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Allgemeine Zeitung. Nr. 62. Augsburg, 2. März 1840.

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sind, dürften beitragen, die Aufmerksamkeit des Reisenden, neu- und wißbegierigen Publicums mehr und mehr auf das eigenthümlich gestaltete, mit keinem andern Lande Europa's zu vergleichende Tirol zu lenken. Was mir ein längerer Aufenthalt im Lande und ein nicht unfreier Blick in das Leben und die Gesittung seines Volks darüber zu sagen erlaubt, soll möglichst getreu und lebendig wiedergegeben werden, um obigen Zweck zu erfüllen.

Großbritannien.

Zur Ergänzung der Unterhausdebatten vom 21 Febr. über das Marinebudget lassen wir hier einen größeren Auszug aus Sir R. Peels Rede und von Lord Palmerstons Antwort darauf folgen. Sir Robert, der sich in neuerer Zeit überhaupt mehr, als in früheren Jahren, auch mit der auswärtigen Politik zu befassen scheint, erklärte: "Ich nehme nicht den mindesten Anstand, für den vollen Betrag der Voranschläge zu stimmen, denn ich kann der Meinung eines ehrenwerthen Herrn gegenüber, des großen und consequenten Schutzredners der Sparsamkeit in diesem Hause, nicht beitreten, daß der Friedensetat unserer Marine mit der Vergrößerung oder Verminderung der Kriegsflotten anderer Staaten nichts zu thun habe. Die Anstrengungen anderer Seemächte können unmöglich unberücksichtigt bleiben. Während scheinbar tiefer Friede herrscht, kann die allmähliche Verstärkung der Seemacht eines Nachbarlandes auf Feindseligkeit gegen uns deuten. (Hört!) Schon die ohne eine augenfällige Nothwendigkeit gemachten Anstrengungen eines Staats, sich den Grund zu einer großen Seemacht zu legen, können diesem Staat eine Lockung werden, wenn er sich erst seinem Nachbar überlegen sieht, irgend einen gelegenen Moment zur Offensive zu benützen, und an Anlässen zu Streit und Krieg, wenn man sie finden will, hat es in den Verhältnissen der europäischen Mächte zu einander leider noch niemals gefehlt, wie sie auch jetzt nicht fehlen würden. (Hört!) Lassen wir andern Staaten ihre Flotten vergrößern, während wir selbst die unsrigen vermindern oder auf ihrem status quo belassen, so werden wir, weit entfernt, die ächte Sparsamkeit im Staatshaushalt zu üben, nur die Sicherheit unseres Vaterlands untergraben, und dann auf einmal uns zu weit größern Ausgaben genöthigt sehen, als die wir anfangs vermeiden wollten. (Hört!) Indeß während ehrenw. Herren auf dieser Seite des Hauses unsern Marine-Etat nicht zureichend finden, das ökonomische Mitglied für Kilkenny aber sich darüber beklagt, daß man mitten im Frieden die Flotte auf den Kriegsfuß setzen wolle, tritt der edle Viscount (Palmerston) auf und erkennt in dem Widerspruch dieser beiden Behauptungen den klaren Beweis, daß Ihrer Maj. Regierung den glücklichen Mittelweg eingehalten habe - medium tenuere beati. Ich glaube, diese contradictorischen Sätze können ganz füglich neben einander bestehen. Europa kann, allem äußern Aussehen nach, sich in völligem Frieden befinden, Ihre Maj. mag von allen fremden Mächten eine Freundschaftsversicherung um die andere erhalten, - das mag alles seyn, und doch kann der Friedens-Kriegsetat unserer Seemacht dem Einen zu kriegerisch und dem Andern zu friedlich erscheinen. Auch nach meinem Dafürhalten war es großentheils die von Ihrer Maj. Regierung befolgte auswärtige Politik, die das Land in seine jetzige etwas unbestimmte Lage versetzt hat. (Hört!) Indeß der edle Lord hat uns die glücklichen Erfolge seiner Politik gerühmt. Es ist diese ein sehr glückliches Postulat, dessen Richtigkeit mir aber ganz und gar nicht einleuchtet. (Hört!) Seit fünfundzwanzig Jahren haben wir in Europa Frieden. Welche Fortschritte sind in diesem Vierteljahrhundert zur Verminderung der Staatslasten gemacht worden? Die Erfolge unserer auswärtigen Politik hätten in einem solchen Vertrauen, das wir bei den auswärtigen Mächten zu uns erregt, in einem so verwaltenden Einfluß unserer Vermittlung und unseres Beispiels sich kundgeben sollen, daß als Folge davon alle Mächte Europa's ihre Rüstungen eingestellt oder vermindert hätten, und daß wir jetzt die segensreichen Früchte innerer Ruhe und eine reiche Ernte des Handels und Gewerbefleißes genössen. (Hört!) Haben die Erfolge unserer auswärtigen Politik sich durch eine Verminderung unseres eigenen Militäretats erwiesen? Im Gegentheil, derselbe ist vergrößert worden. Ist der Zustand unserer Finanzen von der Art, daß wir uns dazu Glück wünschen dürfen? Seit vier Jahren haben wir ein regelmäßiges Deficit, und zwar hauptsächlich durch die Vermehrung unserer Militäretats. (Hört!) Doch prüfen wir die gerühmte Politik des edeln Lords etwas im Einzelnen. Ein Erfolg, auf welchen, wie ich vermuthe, der edle Lord besonderes Gewicht legt, ist der der Quadrupelallianz - des Vertrags, der, als ein Gegengewicht wider die Diplomatie der nordöstlichen Mächte, ein Band dauernder Freundschaft zwischen den vier westlichen Staaten Europa's knüpfen sollte. Der edle Lord hatte prophezeit, zwischen diesen durch constitutionelle und liberale Sympathien vereinigten vier Staaten - England, Frankreich, Spanien und Portugal - werde nichts die glückliche Harmonie stören können, Englands Einfluß in der Halbinsel werde auf einer treuesten Basis begründet werden u. s. w. Blicken wir zuerst nach Portugal. Wie steht es dort mit dem Einfluß der "erfolgreichen" Politik Sr. Lordschaft? Die parlamentarischen Geschäfte des heutigen Abends begannen mit der Vorlegung einer Petition durch meinen edlen Freund, das Mitglied für Liverpool (Lord Sandon), worin Beschwerde darüber geführt wird, daß Portugal die gerechten Forderungen brittischer Unterthanen mit empörender Gleichgültigkeit behandelt und diese Ungerechtigkeit noch mit Beleidigungen aller Art begleitet habe. Hat der edle Lord dieser Beschwerde widersprochen? Keineswegs. Er antwortete vielmehr, er pflichte fast jedem Worte der Petition bei, das Benehmen Portugals - der von England unter Abweichung von der Regel der Nichtintervention eingesetzten (Gelächter) und mit drei brittischen Linienschiffen im Tajo beschützten portugiesischen Regierung (Hört!) - sey in der Petition ganz richtig geschildert. Zugleich gestand aber der edle Lord, sein Einfluß sey seit 5 Jahren in Portugal so gering, daß er nicht im Stande gewesen, die Befriedigung der gerechten Ansprüche brittischer Unterthanen zu erlangen, denen ähnliche das kleine Belgien für seine Unterthanen (nämlich vormalige Freiwillige in Dom Pedro's Diensten) befriedigt erhielt. (Hört!) So viel in Bezug auf Privatansprüche. Was aber hat uns der edle Lord in voriger Session über das Benehmen Portugals hinsichtlich des Sklavenhandels gesagt - Portugals, dieses unsers alten Alliirten, dessen Königin ihren Thron nur einem Aufgeben des englischen Princips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten verdankt? Der edle Lord erklärte, wenn je Treu' und Glauben schreiend verletzt worden sey, so habe Portugal einen solchen Treubruch gegen England begangen, das ihm für Abstellung seines Sklavenhandels eine halbe Million Pf. St. bezahlt habe. Und der edle Lord verlangte vom Parlament die Annahme einer Bill, die ihn ermächtigte, von Portugal das seinen Remonstrationen Verweigerte durch Gewalt zu erzwingen. Da haben Sie also die Erfolge, welche die Politik des edlen Lords bei einer von den Mächten der Quadrupelallianz errungen! (Hört!) An Portugal gränzt Spanien an. (Hört!) In den Zeitungen findet sich eine Correspondenz aus der Havannah,

sind, dürften beitragen, die Aufmerksamkeit des Reisenden, neu- und wißbegierigen Publicums mehr und mehr auf das eigenthümlich gestaltete, mit keinem andern Lande Europa's zu vergleichende Tirol zu lenken. Was mir ein längerer Aufenthalt im Lande und ein nicht unfreier Blick in das Leben und die Gesittung seines Volks darüber zu sagen erlaubt, soll möglichst getreu und lebendig wiedergegeben werden, um obigen Zweck zu erfüllen.

Großbritannien.

Zur Ergänzung der Unterhausdebatten vom 21 Febr. über das Marinebudget lassen wir hier einen größeren Auszug aus Sir R. Peels Rede und von Lord Palmerstons Antwort darauf folgen. Sir Robert, der sich in neuerer Zeit überhaupt mehr, als in früheren Jahren, auch mit der auswärtigen Politik zu befassen scheint, erklärte: „Ich nehme nicht den mindesten Anstand, für den vollen Betrag der Voranschläge zu stimmen, denn ich kann der Meinung eines ehrenwerthen Herrn gegenüber, des großen und consequenten Schutzredners der Sparsamkeit in diesem Hause, nicht beitreten, daß der Friedensetat unserer Marine mit der Vergrößerung oder Verminderung der Kriegsflotten anderer Staaten nichts zu thun habe. Die Anstrengungen anderer Seemächte können unmöglich unberücksichtigt bleiben. Während scheinbar tiefer Friede herrscht, kann die allmähliche Verstärkung der Seemacht eines Nachbarlandes auf Feindseligkeit gegen uns deuten. (Hört!) Schon die ohne eine augenfällige Nothwendigkeit gemachten Anstrengungen eines Staats, sich den Grund zu einer großen Seemacht zu legen, können diesem Staat eine Lockung werden, wenn er sich erst seinem Nachbar überlegen sieht, irgend einen gelegenen Moment zur Offensive zu benützen, und an Anlässen zu Streit und Krieg, wenn man sie finden will, hat es in den Verhältnissen der europäischen Mächte zu einander leider noch niemals gefehlt, wie sie auch jetzt nicht fehlen würden. (Hört!) Lassen wir andern Staaten ihre Flotten vergrößern, während wir selbst die unsrigen vermindern oder auf ihrem status quo belassen, so werden wir, weit entfernt, die ächte Sparsamkeit im Staatshaushalt zu üben, nur die Sicherheit unseres Vaterlands untergraben, und dann auf einmal uns zu weit größern Ausgaben genöthigt sehen, als die wir anfangs vermeiden wollten. (Hört!) Indeß während ehrenw. Herren auf dieser Seite des Hauses unsern Marine-Etat nicht zureichend finden, das ökonomische Mitglied für Kilkenny aber sich darüber beklagt, daß man mitten im Frieden die Flotte auf den Kriegsfuß setzen wolle, tritt der edle Viscount (Palmerston) auf und erkennt in dem Widerspruch dieser beiden Behauptungen den klaren Beweis, daß Ihrer Maj. Regierung den glücklichen Mittelweg eingehalten habe – medium tenuere beati. Ich glaube, diese contradictorischen Sätze können ganz füglich neben einander bestehen. Europa kann, allem äußern Aussehen nach, sich in völligem Frieden befinden, Ihre Maj. mag von allen fremden Mächten eine Freundschaftsversicherung um die andere erhalten, – das mag alles seyn, und doch kann der Friedens-Kriegsetat unserer Seemacht dem Einen zu kriegerisch und dem Andern zu friedlich erscheinen. Auch nach meinem Dafürhalten war es großentheils die von Ihrer Maj. Regierung befolgte auswärtige Politik, die das Land in seine jetzige etwas unbestimmte Lage versetzt hat. (Hört!) Indeß der edle Lord hat uns die glücklichen Erfolge seiner Politik gerühmt. Es ist diese ein sehr glückliches Postulat, dessen Richtigkeit mir aber ganz und gar nicht einleuchtet. (Hört!) Seit fünfundzwanzig Jahren haben wir in Europa Frieden. Welche Fortschritte sind in diesem Vierteljahrhundert zur Verminderung der Staatslasten gemacht worden? Die Erfolge unserer auswärtigen Politik hätten in einem solchen Vertrauen, das wir bei den auswärtigen Mächten zu uns erregt, in einem so verwaltenden Einfluß unserer Vermittlung und unseres Beispiels sich kundgeben sollen, daß als Folge davon alle Mächte Europa's ihre Rüstungen eingestellt oder vermindert hätten, und daß wir jetzt die segensreichen Früchte innerer Ruhe und eine reiche Ernte des Handels und Gewerbefleißes genössen. (Hört!) Haben die Erfolge unserer auswärtigen Politik sich durch eine Verminderung unseres eigenen Militäretats erwiesen? Im Gegentheil, derselbe ist vergrößert worden. Ist der Zustand unserer Finanzen von der Art, daß wir uns dazu Glück wünschen dürfen? Seit vier Jahren haben wir ein regelmäßiges Deficit, und zwar hauptsächlich durch die Vermehrung unserer Militäretats. (Hört!) Doch prüfen wir die gerühmte Politik des edeln Lords etwas im Einzelnen. Ein Erfolg, auf welchen, wie ich vermuthe, der edle Lord besonderes Gewicht legt, ist der der Quadrupelallianz – des Vertrags, der, als ein Gegengewicht wider die Diplomatie der nordöstlichen Mächte, ein Band dauernder Freundschaft zwischen den vier westlichen Staaten Europa's knüpfen sollte. Der edle Lord hatte prophezeit, zwischen diesen durch constitutionelle und liberale Sympathien vereinigten vier Staaten – England, Frankreich, Spanien und Portugal – werde nichts die glückliche Harmonie stören können, Englands Einfluß in der Halbinsel werde auf einer treuesten Basis begründet werden u. s. w. Blicken wir zuerst nach Portugal. Wie steht es dort mit dem Einfluß der „erfolgreichen“ Politik Sr. Lordschaft? Die parlamentarischen Geschäfte des heutigen Abends begannen mit der Vorlegung einer Petition durch meinen edlen Freund, das Mitglied für Liverpool (Lord Sandon), worin Beschwerde darüber geführt wird, daß Portugal die gerechten Forderungen brittischer Unterthanen mit empörender Gleichgültigkeit behandelt und diese Ungerechtigkeit noch mit Beleidigungen aller Art begleitet habe. Hat der edle Lord dieser Beschwerde widersprochen? Keineswegs. Er antwortete vielmehr, er pflichte fast jedem Worte der Petition bei, das Benehmen Portugals – der von England unter Abweichung von der Regel der Nichtintervention eingesetzten (Gelächter) und mit drei brittischen Linienschiffen im Tajo beschützten portugiesischen Regierung (Hört!) – sey in der Petition ganz richtig geschildert. Zugleich gestand aber der edle Lord, sein Einfluß sey seit 5 Jahren in Portugal so gering, daß er nicht im Stande gewesen, die Befriedigung der gerechten Ansprüche brittischer Unterthanen zu erlangen, denen ähnliche das kleine Belgien für seine Unterthanen (nämlich vormalige Freiwillige in Dom Pedro's Diensten) befriedigt erhielt. (Hört!) So viel in Bezug auf Privatansprüche. Was aber hat uns der edle Lord in voriger Session über das Benehmen Portugals hinsichtlich des Sklavenhandels gesagt – Portugals, dieses unsers alten Alliirten, dessen Königin ihren Thron nur einem Aufgeben des englischen Princips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten verdankt? Der edle Lord erklärte, wenn je Treu' und Glauben schreiend verletzt worden sey, so habe Portugal einen solchen Treubruch gegen England begangen, das ihm für Abstellung seines Sklavenhandels eine halbe Million Pf. St. bezahlt habe. Und der edle Lord verlangte vom Parlament die Annahme einer Bill, die ihn ermächtigte, von Portugal das seinen Remonstrationen Verweigerte durch Gewalt zu erzwingen. Da haben Sie also die Erfolge, welche die Politik des edlen Lords bei einer von den Mächten der Quadrupelallianz errungen! (Hört!) An Portugal gränzt Spanien an. (Hört!) In den Zeitungen findet sich eine Correspondenz aus der Havannah,

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Schon die ohne eine augenfällige Nothwendigkeit gemachten Anstrengungen eines Staats, sich den Grund zu einer großen Seemacht zu legen, können diesem Staat eine Lockung werden, wenn er sich erst seinem Nachbar überlegen sieht, irgend einen gelegenen Moment zur Offensive zu benützen, und an Anlässen zu Streit und Krieg, wenn man sie finden will, hat es in den Verhältnissen der europäischen Mächte zu einander leider noch niemals gefehlt, wie sie auch jetzt nicht fehlen würden. (Hört!) Lassen wir andern Staaten ihre Flotten vergrößern, während wir selbst die unsrigen vermindern oder auf ihrem status quo belassen, so werden wir, weit entfernt, die ächte Sparsamkeit im Staatshaushalt zu üben, nur die Sicherheit unseres Vaterlands untergraben, und dann auf einmal uns zu weit größern Ausgaben genöthigt sehen, als die wir anfangs vermeiden wollten. (Hört!) Indeß während ehrenw. Herren auf dieser Seite des Hauses unsern Marine-Etat nicht zureichend finden, das ökonomische Mitglied für Kilkenny aber sich darüber beklagt, daß man mitten im Frieden die Flotte auf den Kriegsfuß setzen wolle, tritt der edle Viscount (Palmerston) auf und erkennt in dem Widerspruch dieser beiden Behauptungen den klaren Beweis, daß Ihrer Maj. Regierung den glücklichen Mittelweg eingehalten habe &#x2013; medium tenuere beati. Ich glaube, diese contradictorischen Sätze können ganz füglich neben einander bestehen. Europa kann, allem äußern Aussehen nach, sich in völligem Frieden befinden, Ihre Maj. mag von allen fremden Mächten eine Freundschaftsversicherung um die andere erhalten, &#x2013; das mag alles seyn, und doch kann der Friedens-Kriegsetat unserer Seemacht dem Einen zu kriegerisch und dem Andern zu friedlich erscheinen. Auch nach meinem Dafürhalten war es großentheils die von Ihrer Maj. Regierung befolgte auswärtige Politik, die das Land in seine jetzige etwas unbestimmte Lage versetzt hat. (Hört!) Indeß der edle Lord hat uns die glücklichen Erfolge seiner Politik gerühmt. Es ist diese ein sehr glückliches Postulat, dessen Richtigkeit mir aber ganz und gar nicht einleuchtet. (Hört!) Seit fünfundzwanzig Jahren haben wir in Europa Frieden. Welche Fortschritte sind in diesem Vierteljahrhundert zur Verminderung der Staatslasten gemacht worden? Die Erfolge unserer auswärtigen Politik hätten in einem solchen Vertrauen, das wir bei den auswärtigen Mächten zu uns erregt, in einem so verwaltenden Einfluß unserer Vermittlung und unseres Beispiels sich kundgeben sollen, daß als Folge davon alle Mächte Europa's ihre Rüstungen eingestellt oder vermindert hätten, und daß wir jetzt die segensreichen Früchte innerer Ruhe und eine reiche Ernte des Handels und Gewerbefleißes genössen. (Hört!) Haben die Erfolge unserer auswärtigen Politik sich durch eine Verminderung unseres eigenen Militäretats erwiesen? Im Gegentheil, derselbe ist vergrößert worden. Ist der Zustand unserer Finanzen von der Art, daß wir uns dazu Glück wünschen dürfen? Seit vier Jahren haben wir ein regelmäßiges Deficit, und zwar hauptsächlich durch die Vermehrung unserer Militäretats. (Hört!) Doch prüfen wir die gerühmte Politik des edeln Lords etwas im Einzelnen. Ein Erfolg, auf welchen, wie ich vermuthe, der edle Lord besonderes Gewicht legt, ist der der Quadrupelallianz &#x2013; des Vertrags, der, als ein Gegengewicht wider die Diplomatie der nordöstlichen Mächte, ein Band dauernder Freundschaft zwischen den vier westlichen Staaten Europa's knüpfen sollte. 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Er antwortete vielmehr, er pflichte fast jedem Worte der Petition bei, das Benehmen Portugals &#x2013; der von England unter Abweichung von der Regel der Nichtintervention eingesetzten (Gelächter) und mit drei brittischen Linienschiffen im Tajo beschützten portugiesischen Regierung (Hört!) &#x2013; sey in der Petition ganz richtig geschildert. Zugleich gestand aber der edle Lord, sein Einfluß sey seit 5 Jahren in Portugal so gering, daß er nicht im Stande gewesen, die Befriedigung der gerechten Ansprüche brittischer Unterthanen zu erlangen, denen ähnliche das kleine Belgien für seine Unterthanen (nämlich vormalige Freiwillige in Dom Pedro's Diensten) befriedigt erhielt. (Hört!) So viel in Bezug auf Privatansprüche. Was aber hat uns der edle Lord in voriger Session über das Benehmen Portugals hinsichtlich des Sklavenhandels gesagt &#x2013; Portugals, dieses unsers alten Alliirten, dessen Königin ihren Thron nur einem Aufgeben des englischen Princips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten verdankt? Der edle Lord erklärte, wenn je Treu' und Glauben schreiend verletzt worden sey, so habe Portugal einen solchen Treubruch gegen England begangen, das ihm für Abstellung seines Sklavenhandels eine halbe Million Pf. St. bezahlt habe. Und der edle Lord verlangte vom Parlament die Annahme einer Bill, die ihn ermächtigte, von Portugal das seinen Remonstrationen Verweigerte durch Gewalt zu erzwingen. Da haben Sie also die Erfolge, welche die Politik des edlen Lords bei einer von den Mächten der Quadrupelallianz errungen! (Hört!) An Portugal gränzt Spanien an. (Hört!) In den Zeitungen findet sich eine Correspondenz aus der Havannah,<lb/></p>
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[0492/0012] sind, dürften beitragen, die Aufmerksamkeit des Reisenden, neu- und wißbegierigen Publicums mehr und mehr auf das eigenthümlich gestaltete, mit keinem andern Lande Europa's zu vergleichende Tirol zu lenken. Was mir ein längerer Aufenthalt im Lande und ein nicht unfreier Blick in das Leben und die Gesittung seines Volks darüber zu sagen erlaubt, soll möglichst getreu und lebendig wiedergegeben werden, um obigen Zweck zu erfüllen. Großbritannien. Zur Ergänzung der Unterhausdebatten vom 21 Febr. über das Marinebudget lassen wir hier einen größeren Auszug aus Sir R. Peels Rede und von Lord Palmerstons Antwort darauf folgen. Sir Robert, der sich in neuerer Zeit überhaupt mehr, als in früheren Jahren, auch mit der auswärtigen Politik zu befassen scheint, erklärte: „Ich nehme nicht den mindesten Anstand, für den vollen Betrag der Voranschläge zu stimmen, denn ich kann der Meinung eines ehrenwerthen Herrn gegenüber, des großen und consequenten Schutzredners der Sparsamkeit in diesem Hause, nicht beitreten, daß der Friedensetat unserer Marine mit der Vergrößerung oder Verminderung der Kriegsflotten anderer Staaten nichts zu thun habe. Die Anstrengungen anderer Seemächte können unmöglich unberücksichtigt bleiben. Während scheinbar tiefer Friede herrscht, kann die allmähliche Verstärkung der Seemacht eines Nachbarlandes auf Feindseligkeit gegen uns deuten. (Hört!) Schon die ohne eine augenfällige Nothwendigkeit gemachten Anstrengungen eines Staats, sich den Grund zu einer großen Seemacht zu legen, können diesem Staat eine Lockung werden, wenn er sich erst seinem Nachbar überlegen sieht, irgend einen gelegenen Moment zur Offensive zu benützen, und an Anlässen zu Streit und Krieg, wenn man sie finden will, hat es in den Verhältnissen der europäischen Mächte zu einander leider noch niemals gefehlt, wie sie auch jetzt nicht fehlen würden. (Hört!) Lassen wir andern Staaten ihre Flotten vergrößern, während wir selbst die unsrigen vermindern oder auf ihrem status quo belassen, so werden wir, weit entfernt, die ächte Sparsamkeit im Staatshaushalt zu üben, nur die Sicherheit unseres Vaterlands untergraben, und dann auf einmal uns zu weit größern Ausgaben genöthigt sehen, als die wir anfangs vermeiden wollten. (Hört!) Indeß während ehrenw. Herren auf dieser Seite des Hauses unsern Marine-Etat nicht zureichend finden, das ökonomische Mitglied für Kilkenny aber sich darüber beklagt, daß man mitten im Frieden die Flotte auf den Kriegsfuß setzen wolle, tritt der edle Viscount (Palmerston) auf und erkennt in dem Widerspruch dieser beiden Behauptungen den klaren Beweis, daß Ihrer Maj. Regierung den glücklichen Mittelweg eingehalten habe – medium tenuere beati. Ich glaube, diese contradictorischen Sätze können ganz füglich neben einander bestehen. Europa kann, allem äußern Aussehen nach, sich in völligem Frieden befinden, Ihre Maj. mag von allen fremden Mächten eine Freundschaftsversicherung um die andere erhalten, – das mag alles seyn, und doch kann der Friedens-Kriegsetat unserer Seemacht dem Einen zu kriegerisch und dem Andern zu friedlich erscheinen. Auch nach meinem Dafürhalten war es großentheils die von Ihrer Maj. Regierung befolgte auswärtige Politik, die das Land in seine jetzige etwas unbestimmte Lage versetzt hat. (Hört!) Indeß der edle Lord hat uns die glücklichen Erfolge seiner Politik gerühmt. Es ist diese ein sehr glückliches Postulat, dessen Richtigkeit mir aber ganz und gar nicht einleuchtet. (Hört!) Seit fünfundzwanzig Jahren haben wir in Europa Frieden. Welche Fortschritte sind in diesem Vierteljahrhundert zur Verminderung der Staatslasten gemacht worden? Die Erfolge unserer auswärtigen Politik hätten in einem solchen Vertrauen, das wir bei den auswärtigen Mächten zu uns erregt, in einem so verwaltenden Einfluß unserer Vermittlung und unseres Beispiels sich kundgeben sollen, daß als Folge davon alle Mächte Europa's ihre Rüstungen eingestellt oder vermindert hätten, und daß wir jetzt die segensreichen Früchte innerer Ruhe und eine reiche Ernte des Handels und Gewerbefleißes genössen. (Hört!) Haben die Erfolge unserer auswärtigen Politik sich durch eine Verminderung unseres eigenen Militäretats erwiesen? Im Gegentheil, derselbe ist vergrößert worden. Ist der Zustand unserer Finanzen von der Art, daß wir uns dazu Glück wünschen dürfen? Seit vier Jahren haben wir ein regelmäßiges Deficit, und zwar hauptsächlich durch die Vermehrung unserer Militäretats. (Hört!) Doch prüfen wir die gerühmte Politik des edeln Lords etwas im Einzelnen. Ein Erfolg, auf welchen, wie ich vermuthe, der edle Lord besonderes Gewicht legt, ist der der Quadrupelallianz – des Vertrags, der, als ein Gegengewicht wider die Diplomatie der nordöstlichen Mächte, ein Band dauernder Freundschaft zwischen den vier westlichen Staaten Europa's knüpfen sollte. Der edle Lord hatte prophezeit, zwischen diesen durch constitutionelle und liberale Sympathien vereinigten vier Staaten – England, Frankreich, Spanien und Portugal – werde nichts die glückliche Harmonie stören können, Englands Einfluß in der Halbinsel werde auf einer treuesten Basis begründet werden u. s. w. Blicken wir zuerst nach Portugal. Wie steht es dort mit dem Einfluß der „erfolgreichen“ Politik Sr. Lordschaft? Die parlamentarischen Geschäfte des heutigen Abends begannen mit der Vorlegung einer Petition durch meinen edlen Freund, das Mitglied für Liverpool (Lord Sandon), worin Beschwerde darüber geführt wird, daß Portugal die gerechten Forderungen brittischer Unterthanen mit empörender Gleichgültigkeit behandelt und diese Ungerechtigkeit noch mit Beleidigungen aller Art begleitet habe. Hat der edle Lord dieser Beschwerde widersprochen? Keineswegs. Er antwortete vielmehr, er pflichte fast jedem Worte der Petition bei, das Benehmen Portugals – der von England unter Abweichung von der Regel der Nichtintervention eingesetzten (Gelächter) und mit drei brittischen Linienschiffen im Tajo beschützten portugiesischen Regierung (Hört!) – sey in der Petition ganz richtig geschildert. Zugleich gestand aber der edle Lord, sein Einfluß sey seit 5 Jahren in Portugal so gering, daß er nicht im Stande gewesen, die Befriedigung der gerechten Ansprüche brittischer Unterthanen zu erlangen, denen ähnliche das kleine Belgien für seine Unterthanen (nämlich vormalige Freiwillige in Dom Pedro's Diensten) befriedigt erhielt. (Hört!) So viel in Bezug auf Privatansprüche. Was aber hat uns der edle Lord in voriger Session über das Benehmen Portugals hinsichtlich des Sklavenhandels gesagt – Portugals, dieses unsers alten Alliirten, dessen Königin ihren Thron nur einem Aufgeben des englischen Princips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten verdankt? Der edle Lord erklärte, wenn je Treu' und Glauben schreiend verletzt worden sey, so habe Portugal einen solchen Treubruch gegen England begangen, das ihm für Abstellung seines Sklavenhandels eine halbe Million Pf. St. bezahlt habe. Und der edle Lord verlangte vom Parlament die Annahme einer Bill, die ihn ermächtigte, von Portugal das seinen Remonstrationen Verweigerte durch Gewalt zu erzwingen. Da haben Sie also die Erfolge, welche die Politik des edlen Lords bei einer von den Mächten der Quadrupelallianz errungen! (Hört!) An Portugal gränzt Spanien an. (Hört!) In den Zeitungen findet sich eine Correspondenz aus der Havannah,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 62. Augsburg, 2. März 1840, S. 0492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_062_18400302/12>, abgerufen am 21.11.2024.