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Allgemeine Zeitung. Nr. 84. Augsburg, 24. März 1840.

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Verkehr, der einen Grad von Heftigkeit erreicht hatte, daß man um den Ausgang des Streites bereits besorgt zu werden begann. Gegenstand derselben war die angebliche Begünstigung des Abfalls der ottomanischen Flotte durch den französischen Admiral Lalande. Hr. v. Pontois verlangte die Absetzung des Dragomans, Hrn. v. Avedic, dann die Einrückung eines den Bericht des Dragomans über die Vorfälle des Julius am südlichen Eingang des Dardanellencanals desavouirenden Artikels in die türkische Staatszeitung. Allein die Pforte erwiederte: habe Hr. v. Avedic gegen seine Pflicht und seinen Eid als ottomanischer Staatsbeamter Umstände erdichtet und dadurch zu Beschuldigungen gegen einen französischen Admiral Anlaß gegeben, so stehe die verlangte Destitution als eine zu gelinde Strafe in keinem Verhältniß zu der Schwere seines Verbrechens; im entgegengesetzten Falle aber wäre jede Strafe ungerecht. Der Minister des Aeußern betheuerte wiederholt, er für seine Person glaube allerdings, man habe dem Admiral Unrecht gethan, allein er könne doch nicht diese persönliche Ueberzeugung Andern mit Gewalt aufdringen. Die ganze Welt behaupte, daß der Vicekönig von Aegypten eines ganz besondern Schutzes von Seite Frankreichs sich erfreue; Frankreich habe wirklich in der orientalischen Frage einen ganz eigenen Gang, ein ganz selbstständiges, von dem der andern Mächte wesentlich verschiedenes Benehmen befolgt und die schönsten Gelegenheiten, die so oft geäußerten Gefühle aufrichtiger Freundschaft gegen die Pforte zu bethätigen, unbenützt vorübergehen lassen, so daß man im Allgemeinen geneigt sey, es eher für einen Feind, als für einen Freund der Pforte anzusehen, wo es denn leicht habe geschehen können, daß man die Verdächtigungen gegen dasselbe zu weit getrieben habe. Indeß nicht die Pforte, sondern Frankreich allein könne die verbreiteten, zweifelsohne ungegründeten Ansichten, die in der letzten Zeit in Europa über den französischen Standpunkt in der orientalischen Angelegenheit sich geltend gemacht, durch die That widerlegen, da sich die passendste Veranlassung dazu in diesem Augenblick in London darbiete. Allein der französische Repräsentant war weit davon entfernt, von seinem Begehren aus was immer für Rücksichten abzustehen. Er behauptet, Frankreich fühle sich bloßgestellt; es müsse vor den Augen Europa's seine Ehre retten, koste es auch was es wolle, kurz er kehrte immer wieder auf sein unbedingtes Verlangen zurück: Absetzung des Hrn. Avedic, Widerruf der Beschuldigungen. Die Pforte, die sich in diesem Fall isolirt sah, indem die andern Repräsentanten sich entfernt hielten, ja dem Hrn. v. Pontois, dem bisher nichts gelingen zu wollen schien, gern die verlangte Satisfaction gegönnt hätten, vermochte dem entschieden ausgesprochenen Wunsche der großen Nation nicht zu widerstehen: Hr. v. Avedic ward geopfert, und in einer der nächsten Nummern der türkischen Staatszeitung wird die Unschuld des Admirals Lalande von der Pforte proclamirt werden. Hr. v. Pontois hofft damit eine eclatante Wirkung hervorzubringen. Wahr scheinlich wird der Artikel der Staatszeitung schlagende Beweise für Lalande enthalten, denn das Publicum läßt sich von Autoritäten nicht so leicht wie die Pforte imponiren, weil die eigentlichen argumenta ad hominem sich bei ihm nicht so leicht in Anwendung bringen lassen, wie es bei der Pforte der Fall zu seyn scheint.

Berichtigung.

In der gestrigen Nummer S. 1 Sp. 2 Z. 11 v. u. lese man "bemerke" st. bemerkt.

Verkehr, der einen Grad von Heftigkeit erreicht hatte, daß man um den Ausgang des Streites bereits besorgt zu werden begann. Gegenstand derselben war die angebliche Begünstigung des Abfalls der ottomanischen Flotte durch den französischen Admiral Lalande. Hr. v. Pontois verlangte die Absetzung des Dragomans, Hrn. v. Avédic, dann die Einrückung eines den Bericht des Dragomans über die Vorfälle des Julius am südlichen Eingang des Dardanellencanals desavouirenden Artikels in die türkische Staatszeitung. Allein die Pforte erwiederte: habe Hr. v. Avédic gegen seine Pflicht und seinen Eid als ottomanischer Staatsbeamter Umstände erdichtet und dadurch zu Beschuldigungen gegen einen französischen Admiral Anlaß gegeben, so stehe die verlangte Destitution als eine zu gelinde Strafe in keinem Verhältniß zu der Schwere seines Verbrechens; im entgegengesetzten Falle aber wäre jede Strafe ungerecht. Der Minister des Aeußern betheuerte wiederholt, er für seine Person glaube allerdings, man habe dem Admiral Unrecht gethan, allein er könne doch nicht diese persönliche Ueberzeugung Andern mit Gewalt aufdringen. Die ganze Welt behaupte, daß der Vicekönig von Aegypten eines ganz besondern Schutzes von Seite Frankreichs sich erfreue; Frankreich habe wirklich in der orientalischen Frage einen ganz eigenen Gang, ein ganz selbstständiges, von dem der andern Mächte wesentlich verschiedenes Benehmen befolgt und die schönsten Gelegenheiten, die so oft geäußerten Gefühle aufrichtiger Freundschaft gegen die Pforte zu bethätigen, unbenützt vorübergehen lassen, so daß man im Allgemeinen geneigt sey, es eher für einen Feind, als für einen Freund der Pforte anzusehen, wo es denn leicht habe geschehen können, daß man die Verdächtigungen gegen dasselbe zu weit getrieben habe. Indeß nicht die Pforte, sondern Frankreich allein könne die verbreiteten, zweifelsohne ungegründeten Ansichten, die in der letzten Zeit in Europa über den französischen Standpunkt in der orientalischen Angelegenheit sich geltend gemacht, durch die That widerlegen, da sich die passendste Veranlassung dazu in diesem Augenblick in London darbiete. Allein der französische Repräsentant war weit davon entfernt, von seinem Begehren aus was immer für Rücksichten abzustehen. Er behauptet, Frankreich fühle sich bloßgestellt; es müsse vor den Augen Europa's seine Ehre retten, koste es auch was es wolle, kurz er kehrte immer wieder auf sein unbedingtes Verlangen zurück: Absetzung des Hrn. Avédic, Widerruf der Beschuldigungen. Die Pforte, die sich in diesem Fall isolirt sah, indem die andern Repräsentanten sich entfernt hielten, ja dem Hrn. v. Pontois, dem bisher nichts gelingen zu wollen schien, gern die verlangte Satisfaction gegönnt hätten, vermochte dem entschieden ausgesprochenen Wunsche der großen Nation nicht zu widerstehen: Hr. v. Avédic ward geopfert, und in einer der nächsten Nummern der türkischen Staatszeitung wird die Unschuld des Admirals Lalande von der Pforte proclamirt werden. Hr. v. Pontois hofft damit eine eclatante Wirkung hervorzubringen. Wahr scheinlich wird der Artikel der Staatszeitung schlagende Beweise für Lalande enthalten, denn das Publicum läßt sich von Autoritäten nicht so leicht wie die Pforte imponiren, weil die eigentlichen argumenta ad hominem sich bei ihm nicht so leicht in Anwendung bringen lassen, wie es bei der Pforte der Fall zu seyn scheint.

Berichtigung.

In der gestrigen Nummer S. 1 Sp. 2 Z. 11 v. u. lese man „bemerke“ st. bemerkt.

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[0672/0008] Verkehr, der einen Grad von Heftigkeit erreicht hatte, daß man um den Ausgang des Streites bereits besorgt zu werden begann. Gegenstand derselben war die angebliche Begünstigung des Abfalls der ottomanischen Flotte durch den französischen Admiral Lalande. Hr. v. Pontois verlangte die Absetzung des Dragomans, Hrn. v. Avédic, dann die Einrückung eines den Bericht des Dragomans über die Vorfälle des Julius am südlichen Eingang des Dardanellencanals desavouirenden Artikels in die türkische Staatszeitung. Allein die Pforte erwiederte: habe Hr. v. Avédic gegen seine Pflicht und seinen Eid als ottomanischer Staatsbeamter Umstände erdichtet und dadurch zu Beschuldigungen gegen einen französischen Admiral Anlaß gegeben, so stehe die verlangte Destitution als eine zu gelinde Strafe in keinem Verhältniß zu der Schwere seines Verbrechens; im entgegengesetzten Falle aber wäre jede Strafe ungerecht. Der Minister des Aeußern betheuerte wiederholt, er für seine Person glaube allerdings, man habe dem Admiral Unrecht gethan, allein er könne doch nicht diese persönliche Ueberzeugung Andern mit Gewalt aufdringen. Die ganze Welt behaupte, daß der Vicekönig von Aegypten eines ganz besondern Schutzes von Seite Frankreichs sich erfreue; Frankreich habe wirklich in der orientalischen Frage einen ganz eigenen Gang, ein ganz selbstständiges, von dem der andern Mächte wesentlich verschiedenes Benehmen befolgt und die schönsten Gelegenheiten, die so oft geäußerten Gefühle aufrichtiger Freundschaft gegen die Pforte zu bethätigen, unbenützt vorübergehen lassen, so daß man im Allgemeinen geneigt sey, es eher für einen Feind, als für einen Freund der Pforte anzusehen, wo es denn leicht habe geschehen können, daß man die Verdächtigungen gegen dasselbe zu weit getrieben habe. Indeß nicht die Pforte, sondern Frankreich allein könne die verbreiteten, zweifelsohne ungegründeten Ansichten, die in der letzten Zeit in Europa über den französischen Standpunkt in der orientalischen Angelegenheit sich geltend gemacht, durch die That widerlegen, da sich die passendste Veranlassung dazu in diesem Augenblick in London darbiete. Allein der französische Repräsentant war weit davon entfernt, von seinem Begehren aus was immer für Rücksichten abzustehen. Er behauptet, Frankreich fühle sich bloßgestellt; es müsse vor den Augen Europa's seine Ehre retten, koste es auch was es wolle, kurz er kehrte immer wieder auf sein unbedingtes Verlangen zurück: Absetzung des Hrn. Avédic, Widerruf der Beschuldigungen. Die Pforte, die sich in diesem Fall isolirt sah, indem die andern Repräsentanten sich entfernt hielten, ja dem Hrn. v. Pontois, dem bisher nichts gelingen zu wollen schien, gern die verlangte Satisfaction gegönnt hätten, vermochte dem entschieden ausgesprochenen Wunsche der großen Nation nicht zu widerstehen: Hr. v. Avédic ward geopfert, und in einer der nächsten Nummern der türkischen Staatszeitung wird die Unschuld des Admirals Lalande von der Pforte proclamirt werden. Hr. v. Pontois hofft damit eine eclatante Wirkung hervorzubringen. Wahr scheinlich wird der Artikel der Staatszeitung schlagende Beweise für Lalande enthalten, denn das Publicum läßt sich von Autoritäten nicht so leicht wie die Pforte imponiren, weil die eigentlichen argumenta ad hominem sich bei ihm nicht so leicht in Anwendung bringen lassen, wie es bei der Pforte der Fall zu seyn scheint. Berichtigung. In der gestrigen Nummer S. 1 Sp. 2 Z. 11 v. u. lese man „bemerke“ st. bemerkt.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 84. Augsburg, 24. März 1840, S. 0672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_084_18400324/8>, abgerufen am 23.11.2024.