Allgemeine Zeitung. Nr. 98. Augsburg, 7. April 1840.France gezählt werden muß. Inmitten dieser Vorbereitungen eines definitiven Zustandes schreitet der Minister des Unterrichts in seinen einsichtsvollen Neuerungen verdienstlich fort. Die Maaßregel, die er zuerst im Interesse der Facultät des Rechts, sodann in jenem der philosophischen Facultät angeordnet hatte: die Einführung der Privatdocenten nebst den erweiterten Vorlesungen, ist nunmehr auch auf die Facultät der mathematischen, physischen und natürlichen Wissenschaften ausgedehnt, so daß künftighin der öffentliche Unterricht der vier großen Facultäten: Medicin, Recht, Philosophie und Mathematik, Naturlehre und Naturgeschichte in gleichförmiger Weise auf einem vergrößerten und freiern Maaßstab betrieben werden. Hr. Cousin kann morgen vom Ministerium abtreten, sein Name wird fortan rühmlichst im öffentlichen Unterricht bestehen, denn seine Neuerungen sind den Erscheinungen der Zeit entsprossen und haben die allgemeinste Anerkennung gefunden. Dem gelehrten Deutschland mag es nicht uninteressant seyn zu sehen, in welcher Richtung Cousin verfährt, und da ihm einer Ihrer Correspondenten mit so unversöhnlichem Nationalsinn vorwirft, Deutschland und deutsches Unterrichtswesen nicht hinlänglich zu kennen, so möge man ihm mindestens zu gut halten, daß er dieses wenige Erlernte mit kluger Bemessung verwendet. Noch ist nicht aller Tage Abend, und wir haben einigen Grund zu glauben, daß sich der Minister mit diesen ersten Verbesserungen nicht begnügen wird. Zwei neue Vorlesungen an der Rechtsschule sind bereits angekündigt: die eine über Straftheorie, die andere über die Quellen des französischen Rechts; in diesem letzten Titel ist die reichste, schönste und belohnendste Materie enthalten, die ein öffentlicher Lehrer wünschen kann; wir wollen sehen, in wie weit Hr. Roustain, der ankündigende Privatdocent, seine Aufgabe in all ihrer Bedeutung aufgefaßt hat. Niederlande. Vom Niederrhein, 1 April. Mit jedem Tag werden die Stimmen gegen die Regierung und ihre Gesetzesentwürfe lauter und schonungsloser; schon spricht man sich offen aus, daß die Generalstaaten den Vorschlag Corver Hoofts und seiner Freunde wieder aufnehmen und die Initiative ergreifen sollen. Warin's Warnungsworte an die Regierung, die Geduld der Nation nicht aufs Aeußerste zu treiben und einzulenken, so lange es noch Zeit sey, finden immer größern Wiederhall, und die radicale Partei gewinnt unerwartet Boden aus einem sehr einleuchtenden Grunde. So lange die Regierung mit der Handelsmaatschappy und andern großen Capitalisten ziemlich willkührlich über die Finanzen, namentlich der ostindischen Besitzungen, verhandelte, machten diese sich die Verlegenheit der Regierung zu Nutzen, und während die Regierung Schulden auf Schulden häufte, sammelte diese Actien der Handelsmaatschappy und sonstige guten Renten tragende Papiere. Jetzt haben dieselben, wie man zu sagen pflegt, ihr Schäfchen im Trockenen, und nun verlangen sie auf einmal Offenheit von der Regierung und Klarheit in ihren Finanzen, was sie seit den letzten neun Jahren nie so hitzig gefordert hatten. So haben nun diese sich gleichfalls gegen die Regierung gewendet, und damit auf einmal der Opposition ein furchtbares Uebergewicht gegeben, aber die öffentliche Stimme verlangt auch von ihnen Rechenschaft, und wenn sie auch in dem bevorstehenden, immer bitterer werdenden Kampfe ihr Geld behalten, so könnte sie doch als politische Partei ihr Spiel verlieren, und letzteres werden sie am Ende noch lieber hinnehmen, als das erstere. Die Verwaltung befindet sich unter diesen Umständen in einer furchtbaren Verlegenheit. Will sie, wie man es jetzt von ihr zu fordern scheint, alle ihre Pecado's und Pecadillos offen kund geben, so muß sie nicht nur fürchten, dem ohnehin erschütterten Staatscredit einen bedeutenden Stoß zu versetzen, sondern sie ist auch genöthigt, sich politisch der radicalen Partei in die Arme zu werfen, ein Entschluß, zu dem sie sich wohl schwerlich verstehen wird. Der Mensch ist überhaupt nicht geneigt, einen extremen Entschluß aus Anerkenntniß der künftigen Nothwendigkeit selbst und zu rechter Zeit zu fassen, er wird gewöhnlich von Stufe zu Stufe gedrängt, bis er allmählich und wider seinen Willen an dasselbe Ziel gelangt, wobei freilich dann die Vortheile des eigenen zeitgemäßen Entschlusses verloren gehen. In derselben Lage befindet sich jetzt die niederländische Verwaltung: sie ist in ihren Geständnissen schon zu weit gegangen, um noch zurücktreten zu können, und die Wahrheit muß jetzt, wenn nicht ganz, doch größtentheils an den Tag kommen. Diese Nothwendigkeit liegt in dem Gesetz über die Aufhebung des Syndikats. Sie erinnern sich, welche Schwierigkeit dieser Punkt bei der Ausgleichung mit Belgien darbot; die Belgier verlangten an der Liquidation des Syndikats mit Theil zu nehmen, in der Meinung, daß dabei ein großer Vortheil herauskommen müsse; die niederländische Regierung weigerte sich dessen, opferte endlich von den acht Millionen Gulden, welche Belgien ursprünglich bezahlen sollte, fast drei auf, um nur nicht die Liquidation der Syndikats unter den Augen der Belgier vornehmen zu müssen, und jetzt, wo es doch zur Aufhebung der Syndikats kommt, ergibt sich nicht nur kein Gewinn, sondern ein Verlust von 80 bis 100 Millionen, die man allenfalls wohl mit den Belgiern hätte theilen können. Die Sache ist klar: um den Schein zu retten, hat man Millionen geopfert, und jetzt muß auch dieser Schein geopfert werden, ja er ist es bereits, und dieses Eine Opfer muß noch eine Menge anderer nachziehen. Deutschland. München, 4 April. In Stieglmaiers Werkstätte herrscht fortwährend große Thätigkeit; von den für den Thronsal des Festbaues bestimmten 12 kolossalen Fürstenstatuen sind nun 7 in Erz vollendet, und 4 derselben bereits vergoldet, die fünfte wird in nächster Woche aufgestellt. In der großen Halle der Erzgießerei arbeitet dermal auch Schwanthaler an dem Modelle der Bavaria, die für die auf der Anhöhe der Theresienwiese zu errichtende Ruhmeshalle bestimmt ist. Der obere Theil der Statue ist bereits fertig, und man bewundert die ideale Schönheit und das jugendlich Mädchenhafte des kolossalen Kopfes mit den reichen Haarflechten und dem Eichenkranze. Die Höhe der Figur ohne Piedestal beträgt 54 Fuß; im Innern derselben wird eine Wendeltreppe angebracht, auf der man zum Haupt emporsteigt, in welchem Raum für 5 Personen vorhanden ist. Das Modell wird in diesem Jahr noch vollendet, im nächsten wird der Guß beginnen, zu welchem ein Bedarf von tausend Centnern Erz berechnet ist. München, 5 April. Wie heute verlautet, wird die Dauer unsrer Ständeversammlung noch um einige Tage verlängert werden. - Die Kammer der Abgeordneten gab diesen Mittag ihrem Präsidenten ein Gastmahl im Saale des Museums, dem auch die k. Minister und die Regierungscommissäre beiwohnten. - Gestern hier angekommene Briefe von Personen aus der Umgebung des Herzogs von Leuchtenberg, datirt von St. Petersburg, den 22 März, folglich vom neuesten Datum, melden nichts von einer Reise Ihrer Maj. der Kaiserin von Rußland nach Italien oder Deutschland. - Die allerhöchsten und höchsten Herrschaften beehrten gestern eine Soiree bei Hrn. v. Klenze mit ihrer Gegenwart, wo eine italienische Operette, von einem talentvollen Dilettanten componirt, von Dilettanten sehr gelungen aufgeführt wurde. France gezählt werden muß. Inmitten dieser Vorbereitungen eines definitiven Zustandes schreitet der Minister des Unterrichts in seinen einsichtsvollen Neuerungen verdienstlich fort. Die Maaßregel, die er zuerst im Interesse der Facultät des Rechts, sodann in jenem der philosophischen Facultät angeordnet hatte: die Einführung der Privatdocenten nebst den erweiterten Vorlesungen, ist nunmehr auch auf die Facultät der mathematischen, physischen und natürlichen Wissenschaften ausgedehnt, so daß künftighin der öffentliche Unterricht der vier großen Facultäten: Medicin, Recht, Philosophie und Mathematik, Naturlehre und Naturgeschichte in gleichförmiger Weise auf einem vergrößerten und freiern Maaßstab betrieben werden. Hr. Cousin kann morgen vom Ministerium abtreten, sein Name wird fortan rühmlichst im öffentlichen Unterricht bestehen, denn seine Neuerungen sind den Erscheinungen der Zeit entsprossen und haben die allgemeinste Anerkennung gefunden. Dem gelehrten Deutschland mag es nicht uninteressant seyn zu sehen, in welcher Richtung Cousin verfährt, und da ihm einer Ihrer Correspondenten mit so unversöhnlichem Nationalsinn vorwirft, Deutschland und deutsches Unterrichtswesen nicht hinlänglich zu kennen, so möge man ihm mindestens zu gut halten, daß er dieses wenige Erlernte mit kluger Bemessung verwendet. Noch ist nicht aller Tage Abend, und wir haben einigen Grund zu glauben, daß sich der Minister mit diesen ersten Verbesserungen nicht begnügen wird. Zwei neue Vorlesungen an der Rechtsschule sind bereits angekündigt: die eine über Straftheorie, die andere über die Quellen des französischen Rechts; in diesem letzten Titel ist die reichste, schönste und belohnendste Materie enthalten, die ein öffentlicher Lehrer wünschen kann; wir wollen sehen, in wie weit Hr. Roustain, der ankündigende Privatdocent, seine Aufgabe in all ihrer Bedeutung aufgefaßt hat. Niederlande. Vom Niederrhein, 1 April. Mit jedem Tag werden die Stimmen gegen die Regierung und ihre Gesetzesentwürfe lauter und schonungsloser; schon spricht man sich offen aus, daß die Generalstaaten den Vorschlag Corver Hoofts und seiner Freunde wieder aufnehmen und die Initiative ergreifen sollen. Warin's Warnungsworte an die Regierung, die Geduld der Nation nicht aufs Aeußerste zu treiben und einzulenken, so lange es noch Zeit sey, finden immer größern Wiederhall, und die radicale Partei gewinnt unerwartet Boden aus einem sehr einleuchtenden Grunde. So lange die Regierung mit der Handelsmaatschappy und andern großen Capitalisten ziemlich willkührlich über die Finanzen, namentlich der ostindischen Besitzungen, verhandelte, machten diese sich die Verlegenheit der Regierung zu Nutzen, und während die Regierung Schulden auf Schulden häufte, sammelte diese Actien der Handelsmaatschappy und sonstige guten Renten tragende Papiere. Jetzt haben dieselben, wie man zu sagen pflegt, ihr Schäfchen im Trockenen, und nun verlangen sie auf einmal Offenheit von der Regierung und Klarheit in ihren Finanzen, was sie seit den letzten neun Jahren nie so hitzig gefordert hatten. So haben nun diese sich gleichfalls gegen die Regierung gewendet, und damit auf einmal der Opposition ein furchtbares Uebergewicht gegeben, aber die öffentliche Stimme verlangt auch von ihnen Rechenschaft, und wenn sie auch in dem bevorstehenden, immer bitterer werdenden Kampfe ihr Geld behalten, so könnte sie doch als politische Partei ihr Spiel verlieren, und letzteres werden sie am Ende noch lieber hinnehmen, als das erstere. Die Verwaltung befindet sich unter diesen Umständen in einer furchtbaren Verlegenheit. Will sie, wie man es jetzt von ihr zu fordern scheint, alle ihre Pecado's und Pecadillos offen kund geben, so muß sie nicht nur fürchten, dem ohnehin erschütterten Staatscredit einen bedeutenden Stoß zu versetzen, sondern sie ist auch genöthigt, sich politisch der radicalen Partei in die Arme zu werfen, ein Entschluß, zu dem sie sich wohl schwerlich verstehen wird. Der Mensch ist überhaupt nicht geneigt, einen extremen Entschluß aus Anerkenntniß der künftigen Nothwendigkeit selbst und zu rechter Zeit zu fassen, er wird gewöhnlich von Stufe zu Stufe gedrängt, bis er allmählich und wider seinen Willen an dasselbe Ziel gelangt, wobei freilich dann die Vortheile des eigenen zeitgemäßen Entschlusses verloren gehen. In derselben Lage befindet sich jetzt die niederländische Verwaltung: sie ist in ihren Geständnissen schon zu weit gegangen, um noch zurücktreten zu können, und die Wahrheit muß jetzt, wenn nicht ganz, doch größtentheils an den Tag kommen. Diese Nothwendigkeit liegt in dem Gesetz über die Aufhebung des Syndikats. Sie erinnern sich, welche Schwierigkeit dieser Punkt bei der Ausgleichung mit Belgien darbot; die Belgier verlangten an der Liquidation des Syndikats mit Theil zu nehmen, in der Meinung, daß dabei ein großer Vortheil herauskommen müsse; die niederländische Regierung weigerte sich dessen, opferte endlich von den acht Millionen Gulden, welche Belgien ursprünglich bezahlen sollte, fast drei auf, um nur nicht die Liquidation der Syndikats unter den Augen der Belgier vornehmen zu müssen, und jetzt, wo es doch zur Aufhebung der Syndikats kommt, ergibt sich nicht nur kein Gewinn, sondern ein Verlust von 80 bis 100 Millionen, die man allenfalls wohl mit den Belgiern hätte theilen können. Die Sache ist klar: um den Schein zu retten, hat man Millionen geopfert, und jetzt muß auch dieser Schein geopfert werden, ja er ist es bereits, und dieses Eine Opfer muß noch eine Menge anderer nachziehen. Deutschland. München, 4 April. In Stieglmaiers Werkstätte herrscht fortwährend große Thätigkeit; von den für den Thronsal des Festbaues bestimmten 12 kolossalen Fürstenstatuen sind nun 7 in Erz vollendet, und 4 derselben bereits vergoldet, die fünfte wird in nächster Woche aufgestellt. In der großen Halle der Erzgießerei arbeitet dermal auch Schwanthaler an dem Modelle der Bavaria, die für die auf der Anhöhe der Theresienwiese zu errichtende Ruhmeshalle bestimmt ist. Der obere Theil der Statue ist bereits fertig, und man bewundert die ideale Schönheit und das jugendlich Mädchenhafte des kolossalen Kopfes mit den reichen Haarflechten und dem Eichenkranze. Die Höhe der Figur ohne Piedestal beträgt 54 Fuß; im Innern derselben wird eine Wendeltreppe angebracht, auf der man zum Haupt emporsteigt, in welchem Raum für 5 Personen vorhanden ist. Das Modell wird in diesem Jahr noch vollendet, im nächsten wird der Guß beginnen, zu welchem ein Bedarf von tausend Centnern Erz berechnet ist. München, 5 April. Wie heute verlautet, wird die Dauer unsrer Ständeversammlung noch um einige Tage verlängert werden. – Die Kammer der Abgeordneten gab diesen Mittag ihrem Präsidenten ein Gastmahl im Saale des Museums, dem auch die k. Minister und die Regierungscommissäre beiwohnten. – Gestern hier angekommene Briefe von Personen aus der Umgebung des Herzogs von Leuchtenberg, datirt von St. Petersburg, den 22 März, folglich vom neuesten Datum, melden nichts von einer Reise Ihrer Maj. der Kaiserin von Rußland nach Italien oder Deutschland. – Die allerhöchsten und höchsten Herrschaften beehrten gestern eine Soirée bei Hrn. v. Klenze mit ihrer Gegenwart, wo eine italienische Operette, von einem talentvollen Dilettanten componirt, von Dilettanten sehr gelungen aufgeführt wurde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0005" n="0781"/> France gezählt werden muß. Inmitten dieser Vorbereitungen eines definitiven Zustandes schreitet der Minister des Unterrichts in seinen einsichtsvollen Neuerungen verdienstlich fort. Die Maaßregel, die er zuerst im Interesse der Facultät des Rechts, sodann in jenem der philosophischen Facultät angeordnet hatte: die Einführung der Privatdocenten nebst den erweiterten Vorlesungen, ist nunmehr auch auf die Facultät der mathematischen, physischen und natürlichen Wissenschaften ausgedehnt, so daß künftighin der öffentliche Unterricht der vier großen Facultäten: Medicin, Recht, Philosophie und Mathematik, Naturlehre und Naturgeschichte in gleichförmiger Weise auf einem vergrößerten und freiern Maaßstab betrieben werden. Hr. Cousin kann morgen vom Ministerium abtreten, sein Name wird fortan rühmlichst im öffentlichen Unterricht bestehen, denn seine Neuerungen sind den Erscheinungen der Zeit entsprossen und haben die allgemeinste Anerkennung gefunden. Dem gelehrten Deutschland mag es nicht uninteressant seyn zu sehen, in welcher Richtung Cousin verfährt, und da ihm einer Ihrer Correspondenten mit so unversöhnlichem Nationalsinn vorwirft, Deutschland und deutsches Unterrichtswesen nicht hinlänglich zu kennen, so möge man ihm mindestens zu gut halten, daß er dieses wenige Erlernte mit kluger Bemessung verwendet. Noch ist nicht aller Tage Abend, und wir haben einigen Grund zu glauben, daß sich der Minister mit diesen ersten Verbesserungen nicht begnügen wird. Zwei neue Vorlesungen an der Rechtsschule sind bereits angekündigt: die eine über Straftheorie, die andere über die Quellen des französischen Rechts; in diesem letzten Titel ist die reichste, schönste und belohnendste Materie enthalten, die ein öffentlicher Lehrer wünschen kann; wir wollen sehen, in wie weit Hr. 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So lange die Regierung mit der Handelsmaatschappy und andern großen Capitalisten ziemlich willkührlich über die Finanzen, namentlich der ostindischen Besitzungen, verhandelte, machten diese sich die Verlegenheit der Regierung zu Nutzen, und während die Regierung Schulden auf Schulden häufte, sammelte diese Actien der Handelsmaatschappy und sonstige guten Renten tragende Papiere. Jetzt haben dieselben, wie man zu sagen pflegt, ihr Schäfchen im Trockenen, und nun verlangen sie auf einmal Offenheit von der Regierung und Klarheit in ihren Finanzen, was sie seit den letzten neun Jahren nie so hitzig gefordert hatten. So haben nun diese sich gleichfalls gegen die Regierung gewendet, und damit auf einmal der Opposition ein furchtbares Uebergewicht gegeben, aber die öffentliche Stimme verlangt auch von ihnen Rechenschaft, und wenn sie auch in dem bevorstehenden, immer bitterer werdenden Kampfe ihr Geld behalten, so könnte sie doch als politische Partei ihr Spiel verlieren, und letzteres werden sie am Ende noch lieber hinnehmen, als das erstere. Die Verwaltung befindet sich unter diesen Umständen in einer furchtbaren Verlegenheit. Will sie, wie man es jetzt von ihr zu fordern scheint, alle ihre Pecado's und Pecadillos offen kund geben, so muß sie nicht nur fürchten, dem ohnehin erschütterten Staatscredit einen bedeutenden Stoß zu versetzen, sondern sie ist auch genöthigt, sich politisch der radicalen Partei in die Arme zu werfen, ein Entschluß, zu dem sie sich wohl schwerlich verstehen wird. Der Mensch ist überhaupt nicht geneigt, einen extremen Entschluß aus Anerkenntniß der künftigen Nothwendigkeit selbst und zu rechter Zeit zu fassen, er wird gewöhnlich von Stufe zu Stufe gedrängt, bis er allmählich und wider seinen Willen an dasselbe Ziel gelangt, wobei freilich dann die Vortheile des eigenen zeitgemäßen Entschlusses verloren gehen. In derselben Lage befindet sich jetzt die niederländische Verwaltung: sie ist in ihren Geständnissen schon zu weit gegangen, um noch zurücktreten zu können, und die Wahrheit muß jetzt, wenn nicht ganz, doch größtentheils an den Tag kommen. Diese Nothwendigkeit liegt in dem Gesetz über die Aufhebung des Syndikats. Sie erinnern sich, welche Schwierigkeit dieser Punkt bei der Ausgleichung mit Belgien darbot; die Belgier verlangten an der Liquidation des Syndikats mit Theil zu nehmen, in der Meinung, daß dabei ein großer Vortheil herauskommen müsse; die niederländische Regierung weigerte sich dessen, opferte endlich von den acht Millionen Gulden, welche Belgien ursprünglich bezahlen sollte, fast drei auf, um nur nicht die Liquidation der Syndikats unter den Augen der Belgier vornehmen zu müssen, und jetzt, wo es doch zur Aufhebung der Syndikats kommt, ergibt sich nicht nur kein Gewinn, sondern ein Verlust von 80 bis 100 Millionen, die man allenfalls wohl mit den Belgiern hätte theilen können. 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Der obere Theil der Statue ist bereits fertig, und man bewundert die ideale Schönheit und das jugendlich Mädchenhafte des kolossalen Kopfes mit den reichen Haarflechten und dem Eichenkranze. Die Höhe der Figur ohne Piedestal beträgt 54 Fuß; im Innern derselben wird eine Wendeltreppe angebracht, auf der man zum Haupt emporsteigt, in welchem Raum für 5 Personen vorhanden ist. Das Modell wird in diesem Jahr noch vollendet, im nächsten wird der Guß beginnen, zu welchem ein Bedarf von tausend Centnern Erz berechnet ist.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 5 April.</dateline> <p> Wie heute verlautet, wird die Dauer unsrer Ständeversammlung noch um einige Tage verlängert werden. – Die Kammer der Abgeordneten gab diesen Mittag ihrem Präsidenten ein Gastmahl im Saale des Museums, dem auch die k. 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Niederlande.
_ Vom Niederrhein, 1 April. Mit jedem Tag werden die Stimmen gegen die Regierung und ihre Gesetzesentwürfe lauter und schonungsloser; schon spricht man sich offen aus, daß die Generalstaaten den Vorschlag Corver Hoofts und seiner Freunde wieder aufnehmen und die Initiative ergreifen sollen. Warin's Warnungsworte an die Regierung, die Geduld der Nation nicht aufs Aeußerste zu treiben und einzulenken, so lange es noch Zeit sey, finden immer größern Wiederhall, und die radicale Partei gewinnt unerwartet Boden aus einem sehr einleuchtenden Grunde. So lange die Regierung mit der Handelsmaatschappy und andern großen Capitalisten ziemlich willkührlich über die Finanzen, namentlich der ostindischen Besitzungen, verhandelte, machten diese sich die Verlegenheit der Regierung zu Nutzen, und während die Regierung Schulden auf Schulden häufte, sammelte diese Actien der Handelsmaatschappy und sonstige guten Renten tragende Papiere. Jetzt haben dieselben, wie man zu sagen pflegt, ihr Schäfchen im Trockenen, und nun verlangen sie auf einmal Offenheit von der Regierung und Klarheit in ihren Finanzen, was sie seit den letzten neun Jahren nie so hitzig gefordert hatten. So haben nun diese sich gleichfalls gegen die Regierung gewendet, und damit auf einmal der Opposition ein furchtbares Uebergewicht gegeben, aber die öffentliche Stimme verlangt auch von ihnen Rechenschaft, und wenn sie auch in dem bevorstehenden, immer bitterer werdenden Kampfe ihr Geld behalten, so könnte sie doch als politische Partei ihr Spiel verlieren, und letzteres werden sie am Ende noch lieber hinnehmen, als das erstere. Die Verwaltung befindet sich unter diesen Umständen in einer furchtbaren Verlegenheit. Will sie, wie man es jetzt von ihr zu fordern scheint, alle ihre Pecado's und Pecadillos offen kund geben, so muß sie nicht nur fürchten, dem ohnehin erschütterten Staatscredit einen bedeutenden Stoß zu versetzen, sondern sie ist auch genöthigt, sich politisch der radicalen Partei in die Arme zu werfen, ein Entschluß, zu dem sie sich wohl schwerlich verstehen wird. Der Mensch ist überhaupt nicht geneigt, einen extremen Entschluß aus Anerkenntniß der künftigen Nothwendigkeit selbst und zu rechter Zeit zu fassen, er wird gewöhnlich von Stufe zu Stufe gedrängt, bis er allmählich und wider seinen Willen an dasselbe Ziel gelangt, wobei freilich dann die Vortheile des eigenen zeitgemäßen Entschlusses verloren gehen. In derselben Lage befindet sich jetzt die niederländische Verwaltung: sie ist in ihren Geständnissen schon zu weit gegangen, um noch zurücktreten zu können, und die Wahrheit muß jetzt, wenn nicht ganz, doch größtentheils an den Tag kommen. Diese Nothwendigkeit liegt in dem Gesetz über die Aufhebung des Syndikats. Sie erinnern sich, welche Schwierigkeit dieser Punkt bei der Ausgleichung mit Belgien darbot; die Belgier verlangten an der Liquidation des Syndikats mit Theil zu nehmen, in der Meinung, daß dabei ein großer Vortheil herauskommen müsse; die niederländische Regierung weigerte sich dessen, opferte endlich von den acht Millionen Gulden, welche Belgien ursprünglich bezahlen sollte, fast drei auf, um nur nicht die Liquidation der Syndikats unter den Augen der Belgier vornehmen zu müssen, und jetzt, wo es doch zur Aufhebung der Syndikats kommt, ergibt sich nicht nur kein Gewinn, sondern ein Verlust von 80 bis 100 Millionen, die man allenfalls wohl mit den Belgiern hätte theilen können. Die Sache ist klar: um den Schein zu retten, hat man Millionen geopfert, und jetzt muß auch dieser Schein geopfert werden, ja er ist es bereits, und dieses Eine Opfer muß noch eine Menge anderer nachziehen.
Deutschland.
_ München, 4 April. In Stieglmaiers Werkstätte herrscht fortwährend große Thätigkeit; von den für den Thronsal des Festbaues bestimmten 12 kolossalen Fürstenstatuen sind nun 7 in Erz vollendet, und 4 derselben bereits vergoldet, die fünfte wird in nächster Woche aufgestellt. In der großen Halle der Erzgießerei arbeitet dermal auch Schwanthaler an dem Modelle der Bavaria, die für die auf der Anhöhe der Theresienwiese zu errichtende Ruhmeshalle bestimmt ist. Der obere Theil der Statue ist bereits fertig, und man bewundert die ideale Schönheit und das jugendlich Mädchenhafte des kolossalen Kopfes mit den reichen Haarflechten und dem Eichenkranze. Die Höhe der Figur ohne Piedestal beträgt 54 Fuß; im Innern derselben wird eine Wendeltreppe angebracht, auf der man zum Haupt emporsteigt, in welchem Raum für 5 Personen vorhanden ist. Das Modell wird in diesem Jahr noch vollendet, im nächsten wird der Guß beginnen, zu welchem ein Bedarf von tausend Centnern Erz berechnet ist.
_ München, 5 April. Wie heute verlautet, wird die Dauer unsrer Ständeversammlung noch um einige Tage verlängert werden. – Die Kammer der Abgeordneten gab diesen Mittag ihrem Präsidenten ein Gastmahl im Saale des Museums, dem auch die k. Minister und die Regierungscommissäre beiwohnten. – Gestern hier angekommene Briefe von Personen aus der Umgebung des Herzogs von Leuchtenberg, datirt von St. Petersburg, den 22 März, folglich vom neuesten Datum, melden nichts von einer Reise Ihrer Maj. der Kaiserin von Rußland nach Italien oder Deutschland. – Die allerhöchsten und höchsten Herrschaften beehrten gestern eine Soirée bei Hrn. v. Klenze mit ihrer Gegenwart, wo eine italienische Operette, von einem talentvollen Dilettanten componirt, von Dilettanten sehr gelungen aufgeführt wurde.
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