Allgemeine Zeitung. Nr. 67. Augsburg, 7. März 1840.Augsburger Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. SonnabendNr. 67. 7 März 1840Spanien. Madrid, 20 Febr. Das revolutionäre Drama, welches die Minorität des Congresses aufzuführen denkt, wurde gestern durch ein ziemlich belustigendes Vorspiel eröffnet. Als der Alterspräsident des Congresses, Hr. Florez Estrada, ankündigte, daß man zur Ernennung der Commission, welche die Wahldocumente zu prüfen hat, schreiten wolle, verlangte Hr. Olozaga, daß vorher ein von ihm und sechs andern Deputirten unterzeichneter Antrag verlesen werden sollte. Dieser Antrag war dahin gestellt, daß man die Ernennung jener Commission aufschieben möchte, weil in mehrern Provinzen die Wahlen noch nicht vollzogen seyen, ohne daß sie von dem Feinde besetzt wären. Der Präsident erklärte, daß ihm das Reglement nicht erlaube, jenen Antrag oder irgend einen andern vor Niedersetzung der Wahlcommission vorlesen zu lassen. Darauf erhob sich Olozaga mit Heftigkeit, rief aus, er für seinen Theil könne an der Ernennung dieser Commission keinen Theil nehmen, und verließ den Saal mit großem Geräusch. Die übrigen wenig zahlreichen Mitglieder der Minorität folgten diesem Beispiel, einige mit Entschlossenheit, andere mit Zögern, und einige wurden sogar mit Gewalt von ihren politischen Freunden zum Saal hinausgezerrt. Das Komische dieses Auftritts wurde noch durch das Mitgefühl des auf der öffentlichen Tribune versammelten Pöbels erhöht, welches sich durch das Geschrei: "zum Saal hinaus!" zu erkennen gab, und in der That die freiwillige Räumung jener Tribune zur Folge hatte. Der Congreß setzte die Sitzung ruhig fort, und ernannte die Wahlcommission, die freilich aus Männern besteht, welche nicht für Anhänger der Progressisten gelten können. Da Hr. Olozaga vermuthlich gewahr werden wird, daß er den Eindruck, welchen er zu machen beabsichtigte, verfehlt hat, so wird er, und mit ihm seine Clientel, sich heute auch wohl wieder im Congreß einstellen.*) Ein ernsteres Ereigniß, eine Erneuerung der Mordthaten, welche 1836 dem Aufstande von la Granja vorausgingen, hat in Alicante stattgefunden. Der dortige Richter erster Instanz, Luis Meca, war als treuer Vollstrecker der Verfügungen der Regierung den Progressisten verhaßt geworden. Als er gerade mit der Untersuchung wegen einer vorgefallenen Mordthat beauftragt war, bedrohte man ihn mit dem Tode, falls er gegen die Mörder einschreiten würde, und da er sich durch diese Drohung von der Erfüllung seiner Pflicht nicht abhalten ließ, wurde er in der Nacht vom 13 auf der Straße durch drei Flintenschüsse getödtet. Der Justizminister hat sogleich befohlen, die strengste Untersuchung wegen dieser Mordthat einzuleiten, allein kein Richter will sich mit dieser Sache befassen, weil jeder mit einem ähnlichen Schicksal bedroht wird. Um aber die Königin ja recht lebhaft an das zu erinnern, was die Patrioten vom August 1836 ihr bereiteten, druckt gestern das Eco del Comercio einen von dem berüchtigten Sergeanten Gomez, den man längst für todt hielt, der aber lebt, und hier in Madrid verweilt, unterzeichneten Aufsatz ab. Er ist überschrieben: "An die Liberalen von allen Farben Einer der Sergeanten, welche die Schilderhebung (pronunciamiento) von la Granja am 15 Aug. 1836 leiteten," und der Wiederauferstandene rühmt sich darin nicht wenig, bei jenem glorreichen Ereigniß eine Hauptrolle gespielt zu haben. "Man beschuldigt mich, sagte er unter Anderm, den Ihrer Maj. der Königin-Regentin schuldigen Respect verletzt zu haben. Die, welche dieses behaupten, lügen, und zu meiner Rechtfertigung berufe ich mich auf das unverwerfliche Zeugniß einer erlauchten Person." Der Held von la Granja beklagt sich dann, daß ihm Mendizabal mit Undank gelohnt habe, und schließt mit den Worten: "Obgleich ich ein Schlachtopfer der Freiheit bin, so werde ich doch nie bereuen, mich für sie aufgeopfert zu haben, und werde stets bereit seyn, in jedem Augenblick selbst meinen letzten Blutstropfen zu ihrer Vertheidigung zu vergießen." Madrid, 24 Febr. Die Travestie der französischen Revolution, welche die hiesigen Demagogen vor unsern Augen aufführen, wird mit jedem Tage vollständiger. Die Rolle der Pariser Commune hat die Municipalität von Madrid übernommen, die Nationalversammlung hat sich in Girondisten und Jacobiner getheilt, und nach dem, was gestern vorgefallen ist, dürfen wir erwarten, daß der Pöbel der Hauptstadt den Vertretern der Nation das Gesetz vorschreiben, und mit Piken bewaffnet in der Versammlung erscheinen wird. Der Congreß selbst hat dieses Schicksal über sich heraufbeschworen. Als in der letzten Legislatur die Exaltirten die Majorität hatten, und Hr. Calatrava Präsident war, gestattete er bekanntlich dem auf der öffentlichen Galerie befindlichen Pöbel sich durch Beifallklatschen und Aeußerungen des Mißfallens auf eine solche Weise *) Dieß ist, wie wir gesehen haben, in den folgenden Tagen wirklich geschehen. Wir liefern obigen verspätet eingetroffenen Brief bloß nach, weil er mit beiträgt zur Erläuterung der spätern Ereignisse.
Augsburger Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. SonnabendNr. 67. 7 März 1840Spanien. Madrid, 20 Febr. Das revolutionäre Drama, welches die Minorität des Congresses aufzuführen denkt, wurde gestern durch ein ziemlich belustigendes Vorspiel eröffnet. Als der Alterspräsident des Congresses, Hr. Florez Estrada, ankündigte, daß man zur Ernennung der Commission, welche die Wahldocumente zu prüfen hat, schreiten wolle, verlangte Hr. Olozaga, daß vorher ein von ihm und sechs andern Deputirten unterzeichneter Antrag verlesen werden sollte. Dieser Antrag war dahin gestellt, daß man die Ernennung jener Commission aufschieben möchte, weil in mehrern Provinzen die Wahlen noch nicht vollzogen seyen, ohne daß sie von dem Feinde besetzt wären. Der Präsident erklärte, daß ihm das Reglement nicht erlaube, jenen Antrag oder irgend einen andern vor Niedersetzung der Wahlcommission vorlesen zu lassen. Darauf erhob sich Olozaga mit Heftigkeit, rief aus, er für seinen Theil könne an der Ernennung dieser Commission keinen Theil nehmen, und verließ den Saal mit großem Geräusch. Die übrigen wenig zahlreichen Mitglieder der Minorität folgten diesem Beispiel, einige mit Entschlossenheit, andere mit Zögern, und einige wurden sogar mit Gewalt von ihren politischen Freunden zum Saal hinausgezerrt. Das Komische dieses Auftritts wurde noch durch das Mitgefühl des auf der öffentlichen Tribune versammelten Pöbels erhöht, welches sich durch das Geschrei: „zum Saal hinaus!“ zu erkennen gab, und in der That die freiwillige Räumung jener Tribune zur Folge hatte. Der Congreß setzte die Sitzung ruhig fort, und ernannte die Wahlcommission, die freilich aus Männern besteht, welche nicht für Anhänger der Progressisten gelten können. Da Hr. Olozaga vermuthlich gewahr werden wird, daß er den Eindruck, welchen er zu machen beabsichtigte, verfehlt hat, so wird er, und mit ihm seine Clientel, sich heute auch wohl wieder im Congreß einstellen.*) Ein ernsteres Ereigniß, eine Erneuerung der Mordthaten, welche 1836 dem Aufstande von la Granja vorausgingen, hat in Alicante stattgefunden. Der dortige Richter erster Instanz, Luis Meca, war als treuer Vollstrecker der Verfügungen der Regierung den Progressisten verhaßt geworden. Als er gerade mit der Untersuchung wegen einer vorgefallenen Mordthat beauftragt war, bedrohte man ihn mit dem Tode, falls er gegen die Mörder einschreiten würde, und da er sich durch diese Drohung von der Erfüllung seiner Pflicht nicht abhalten ließ, wurde er in der Nacht vom 13 auf der Straße durch drei Flintenschüsse getödtet. Der Justizminister hat sogleich befohlen, die strengste Untersuchung wegen dieser Mordthat einzuleiten, allein kein Richter will sich mit dieser Sache befassen, weil jeder mit einem ähnlichen Schicksal bedroht wird. Um aber die Königin ja recht lebhaft an das zu erinnern, was die Patrioten vom August 1836 ihr bereiteten, druckt gestern das Eco del Comercio einen von dem berüchtigten Sergeanten Gomez, den man längst für todt hielt, der aber lebt, und hier in Madrid verweilt, unterzeichneten Aufsatz ab. Er ist überschrieben: „An die Liberalen von allen Farben Einer der Sergeanten, welche die Schilderhebung (pronunciamiento) von la Granja am 15 Aug. 1836 leiteten,“ und der Wiederauferstandene rühmt sich darin nicht wenig, bei jenem glorreichen Ereigniß eine Hauptrolle gespielt zu haben. „Man beschuldigt mich, sagte er unter Anderm, den Ihrer Maj. der Königin-Regentin schuldigen Respect verletzt zu haben. Die, welche dieses behaupten, lügen, und zu meiner Rechtfertigung berufe ich mich auf das unverwerfliche Zeugniß einer erlauchten Person.“ Der Held von la Granja beklagt sich dann, daß ihm Mendizabal mit Undank gelohnt habe, und schließt mit den Worten: „Obgleich ich ein Schlachtopfer der Freiheit bin, so werde ich doch nie bereuen, mich für sie aufgeopfert zu haben, und werde stets bereit seyn, in jedem Augenblick selbst meinen letzten Blutstropfen zu ihrer Vertheidigung zu vergießen.“ Madrid, 24 Febr. Die Travestie der französischen Revolution, welche die hiesigen Demagogen vor unsern Augen aufführen, wird mit jedem Tage vollständiger. Die Rolle der Pariser Commune hat die Municipalität von Madrid übernommen, die Nationalversammlung hat sich in Girondisten und Jacobiner getheilt, und nach dem, was gestern vorgefallen ist, dürfen wir erwarten, daß der Pöbel der Hauptstadt den Vertretern der Nation das Gesetz vorschreiben, und mit Piken bewaffnet in der Versammlung erscheinen wird. Der Congreß selbst hat dieses Schicksal über sich heraufbeschworen. Als in der letzten Legislatur die Exaltirten die Majorität hatten, und Hr. Calatrava Präsident war, gestattete er bekanntlich dem auf der öffentlichen Galerie befindlichen Pöbel sich durch Beifallklatschen und Aeußerungen des Mißfallens auf eine solche Weise *) Dieß ist, wie wir gesehen haben, in den folgenden Tagen wirklich geschehen. Wir liefern obigen verspätet eingetroffenen Brief bloß nach, weil er mit beiträgt zur Erläuterung der spätern Ereignisse.
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Die übrigen wenig zahlreichen Mitglieder der Minorität folgten diesem Beispiel, einige mit Entschlossenheit, andere mit Zögern, und einige wurden sogar mit Gewalt von ihren politischen Freunden zum Saal hinausgezerrt. Das Komische dieses Auftritts wurde noch durch das Mitgefühl des auf der öffentlichen Tribune versammelten Pöbels erhöht, welches sich durch das Geschrei: „zum Saal hinaus!“ zu erkennen gab, und in der That die freiwillige Räumung jener Tribune zur Folge hatte. Der Congreß setzte die Sitzung ruhig fort, und ernannte die Wahlcommission, die freilich aus Männern besteht, welche nicht für Anhänger der Progressisten gelten können. Da Hr. Olozaga vermuthlich gewahr werden wird, daß er den Eindruck, welchen er zu machen beabsichtigte, verfehlt hat, so wird er, und mit ihm seine Clientel, sich heute auch wohl wieder im Congreß einstellen.<note place="foot" n="*)"> Dieß ist, wie wir gesehen haben, in den folgenden Tagen wirklich geschehen. Wir liefern obigen verspätet eingetroffenen Brief bloß nach, weil er mit beiträgt zur Erläuterung der spätern Ereignisse.</note> Ein ernsteres Ereigniß, eine Erneuerung der Mordthaten, welche 1836 dem Aufstande von la Granja vorausgingen, hat in Alicante stattgefunden. Der dortige Richter erster Instanz, Luis Meca, war als treuer Vollstrecker der Verfügungen der Regierung den Progressisten verhaßt geworden. Als er gerade mit der Untersuchung wegen einer vorgefallenen Mordthat beauftragt war, bedrohte man ihn mit dem Tode, falls er gegen die Mörder einschreiten würde, und da er sich durch diese Drohung von der Erfüllung seiner Pflicht nicht abhalten ließ, wurde er in der Nacht vom 13 auf der Straße durch drei Flintenschüsse getödtet. Der Justizminister hat sogleich befohlen, die strengste Untersuchung wegen dieser Mordthat einzuleiten, allein kein Richter will sich mit dieser Sache befassen, weil jeder mit einem ähnlichen Schicksal bedroht wird. Um aber die Königin ja recht lebhaft an das zu erinnern, was die Patrioten vom August 1836 ihr bereiteten, druckt gestern das Eco del Comercio einen von dem berüchtigten Sergeanten Gomez, den man längst für todt hielt, der aber lebt, und hier in Madrid verweilt, unterzeichneten Aufsatz ab. Er ist überschrieben: „An die Liberalen von allen Farben Einer der Sergeanten, welche die Schilderhebung (pronunciamiento) von la Granja am 15 Aug. 1836 leiteten,“ und der Wiederauferstandene rühmt sich darin nicht wenig, bei jenem glorreichen Ereigniß eine Hauptrolle gespielt zu haben. „Man beschuldigt mich, sagte er unter Anderm, den Ihrer Maj. der Königin-Regentin schuldigen Respect verletzt zu haben. Die, welche dieses behaupten, lügen, und zu meiner Rechtfertigung berufe ich mich auf das unverwerfliche Zeugniß einer erlauchten Person.“ Der Held von la Granja beklagt sich dann, daß ihm Mendizabal mit Undank gelohnt habe, und schließt mit den Worten: „Obgleich ich ein Schlachtopfer der Freiheit bin, so werde ich doch nie bereuen, mich für sie aufgeopfert zu haben, und werde stets bereit seyn, in jedem Augenblick selbst meinen letzten Blutstropfen zu ihrer Vertheidigung zu vergießen.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor>☉</docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Madrid,</hi> 24 Febr.</dateline> <p> Die Travestie der französischen Revolution, welche die hiesigen Demagogen vor unsern Augen aufführen, wird mit jedem Tage vollständiger. 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Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Sonnabend
Nr. 67.
7 März 1840 Spanien.
Madrid, 20 Febr. Das revolutionäre Drama, welches die Minorität des Congresses aufzuführen denkt, wurde gestern durch ein ziemlich belustigendes Vorspiel eröffnet. Als der Alterspräsident des Congresses, Hr. Florez Estrada, ankündigte, daß man zur Ernennung der Commission, welche die Wahldocumente zu prüfen hat, schreiten wolle, verlangte Hr. Olozaga, daß vorher ein von ihm und sechs andern Deputirten unterzeichneter Antrag verlesen werden sollte. Dieser Antrag war dahin gestellt, daß man die Ernennung jener Commission aufschieben möchte, weil in mehrern Provinzen die Wahlen noch nicht vollzogen seyen, ohne daß sie von dem Feinde besetzt wären. Der Präsident erklärte, daß ihm das Reglement nicht erlaube, jenen Antrag oder irgend einen andern vor Niedersetzung der Wahlcommission vorlesen zu lassen. Darauf erhob sich Olozaga mit Heftigkeit, rief aus, er für seinen Theil könne an der Ernennung dieser Commission keinen Theil nehmen, und verließ den Saal mit großem Geräusch. Die übrigen wenig zahlreichen Mitglieder der Minorität folgten diesem Beispiel, einige mit Entschlossenheit, andere mit Zögern, und einige wurden sogar mit Gewalt von ihren politischen Freunden zum Saal hinausgezerrt. Das Komische dieses Auftritts wurde noch durch das Mitgefühl des auf der öffentlichen Tribune versammelten Pöbels erhöht, welches sich durch das Geschrei: „zum Saal hinaus!“ zu erkennen gab, und in der That die freiwillige Räumung jener Tribune zur Folge hatte. Der Congreß setzte die Sitzung ruhig fort, und ernannte die Wahlcommission, die freilich aus Männern besteht, welche nicht für Anhänger der Progressisten gelten können. Da Hr. Olozaga vermuthlich gewahr werden wird, daß er den Eindruck, welchen er zu machen beabsichtigte, verfehlt hat, so wird er, und mit ihm seine Clientel, sich heute auch wohl wieder im Congreß einstellen. *) Ein ernsteres Ereigniß, eine Erneuerung der Mordthaten, welche 1836 dem Aufstande von la Granja vorausgingen, hat in Alicante stattgefunden. Der dortige Richter erster Instanz, Luis Meca, war als treuer Vollstrecker der Verfügungen der Regierung den Progressisten verhaßt geworden. Als er gerade mit der Untersuchung wegen einer vorgefallenen Mordthat beauftragt war, bedrohte man ihn mit dem Tode, falls er gegen die Mörder einschreiten würde, und da er sich durch diese Drohung von der Erfüllung seiner Pflicht nicht abhalten ließ, wurde er in der Nacht vom 13 auf der Straße durch drei Flintenschüsse getödtet. Der Justizminister hat sogleich befohlen, die strengste Untersuchung wegen dieser Mordthat einzuleiten, allein kein Richter will sich mit dieser Sache befassen, weil jeder mit einem ähnlichen Schicksal bedroht wird. Um aber die Königin ja recht lebhaft an das zu erinnern, was die Patrioten vom August 1836 ihr bereiteten, druckt gestern das Eco del Comercio einen von dem berüchtigten Sergeanten Gomez, den man längst für todt hielt, der aber lebt, und hier in Madrid verweilt, unterzeichneten Aufsatz ab. Er ist überschrieben: „An die Liberalen von allen Farben Einer der Sergeanten, welche die Schilderhebung (pronunciamiento) von la Granja am 15 Aug. 1836 leiteten,“ und der Wiederauferstandene rühmt sich darin nicht wenig, bei jenem glorreichen Ereigniß eine Hauptrolle gespielt zu haben. „Man beschuldigt mich, sagte er unter Anderm, den Ihrer Maj. der Königin-Regentin schuldigen Respect verletzt zu haben. Die, welche dieses behaupten, lügen, und zu meiner Rechtfertigung berufe ich mich auf das unverwerfliche Zeugniß einer erlauchten Person.“ Der Held von la Granja beklagt sich dann, daß ihm Mendizabal mit Undank gelohnt habe, und schließt mit den Worten: „Obgleich ich ein Schlachtopfer der Freiheit bin, so werde ich doch nie bereuen, mich für sie aufgeopfert zu haben, und werde stets bereit seyn, in jedem Augenblick selbst meinen letzten Blutstropfen zu ihrer Vertheidigung zu vergießen.“
☉ Madrid, 24 Febr. Die Travestie der französischen Revolution, welche die hiesigen Demagogen vor unsern Augen aufführen, wird mit jedem Tage vollständiger. Die Rolle der Pariser Commune hat die Municipalität von Madrid übernommen, die Nationalversammlung hat sich in Girondisten und Jacobiner getheilt, und nach dem, was gestern vorgefallen ist, dürfen wir erwarten, daß der Pöbel der Hauptstadt den Vertretern der Nation das Gesetz vorschreiben, und mit Piken bewaffnet in der Versammlung erscheinen wird. Der Congreß selbst hat dieses Schicksal über sich heraufbeschworen. Als in der letzten Legislatur die Exaltirten die Majorität hatten, und Hr. Calatrava Präsident war, gestattete er bekanntlich dem auf der öffentlichen Galerie befindlichen Pöbel sich durch Beifallklatschen und Aeußerungen des Mißfallens auf eine solche Weise
*) Dieß ist, wie wir gesehen haben, in den folgenden Tagen wirklich geschehen. Wir liefern obigen verspätet eingetroffenen Brief bloß nach, weil er mit beiträgt zur Erläuterung der spätern Ereignisse.
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