Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg, 9. März 1840.unter der Präsidentschaft des Hrn. v. Broglie ein Ministerium zusammen zu bringen, genöthigt gesehen, zu einem Ministerium Thiers die Zuflucht zu nehmen. - Se. Maj. der König von Sachsen wird sich nur kurze Zeit in Wien aufhalten, und dann mit allerhöchstihrer Gemahlin nach Dresden zurückkehren. - Der Großfürst-Thronfolger von Rußland wird die Osterfeiertage noch in St. Petersburg zubringen, und dann erst seine Reise nach Darmstadt antreten. Türkei. Konstantinopel, 19 Febr. Hr. Zographos, gegen den die Pforte in der letzten Zeit das zuvorkommendste Benehmen beobachtet hat, konnte den beabsichtigten Handelstractat mit der Türkei nicht zu Stande bringen. Indessen sind die Schwierigkeiten, die sich dagegen erhoben, secundärer Natur, und man darf den Abschluß des Vertrags als bloß vertagt ansehen. Es werden mittlerweile in dem Verkehr beider Nationen provisorisch noch die bisherigen Grundsätze befolgt, und sobald die Hindernisse, die in der Verfassung liegen, welche Reschid Pascha für das Justizdepartement einzuführen beabsichtigt, gehoben sind, wird dieses Geschäft ohne Zweifel zu einem entsprechenden Ziel gelangen. - Der Fürst von Serbien hat am 10 d. Konstantinopel verlassen. Seine getreue Gefährtin und Mutter, die Gemahlin des Fürsten Milosch, ist ihren Gesinnungen nach eine entschiedene Russin, und weicht daher in diesem Stücke von den Ansichten ihres Gemahls bedeutend ab. Der junge Fürst, dessen Erziehung in intellectueller Rücksicht sehr vernachlässigt ist, scheint schöne natürliche Anlagen zu besitzen, und hängt mit großer Liebe an seiner Mutter. - Der dänische Geschäftsträger, Baron Hübsch, und der sardinische, Marquis v. Dareto, sind von dem Sultan mit dem Nischan erster Classe beehrt worden. Konstantinopel, 19 Febr. Der hier residirende griechische Patriarch ist von der Pforte wegen seines Benehmens auf den jonischen Inseln in der Eigenschaft eines Oberhauptes der nichtunirten griechischen Kirche zur Rechenschaft gezogen worden. Man will in dieser Angelegenheit ein förmliches Verfahren beobachtet wissen, und nach reiflicher Erwägung des Thatbestandes das Urtheil über ihn fällen. Es darf Sie dieß nicht befremden, denn erstens wird der Patriarch von Rußland protegirt, dann kann sich die Pforte auch ihren eigenen Unterthanen gegenüber nicht so compromittiren, daß sie, dem Worte und dem Geiste des Hattischerifs vom 3 Nov. entgegenhandelnd, das alte bei solchen Gelegenheiten beobachtete höchst summarische Verfahren befolgen sollte. Die ausdrücklichen Worte des Hattischerifs gehen dahin, daß von nun an Niemand zur Strafe gezogen werden dürfe, außer nach vorläufiger Erhebung des Thatbestandes, nach ordentlich geführter Untersuchung des Angeklagten und nach gesetzmäßig gefälltem richterlichen Spruche. Die der Pforte von der jonischen Regierung gemachte Bemerkung, daß die Entlassung des Patriarchen aus politischen Rücksichten durchaus keine gerichtlichen Förmlichkeiten verlange, scheint ihr eben so wenig einzuleuchten, als die andere Insinuation, daß der Patriarch in vielfacher Beziehung als Staatsbeamter zu betrachten sey, und der Regierung die Wahl, die Entfernung und Ersetzung ihrer Beamten ohne alle Einschränkung zustehe. Es wird sich daher diese Angelegenheit auf jeden Fall in die Länge ziehen; der Patriarch ist vorerst angewiesen, seine Rechtfertigungsschrift zu verfassen, und ohne Zweifel wird ihm später noch eine fernere Erwiederung auf die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen gestattet werden. Der Patriarch pocht auf diese ihm günstige Stimmung der Pforte, und hat sich in seinem Uebermuth verleiten lassen, gegen das von ihm gegebene Versprechen, sich bis zur Entscheidung der Sache ruhig verhalten zu wollen, einen Hirtenbrief auf den jonischen Inseln in Circulation zu setzen, worin die ohne Beobachtung der von ihm gegebenen Vorschriften eingegangenen Ehen als nichtig erklärt, und sowohl Bräutigam und Braut, als der Priester, der eine solche einzusegnen sich erdreisten sollte, mit dem kirchlichen Anathem belegt werden. Der Patriarch erstreckt sein Gesetzgebungsrecht auch auf die verbotenen Grade der Verwandtschaft und Schwägerschaft, und dehnt dieß Ehehinderniß, wie man behauptet, bis auf den vierten Grad nach kanonischer Berechnung aus. Auch hier wird die Uebertretung der patriarchalischen Vorschriften mit dem Anathem verpönt. Diese Uebergriffe des Patriarchen bilden nun den Gegenstand, über den die Pforte zu entscheiden hat. Man ist sehr gespannt auf den Ausgang des Streits. Höchst seltsam, fast komisch ist es auf jeden Fall, daß die Pforte zu dem Ausspruch berufen wird, ob der Patriarch seine kirchliche Rechtssphäre überschritten, oder ob er innerhalb derselben gehandelt habe. unter der Präsidentschaft des Hrn. v. Broglie ein Ministerium zusammen zu bringen, genöthigt gesehen, zu einem Ministerium Thiers die Zuflucht zu nehmen. – Se. Maj. der König von Sachsen wird sich nur kurze Zeit in Wien aufhalten, und dann mit allerhöchstihrer Gemahlin nach Dresden zurückkehren. – Der Großfürst-Thronfolger von Rußland wird die Osterfeiertage noch in St. Petersburg zubringen, und dann erst seine Reise nach Darmstadt antreten. Türkei. Konstantinopel, 19 Febr. Hr. Zographos, gegen den die Pforte in der letzten Zeit das zuvorkommendste Benehmen beobachtet hat, konnte den beabsichtigten Handelstractat mit der Türkei nicht zu Stande bringen. Indessen sind die Schwierigkeiten, die sich dagegen erhoben, secundärer Natur, und man darf den Abschluß des Vertrags als bloß vertagt ansehen. Es werden mittlerweile in dem Verkehr beider Nationen provisorisch noch die bisherigen Grundsätze befolgt, und sobald die Hindernisse, die in der Verfassung liegen, welche Reschid Pascha für das Justizdepartement einzuführen beabsichtigt, gehoben sind, wird dieses Geschäft ohne Zweifel zu einem entsprechenden Ziel gelangen. – Der Fürst von Serbien hat am 10 d. Konstantinopel verlassen. Seine getreue Gefährtin und Mutter, die Gemahlin des Fürsten Milosch, ist ihren Gesinnungen nach eine entschiedene Russin, und weicht daher in diesem Stücke von den Ansichten ihres Gemahls bedeutend ab. Der junge Fürst, dessen Erziehung in intellectueller Rücksicht sehr vernachlässigt ist, scheint schöne natürliche Anlagen zu besitzen, und hängt mit großer Liebe an seiner Mutter. – Der dänische Geschäftsträger, Baron Hübsch, und der sardinische, Marquis v. Dareto, sind von dem Sultan mit dem Nischan erster Classe beehrt worden. Konstantinopel, 19 Febr. Der hier residirende griechische Patriarch ist von der Pforte wegen seines Benehmens auf den jonischen Inseln in der Eigenschaft eines Oberhauptes der nichtunirten griechischen Kirche zur Rechenschaft gezogen worden. Man will in dieser Angelegenheit ein förmliches Verfahren beobachtet wissen, und nach reiflicher Erwägung des Thatbestandes das Urtheil über ihn fällen. Es darf Sie dieß nicht befremden, denn erstens wird der Patriarch von Rußland protegirt, dann kann sich die Pforte auch ihren eigenen Unterthanen gegenüber nicht so compromittiren, daß sie, dem Worte und dem Geiste des Hattischerifs vom 3 Nov. entgegenhandelnd, das alte bei solchen Gelegenheiten beobachtete höchst summarische Verfahren befolgen sollte. Die ausdrücklichen Worte des Hattischerifs gehen dahin, daß von nun an Niemand zur Strafe gezogen werden dürfe, außer nach vorläufiger Erhebung des Thatbestandes, nach ordentlich geführter Untersuchung des Angeklagten und nach gesetzmäßig gefälltem richterlichen Spruche. Die der Pforte von der jonischen Regierung gemachte Bemerkung, daß die Entlassung des Patriarchen aus politischen Rücksichten durchaus keine gerichtlichen Förmlichkeiten verlange, scheint ihr eben so wenig einzuleuchten, als die andere Insinuation, daß der Patriarch in vielfacher Beziehung als Staatsbeamter zu betrachten sey, und der Regierung die Wahl, die Entfernung und Ersetzung ihrer Beamten ohne alle Einschränkung zustehe. Es wird sich daher diese Angelegenheit auf jeden Fall in die Länge ziehen; der Patriarch ist vorerst angewiesen, seine Rechtfertigungsschrift zu verfassen, und ohne Zweifel wird ihm später noch eine fernere Erwiederung auf die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen gestattet werden. Der Patriarch pocht auf diese ihm günstige Stimmung der Pforte, und hat sich in seinem Uebermuth verleiten lassen, gegen das von ihm gegebene Versprechen, sich bis zur Entscheidung der Sache ruhig verhalten zu wollen, einen Hirtenbrief auf den jonischen Inseln in Circulation zu setzen, worin die ohne Beobachtung der von ihm gegebenen Vorschriften eingegangenen Ehen als nichtig erklärt, und sowohl Bräutigam und Braut, als der Priester, der eine solche einzusegnen sich erdreisten sollte, mit dem kirchlichen Anathem belegt werden. Der Patriarch erstreckt sein Gesetzgebungsrecht auch auf die verbotenen Grade der Verwandtschaft und Schwägerschaft, und dehnt dieß Ehehinderniß, wie man behauptet, bis auf den vierten Grad nach kanonischer Berechnung aus. Auch hier wird die Uebertretung der patriarchalischen Vorschriften mit dem Anathem verpönt. Diese Uebergriffe des Patriarchen bilden nun den Gegenstand, über den die Pforte zu entscheiden hat. Man ist sehr gespannt auf den Ausgang des Streits. Höchst seltsam, fast komisch ist es auf jeden Fall, daß die Pforte zu dem Ausspruch berufen wird, ob der Patriarch seine kirchliche Rechtssphäre überschritten, oder ob er innerhalb derselben gehandelt habe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0008" n="0552"/> unter der Präsidentschaft des Hrn. v. Broglie ein Ministerium zusammen zu bringen, genöthigt gesehen, zu einem Ministerium Thiers die Zuflucht zu nehmen. – Se. 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Es werden mittlerweile in dem Verkehr beider Nationen provisorisch noch die bisherigen Grundsätze befolgt, und sobald die Hindernisse, die in der Verfassung liegen, welche Reschid Pascha für das Justizdepartement einzuführen beabsichtigt, gehoben sind, wird dieses Geschäft ohne Zweifel zu einem entsprechenden Ziel gelangen. – Der Fürst von Serbien hat am 10 d. Konstantinopel verlassen. Seine getreue Gefährtin und Mutter, die Gemahlin des Fürsten Milosch, ist ihren Gesinnungen nach eine entschiedene Russin, und weicht daher in diesem Stücke von den Ansichten ihres Gemahls bedeutend ab. Der junge Fürst, dessen Erziehung in intellectueller Rücksicht sehr vernachlässigt ist, scheint schöne natürliche Anlagen zu besitzen, und hängt mit großer Liebe an seiner Mutter. – Der dänische Geschäftsträger, Baron Hübsch, und der sardinische, Marquis v. 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Die ausdrücklichen Worte des Hattischerifs gehen dahin, daß von nun an Niemand zur Strafe gezogen werden dürfe, außer nach vorläufiger Erhebung des Thatbestandes, nach ordentlich geführter Untersuchung des Angeklagten und nach gesetzmäßig gefälltem richterlichen Spruche. Die der Pforte von der jonischen Regierung gemachte Bemerkung, daß die Entlassung des Patriarchen aus politischen Rücksichten durchaus keine gerichtlichen Förmlichkeiten verlange, scheint ihr eben so wenig einzuleuchten, als die andere Insinuation, daß der Patriarch in vielfacher Beziehung als Staatsbeamter zu betrachten sey, und der Regierung die Wahl, die Entfernung und Ersetzung ihrer Beamten ohne alle Einschränkung zustehe. Es wird sich daher diese Angelegenheit auf jeden Fall in die Länge ziehen; der Patriarch ist vorerst angewiesen, seine Rechtfertigungsschrift zu verfassen, und ohne Zweifel wird ihm später noch eine fernere Erwiederung auf die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen gestattet werden. Der Patriarch pocht auf diese ihm günstige Stimmung der Pforte, und hat sich in seinem Uebermuth verleiten lassen, gegen das von ihm gegebene Versprechen, sich bis zur Entscheidung der Sache ruhig verhalten zu wollen, einen Hirtenbrief auf den jonischen Inseln in Circulation zu setzen, worin die ohne Beobachtung der von ihm gegebenen Vorschriften eingegangenen Ehen als nichtig erklärt, und sowohl Bräutigam und Braut, als der Priester, der eine solche einzusegnen sich erdreisten sollte, mit dem kirchlichen Anathem belegt werden. Der Patriarch erstreckt sein Gesetzgebungsrecht auch auf die verbotenen Grade der Verwandtschaft und Schwägerschaft, und dehnt dieß Ehehinderniß, wie man behauptet, bis auf den vierten Grad nach kanonischer Berechnung aus. Auch hier wird die Uebertretung der patriarchalischen Vorschriften mit dem Anathem verpönt. Diese Uebergriffe des Patriarchen bilden nun den Gegenstand, über den die Pforte zu entscheiden hat. Man ist sehr gespannt auf den Ausgang des Streits. Höchst seltsam, fast komisch ist es auf jeden Fall, daß die <hi rendition="#g">Pforte</hi> zu dem Ausspruch berufen wird, ob der <hi rendition="#g">Patriarch</hi> seine kirchliche Rechtssphäre überschritten, oder ob er innerhalb derselben gehandelt habe.</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [0552/0008]
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Türkei.
_ Konstantinopel, 19 Febr. Hr. Zographos, gegen den die Pforte in der letzten Zeit das zuvorkommendste Benehmen beobachtet hat, konnte den beabsichtigten Handelstractat mit der Türkei nicht zu Stande bringen. Indessen sind die Schwierigkeiten, die sich dagegen erhoben, secundärer Natur, und man darf den Abschluß des Vertrags als bloß vertagt ansehen. Es werden mittlerweile in dem Verkehr beider Nationen provisorisch noch die bisherigen Grundsätze befolgt, und sobald die Hindernisse, die in der Verfassung liegen, welche Reschid Pascha für das Justizdepartement einzuführen beabsichtigt, gehoben sind, wird dieses Geschäft ohne Zweifel zu einem entsprechenden Ziel gelangen. – Der Fürst von Serbien hat am 10 d. Konstantinopel verlassen. Seine getreue Gefährtin und Mutter, die Gemahlin des Fürsten Milosch, ist ihren Gesinnungen nach eine entschiedene Russin, und weicht daher in diesem Stücke von den Ansichten ihres Gemahls bedeutend ab. Der junge Fürst, dessen Erziehung in intellectueller Rücksicht sehr vernachlässigt ist, scheint schöne natürliche Anlagen zu besitzen, und hängt mit großer Liebe an seiner Mutter. – Der dänische Geschäftsträger, Baron Hübsch, und der sardinische, Marquis v. Dareto, sind von dem Sultan mit dem Nischan erster Classe beehrt worden.
_ Konstantinopel, 19 Febr. Der hier residirende griechische Patriarch ist von der Pforte wegen seines Benehmens auf den jonischen Inseln in der Eigenschaft eines Oberhauptes der nichtunirten griechischen Kirche zur Rechenschaft gezogen worden. Man will in dieser Angelegenheit ein förmliches Verfahren beobachtet wissen, und nach reiflicher Erwägung des Thatbestandes das Urtheil über ihn fällen. Es darf Sie dieß nicht befremden, denn erstens wird der Patriarch von Rußland protegirt, dann kann sich die Pforte auch ihren eigenen Unterthanen gegenüber nicht so compromittiren, daß sie, dem Worte und dem Geiste des Hattischerifs vom 3 Nov. entgegenhandelnd, das alte bei solchen Gelegenheiten beobachtete höchst summarische Verfahren befolgen sollte. Die ausdrücklichen Worte des Hattischerifs gehen dahin, daß von nun an Niemand zur Strafe gezogen werden dürfe, außer nach vorläufiger Erhebung des Thatbestandes, nach ordentlich geführter Untersuchung des Angeklagten und nach gesetzmäßig gefälltem richterlichen Spruche. Die der Pforte von der jonischen Regierung gemachte Bemerkung, daß die Entlassung des Patriarchen aus politischen Rücksichten durchaus keine gerichtlichen Förmlichkeiten verlange, scheint ihr eben so wenig einzuleuchten, als die andere Insinuation, daß der Patriarch in vielfacher Beziehung als Staatsbeamter zu betrachten sey, und der Regierung die Wahl, die Entfernung und Ersetzung ihrer Beamten ohne alle Einschränkung zustehe. Es wird sich daher diese Angelegenheit auf jeden Fall in die Länge ziehen; der Patriarch ist vorerst angewiesen, seine Rechtfertigungsschrift zu verfassen, und ohne Zweifel wird ihm später noch eine fernere Erwiederung auf die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen gestattet werden. Der Patriarch pocht auf diese ihm günstige Stimmung der Pforte, und hat sich in seinem Uebermuth verleiten lassen, gegen das von ihm gegebene Versprechen, sich bis zur Entscheidung der Sache ruhig verhalten zu wollen, einen Hirtenbrief auf den jonischen Inseln in Circulation zu setzen, worin die ohne Beobachtung der von ihm gegebenen Vorschriften eingegangenen Ehen als nichtig erklärt, und sowohl Bräutigam und Braut, als der Priester, der eine solche einzusegnen sich erdreisten sollte, mit dem kirchlichen Anathem belegt werden. Der Patriarch erstreckt sein Gesetzgebungsrecht auch auf die verbotenen Grade der Verwandtschaft und Schwägerschaft, und dehnt dieß Ehehinderniß, wie man behauptet, bis auf den vierten Grad nach kanonischer Berechnung aus. Auch hier wird die Uebertretung der patriarchalischen Vorschriften mit dem Anathem verpönt. Diese Uebergriffe des Patriarchen bilden nun den Gegenstand, über den die Pforte zu entscheiden hat. Man ist sehr gespannt auf den Ausgang des Streits. Höchst seltsam, fast komisch ist es auf jeden Fall, daß die Pforte zu dem Ausspruch berufen wird, ob der Patriarch seine kirchliche Rechtssphäre überschritten, oder ob er innerhalb derselben gehandelt habe.
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