkt des Handels dieser südlichen Provinzen; viele der reichsten hiesigen Kaufleute haben ihr Vermögen in Rio-Grande, Sta. Katharina und S. Paulo, und so waren sie durch das Umsichgreifen der Insurrection persönlich berührt; auch hatte sich schon in Laguna ein Piratennest gebildet, welches anfing, den Küstenhandel zu beunruhigen und zu stören. Darum war die Freude allgemein, als man vernahm, am 15 Nov. sey Laguna eingenommen und die Piraten-Flottille zerstört worden. Lages hatte sich an demselben Tage unterworfen, und somit ist die Provinz Sta. Katharina gerettet und der Marschall Andrea, der sich um Para so verdient machte, hat abermals seine Feinde aufs rühmlichste beschämt. Wahrscheinlich aber wird es dabei nicht bleiben; seine Mitwirkung an der Nordgränze von Rio-Grande wird von entscheidendem Einflusse seyn. Eine nicht unbedeutende Colonne, die der Brigadier Cunha aus S. Paulo herbeigeführt hat, ist durch die Einnahme Laguna's disponibel geworden, und wird gleichfalls von Norden her gegen die Farrapos agiren, so daß die so oft getäuschte Hoffnung auf einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0013" n="0469"/> auch den frömmsten Gläubigen an die freiwillige, republicanische Unterwerfung der Menschen unter das Gesetz zur Ueberzeugung führen, daß es sowohl in der bürgerlichen Gesellschaft als in der Menschheit überhaupt gewisse Kräfte gibt, welche nur durch Gewalt den höheren sittlichen Gesetzen unterworfen werden können, es sey nun die Regierungsform eine vom Volk selbst ausgegangene oder eine auf dasselbe bloß zurückwirkende. Es gibt aber auch noch eine andere Ansicht dieser Sache, und diese ist folgende: bei der stets wachsenden Erbitterung der beiden großen politischen Parteien, der aristokratischen und demokratischen – der Whigs und Locofocos, wie man sie zuletzt getauft hat – und der Unmöglichkeit, ihnen durch eine höhere, über beide gestellte Macht Ehrfurcht und Stillstand zu gebieten, ist es zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, so wie zur Erhaltung des Ganzen unumgänglich nöthig, daß die Partei, die am Ruder steht, das heißt die, welche an den Stimmkästen den Sieg davon getragen hat, ihren Widersachern auch in denjenigen Staaten und Orten, wo sie absolut in der <hi rendition="#g">Minorität</hi> sich befindet, die Spitze bieten könne. 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Hat nämlich jetzt schon die demokratische Partei den Vortheil der besseren Organisation und, ich möchte sagen, der <hi rendition="#g">Disciplin</hi> vor der aristokratischen hier voraus, so wird sie im Besitz der absoluten Macht, und an eine militärische Zucht gewöhnt, erst vollkommen unüberwindlich; denn es ist einmal eine ausgemachte Sache, daß sich die Geldaristokratie des 19ten Jahrhunderts von dem Ritterthum des Mittelalters hauptsächlich dadurch unterscheidet, daß sie zu den größten Staatszwecken höchstens nur die Mittel, keineswegs aber sich selbst hergibt; bei den Demokraten verhält sich dieses umgekehrt, und es ist daher nicht Anders zu erwarten, als daß die vorgeschlagene Nationalbewaffnung aus rein demokratischen Elementen bestehen, und auch so bleiben wird, bis sie sich im Laufe der Zeit und durch die Begebenheiten der fortlaufenden Geschichte zu einem mehr zusammengesetzten Wesen organisiren muß. Amerika ist einmal durch seine Entstehung auf die synthetische Methode angewiesen, während Frankreich, England u. dergl. das analytische Verfahren zu ergreifen gezwungen sind. Nun aber ist die reine Geldaristokratie hier wie anderwärts durchaus keiner Disciplin fähig: sie ist beständig, je nach ihren verschiedenen Interessen, unter sich getheilt, kann daher keinen großen Zweck verfolgen, sondern ist vielmehr selbst Zweck und letzte Aufgabe ihrer Bestrebungen. Sie taugt daher außer für sich selbst zu gar nichts Anderm, steht aus Mangel aller historischen Verknüpfungen mit der Vergangenheit von der übrigen Menschheit gänzlich isolirt da, und repräsentirt keine auch noch so unbedeutenden Interessen der letzteren, wodurch es ihr möglich wäre die Massen zu ihren Gunsten zu inspiriren. Ganz anders verhält es sich mit der Demokratie. 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Nach der Abdication Dom Pedro's hob der Republicanismus und Föderalismus überall sein Haupt empor; ob der schwächliche, fünfjährige Knabe, der einsam im Schlosse von S. Christoph erzogen wurde, jemals zum Manne heranwachsen würde, war durchaus zweifelhaft, und bei der damaligen Aufregung der Gemüther, bei dem Charakter südamerikanischer Republicaner, kann man vielleicht sagen, daß dieser Zweifel das Leben des jungen Kaisers gerettet hat. Jedenfalls hatte man so viel Zeit vor sich, daß es gerathener schien, diese zu nutzen und die Sorge, wie man etwanigen Ansprüchen des Kaisers zu begegnen habe, der Zukunft zu überlassen. Indessen hat das Land Gelegenheit genug gehabt, durch Schaden klug zu werden und einzusehen, wie heilsam es ist, in der Person des Monarchen den verderblichen Kämpfen individueller und provincieller Leidenschaften und Interessen ein Ziel zu setzen. Es ist gar nicht daran zu zweifeln, daß die Freude darüber, daß die vormundschaftliche Regierung zu Ende geht, ehrlich und aufrichtig gemeint ist. Dieses Jahr wurde die frohe Stimmung besonders durch die zwei Tage vorher eingetroffenen Nachrichten aus Sta. Katharina erhöht. Rio ist der Mittelpunkt des Handels dieser südlichen Provinzen; viele der reichsten hiesigen Kaufleute haben ihr Vermögen in Rio-Grande, Sta. Katharina und S. Paulo, und so waren sie durch das Umsichgreifen der Insurrection persönlich berührt; auch hatte sich schon in Laguna ein Piratennest gebildet, welches anfing, den Küstenhandel zu beunruhigen und zu stören. Darum war die Freude allgemein, als man vernahm, am 15 Nov. sey Laguna eingenommen und die Piraten-Flottille zerstört worden. Lages hatte sich an demselben Tage unterworfen, und somit ist die Provinz Sta. Katharina gerettet und der Marschall Andrea, der sich um Para so verdient machte, hat abermals seine Feinde aufs rühmlichste beschämt. Wahrscheinlich aber wird es dabei nicht bleiben; seine Mitwirkung an der Nordgränze von Rio-Grande wird von entscheidendem Einflusse seyn. Eine nicht unbedeutende Colonne, die der Brigadier Cunha aus S. Paulo herbeigeführt hat, ist durch die Einnahme Laguna's disponibel geworden, und wird gleichfalls von Norden her gegen die Farrapos agiren, so daß die so oft getäuschte Hoffnung auf einen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0469/0013]
auch den frömmsten Gläubigen an die freiwillige, republicanische Unterwerfung der Menschen unter das Gesetz zur Ueberzeugung führen, daß es sowohl in der bürgerlichen Gesellschaft als in der Menschheit überhaupt gewisse Kräfte gibt, welche nur durch Gewalt den höheren sittlichen Gesetzen unterworfen werden können, es sey nun die Regierungsform eine vom Volk selbst ausgegangene oder eine auf dasselbe bloß zurückwirkende. Es gibt aber auch noch eine andere Ansicht dieser Sache, und diese ist folgende: bei der stets wachsenden Erbitterung der beiden großen politischen Parteien, der aristokratischen und demokratischen – der Whigs und Locofocos, wie man sie zuletzt getauft hat – und der Unmöglichkeit, ihnen durch eine höhere, über beide gestellte Macht Ehrfurcht und Stillstand zu gebieten, ist es zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, so wie zur Erhaltung des Ganzen unumgänglich nöthig, daß die Partei, die am Ruder steht, das heißt die, welche an den Stimmkästen den Sieg davon getragen hat, ihren Widersachern auch in denjenigen Staaten und Orten, wo sie absolut in der Minorität sich befindet, die Spitze bieten könne. Dieß ist aber rein unmöglich, so lange das stehende Heer (circa 12,000 Mann) klein und an den Gränzen der Union in elenden, unter sich nicht einmal zusammenhängenden Forts vertheilt, die Miliz aber von selbstgewählten Officieren und den Gouverneurs der respectiven Staaten befehligt ist. Es ist also klar, daß, um unangenehmen Auftritten oder gar einem Bürgerkrieg vorzubeugen, oder auch, um der obsiegenden Partei die Mittel ihres Fortbestandes zu verschaffen, die Organisation der absoluten Macht von oben, das heißt von der höchsten Centralgewalt ausgehen muß, und daß ohne diese wichtige Aenderung an ein Zusammenwirken aller Staatskräfte zu einem gemeinschaftlichen Zweck gar nicht zu denken ist. Nun ist es aber auch klar, daß nur, so lange die demokratische Partei am Ruder steht, eine freiwillige Uebergabe der den einzelnen Staaten zustehenden Privilegien an die Centralregierung denkbar ist, denn nur die demokratische Partei kann hoffen dadurch Vortheile zu erlangen, die ihr unter dem gegenwärtigen System der Nationalvertheidigung entgehen, oder hiedurch einen Einfluß auf die höheren Staatsangelegenheiten zu gewinnen, dessen sie sich jetzt, trotz ihrer Zahl, beraubt sieht. Hat nämlich jetzt schon die demokratische Partei den Vortheil der besseren Organisation und, ich möchte sagen, der Disciplin vor der aristokratischen hier voraus, so wird sie im Besitz der absoluten Macht, und an eine militärische Zucht gewöhnt, erst vollkommen unüberwindlich; denn es ist einmal eine ausgemachte Sache, daß sich die Geldaristokratie des 19ten Jahrhunderts von dem Ritterthum des Mittelalters hauptsächlich dadurch unterscheidet, daß sie zu den größten Staatszwecken höchstens nur die Mittel, keineswegs aber sich selbst hergibt; bei den Demokraten verhält sich dieses umgekehrt, und es ist daher nicht Anders zu erwarten, als daß die vorgeschlagene Nationalbewaffnung aus rein demokratischen Elementen bestehen, und auch so bleiben wird, bis sie sich im Laufe der Zeit und durch die Begebenheiten der fortlaufenden Geschichte zu einem mehr zusammengesetzten Wesen organisiren muß. Amerika ist einmal durch seine Entstehung auf die synthetische Methode angewiesen, während Frankreich, England u. dergl. das analytische Verfahren zu ergreifen gezwungen sind. Nun aber ist die reine Geldaristokratie hier wie anderwärts durchaus keiner Disciplin fähig: sie ist beständig, je nach ihren verschiedenen Interessen, unter sich getheilt, kann daher keinen großen Zweck verfolgen, sondern ist vielmehr selbst Zweck und letzte Aufgabe ihrer Bestrebungen. Sie taugt daher außer für sich selbst zu gar nichts Anderm, steht aus Mangel aller historischen Verknüpfungen mit der Vergangenheit von der übrigen Menschheit gänzlich isolirt da, und repräsentirt keine auch noch so unbedeutenden Interessen der letzteren, wodurch es ihr möglich wäre die Massen zu ihren Gunsten zu inspiriren. Ganz anders verhält es sich mit der Demokratie. Diese war leider von jeher nur das Mittel zum Zwecke Anderer, zu dem sie sich willig hingab im vollsten Vertrauen auf ihre Führer und mit kindlichem Glauben an die Menschheit. Es ist daher mit ihr auch mehr anzufangen, und darum haben sich auch von jeher alle guten Köpfe an sie angeschlossen, obgleich ihre Absicht dabei selten eine reine gewesen. Indessen liegt in unseren Institutionen und in dem Geist der Zeit eine in der Geschichte noch unbekannte Kraft, deren Entwicklung vielleicht alle Hindernisse besiegt, die sich ihr im Laufe der Begebenheiten immer wieder von neuem entgegen zu stellen scheinen.
(Beschluß folgt.)
Brasilien.
_ Rio Janeiro, 20 Dec. Der 2 Dec., des Kaisers Geburtstag, ist auch dieß Jahr mit den gewöhnlichen Festlichkeiten begangen worden. Die Regierung scheint dabei die ganz richtige Tendenz zu befolgen, indem sie diesen Tag mit immer größerem Glanze umgibt, die Nation wieder mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß sie einen Kaiser hat. Nach der Abdication Dom Pedro's hob der Republicanismus und Föderalismus überall sein Haupt empor; ob der schwächliche, fünfjährige Knabe, der einsam im Schlosse von S. Christoph erzogen wurde, jemals zum Manne heranwachsen würde, war durchaus zweifelhaft, und bei der damaligen Aufregung der Gemüther, bei dem Charakter südamerikanischer Republicaner, kann man vielleicht sagen, daß dieser Zweifel das Leben des jungen Kaisers gerettet hat. Jedenfalls hatte man so viel Zeit vor sich, daß es gerathener schien, diese zu nutzen und die Sorge, wie man etwanigen Ansprüchen des Kaisers zu begegnen habe, der Zukunft zu überlassen. Indessen hat das Land Gelegenheit genug gehabt, durch Schaden klug zu werden und einzusehen, wie heilsam es ist, in der Person des Monarchen den verderblichen Kämpfen individueller und provincieller Leidenschaften und Interessen ein Ziel zu setzen. Es ist gar nicht daran zu zweifeln, daß die Freude darüber, daß die vormundschaftliche Regierung zu Ende geht, ehrlich und aufrichtig gemeint ist. Dieses Jahr wurde die frohe Stimmung besonders durch die zwei Tage vorher eingetroffenen Nachrichten aus Sta. Katharina erhöht. Rio ist der Mittelpunkt des Handels dieser südlichen Provinzen; viele der reichsten hiesigen Kaufleute haben ihr Vermögen in Rio-Grande, Sta. Katharina und S. Paulo, und so waren sie durch das Umsichgreifen der Insurrection persönlich berührt; auch hatte sich schon in Laguna ein Piratennest gebildet, welches anfing, den Küstenhandel zu beunruhigen und zu stören. Darum war die Freude allgemein, als man vernahm, am 15 Nov. sey Laguna eingenommen und die Piraten-Flottille zerstört worden. Lages hatte sich an demselben Tage unterworfen, und somit ist die Provinz Sta. Katharina gerettet und der Marschall Andrea, der sich um Para so verdient machte, hat abermals seine Feinde aufs rühmlichste beschämt. Wahrscheinlich aber wird es dabei nicht bleiben; seine Mitwirkung an der Nordgränze von Rio-Grande wird von entscheidendem Einflusse seyn. Eine nicht unbedeutende Colonne, die der Brigadier Cunha aus S. Paulo herbeigeführt hat, ist durch die Einnahme Laguna's disponibel geworden, und wird gleichfalls von Norden her gegen die Farrapos agiren, so daß die so oft getäuschte Hoffnung auf einen
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