Allgemeine Zeitung. Nr. 70. Augsburg, 10. März 1840.türkische Colonie bei Setif ist in gutem Gedeihen, und bei Ghelma werden die Felder von französischen Colonisten bebaut, welche Kabylen in ihren Diensten haben. Der Ex-Bey Achmet befindet sich zu Dyr, an der Gränze von Tunis, von den meisten seiner Anhänger verlassen. Die Scheikhs der Araktas, welche ihm lange ein Asyl gegeben, sind jetzt auch von ihm abgefallen und nahmen kürzlich an dem großen Bairamfest (Haid-el-Kebir) in Constantine Theil, wo sie dem General Galbois vorgestellt wurden. Paris, 4 März. Hr. Thiers wird all seinen Geist, seine Gewandtheit, seine Rednergabe nöthig haben, um sich im Ministerium zu halten und festzusetzen. Die Camarilla arbeitet eifrig an einer Coalition ihrer Anhänger im Centrum mit den Doctrinärs und den beiden Extremitäten der Kammer, um das Zustandekommen einer Majorität zu Gunsten des Ministeriums zu verhindern. Man bedenkt nicht, daß, wenn dieses Ministerium nicht möglich ist, wenig mehr möglich seyn wird, und daß hinter der Unmöglichkeit des Ministeriums die Anarchie mit allen ihren Schrecken liegt. Dieß sieht man auf den beiden äußersten Flügeln der Kammer recht wohl ein, und ich zweifle daher auch gar nicht, daß dort das Anerbieten mit beiden Händen ergriffen werden wird. Sehr zweifelhaft aber ist, daß so viele Dupes im Centrum sich finden, die ihrem Verderben blind entgegen rennen. Der Majorität dieser Farbe ist es hauptsächlich um ihre Aemter, um ihre Fabriken, um ihren Grundbesitz zu thun; ihr sehnlichster Wunsch ist Stabilität der Dinge - keine gewagte Bewegung, weder zu Gunsten des Fortschritts, noch zu Gunsten der Gewalt. Diese - steht zu hoffen - werden die Lage des Hrn. Thiers zu würdigen verstehen, und sich an ihn anschließen. Auf der andern Seite scheint das linke Centrum mit der Schwierigkeit der Lage des Hrn. Thiers Einsicht zu haben, und ihm in Betreff derjenigen ihrer Ansprüche, welche das Centrum am meisten vor den Kopf stoßen dürften, noch für die Zeit der gegenwärtigen Session Gestundung geben zu wollen. Dahin sind die leitenden Artikel des Siecle, des Constitutionnel, des Temps zu deuten, welche, wie auch der Messager und der Nouvellist, in die Absichten des Premiers das beste Vertrauen setzen, auch wenn er in der Entwicklung seines Operationsplans nicht schon während der ersten acht Tage mit der Thür ins Haus fallen sollte. Etwas rigoroser ist der Courrier, indem er darauf hält, daß man von Seiten des Ministeriums dem Centrum in keinerlei Weise Concessionen mache. Das Journal du Commerce scheint nur die Gelegenheit abzuwarten, um den Premier der Ueberläuferei anzuklagen, und der National sagt bereits mit klaren Worten, der 2 März sey nichts als eine Fortsetzung des 12 Mai, wie dieser eine Fortsetzung des 15 April gewesen. Das Journal des Debats meint, wenn Hr. Thiers eben so zahm werden wollte wie jene von seinen Lieutenants, von welchen er am 12 Mai verlassen worden, so könnte man ihm seine dreijährige Opposition wohl vergeben, ja sogar ihn wieder lieb gewinnen. Dabei zweifelt es, daß Hr. Thiers ohne sich zum Werkzeug des Centrums zu machen, eine Majorität zu Stande zu bringen vermöge. Die "Presse" hält nicht viel auf die Geschmeidigkeit des Hrn. Thiers und verharrt in der heftigsten Opposition. Bei diesem Stand der Dinge will die constitutionelle Ordnung, daß Hr. Thiers bei dem ersten Zeichen der Widerborstigkeit von Seite des Centrums die Kammer auflöse, in welchem Fall, wenn die Wahlen unter dem neuen Ministerium vor sich gingen, wohl schwerlich viele dieser Herren die Mitte des Palais Bourbons wieder zu sehen bekommen dürften, und das Ministerium Thiers sich auf Jahre befestigen könnte. Ist aber zu erwarten, daß in einem solchen Falle die königliche Sanction dieser Maaßregel erfolgen werde? Deutschland. Dresden, 24 Febr. (Beschluß der in der heutigen Zeitung abgebrochenen Verhandlungen der zweiten Kammer über die hannover'sche Verfassungsangelegenheit.) Der Referent v. Watzdorf: "Ich könnte mich in der That des Schlußwortes, was mir gebührt, in dieser Angelegenheit füglich enthalten. Von so vielen Rednern, welche den Gegenstand der heutigen Berathung behandelt haben, ist nur für und über das Deputationsgutachten gesprochen worden, von keinem dagegen. Indessen will ich mir nur eine kurze Bemerkung erlauben in Bezug auf die Rede des Hrn. Staatsministers v. Zeschau, die er bei dem Anfang unserer Berathung gehalten hat. Er äußerte sich dahin, daß die Staatsregierung sich veranlaßt gefunden hätte, die Oeffentlichkeit dieser Berathung zu gestatten. Meine Herren, Sie wissen, daß manche Ansichten, welche den Maaßregeln der hohen Staatsregierung zum Grunde liegen, nicht die meinigen sind. Darum ergreife ich mit um so größerer Freude die Gelegenheit, der hohen Staatsregierung dafür, daß sie das Palladium unserer Verfassung, die Oeffentlichkeit unserer Berathung, bei diesem wichtigen Gegenstand unversehrt erhalten hat, meinen innigsten Dank auszusprechen. Aber in diese meine Freude über das Verfahren unserer Staatsregierung hat sich doch ein Tropfen Wermuth gemischt, indem ich mit Bedauern wahrgenommen habe, daß die Freiheit der Meinungsäußerung nicht so unversehrt erhalten worden ist als die Oeffentlichkeit unserer Berathung. Ein Redner ist mehrmals in seinem Vortrag unterbrochen worden, und es ist ein strenges Urtheil über seine Rede gefällt worden, welches ich nicht unterschreiben kann." Reiche-Eisenstuck: "Als Deputationsmitglied finde ich mich genöthigt, auf eine Aeußerung des Referenten etwas zu erwiedern. Der Referent, welcher als Organ der Deputation betrachtet wird, hat eine ausdrückliche Billigung einiger unangemessenen Aeußerungen ausgesprochen, die während der Discussion gefallen sind. Ich und alle Deputationsmitglieder haben den Bericht mit der Ueberzeugung unterschrieben, daß derselbe freimüthig und klar Alles beleuchtet, so weit es der guten Sache förderlich seyn kann; ich mißbillige es aber, wenn Aeußerungen in der Discussion gefallen sind, die nichts nützen und doch der guten Sache selbst einen bösen Dienst leisten können. Und somit muß ich offen meine Mißbilligung aussprechen, und kann der Meinung des Referenten, die er so eben aussprach, keineswegs beitreten. Ich glaube, man ist es dem Vertrauen, welches die hohe Staatsregierung in die Haltung der Kammer gesetzt hat, schuldig, daß man bei dieser öffentlichen Discussion in den Gränzen bleibt, welche die Weisheit gebietet und die dem Erfolg unserer guten Absicht sicherlich am zuträglichsten sind." Staatsminister v. Zeschau erklärte: "Als die Regierung sich die Frage stellte, ob sie diese Berathung in öffentlicher Sitzung gestatten sollte, vergegenwärtigte sie sich den frühern Gang der ständischen Verhandlungen, und glaubte, es sey unbedenklich. Die Regierung, in der That den Grundsätzen der Verfassung ergeben und gewissenhaft in jeder Beziehung bei der Ausführung derselben, hat auch da, wo sie sich in dem Falle befand, ständische Wünsche zu berücksichtigen, gern nachgegeben. Sie wußte, es liege in dem Wunsche der Ständeversammlung, diesen Gegenstand öffentlich zu verhandeln; ich bekenne aber auch, daß die Regierung durch das, was vorgegangen ist, in ihrem Vertrauen getäuscht wurde, und leider in einem ähnlichen Falle sich in die Nothwendigkeit versetzt sieht, dieses Vertrauen gegen die Kammer nicht mehr auszusprechen. Ich füge türkische Colonie bei Setif ist in gutem Gedeihen, und bei Ghelma werden die Felder von französischen Colonisten bebaut, welche Kabylen in ihren Diensten haben. Der Ex-Bey Achmet befindet sich zu Dyr, an der Gränze von Tunis, von den meisten seiner Anhänger verlassen. Die Scheikhs der Araktas, welche ihm lange ein Asyl gegeben, sind jetzt auch von ihm abgefallen und nahmen kürzlich an dem großen Bairamfest (Haid-el-Kebir) in Constantine Theil, wo sie dem General Galbois vorgestellt wurden. Paris, 4 März. Hr. Thiers wird all seinen Geist, seine Gewandtheit, seine Rednergabe nöthig haben, um sich im Ministerium zu halten und festzusetzen. Die Camarilla arbeitet eifrig an einer Coalition ihrer Anhänger im Centrum mit den Doctrinärs und den beiden Extremitäten der Kammer, um das Zustandekommen einer Majorität zu Gunsten des Ministeriums zu verhindern. Man bedenkt nicht, daß, wenn dieses Ministerium nicht möglich ist, wenig mehr möglich seyn wird, und daß hinter der Unmöglichkeit des Ministeriums die Anarchie mit allen ihren Schrecken liegt. Dieß sieht man auf den beiden äußersten Flügeln der Kammer recht wohl ein, und ich zweifle daher auch gar nicht, daß dort das Anerbieten mit beiden Händen ergriffen werden wird. Sehr zweifelhaft aber ist, daß so viele Dupes im Centrum sich finden, die ihrem Verderben blind entgegen rennen. Der Majorität dieser Farbe ist es hauptsächlich um ihre Aemter, um ihre Fabriken, um ihren Grundbesitz zu thun; ihr sehnlichster Wunsch ist Stabilität der Dinge – keine gewagte Bewegung, weder zu Gunsten des Fortschritts, noch zu Gunsten der Gewalt. Diese – steht zu hoffen – werden die Lage des Hrn. Thiers zu würdigen verstehen, und sich an ihn anschließen. Auf der andern Seite scheint das linke Centrum mit der Schwierigkeit der Lage des Hrn. Thiers Einsicht zu haben, und ihm in Betreff derjenigen ihrer Ansprüche, welche das Centrum am meisten vor den Kopf stoßen dürften, noch für die Zeit der gegenwärtigen Session Gestundung geben zu wollen. Dahin sind die leitenden Artikel des Siècle, des Constitutionnel, des Temps zu deuten, welche, wie auch der Messager und der Nouvellist, in die Absichten des Premiers das beste Vertrauen setzen, auch wenn er in der Entwicklung seines Operationsplans nicht schon während der ersten acht Tage mit der Thür ins Haus fallen sollte. Etwas rigoroser ist der Courrier, indem er darauf hält, daß man von Seiten des Ministeriums dem Centrum in keinerlei Weise Concessionen mache. Das Journal du Commerce scheint nur die Gelegenheit abzuwarten, um den Premier der Ueberläuferei anzuklagen, und der National sagt bereits mit klaren Worten, der 2 März sey nichts als eine Fortsetzung des 12 Mai, wie dieser eine Fortsetzung des 15 April gewesen. Das Journal des Débats meint, wenn Hr. Thiers eben so zahm werden wollte wie jene von seinen Lieutenants, von welchen er am 12 Mai verlassen worden, so könnte man ihm seine dreijährige Opposition wohl vergeben, ja sogar ihn wieder lieb gewinnen. Dabei zweifelt es, daß Hr. Thiers ohne sich zum Werkzeug des Centrums zu machen, eine Majorität zu Stande zu bringen vermöge. Die „Presse“ hält nicht viel auf die Geschmeidigkeit des Hrn. Thiers und verharrt in der heftigsten Opposition. Bei diesem Stand der Dinge will die constitutionelle Ordnung, daß Hr. Thiers bei dem ersten Zeichen der Widerborstigkeit von Seite des Centrums die Kammer auflöse, in welchem Fall, wenn die Wahlen unter dem neuen Ministerium vor sich gingen, wohl schwerlich viele dieser Herren die Mitte des Palais Bourbons wieder zu sehen bekommen dürften, und das Ministerium Thiers sich auf Jahre befestigen könnte. Ist aber zu erwarten, daß in einem solchen Falle die königliche Sanction dieser Maaßregel erfolgen werde? Deutschland. Dresden, 24 Febr. (Beschluß der in der heutigen Zeitung abgebrochenen Verhandlungen der zweiten Kammer über die hannover'sche Verfassungsangelegenheit.) Der Referent v. Watzdorf: „Ich könnte mich in der That des Schlußwortes, was mir gebührt, in dieser Angelegenheit füglich enthalten. Von so vielen Rednern, welche den Gegenstand der heutigen Berathung behandelt haben, ist nur für und über das Deputationsgutachten gesprochen worden, von keinem dagegen. Indessen will ich mir nur eine kurze Bemerkung erlauben in Bezug auf die Rede des Hrn. Staatsministers v. Zeschau, die er bei dem Anfang unserer Berathung gehalten hat. Er äußerte sich dahin, daß die Staatsregierung sich veranlaßt gefunden hätte, die Oeffentlichkeit dieser Berathung zu gestatten. Meine Herren, Sie wissen, daß manche Ansichten, welche den Maaßregeln der hohen Staatsregierung zum Grunde liegen, nicht die meinigen sind. Darum ergreife ich mit um so größerer Freude die Gelegenheit, der hohen Staatsregierung dafür, daß sie das Palladium unserer Verfassung, die Oeffentlichkeit unserer Berathung, bei diesem wichtigen Gegenstand unversehrt erhalten hat, meinen innigsten Dank auszusprechen. Aber in diese meine Freude über das Verfahren unserer Staatsregierung hat sich doch ein Tropfen Wermuth gemischt, indem ich mit Bedauern wahrgenommen habe, daß die Freiheit der Meinungsäußerung nicht so unversehrt erhalten worden ist als die Oeffentlichkeit unserer Berathung. Ein Redner ist mehrmals in seinem Vortrag unterbrochen worden, und es ist ein strenges Urtheil über seine Rede gefällt worden, welches ich nicht unterschreiben kann.“ Reiche-Eisenstuck: „Als Deputationsmitglied finde ich mich genöthigt, auf eine Aeußerung des Referenten etwas zu erwiedern. Der Referent, welcher als Organ der Deputation betrachtet wird, hat eine ausdrückliche Billigung einiger unangemessenen Aeußerungen ausgesprochen, die während der Discussion gefallen sind. Ich und alle Deputationsmitglieder haben den Bericht mit der Ueberzeugung unterschrieben, daß derselbe freimüthig und klar Alles beleuchtet, so weit es der guten Sache förderlich seyn kann; ich mißbillige es aber, wenn Aeußerungen in der Discussion gefallen sind, die nichts nützen und doch der guten Sache selbst einen bösen Dienst leisten können. Und somit muß ich offen meine Mißbilligung aussprechen, und kann der Meinung des Referenten, die er so eben aussprach, keineswegs beitreten. Ich glaube, man ist es dem Vertrauen, welches die hohe Staatsregierung in die Haltung der Kammer gesetzt hat, schuldig, daß man bei dieser öffentlichen Discussion in den Gränzen bleibt, welche die Weisheit gebietet und die dem Erfolg unserer guten Absicht sicherlich am zuträglichsten sind.“ Staatsminister v. Zeschau erklärte: „Als die Regierung sich die Frage stellte, ob sie diese Berathung in öffentlicher Sitzung gestatten sollte, vergegenwärtigte sie sich den frühern Gang der ständischen Verhandlungen, und glaubte, es sey unbedenklich. Die Regierung, in der That den Grundsätzen der Verfassung ergeben und gewissenhaft in jeder Beziehung bei der Ausführung derselben, hat auch da, wo sie sich in dem Falle befand, ständische Wünsche zu berücksichtigen, gern nachgegeben. Sie wußte, es liege in dem Wunsche der Ständeversammlung, diesen Gegenstand öffentlich zu verhandeln; ich bekenne aber auch, daß die Regierung durch das, was vorgegangen ist, in ihrem Vertrauen getäuscht wurde, und leider in einem ähnlichen Falle sich in die Nothwendigkeit versetzt sieht, dieses Vertrauen gegen die Kammer nicht mehr auszusprechen. 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Thiers zu würdigen verstehen, und sich an ihn anschließen. Auf der andern Seite scheint das linke Centrum mit der Schwierigkeit der Lage des Hrn. Thiers Einsicht zu haben, und ihm in Betreff derjenigen ihrer Ansprüche, welche das Centrum am meisten vor den Kopf stoßen dürften, noch für die Zeit der gegenwärtigen Session Gestundung geben zu wollen. Dahin sind die leitenden Artikel des Siècle, des Constitutionnel, des Temps zu deuten, welche, wie auch der Messager und der Nouvellist, in die Absichten des Premiers das beste Vertrauen setzen, auch wenn er in der Entwicklung seines Operationsplans nicht schon während der ersten acht Tage mit der Thür ins Haus fallen sollte. Etwas rigoroser ist der Courrier, indem er darauf hält, daß man von Seiten des Ministeriums dem Centrum in keinerlei Weise Concessionen mache. Das Journal du Commerce scheint nur die Gelegenheit abzuwarten, um den Premier der Ueberläuferei anzuklagen, und der National sagt bereits mit klaren Worten, der 2 März sey nichts als eine Fortsetzung des 12 Mai, wie dieser eine Fortsetzung des 15 April gewesen. Das Journal des Débats meint, wenn Hr. Thiers eben so zahm werden wollte wie jene von seinen Lieutenants, von welchen er am 12 Mai verlassen worden, so könnte man ihm seine dreijährige Opposition wohl vergeben, ja sogar ihn wieder lieb gewinnen. Dabei zweifelt es, daß Hr. Thiers ohne sich zum Werkzeug des Centrums zu machen, eine Majorität zu Stande zu bringen vermöge. Die „Presse“ hält nicht viel auf die Geschmeidigkeit des Hrn. Thiers und verharrt in der heftigsten Opposition. Bei diesem Stand der Dinge will die constitutionelle Ordnung, daß Hr. Thiers bei dem ersten Zeichen der Widerborstigkeit von Seite des Centrums die Kammer auflöse, in welchem Fall, wenn die Wahlen unter dem neuen Ministerium vor sich gingen, wohl schwerlich viele dieser Herren die Mitte des Palais Bourbons wieder zu sehen bekommen dürften, und das Ministerium Thiers sich auf Jahre befestigen könnte. Ist aber zu erwarten, daß in einem solchen Falle die königliche Sanction dieser Maaßregel erfolgen werde?</p> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Deutschland.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Dresden,</hi> 24 Febr.</dateline> <p> (Beschluß der in der heutigen Zeitung abgebrochenen Verhandlungen der zweiten Kammer über die hannover'sche Verfassungsangelegenheit.) Der Referent v. <hi rendition="#g">Watzdorf</hi>: „Ich könnte mich in der That des Schlußwortes, was mir gebührt, in dieser Angelegenheit füglich enthalten. 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Aber in diese meine Freude über das Verfahren unserer Staatsregierung hat sich doch ein Tropfen Wermuth gemischt, indem ich mit Bedauern wahrgenommen habe, daß die Freiheit der Meinungsäußerung nicht so unversehrt erhalten worden ist als die Oeffentlichkeit unserer Berathung. Ein Redner ist mehrmals in seinem Vortrag unterbrochen worden, und es ist ein strenges Urtheil über seine Rede gefällt worden, welches ich nicht unterschreiben kann.“</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reiche</hi>-<hi rendition="#g">Eisenstuck</hi>: „Als Deputationsmitglied finde ich mich genöthigt, auf eine Aeußerung des Referenten etwas zu erwiedern. Der Referent, welcher als Organ der Deputation betrachtet wird, hat eine ausdrückliche Billigung einiger unangemessenen Aeußerungen ausgesprochen, die während der Discussion gefallen sind. 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_ Paris, 4 März. Hr. Thiers wird all seinen Geist, seine Gewandtheit, seine Rednergabe nöthig haben, um sich im Ministerium zu halten und festzusetzen. Die Camarilla arbeitet eifrig an einer Coalition ihrer Anhänger im Centrum mit den Doctrinärs und den beiden Extremitäten der Kammer, um das Zustandekommen einer Majorität zu Gunsten des Ministeriums zu verhindern. Man bedenkt nicht, daß, wenn dieses Ministerium nicht möglich ist, wenig mehr möglich seyn wird, und daß hinter der Unmöglichkeit des Ministeriums die Anarchie mit allen ihren Schrecken liegt. Dieß sieht man auf den beiden äußersten Flügeln der Kammer recht wohl ein, und ich zweifle daher auch gar nicht, daß dort das Anerbieten mit beiden Händen ergriffen werden wird. Sehr zweifelhaft aber ist, daß so viele Dupes im Centrum sich finden, die ihrem Verderben blind entgegen rennen. Der Majorität dieser Farbe ist es hauptsächlich um ihre Aemter, um ihre Fabriken, um ihren Grundbesitz zu thun; ihr sehnlichster Wunsch ist Stabilität der Dinge – keine gewagte Bewegung, weder zu Gunsten des Fortschritts, noch zu Gunsten der Gewalt. Diese – steht zu hoffen – werden die Lage des Hrn. Thiers zu würdigen verstehen, und sich an ihn anschließen. Auf der andern Seite scheint das linke Centrum mit der Schwierigkeit der Lage des Hrn. Thiers Einsicht zu haben, und ihm in Betreff derjenigen ihrer Ansprüche, welche das Centrum am meisten vor den Kopf stoßen dürften, noch für die Zeit der gegenwärtigen Session Gestundung geben zu wollen. Dahin sind die leitenden Artikel des Siècle, des Constitutionnel, des Temps zu deuten, welche, wie auch der Messager und der Nouvellist, in die Absichten des Premiers das beste Vertrauen setzen, auch wenn er in der Entwicklung seines Operationsplans nicht schon während der ersten acht Tage mit der Thür ins Haus fallen sollte. Etwas rigoroser ist der Courrier, indem er darauf hält, daß man von Seiten des Ministeriums dem Centrum in keinerlei Weise Concessionen mache. Das Journal du Commerce scheint nur die Gelegenheit abzuwarten, um den Premier der Ueberläuferei anzuklagen, und der National sagt bereits mit klaren Worten, der 2 März sey nichts als eine Fortsetzung des 12 Mai, wie dieser eine Fortsetzung des 15 April gewesen. Das Journal des Débats meint, wenn Hr. Thiers eben so zahm werden wollte wie jene von seinen Lieutenants, von welchen er am 12 Mai verlassen worden, so könnte man ihm seine dreijährige Opposition wohl vergeben, ja sogar ihn wieder lieb gewinnen. Dabei zweifelt es, daß Hr. Thiers ohne sich zum Werkzeug des Centrums zu machen, eine Majorität zu Stande zu bringen vermöge. Die „Presse“ hält nicht viel auf die Geschmeidigkeit des Hrn. Thiers und verharrt in der heftigsten Opposition. Bei diesem Stand der Dinge will die constitutionelle Ordnung, daß Hr. Thiers bei dem ersten Zeichen der Widerborstigkeit von Seite des Centrums die Kammer auflöse, in welchem Fall, wenn die Wahlen unter dem neuen Ministerium vor sich gingen, wohl schwerlich viele dieser Herren die Mitte des Palais Bourbons wieder zu sehen bekommen dürften, und das Ministerium Thiers sich auf Jahre befestigen könnte. Ist aber zu erwarten, daß in einem solchen Falle die königliche Sanction dieser Maaßregel erfolgen werde?
Deutschland.
_ Dresden, 24 Febr. (Beschluß der in der heutigen Zeitung abgebrochenen Verhandlungen der zweiten Kammer über die hannover'sche Verfassungsangelegenheit.) Der Referent v. Watzdorf: „Ich könnte mich in der That des Schlußwortes, was mir gebührt, in dieser Angelegenheit füglich enthalten. Von so vielen Rednern, welche den Gegenstand der heutigen Berathung behandelt haben, ist nur für und über das Deputationsgutachten gesprochen worden, von keinem dagegen. Indessen will ich mir nur eine kurze Bemerkung erlauben in Bezug auf die Rede des Hrn. Staatsministers v. Zeschau, die er bei dem Anfang unserer Berathung gehalten hat. Er äußerte sich dahin, daß die Staatsregierung sich veranlaßt gefunden hätte, die Oeffentlichkeit dieser Berathung zu gestatten. Meine Herren, Sie wissen, daß manche Ansichten, welche den Maaßregeln der hohen Staatsregierung zum Grunde liegen, nicht die meinigen sind. Darum ergreife ich mit um so größerer Freude die Gelegenheit, der hohen Staatsregierung dafür, daß sie das Palladium unserer Verfassung, die Oeffentlichkeit unserer Berathung, bei diesem wichtigen Gegenstand unversehrt erhalten hat, meinen innigsten Dank auszusprechen. Aber in diese meine Freude über das Verfahren unserer Staatsregierung hat sich doch ein Tropfen Wermuth gemischt, indem ich mit Bedauern wahrgenommen habe, daß die Freiheit der Meinungsäußerung nicht so unversehrt erhalten worden ist als die Oeffentlichkeit unserer Berathung. Ein Redner ist mehrmals in seinem Vortrag unterbrochen worden, und es ist ein strenges Urtheil über seine Rede gefällt worden, welches ich nicht unterschreiben kann.“
Reiche-Eisenstuck: „Als Deputationsmitglied finde ich mich genöthigt, auf eine Aeußerung des Referenten etwas zu erwiedern. Der Referent, welcher als Organ der Deputation betrachtet wird, hat eine ausdrückliche Billigung einiger unangemessenen Aeußerungen ausgesprochen, die während der Discussion gefallen sind. Ich und alle Deputationsmitglieder haben den Bericht mit der Ueberzeugung unterschrieben, daß derselbe freimüthig und klar Alles beleuchtet, so weit es der guten Sache förderlich seyn kann; ich mißbillige es aber, wenn Aeußerungen in der Discussion gefallen sind, die nichts nützen und doch der guten Sache selbst einen bösen Dienst leisten können. Und somit muß ich offen meine Mißbilligung aussprechen, und kann der Meinung des Referenten, die er so eben aussprach, keineswegs beitreten. Ich glaube, man ist es dem Vertrauen, welches die hohe Staatsregierung in die Haltung der Kammer gesetzt hat, schuldig, daß man bei dieser öffentlichen Discussion in den Gränzen bleibt, welche die Weisheit gebietet und die dem Erfolg unserer guten Absicht sicherlich am zuträglichsten sind.“
Staatsminister v. Zeschau erklärte: „Als die Regierung sich die Frage stellte, ob sie diese Berathung in öffentlicher Sitzung gestatten sollte, vergegenwärtigte sie sich den frühern Gang der ständischen Verhandlungen, und glaubte, es sey unbedenklich. Die Regierung, in der That den Grundsätzen der Verfassung ergeben und gewissenhaft in jeder Beziehung bei der Ausführung derselben, hat auch da, wo sie sich in dem Falle befand, ständische Wünsche zu berücksichtigen, gern nachgegeben. Sie wußte, es liege in dem Wunsche der Ständeversammlung, diesen Gegenstand öffentlich zu verhandeln; ich bekenne aber auch, daß die Regierung durch das, was vorgegangen ist, in ihrem Vertrauen getäuscht wurde, und leider in einem ähnlichen Falle sich in die Nothwendigkeit versetzt sieht, dieses Vertrauen gegen die Kammer nicht mehr auszusprechen. Ich füge
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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