Allgemeine Zeitung. Nr. 75. Augsburg, 15. März 1840.Quelle geflossen, sondern bloß den zahlreichen Flugschriften entnommen, welche in der letzten Zeit über diesen Gegenstand erschienen sind. Obgleich England die unbeschränkteste Preßfreiheit genießt, so werden doch nirgendwo auf Erden die Maaßregeln der Regierung geheimer gehalten, als in diesem Lande. Sicher ist, daß die Blokade der Tigermündung und des ganzen Cantonflusses auf die energische Erklärung der amerikanischen Kaufleute in China, sie würden die englische Regierung und den Oberaufseher Elliot persönlich verantwortlich machen für jeden Verlust, der ihnen dadurch werden könnte, schnell wiederum aufgehoben worden ist. Zugleich mit dieser Erklärung übersandten diese Kaufleute an ihre Regierung zu Washington eine ausführliche Denkschrift über den amerikanischen Handel mit China, und baten, man möchte einige Kriegsschiffe nach den östlichen Meeren senden, um bei irgend einem unerwarteten Ereignisse gerüstet dazustehen. Der Handel der Vereinigten Staaten mit dem Mittelreiche, auf den wir nächstens in einem ausführlichen Artikel zurückkommen werden, ist sehr bedeutend, und Bruder Jonathan ist kein Poet - er will bei der Theilung des östlichen Asiens nicht zu spät kommen. Hat er doch erst vor kurzem einen, freilich unglücklichen Versuch gemacht, in Japan Zutritt zu erhalten! Was die englische Gemeinde zu Canton betrifft, so wünschte sie schon seit längerer Zeit, daß der Krieg gegen China, der am Ende doch nicht zu vermeiden wäre, so bald als möglich beginnen möchte, damit man die Chinesen wegen ihres unerträglichen Hochmuths züchtigen könne. Alle die zahlreichen Flugschriften, welche während des letzten Jahrzehents zu Canton, Macao und London erschienen, waren beinahe durchgängig in diesem kriegerischen Sinn abgefaßt. Es werden darin drei verschiedene Weisen angegeben, und mitunter ausführlich besprochen, wie man, wenn der Krieg wirklich ausbräche, gegen das Mittelreich verfahren könne und müsse. Die einen wollten, man sollte geradezu mit einigen Linienschiffen und Fregatten in den Meerbusen des nördlichen unabhängigen Kreises - dieß heißt Pe tsche li zu deutsch - segeln und den berühmtesten Handelsplatz des Reiches, Tien tsin oder Himmelsfurt - so genannt, weil er sechs bis sieben deutsche Meilen oberhalb der Mündung des Pe ho liegt, der zur Residenz des Himmelssohnes führt - in Besitz nehmen, wo man, dieß ward zur Ermunterung der Schüchternen hinzugefügt, alsbald für englische Wollenwaaren einen bedeutenden Absatz finden würde. Man könnte von hier aus (Tien tsin liegt 39° 10' 0'' n. Br. 0° 45' östl. L. von Peking) auf dem Pe ho oder weißen Strome vermittelst eiserner Dampfboote bis in die Nähe von Schun tien fu (39° 55' n. Br. 0° östl. L.) oder der dem Himmel gehorchenden Stadt - dieß ist der officielle Titel der Hanptstadt des Reichs - segeln, die Zufuhr auf dem großen kaiserlichen Canale, welcher sich unter 39° 11' n. Br. 0° 48' östl. L. von Peking mit dem Pe ho vereinigt, abschneiden, und so den Himmelssohn innerhalb seiner Residenz aushungern. Man würde dann natürlich dem abgemagerten Hofe nach Belieben die Friedensbedingungen vorschreiben können. Würde dieser Operationsplan, was nicht sehr wahrscheinlich ist, angenommen werden, so müßte man natürlich zwölf- bis zwanzigtausend Mann indischer Truppen in Bereitschaft haben, um im Nothfall landen, und die chinesischen Heere, welche ohne Zweifel in zahlreichen Haufen an den Ufern des Flusses sich sammeln würden, zurückschlagen zu können - ein Unternehmen, das sicherlich mit wenigen Schwierigkeiten verbunden seyn wird. Ein anderer Theil der englischen Kaufleute hielt es für das geeignetste, einige Inseln oder Inselgruppen längs der chinesischen Küste in Besitz zu nehmen, und dann von hier aus einen regelmäßigen Schmuggelhandel mit dem festen Lande im Großen zu organisiren. Dieser Plan soll, nach einer Angabe im englischen Courier, die er aus der zuverlässigsten Quelle geschöpft haben will, in dem jetzigen Kriege gegen China auch wirklich befolgt werden. Man werde sich zuerst der Gruppe Tschu san *), ungefähr eine deutsche Meile vom festen Lande des Kreises Tsche kiang entfernt, bemächtigen, und dann sich wohl gegen die Fischerinseln, gegen Formosa und die Lieou kieu wenden. **) Man täuscht sich aber, wenn man glaubt, die Chinesen würden, wenn sie die längs der Küste sich hinziehenden Inseln verloren haben, alsbald Frieden machen. Es wird im Gegentheile dieß bloß das Vorspiel seyn zur vorläufigen Besitznahme der südlichen Kreise des festen Landes, was dann sicherlich ohne ernstliche Einsprache der Nordamerikaner nicht geschehen wird. Eine dritte Partei der Engländer ist mit dieser partiellen Eroberung nicht zufrieden, sie möchte lieber mit einemmale des ganzen Reichs sich bemächtigen, und es vermittelst brittischer Residenten von Peking aus regieren lassen. Nach ihrem Wunsche sollte die ganze langgestreckte Küste China's in Blokadestand erklärt, und zugleich der Handel, die Schifffahrt und der zur Nahrung der dichten Bevölkerung unentbehrliche, äußerst ergiebige Fischfang längs der Küsten vernichtet werden. Das dadurch zur Verzweiflung gebrachte Volk würde sich dann sicherlich gegen seine eigene Regierung erheben, sich dem zahlreichen geheimen Bunde des Himmels und der Erde (Tien ti hoey) anschließen, und die Mandschu nach ihrer alten Heimath, zum langen weißen Berg zurückjagen. Man könnte dann, so sprechen die Anhänger dieser Ansicht, eine einheimische chinesische Dynastie auf den Thron rufen und, wie dieß erst vor kurzem in Afghanistan geschehen, in ihrem Namen von dem ganzen Reiche Besitz nehmen und es regieren. Welcher Plan nun aber auch von der Weisheit Großbritanniens befolgt werden, welcher Partei man sich in die Arme werfen wird, so viel ist sicher, die Stunde des chinesischen Reiches hat geschlagen. Es wird in den nächsten Jahrzehnten - solcher wundervollen Wege bedient sich die Vorsehung, um ihrem Ziel entgegen zu eilen - dieser große Theil der Bevölkerung der Erde der Weltbewegung zurückgegeben werden. *) Der Courier schreibt fälschlich Tschu nan, ein Irrthum, den alle Zeitungen des Continents wiederholt haben. **) Wir werden demnächst in unsrer Beilage einen Aufsatz liefern über "die südöstlich von China gelegenen Inselgruppen und ihre Colonisirung durch die Engländer.
Quelle geflossen, sondern bloß den zahlreichen Flugschriften entnommen, welche in der letzten Zeit über diesen Gegenstand erschienen sind. Obgleich England die unbeschränkteste Preßfreiheit genießt, so werden doch nirgendwo auf Erden die Maaßregeln der Regierung geheimer gehalten, als in diesem Lande. Sicher ist, daß die Blokade der Tigermündung und des ganzen Cantonflusses auf die energische Erklärung der amerikanischen Kaufleute in China, sie würden die englische Regierung und den Oberaufseher Elliot persönlich verantwortlich machen für jeden Verlust, der ihnen dadurch werden könnte, schnell wiederum aufgehoben worden ist. Zugleich mit dieser Erklärung übersandten diese Kaufleute an ihre Regierung zu Washington eine ausführliche Denkschrift über den amerikanischen Handel mit China, und baten, man möchte einige Kriegsschiffe nach den östlichen Meeren senden, um bei irgend einem unerwarteten Ereignisse gerüstet dazustehen. Der Handel der Vereinigten Staaten mit dem Mittelreiche, auf den wir nächstens in einem ausführlichen Artikel zurückkommen werden, ist sehr bedeutend, und Bruder Jonathan ist kein Poet – er will bei der Theilung des östlichen Asiens nicht zu spät kommen. Hat er doch erst vor kurzem einen, freilich unglücklichen Versuch gemacht, in Japan Zutritt zu erhalten! Was die englische Gemeinde zu Canton betrifft, so wünschte sie schon seit längerer Zeit, daß der Krieg gegen China, der am Ende doch nicht zu vermeiden wäre, so bald als möglich beginnen möchte, damit man die Chinesen wegen ihres unerträglichen Hochmuths züchtigen könne. Alle die zahlreichen Flugschriften, welche während des letzten Jahrzehents zu Canton, Macao und London erschienen, waren beinahe durchgängig in diesem kriegerischen Sinn abgefaßt. Es werden darin drei verschiedene Weisen angegeben, und mitunter ausführlich besprochen, wie man, wenn der Krieg wirklich ausbräche, gegen das Mittelreich verfahren könne und müsse. Die einen wollten, man sollte geradezu mit einigen Linienschiffen und Fregatten in den Meerbusen des nördlichen unabhängigen Kreises – dieß heißt Pe tsche li zu deutsch – segeln und den berühmtesten Handelsplatz des Reiches, Tien tsin oder Himmelsfurt – so genannt, weil er sechs bis sieben deutsche Meilen oberhalb der Mündung des Pe ho liegt, der zur Residenz des Himmelssohnes führt – in Besitz nehmen, wo man, dieß ward zur Ermunterung der Schüchternen hinzugefügt, alsbald für englische Wollenwaaren einen bedeutenden Absatz finden würde. Man könnte von hier aus (Tien tsin liegt 39° 10' 0'' n. Br. 0° 45' östl. L. von Peking) auf dem Pe ho oder weißen Strome vermittelst eiserner Dampfboote bis in die Nähe von Schun tien fu (39° 55' n. Br. 0° östl. L.) oder der dem Himmel gehorchenden Stadt – dieß ist der officielle Titel der Hanptstadt des Reichs – segeln, die Zufuhr auf dem großen kaiserlichen Canale, welcher sich unter 39° 11' n. Br. 0° 48' östl. L. von Peking mit dem Pe ho vereinigt, abschneiden, und so den Himmelssohn innerhalb seiner Residenz aushungern. Man würde dann natürlich dem abgemagerten Hofe nach Belieben die Friedensbedingungen vorschreiben können. Würde dieser Operationsplan, was nicht sehr wahrscheinlich ist, angenommen werden, so müßte man natürlich zwölf- bis zwanzigtausend Mann indischer Truppen in Bereitschaft haben, um im Nothfall landen, und die chinesischen Heere, welche ohne Zweifel in zahlreichen Haufen an den Ufern des Flusses sich sammeln würden, zurückschlagen zu können – ein Unternehmen, das sicherlich mit wenigen Schwierigkeiten verbunden seyn wird. Ein anderer Theil der englischen Kaufleute hielt es für das geeignetste, einige Inseln oder Inselgruppen längs der chinesischen Küste in Besitz zu nehmen, und dann von hier aus einen regelmäßigen Schmuggelhandel mit dem festen Lande im Großen zu organisiren. Dieser Plan soll, nach einer Angabe im englischen Courier, die er aus der zuverlässigsten Quelle geschöpft haben will, in dem jetzigen Kriege gegen China auch wirklich befolgt werden. Man werde sich zuerst der Gruppe Tschu san *), ungefähr eine deutsche Meile vom festen Lande des Kreises Tsche kiang entfernt, bemächtigen, und dann sich wohl gegen die Fischerinseln, gegen Formosa und die Lieou kieu wenden. **) Man täuscht sich aber, wenn man glaubt, die Chinesen würden, wenn sie die längs der Küste sich hinziehenden Inseln verloren haben, alsbald Frieden machen. Es wird im Gegentheile dieß bloß das Vorspiel seyn zur vorläufigen Besitznahme der südlichen Kreise des festen Landes, was dann sicherlich ohne ernstliche Einsprache der Nordamerikaner nicht geschehen wird. Eine dritte Partei der Engländer ist mit dieser partiellen Eroberung nicht zufrieden, sie möchte lieber mit einemmale des ganzen Reichs sich bemächtigen, und es vermittelst brittischer Residenten von Peking aus regieren lassen. Nach ihrem Wunsche sollte die ganze langgestreckte Küste China's in Blokadestand erklärt, und zugleich der Handel, die Schifffahrt und der zur Nahrung der dichten Bevölkerung unentbehrliche, äußerst ergiebige Fischfang längs der Küsten vernichtet werden. Das dadurch zur Verzweiflung gebrachte Volk würde sich dann sicherlich gegen seine eigene Regierung erheben, sich dem zahlreichen geheimen Bunde des Himmels und der Erde (Tien ti hoey) anschließen, und die Mandschu nach ihrer alten Heimath, zum langen weißen Berg zurückjagen. Man könnte dann, so sprechen die Anhänger dieser Ansicht, eine einheimische chinesische Dynastie auf den Thron rufen und, wie dieß erst vor kurzem in Afghanistan geschehen, in ihrem Namen von dem ganzen Reiche Besitz nehmen und es regieren. Welcher Plan nun aber auch von der Weisheit Großbritanniens befolgt werden, welcher Partei man sich in die Arme werfen wird, so viel ist sicher, die Stunde des chinesischen Reiches hat geschlagen. Es wird in den nächsten Jahrzehnten – solcher wundervollen Wege bedient sich die Vorsehung, um ihrem Ziel entgegen zu eilen – dieser große Theil der Bevölkerung der Erde der Weltbewegung zurückgegeben werden. *) Der Courier schreibt fälschlich Tschu nan, ein Irrthum, den alle Zeitungen des Continents wiederholt haben. **) Wir werden demnächst in unsrer Beilage einen Aufsatz liefern über „die südöstlich von China gelegenen Inselgruppen und ihre Colonisirung durch die Engländer.
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Zugleich mit dieser Erklärung übersandten diese Kaufleute an ihre Regierung zu Washington eine ausführliche Denkschrift über den amerikanischen Handel mit China, und baten, man möchte einige Kriegsschiffe nach den östlichen Meeren senden, um bei irgend einem unerwarteten Ereignisse gerüstet dazustehen. Der Handel der Vereinigten Staaten mit dem Mittelreiche, auf den wir nächstens in einem ausführlichen Artikel zurückkommen werden, ist sehr bedeutend, und Bruder Jonathan ist kein Poet – er will bei der Theilung des östlichen Asiens nicht zu spät kommen. Hat er doch erst vor kurzem einen, freilich unglücklichen Versuch gemacht, in Japan Zutritt zu erhalten! Was die englische Gemeinde zu Canton betrifft, so wünschte sie schon seit längerer Zeit, daß der Krieg gegen China, der am Ende doch nicht zu vermeiden wäre, so bald als möglich beginnen möchte, damit man die Chinesen wegen ihres unerträglichen Hochmuths züchtigen könne. Alle die zahlreichen Flugschriften, welche während des letzten Jahrzehents zu Canton, Macao und London erschienen, waren beinahe durchgängig in diesem kriegerischen Sinn abgefaßt. Es werden darin drei verschiedene Weisen angegeben, und mitunter ausführlich besprochen, wie man, wenn der Krieg wirklich ausbräche, gegen das Mittelreich verfahren könne und müsse. 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Ein anderer Theil der englischen Kaufleute hielt es für das geeignetste, einige Inseln oder Inselgruppen längs der chinesischen Küste in Besitz zu nehmen, und dann von hier aus einen regelmäßigen Schmuggelhandel mit dem festen Lande im Großen zu organisiren. Dieser Plan soll, nach einer Angabe im englischen Courier, die er aus der zuverlässigsten Quelle geschöpft haben will, in dem jetzigen Kriege gegen China auch wirklich befolgt werden. 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Eine dritte Partei der Engländer ist mit dieser partiellen Eroberung nicht zufrieden, sie möchte lieber mit einemmale des ganzen Reichs sich bemächtigen, und es vermittelst brittischer Residenten von Peking aus regieren lassen. Nach ihrem Wunsche sollte die ganze langgestreckte Küste China's in Blokadestand erklärt, und zugleich der Handel, die Schifffahrt und der zur Nahrung der dichten Bevölkerung unentbehrliche, äußerst ergiebige Fischfang längs der Küsten vernichtet werden. Das dadurch zur Verzweiflung gebrachte Volk würde sich dann sicherlich gegen seine eigene Regierung erheben, sich dem zahlreichen geheimen <hi rendition="#g">Bunde des Himmels und der Erde</hi> (Tien ti hoey) anschließen, und die Mandschu nach ihrer alten Heimath, zum langen weißen Berg zurückjagen. Man könnte dann, so sprechen die Anhänger dieser Ansicht, eine einheimische chinesische Dynastie auf den Thron rufen und, wie dieß erst vor kurzem in Afghanistan geschehen, in ihrem Namen von dem ganzen Reiche Besitz nehmen und es regieren. Welcher Plan nun aber auch von der Weisheit Großbritanniens befolgt werden, welcher Partei man sich in die Arme werfen wird, so viel ist sicher, <hi rendition="#g">die Stunde des chinesischen Reiches hat geschlagen</hi>. Es wird in den nächsten Jahrzehnten – solcher wundervollen Wege bedient sich die Vorsehung, um ihrem Ziel entgegen zu eilen – dieser große Theil der Bevölkerung der Erde der <hi rendition="#g">Weltbewegung zurückgegeben werden</hi>.</p> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [0597/0013]
Quelle geflossen, sondern bloß den zahlreichen Flugschriften entnommen, welche in der letzten Zeit über diesen Gegenstand erschienen sind. Obgleich England die unbeschränkteste Preßfreiheit genießt, so werden doch nirgendwo auf Erden die Maaßregeln der Regierung geheimer gehalten, als in diesem Lande. Sicher ist, daß die Blokade der Tigermündung und des ganzen Cantonflusses auf die energische Erklärung der amerikanischen Kaufleute in China, sie würden die englische Regierung und den Oberaufseher Elliot persönlich verantwortlich machen für jeden Verlust, der ihnen dadurch werden könnte, schnell wiederum aufgehoben worden ist. Zugleich mit dieser Erklärung übersandten diese Kaufleute an ihre Regierung zu Washington eine ausführliche Denkschrift über den amerikanischen Handel mit China, und baten, man möchte einige Kriegsschiffe nach den östlichen Meeren senden, um bei irgend einem unerwarteten Ereignisse gerüstet dazustehen. Der Handel der Vereinigten Staaten mit dem Mittelreiche, auf den wir nächstens in einem ausführlichen Artikel zurückkommen werden, ist sehr bedeutend, und Bruder Jonathan ist kein Poet – er will bei der Theilung des östlichen Asiens nicht zu spät kommen. Hat er doch erst vor kurzem einen, freilich unglücklichen Versuch gemacht, in Japan Zutritt zu erhalten! Was die englische Gemeinde zu Canton betrifft, so wünschte sie schon seit längerer Zeit, daß der Krieg gegen China, der am Ende doch nicht zu vermeiden wäre, so bald als möglich beginnen möchte, damit man die Chinesen wegen ihres unerträglichen Hochmuths züchtigen könne. Alle die zahlreichen Flugschriften, welche während des letzten Jahrzehents zu Canton, Macao und London erschienen, waren beinahe durchgängig in diesem kriegerischen Sinn abgefaßt. Es werden darin drei verschiedene Weisen angegeben, und mitunter ausführlich besprochen, wie man, wenn der Krieg wirklich ausbräche, gegen das Mittelreich verfahren könne und müsse. Die einen wollten, man sollte geradezu mit einigen Linienschiffen und Fregatten in den Meerbusen des nördlichen unabhängigen Kreises – dieß heißt Pe tsche li zu deutsch – segeln und den berühmtesten Handelsplatz des Reiches, Tien tsin oder Himmelsfurt – so genannt, weil er sechs bis sieben deutsche Meilen oberhalb der Mündung des Pe ho liegt, der zur Residenz des Himmelssohnes führt – in Besitz nehmen, wo man, dieß ward zur Ermunterung der Schüchternen hinzugefügt, alsbald für englische Wollenwaaren einen bedeutenden Absatz finden würde. Man könnte von hier aus (Tien tsin liegt 39° 10' 0'' n. Br. 0° 45' östl. L. von Peking) auf dem Pe ho oder weißen Strome vermittelst eiserner Dampfboote bis in die Nähe von Schun tien fu (39° 55' n. Br. 0° östl. L.) oder der dem Himmel gehorchenden Stadt – dieß ist der officielle Titel der Hanptstadt des Reichs – segeln, die Zufuhr auf dem großen kaiserlichen Canale, welcher sich unter 39° 11' n. Br. 0° 48' östl. L. von Peking mit dem Pe ho vereinigt, abschneiden, und so den Himmelssohn innerhalb seiner Residenz aushungern. Man würde dann natürlich dem abgemagerten Hofe nach Belieben die Friedensbedingungen vorschreiben können. Würde dieser Operationsplan, was nicht sehr wahrscheinlich ist, angenommen werden, so müßte man natürlich zwölf- bis zwanzigtausend Mann indischer Truppen in Bereitschaft haben, um im Nothfall landen, und die chinesischen Heere, welche ohne Zweifel in zahlreichen Haufen an den Ufern des Flusses sich sammeln würden, zurückschlagen zu können – ein Unternehmen, das sicherlich mit wenigen Schwierigkeiten verbunden seyn wird. Ein anderer Theil der englischen Kaufleute hielt es für das geeignetste, einige Inseln oder Inselgruppen längs der chinesischen Küste in Besitz zu nehmen, und dann von hier aus einen regelmäßigen Schmuggelhandel mit dem festen Lande im Großen zu organisiren. Dieser Plan soll, nach einer Angabe im englischen Courier, die er aus der zuverlässigsten Quelle geschöpft haben will, in dem jetzigen Kriege gegen China auch wirklich befolgt werden. Man werde sich zuerst der Gruppe Tschu san *), ungefähr eine deutsche Meile vom festen Lande des Kreises Tsche kiang entfernt, bemächtigen, und dann sich wohl gegen die Fischerinseln, gegen Formosa und die Lieou kieu wenden. **) Man täuscht sich aber, wenn man glaubt, die Chinesen würden, wenn sie die längs der Küste sich hinziehenden Inseln verloren haben, alsbald Frieden machen. Es wird im Gegentheile dieß bloß das Vorspiel seyn zur vorläufigen Besitznahme der südlichen Kreise des festen Landes, was dann sicherlich ohne ernstliche Einsprache der Nordamerikaner nicht geschehen wird. Eine dritte Partei der Engländer ist mit dieser partiellen Eroberung nicht zufrieden, sie möchte lieber mit einemmale des ganzen Reichs sich bemächtigen, und es vermittelst brittischer Residenten von Peking aus regieren lassen. Nach ihrem Wunsche sollte die ganze langgestreckte Küste China's in Blokadestand erklärt, und zugleich der Handel, die Schifffahrt und der zur Nahrung der dichten Bevölkerung unentbehrliche, äußerst ergiebige Fischfang längs der Küsten vernichtet werden. Das dadurch zur Verzweiflung gebrachte Volk würde sich dann sicherlich gegen seine eigene Regierung erheben, sich dem zahlreichen geheimen Bunde des Himmels und der Erde (Tien ti hoey) anschließen, und die Mandschu nach ihrer alten Heimath, zum langen weißen Berg zurückjagen. Man könnte dann, so sprechen die Anhänger dieser Ansicht, eine einheimische chinesische Dynastie auf den Thron rufen und, wie dieß erst vor kurzem in Afghanistan geschehen, in ihrem Namen von dem ganzen Reiche Besitz nehmen und es regieren. Welcher Plan nun aber auch von der Weisheit Großbritanniens befolgt werden, welcher Partei man sich in die Arme werfen wird, so viel ist sicher, die Stunde des chinesischen Reiches hat geschlagen. Es wird in den nächsten Jahrzehnten – solcher wundervollen Wege bedient sich die Vorsehung, um ihrem Ziel entgegen zu eilen – dieser große Theil der Bevölkerung der Erde der Weltbewegung zurückgegeben werden.
*) Der Courier schreibt fälschlich Tschu nan, ein Irrthum, den alle Zeitungen des Continents wiederholt haben.
**) Wir werden demnächst in unsrer Beilage einen Aufsatz liefern über „die südöstlich von China gelegenen Inselgruppen und ihre Colonisirung durch die Engländer.
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