Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 71. Augsburg, 11. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

die, so abgenutzt sie sind, doch stets wieder zum Vorschein kommen, weil man sich darin gefällt, über Griechenland stets in derselben Unkunde zu bleiben. Wir dächten, Paris und Frankreich lieferten viel merkwürdigere Zeugnisse von den "Schwierigkeiten und Hindernissen", denen eine europäische Verwaltung selbst im Occident begegnet. Jeden Monat bringen drei Dampfboote Nachrichten aus Athen und Syra nach Frankreich. Wie geht es denn zu, daß ein Blatt, wie das Journal des Debats, so schlecht unterrichtet ist? Denn wäre es gut unterrichtet, würde sein Urtheil so lauten müssen: Griechenland liefert ein merkwürdiges Zeugniß, wie wenigen Hindernissen und Schwierigkeiten die Einführung europäischer Verwaltung im Orient begegnet. Wo sind die Hindernisse und Schwierigkeiten von denen das Journal des Debats spricht? Europäische Verwaltung des Innern, europäische Communalverfassung, europäische Gerichtshöfe und Rechtsverwaltung, europäische Schulen, europäische Bewaffnung und Exercitium, ja sogar europäisches Zollwesen und Stempelpapier ist eingeführt, und in Griechenland weiß man nichts von besondern im "Orient" gegründeten Schwierigkeiten, denen diese europäischen Einrichtungen begegnet wären. Im Gegentheil, man muß sich wundern und freuen über die Leichtigkeit, womit die Griechen alle Verbesserungen ins Leben einführen. Nur die Conscription fand bei der ersten Einführung an Einem Ort Schwierigkeit, und die europäische Bewaffnung hie und da. Jetzt aber bitten ganze Fustanellen-Bataillone um europäische Waffen und Uniform. Die Hauptschwierigkeit, welcher die europäische Verwaltung in Griechenland (die übrigens jetzt eben so sehr eine griechische ist) begegnet, liegt in der Zehntenabgabe, und diese gehört eben nicht der europäischen Verwaltung, sondern der türkischen an.

Türkei.

Den neuesten Berichten aus Konstantinopel zufolge nimmt die Finanznoth der Pforte auf eine schreckbare Weise zu, und das Streben der Regierung ist vorzugsweise dahin gerichtet dieser abzuhelfen. Verschiedene Plane wurden entworfen, verworfen, einer neuen Begutachtung unterzogen, allein man konnte zu keinem Beschlusse gelangen. Es war davon die Rede, Papiergeld im Betrage von 20 Millionen Franks auszugeben. allein die armenischen Bankiers erklärten die zu emittirenden Billets nicht an Geldesstatt annehmen zu wollen, womit das Project schnell geworfen war. Das Anerbieten eines Anlehens von englischen Häusern zu besagtem Belauf wurde trotz der Bemühungen eines befreundeten großen Hofes verschmäht. Die Pforte scheint sich durchaus nicht entschließen zu können, für eine solche Gefälligkeit ein sicheres Unterpfand zu bieten, so sehr auch ihre Noth und Verlegenheit stündlich wächst; Alles ist gespannt, welches Ende diese Krisis nehmen wird. - Der griechische Minister Zographos ist in seinen Verhandlungen wegen eines Handelsvertrags mit der Pforte ziemlich zu Ende gekommen, mußte jedoch wegen zwei Punkten, über die er sich mit den türkischen Ministern nicht einigen konnte, abbrechen. Der erste dieser streitigen Punkte soll die vom Divan geforderte Beibehaltung der Jurisdiction über alle griechischen Unterthanen, der zweite Punkt das Recht des Küstenhandels betreffen. - Mit so viel Freude der berühmte Hattischerif von Gülhaneh hin und wieder aufgenommen worden ist, so hat er doch auch theilweise Widerstand erfahren. So hat sich namentlich der Pascha von Samsun förmlich geweigert, denselben öffentlich verkünden zu lassen; und ähnliche Anzeigen sollen von Bosnien und Herzegowina eingegangen seyn. Reschid Pascha hat auf die Kunde hievon alsogleich Absetzung der Widerspänstigen verlangt, soll jedoch mit dieser Forderung nicht haben durchdringen können; es wurde bloß beschlossen, neue verschärfte Befehle an sie zu erlassen. - Aus Athen schreibt man von bestunterrichteter Hand, daß die Untersuchung über die dort entdeckte Conspiration der philorthodoxen Hetärie bis jetzt kein anderes Resultat geliefert habe, als daß diese geheime Verbindung die Absicht hatte, unter Voranstellung religiöser Zwecke Epirus, Thessalien und Macedonien vom türkischen Joche zu befreien, und drei orthodoxe Könige zu creiren. Dagegen hat sich keine Spur gefunden, daß es auch auf das Königreich Griechenland abgesehen war, noch weniger, daß dessen Regierung gestürzt oder gar der König und sein Anhang ermordet werden sollte. Die anfängliche Meinung, daß Rußland die Hand dabei im Spiele gehabt habe, beruht einzig und allein auf dem unklugen Benehmen einiger Attaches der russischen Mission in Athen. Der König selbst sucht sichtbarlich den Irrthum jener Meinung dadurch zu beweisen, daß er mehreren der Napisten-Partei (gleichbedeutend mit russischer Partei) Angehörigen in letzter Zeit Begünstigungen erwies. - Lyons bietet noch immer Alles auf, um den König Otto zur Verleihung einer Constitution zu bewegen.

Die Nachrichten, die wir aus Alexandrien erhalten, sind zwar nicht geeignet, die Pforte völlig zu beruhigen; sie bestätigen jedoch, daß die Ressourcen des Vicekönigs mit dessen Willen nicht gleichen Schritt halten und daß zwischen dem, was Mehemed ins Werk setzen wollte, und dem wirklich Erzielten ein mächtiger Abstand obwaltet. Obwohl nicht zu läugnen, daß die ungeheuren Vorräthe Kriegsmaterials, die nach allen angreifbaren Punkten der weit ausgedehnten syrisch-ägyptischen Küsten von Alexandrien aus gesendet werden, die Erwartung übertreffen, so läßt sich doch aus den geringen Fortschritten der Landesbewaffnung auf die wenige Sympathie schließen, die der alte Mehemed seinen Unterthanen einzuflößen weiß. Wirklich war der Pascha darüber betroffen, und man mag in Frankreich einen Augenblick lang Besorgnisse gehegt haben, daß Mehemed Ali ein rückgängiges Benehmen gegen die Pforte beobachten werde. Diese Besorgnisse waren nicht ganz ungegründet, denn man schien wirklich in Alexandrien eine dem Frieden günstigere Stimmung gewonnen zu haben. Da landete am 31 Jan. daselbst der Acheron, der für Hrn. Cochelet sehr wichtige Depeschen mitbrachte. Durch diese Depeschen ward der französische Consul angewiesen, Mehemed Ali Muth und Beharrlichkeit einzusprechen, und ihn genau über den Stand der Unterhandlungen in London zu unterrichten. Nach den dem Vicekönig durch Hrn. Cochelet gemachten Mittheilungen scheinen sich nun die Chancen bedeutend zu Gunsten des ersteren gewendet zu haben: Frankreich (hieß es darin) habe das verlorne Terrain in London größtentheils wieder gewonnen; der Vicekönig möge daher sogar gewisse, von Frankreich ihm früher gegebene Rathschläge für den Augenblick bei Seite setzen, indem man zu den Conferenzen in London einer ganz freien Grundlage bedürfe. Diese Nachrichten stimmen scheinbar nicht ganz mit denen überein, welche die Pforte erhalten haben soll; sie werden indessen von unterrichteten Männern für wahr gehalten. Durch die Ernennung Nuri Effendi's zum Bevollmächtigten der Pforte bei den Londoner Conferenzen scheint wenigstens der wichtige Umstand außer Zweifel gesetzt, daß in London noch nichts festgesetzt worden, vielmehr die Unterhandlungen selbst unter den Großmächten offen bleiben. Dieses Resultat ist nun freilich gering, wenn man bedenkt, mit welcher Ungeduld die Pforte von Tag zu Tag auf entscheidende Beschlüsse gewartet hatte. - Der Staatsschatz ist in einer kläglichen Lage; man berathet unaufhörlich über die Mittel,

die, so abgenutzt sie sind, doch stets wieder zum Vorschein kommen, weil man sich darin gefällt, über Griechenland stets in derselben Unkunde zu bleiben. Wir dächten, Paris und Frankreich lieferten viel merkwürdigere Zeugnisse von den „Schwierigkeiten und Hindernissen“, denen eine europäische Verwaltung selbst im Occident begegnet. Jeden Monat bringen drei Dampfboote Nachrichten aus Athen und Syra nach Frankreich. Wie geht es denn zu, daß ein Blatt, wie das Journal des Débats, so schlecht unterrichtet ist? Denn wäre es gut unterrichtet, würde sein Urtheil so lauten müssen: Griechenland liefert ein merkwürdiges Zeugniß, wie wenigen Hindernissen und Schwierigkeiten die Einführung europäischer Verwaltung im Orient begegnet. Wo sind die Hindernisse und Schwierigkeiten von denen das Journal des Débats spricht? Europäische Verwaltung des Innern, europäische Communalverfassung, europäische Gerichtshöfe und Rechtsverwaltung, europäische Schulen, europäische Bewaffnung und Exercitium, ja sogar europäisches Zollwesen und Stempelpapier ist eingeführt, und in Griechenland weiß man nichts von besondern im „Orient“ gegründeten Schwierigkeiten, denen diese europäischen Einrichtungen begegnet wären. Im Gegentheil, man muß sich wundern und freuen über die Leichtigkeit, womit die Griechen alle Verbesserungen ins Leben einführen. Nur die Conscription fand bei der ersten Einführung an Einem Ort Schwierigkeit, und die europäische Bewaffnung hie und da. Jetzt aber bitten ganze Fustanellen-Bataillone um europäische Waffen und Uniform. Die Hauptschwierigkeit, welcher die europäische Verwaltung in Griechenland (die übrigens jetzt eben so sehr eine griechische ist) begegnet, liegt in der Zehntenabgabe, und diese gehört eben nicht der europäischen Verwaltung, sondern der türkischen an.

Türkei.

Den neuesten Berichten aus Konstantinopel zufolge nimmt die Finanznoth der Pforte auf eine schreckbare Weise zu, und das Streben der Regierung ist vorzugsweise dahin gerichtet dieser abzuhelfen. Verschiedene Plane wurden entworfen, verworfen, einer neuen Begutachtung unterzogen, allein man konnte zu keinem Beschlusse gelangen. Es war davon die Rede, Papiergeld im Betrage von 20 Millionen Franks auszugeben. allein die armenischen Bankiers erklärten die zu emittirenden Billets nicht an Geldesstatt annehmen zu wollen, womit das Project schnell geworfen war. Das Anerbieten eines Anlehens von englischen Häusern zu besagtem Belauf wurde trotz der Bemühungen eines befreundeten großen Hofes verschmäht. Die Pforte scheint sich durchaus nicht entschließen zu können, für eine solche Gefälligkeit ein sicheres Unterpfand zu bieten, so sehr auch ihre Noth und Verlegenheit stündlich wächst; Alles ist gespannt, welches Ende diese Krisis nehmen wird. – Der griechische Minister Zographos ist in seinen Verhandlungen wegen eines Handelsvertrags mit der Pforte ziemlich zu Ende gekommen, mußte jedoch wegen zwei Punkten, über die er sich mit den türkischen Ministern nicht einigen konnte, abbrechen. Der erste dieser streitigen Punkte soll die vom Divan geforderte Beibehaltung der Jurisdiction über alle griechischen Unterthanen, der zweite Punkt das Recht des Küstenhandels betreffen. – Mit so viel Freude der berühmte Hattischerif von Gülhaneh hin und wieder aufgenommen worden ist, so hat er doch auch theilweise Widerstand erfahren. So hat sich namentlich der Pascha von Samsun förmlich geweigert, denselben öffentlich verkünden zu lassen; und ähnliche Anzeigen sollen von Bosnien und Herzegowina eingegangen seyn. Reschid Pascha hat auf die Kunde hievon alsogleich Absetzung der Widerspänstigen verlangt, soll jedoch mit dieser Forderung nicht haben durchdringen können; es wurde bloß beschlossen, neue verschärfte Befehle an sie zu erlassen. – Aus Athen schreibt man von bestunterrichteter Hand, daß die Untersuchung über die dort entdeckte Conspiration der philorthodoxen Hetärie bis jetzt kein anderes Resultat geliefert habe, als daß diese geheime Verbindung die Absicht hatte, unter Voranstellung religiöser Zwecke Epirus, Thessalien und Macedonien vom türkischen Joche zu befreien, und drei orthodoxe Könige zu creiren. Dagegen hat sich keine Spur gefunden, daß es auch auf das Königreich Griechenland abgesehen war, noch weniger, daß dessen Regierung gestürzt oder gar der König und sein Anhang ermordet werden sollte. Die anfängliche Meinung, daß Rußland die Hand dabei im Spiele gehabt habe, beruht einzig und allein auf dem unklugen Benehmen einiger Attachés der russischen Mission in Athen. Der König selbst sucht sichtbarlich den Irrthum jener Meinung dadurch zu beweisen, daß er mehreren der Napisten-Partei (gleichbedeutend mit russischer Partei) Angehörigen in letzter Zeit Begünstigungen erwies. – Lyons bietet noch immer Alles auf, um den König Otto zur Verleihung einer Constitution zu bewegen.

Die Nachrichten, die wir aus Alexandrien erhalten, sind zwar nicht geeignet, die Pforte völlig zu beruhigen; sie bestätigen jedoch, daß die Ressourcen des Vicekönigs mit dessen Willen nicht gleichen Schritt halten und daß zwischen dem, was Mehemed ins Werk setzen wollte, und dem wirklich Erzielten ein mächtiger Abstand obwaltet. Obwohl nicht zu läugnen, daß die ungeheuren Vorräthe Kriegsmaterials, die nach allen angreifbaren Punkten der weit ausgedehnten syrisch-ägyptischen Küsten von Alexandrien aus gesendet werden, die Erwartung übertreffen, so läßt sich doch aus den geringen Fortschritten der Landesbewaffnung auf die wenige Sympathie schließen, die der alte Mehemed seinen Unterthanen einzuflößen weiß. Wirklich war der Pascha darüber betroffen, und man mag in Frankreich einen Augenblick lang Besorgnisse gehegt haben, daß Mehemed Ali ein rückgängiges Benehmen gegen die Pforte beobachten werde. Diese Besorgnisse waren nicht ganz ungegründet, denn man schien wirklich in Alexandrien eine dem Frieden günstigere Stimmung gewonnen zu haben. Da landete am 31 Jan. daselbst der Acheron, der für Hrn. Cochelet sehr wichtige Depeschen mitbrachte. Durch diese Depeschen ward der französische Consul angewiesen, Mehemed Ali Muth und Beharrlichkeit einzusprechen, und ihn genau über den Stand der Unterhandlungen in London zu unterrichten. Nach den dem Vicekönig durch Hrn. Cochelet gemachten Mittheilungen scheinen sich nun die Chancen bedeutend zu Gunsten des ersteren gewendet zu haben: Frankreich (hieß es darin) habe das verlorne Terrain in London größtentheils wieder gewonnen; der Vicekönig möge daher sogar gewisse, von Frankreich ihm früher gegebene Rathschläge für den Augenblick bei Seite setzen, indem man zu den Conferenzen in London einer ganz freien Grundlage bedürfe. Diese Nachrichten stimmen scheinbar nicht ganz mit denen überein, welche die Pforte erhalten haben soll; sie werden indessen von unterrichteten Männern für wahr gehalten. Durch die Ernennung Nuri Effendi's zum Bevollmächtigten der Pforte bei den Londoner Conferenzen scheint wenigstens der wichtige Umstand außer Zweifel gesetzt, daß in London noch nichts festgesetzt worden, vielmehr die Unterhandlungen selbst unter den Großmächten offen bleiben. Dieses Resultat ist nun freilich gering, wenn man bedenkt, mit welcher Ungeduld die Pforte von Tag zu Tag auf entscheidende Beschlüsse gewartet hatte. – Der Staatsschatz ist in einer kläglichen Lage; man berathet unaufhörlich über die Mittel,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0006" n="0566"/>
die, so abgenutzt sie sind, doch stets wieder zum Vorschein kommen, weil man sich darin gefällt, über Griechenland stets in derselben Unkunde zu bleiben. Wir dächten, Paris und Frankreich lieferten viel merkwürdigere Zeugnisse von den &#x201E;Schwierigkeiten und Hindernissen&#x201C;, denen eine europäische Verwaltung selbst im Occident begegnet. Jeden Monat bringen drei Dampfboote Nachrichten aus Athen und Syra nach Frankreich. Wie geht es denn zu, daß ein Blatt, wie das Journal des Débats, so schlecht unterrichtet ist? Denn wäre es gut unterrichtet, würde sein Urtheil so lauten müssen: <hi rendition="#g">Griechenland liefert ein merkwürdiges Zeugniß</hi>, <hi rendition="#g">wie wenigen Hindernissen und Schwierigkeiten die Einführung europäischer Verwaltung im Orient begegnet</hi>. Wo sind die Hindernisse und Schwierigkeiten von denen das Journal des Débats spricht? Europäische Verwaltung des Innern, europäische Communalverfassung, europäische Gerichtshöfe und Rechtsverwaltung, europäische Schulen, europäische Bewaffnung und Exercitium, ja sogar europäisches Zollwesen und Stempelpapier ist eingeführt, und in Griechenland weiß man nichts von besondern im &#x201E;Orient&#x201C; gegründeten Schwierigkeiten, denen diese europäischen Einrichtungen begegnet wären. Im Gegentheil, man muß sich wundern und freuen über die Leichtigkeit, womit die Griechen alle Verbesserungen ins Leben einführen. Nur die Conscription fand bei der ersten Einführung an Einem Ort Schwierigkeit, und die europäische Bewaffnung hie und da. Jetzt aber <hi rendition="#g">bitten</hi> ganze Fustanellen-Bataillone um europäische Waffen und Uniform. Die Hauptschwierigkeit, welcher die europäische Verwaltung in Griechenland (die übrigens jetzt eben so sehr eine griechische ist) begegnet, liegt in der <hi rendition="#g">Zehntenabgabe</hi>, und diese gehört eben nicht der europäischen Verwaltung, sondern der türkischen an.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Türkei.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Von der türkischen Gränze,</hi> 27 Febr.</dateline>
          <p> Den neuesten Berichten aus Konstantinopel zufolge nimmt die Finanznoth der Pforte auf eine schreckbare Weise zu, und das Streben der Regierung ist vorzugsweise dahin gerichtet dieser abzuhelfen. Verschiedene Plane wurden entworfen, verworfen, einer neuen Begutachtung unterzogen, allein man konnte zu keinem Beschlusse gelangen. Es war davon die Rede, Papiergeld im Betrage von 20 Millionen Franks auszugeben. allein die armenischen Bankiers erklärten die zu emittirenden Billets nicht an Geldesstatt annehmen zu wollen, womit das Project schnell geworfen war. Das Anerbieten eines Anlehens von englischen Häusern zu besagtem Belauf wurde trotz der Bemühungen eines befreundeten großen Hofes verschmäht. Die Pforte scheint sich durchaus nicht entschließen zu können, für eine solche Gefälligkeit ein sicheres Unterpfand zu bieten, so sehr auch ihre Noth und Verlegenheit stündlich wächst; Alles ist gespannt, welches Ende diese Krisis nehmen wird. &#x2013; Der griechische Minister Zographos ist in seinen Verhandlungen wegen eines Handelsvertrags mit der Pforte ziemlich zu Ende gekommen, mußte jedoch wegen zwei Punkten, über die er sich mit den türkischen Ministern nicht einigen konnte, abbrechen. Der erste dieser streitigen Punkte soll die vom Divan geforderte Beibehaltung der Jurisdiction über alle griechischen Unterthanen, der zweite Punkt das Recht des Küstenhandels betreffen. &#x2013; Mit so viel Freude der berühmte Hattischerif von Gülhaneh hin und wieder aufgenommen worden ist, so hat er doch auch theilweise Widerstand erfahren. So hat sich namentlich der Pascha von Samsun förmlich geweigert, denselben öffentlich verkünden zu lassen; und ähnliche Anzeigen sollen von Bosnien und Herzegowina eingegangen seyn. Reschid Pascha hat auf die Kunde hievon alsogleich Absetzung der Widerspänstigen verlangt, soll jedoch mit dieser Forderung nicht haben durchdringen können; es wurde bloß beschlossen, neue verschärfte Befehle an sie zu erlassen. &#x2013; Aus Athen schreibt man von bestunterrichteter Hand, daß die Untersuchung über die dort entdeckte Conspiration der philorthodoxen Hetärie bis jetzt kein anderes Resultat geliefert habe, als daß diese geheime Verbindung die Absicht hatte, unter Voranstellung religiöser Zwecke Epirus, Thessalien und Macedonien vom türkischen Joche zu befreien, und drei orthodoxe Könige zu creiren. Dagegen hat sich keine Spur gefunden, daß es auch auf das Königreich Griechenland abgesehen war, noch weniger, daß dessen Regierung gestürzt oder gar der König und sein Anhang ermordet werden sollte. Die anfängliche Meinung, daß Rußland die Hand dabei im Spiele gehabt habe, beruht einzig und allein auf dem unklugen Benehmen einiger Attachés der russischen Mission in Athen. Der König selbst sucht sichtbarlich den Irrthum jener Meinung dadurch zu beweisen, daß er mehreren der Napisten-Partei (gleichbedeutend mit russischer Partei) Angehörigen in letzter Zeit Begünstigungen erwies. &#x2013; Lyons bietet noch immer Alles auf, um den König Otto zur Verleihung einer Constitution zu bewegen.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Konstantinopel,</hi> 21 Febr.</dateline>
          <p> Die Nachrichten, die wir aus Alexandrien erhalten, sind zwar nicht geeignet, die Pforte völlig zu beruhigen; sie bestätigen jedoch, daß die Ressourcen des Vicekönigs mit dessen Willen nicht gleichen Schritt halten und daß zwischen dem, was Mehemed ins Werk setzen wollte, und dem wirklich Erzielten ein mächtiger Abstand obwaltet. Obwohl nicht zu läugnen, daß die ungeheuren Vorräthe Kriegsmaterials, die nach allen angreifbaren Punkten der weit ausgedehnten syrisch-ägyptischen Küsten von Alexandrien aus gesendet werden, die Erwartung übertreffen, so läßt sich doch aus den geringen Fortschritten der Landesbewaffnung auf die wenige Sympathie schließen, die der alte Mehemed seinen Unterthanen einzuflößen weiß. Wirklich war der Pascha darüber betroffen, und man mag in Frankreich einen Augenblick lang Besorgnisse gehegt haben, daß Mehemed Ali ein rückgängiges Benehmen gegen die Pforte beobachten werde. Diese Besorgnisse waren nicht ganz ungegründet, denn man schien wirklich in Alexandrien eine dem Frieden günstigere Stimmung gewonnen zu haben. Da landete am 31 Jan. daselbst der Acheron, der für Hrn. Cochelet sehr wichtige Depeschen mitbrachte. Durch diese Depeschen ward der französische Consul angewiesen, Mehemed Ali Muth und Beharrlichkeit einzusprechen, und ihn genau über den Stand der Unterhandlungen in London zu unterrichten. Nach den dem Vicekönig durch Hrn. Cochelet gemachten Mittheilungen scheinen sich nun die Chancen bedeutend zu Gunsten des ersteren gewendet zu haben: Frankreich (hieß es darin) habe das verlorne Terrain in London größtentheils wieder gewonnen; der Vicekönig möge daher sogar gewisse, von Frankreich ihm früher gegebene Rathschläge für den Augenblick bei Seite setzen, indem man zu den Conferenzen in London einer ganz freien Grundlage bedürfe. Diese Nachrichten stimmen scheinbar nicht ganz mit denen überein, welche die Pforte erhalten haben soll; sie werden indessen von unterrichteten Männern für wahr gehalten. Durch die Ernennung Nuri Effendi's zum Bevollmächtigten der Pforte bei den Londoner Conferenzen scheint wenigstens der wichtige Umstand außer Zweifel gesetzt, daß in London noch nichts festgesetzt worden, vielmehr die Unterhandlungen selbst unter den Großmächten offen bleiben. Dieses Resultat ist nun freilich gering, wenn man bedenkt, mit welcher Ungeduld die Pforte von Tag zu Tag auf entscheidende Beschlüsse gewartet hatte. &#x2013; Der Staatsschatz ist in einer kläglichen Lage; man berathet unaufhörlich über die Mittel,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0566/0006] die, so abgenutzt sie sind, doch stets wieder zum Vorschein kommen, weil man sich darin gefällt, über Griechenland stets in derselben Unkunde zu bleiben. Wir dächten, Paris und Frankreich lieferten viel merkwürdigere Zeugnisse von den „Schwierigkeiten und Hindernissen“, denen eine europäische Verwaltung selbst im Occident begegnet. Jeden Monat bringen drei Dampfboote Nachrichten aus Athen und Syra nach Frankreich. Wie geht es denn zu, daß ein Blatt, wie das Journal des Débats, so schlecht unterrichtet ist? Denn wäre es gut unterrichtet, würde sein Urtheil so lauten müssen: Griechenland liefert ein merkwürdiges Zeugniß, wie wenigen Hindernissen und Schwierigkeiten die Einführung europäischer Verwaltung im Orient begegnet. Wo sind die Hindernisse und Schwierigkeiten von denen das Journal des Débats spricht? Europäische Verwaltung des Innern, europäische Communalverfassung, europäische Gerichtshöfe und Rechtsverwaltung, europäische Schulen, europäische Bewaffnung und Exercitium, ja sogar europäisches Zollwesen und Stempelpapier ist eingeführt, und in Griechenland weiß man nichts von besondern im „Orient“ gegründeten Schwierigkeiten, denen diese europäischen Einrichtungen begegnet wären. Im Gegentheil, man muß sich wundern und freuen über die Leichtigkeit, womit die Griechen alle Verbesserungen ins Leben einführen. Nur die Conscription fand bei der ersten Einführung an Einem Ort Schwierigkeit, und die europäische Bewaffnung hie und da. Jetzt aber bitten ganze Fustanellen-Bataillone um europäische Waffen und Uniform. Die Hauptschwierigkeit, welcher die europäische Verwaltung in Griechenland (die übrigens jetzt eben so sehr eine griechische ist) begegnet, liegt in der Zehntenabgabe, und diese gehört eben nicht der europäischen Verwaltung, sondern der türkischen an. Türkei. _ Von der türkischen Gränze, 27 Febr. Den neuesten Berichten aus Konstantinopel zufolge nimmt die Finanznoth der Pforte auf eine schreckbare Weise zu, und das Streben der Regierung ist vorzugsweise dahin gerichtet dieser abzuhelfen. Verschiedene Plane wurden entworfen, verworfen, einer neuen Begutachtung unterzogen, allein man konnte zu keinem Beschlusse gelangen. Es war davon die Rede, Papiergeld im Betrage von 20 Millionen Franks auszugeben. allein die armenischen Bankiers erklärten die zu emittirenden Billets nicht an Geldesstatt annehmen zu wollen, womit das Project schnell geworfen war. Das Anerbieten eines Anlehens von englischen Häusern zu besagtem Belauf wurde trotz der Bemühungen eines befreundeten großen Hofes verschmäht. Die Pforte scheint sich durchaus nicht entschließen zu können, für eine solche Gefälligkeit ein sicheres Unterpfand zu bieten, so sehr auch ihre Noth und Verlegenheit stündlich wächst; Alles ist gespannt, welches Ende diese Krisis nehmen wird. – Der griechische Minister Zographos ist in seinen Verhandlungen wegen eines Handelsvertrags mit der Pforte ziemlich zu Ende gekommen, mußte jedoch wegen zwei Punkten, über die er sich mit den türkischen Ministern nicht einigen konnte, abbrechen. Der erste dieser streitigen Punkte soll die vom Divan geforderte Beibehaltung der Jurisdiction über alle griechischen Unterthanen, der zweite Punkt das Recht des Küstenhandels betreffen. – Mit so viel Freude der berühmte Hattischerif von Gülhaneh hin und wieder aufgenommen worden ist, so hat er doch auch theilweise Widerstand erfahren. So hat sich namentlich der Pascha von Samsun förmlich geweigert, denselben öffentlich verkünden zu lassen; und ähnliche Anzeigen sollen von Bosnien und Herzegowina eingegangen seyn. Reschid Pascha hat auf die Kunde hievon alsogleich Absetzung der Widerspänstigen verlangt, soll jedoch mit dieser Forderung nicht haben durchdringen können; es wurde bloß beschlossen, neue verschärfte Befehle an sie zu erlassen. – Aus Athen schreibt man von bestunterrichteter Hand, daß die Untersuchung über die dort entdeckte Conspiration der philorthodoxen Hetärie bis jetzt kein anderes Resultat geliefert habe, als daß diese geheime Verbindung die Absicht hatte, unter Voranstellung religiöser Zwecke Epirus, Thessalien und Macedonien vom türkischen Joche zu befreien, und drei orthodoxe Könige zu creiren. Dagegen hat sich keine Spur gefunden, daß es auch auf das Königreich Griechenland abgesehen war, noch weniger, daß dessen Regierung gestürzt oder gar der König und sein Anhang ermordet werden sollte. Die anfängliche Meinung, daß Rußland die Hand dabei im Spiele gehabt habe, beruht einzig und allein auf dem unklugen Benehmen einiger Attachés der russischen Mission in Athen. Der König selbst sucht sichtbarlich den Irrthum jener Meinung dadurch zu beweisen, daß er mehreren der Napisten-Partei (gleichbedeutend mit russischer Partei) Angehörigen in letzter Zeit Begünstigungen erwies. – Lyons bietet noch immer Alles auf, um den König Otto zur Verleihung einer Constitution zu bewegen. _ Konstantinopel, 21 Febr. Die Nachrichten, die wir aus Alexandrien erhalten, sind zwar nicht geeignet, die Pforte völlig zu beruhigen; sie bestätigen jedoch, daß die Ressourcen des Vicekönigs mit dessen Willen nicht gleichen Schritt halten und daß zwischen dem, was Mehemed ins Werk setzen wollte, und dem wirklich Erzielten ein mächtiger Abstand obwaltet. Obwohl nicht zu läugnen, daß die ungeheuren Vorräthe Kriegsmaterials, die nach allen angreifbaren Punkten der weit ausgedehnten syrisch-ägyptischen Küsten von Alexandrien aus gesendet werden, die Erwartung übertreffen, so läßt sich doch aus den geringen Fortschritten der Landesbewaffnung auf die wenige Sympathie schließen, die der alte Mehemed seinen Unterthanen einzuflößen weiß. Wirklich war der Pascha darüber betroffen, und man mag in Frankreich einen Augenblick lang Besorgnisse gehegt haben, daß Mehemed Ali ein rückgängiges Benehmen gegen die Pforte beobachten werde. Diese Besorgnisse waren nicht ganz ungegründet, denn man schien wirklich in Alexandrien eine dem Frieden günstigere Stimmung gewonnen zu haben. Da landete am 31 Jan. daselbst der Acheron, der für Hrn. Cochelet sehr wichtige Depeschen mitbrachte. Durch diese Depeschen ward der französische Consul angewiesen, Mehemed Ali Muth und Beharrlichkeit einzusprechen, und ihn genau über den Stand der Unterhandlungen in London zu unterrichten. Nach den dem Vicekönig durch Hrn. Cochelet gemachten Mittheilungen scheinen sich nun die Chancen bedeutend zu Gunsten des ersteren gewendet zu haben: Frankreich (hieß es darin) habe das verlorne Terrain in London größtentheils wieder gewonnen; der Vicekönig möge daher sogar gewisse, von Frankreich ihm früher gegebene Rathschläge für den Augenblick bei Seite setzen, indem man zu den Conferenzen in London einer ganz freien Grundlage bedürfe. Diese Nachrichten stimmen scheinbar nicht ganz mit denen überein, welche die Pforte erhalten haben soll; sie werden indessen von unterrichteten Männern für wahr gehalten. Durch die Ernennung Nuri Effendi's zum Bevollmächtigten der Pforte bei den Londoner Conferenzen scheint wenigstens der wichtige Umstand außer Zweifel gesetzt, daß in London noch nichts festgesetzt worden, vielmehr die Unterhandlungen selbst unter den Großmächten offen bleiben. Dieses Resultat ist nun freilich gering, wenn man bedenkt, mit welcher Ungeduld die Pforte von Tag zu Tag auf entscheidende Beschlüsse gewartet hatte. – Der Staatsschatz ist in einer kläglichen Lage; man berathet unaufhörlich über die Mittel,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_071_18400311
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_071_18400311/6
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 71. Augsburg, 11. März 1840, S. 0566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_071_18400311/6>, abgerufen am 03.12.2024.