Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 113. Augsburg, 22. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Umrissen der Continente und der Vertheilung der die Küsten begleitenden Inseln so auffallend wiederholen, und welche, einmal aufmerksam gemacht, Jeder bemerkt, der eine sogenannte Weltkarte in Mercators Projection betrachtet. - Die Geologie kann auf der Bahn, die sie in neuester Zeit so glänzend betreten, den schnellsten, fruchtbarsten Fortschritten entgegensehen; sie wird sich dabei allerdings ganz an die Oberflächenerscheinungen halten und bei ihrer Analyse nach der nächsten Ursache jener periodischen Zerreißungen und Auftreibungen der Erdrinde gar nicht fragen; aber auch die Kenntniß vom Leben der Erde selbst, namentlich die Lehren von der Erdwärme und dem Magnetismus, werden allermittelst vom regen wissenschaftlichen Trieb des Jahrhunderts gewiß rasch gefördert werden, und so wäre es gar nicht unmöglich, daß in früherer oder späterer Zeit die ganze, scheinbar so willkürliche und regellose Höckerbildung des Globus aus den Gesetzen des Erdlebens selbst entwickelt und die wirren Linien der Gebirge als Glieder einer großen symmetrischen Ausstrahlung aufgefaßt würden. Wenn Leopold v. Buch der Galilei der Geologie ist, so wäre Elie de Beaumont der Keppler derselben, der die von einem nach ihm kommenden Größern auszusprechenden umfassenden Gesetze ahnt, und man dürfte zuversichtlich dem geologischen Newton entgegensehen, der mit einem Wort den Punkt gibt, um den für Jahrhunderte tausend Begriffe wie Krystalle anschießen.

Wir haben bei Entwerfung dieses flüchtigen Abrisses der Theorien der Erdbildung, wie sie in diesem Jahrhundert geherrscht und noch herrschen, die organische Schöpfung fast ganz aus dem Spiel gelassen; wir fürchteten durch thierische Staffage das einfache Bild zu verwirren. Aber schon die Betrachtung, daß die Existenz von Festland die nächste Bedingung der Entwicklung alles höhern organischen Lebens war, zeigt den innigen Zusammenhang zwischen der allmählichen Ausbildung des Landes und den Evolutionen der Thierwelt. Diese könnten ein andermal geschildert werden, wenn vorliegende Skizze nicht ungünstig aufgenommen würde. Der Hauptpunkt dabei wäre eine Kritik der Vorstellungen vom Zusammenhang geologischer und historischer Zeit, das heißt vom ersten Auftreten des Menschen auf dem wechselvollen Schauplatz der Erde.

HH.

Die Juden in Damaskus.

Die Sache mit dem in Damascus plötzlich verschwundenen Pater Thomas macht in ganz Syrien einen gewaltigen Lärm, und hätte ohne die scharfe Polizei Ibrahims wahrscheinlich eine Volksbewegung gegen die Juden veranlaßt. Der Haß, der überall gegen sie genährt wird, sucht, wo er nur kann, zum Ausbruch zu kommen, und jede Gelegenheit ist gut dazu. Das was aus Damascus über den dortigen Vorfall berichtet wird, ist in der Kürze folgendes. Der Prior des Capucinerklosters in Damascus, mit Namen Thomas, verschwand plötzlich so ohne alle Spur, daß sich sogleich das Gerücht verbreitete, er sey ermordet worden und zwar von der Hand der Juden. Ein jüdischer Barbier, den man eine Affiche desselben Pater Thomas wegen des Verkaufs der Kleider eines im Kloster Verstorbenen hatte abreißen und darauf mit einem andern Siegel wieder anheften sehen, ward eingezogen. Da er über seine Handlung keine genügende Rechenschaft zu geben wußte, so gab man ihm gerade auf den Kopf schuld, er habe den Capuciner umgebracht. Um das Geständniß heraus zu pressen erhielt er 3 Tage hinter einander jeden Tag 1000 Karbatschenhiebe. Auf diese furchtbare Tortur machte er folgendes Geständniß: denselben Tag, wo der Pater Thomas verschwand, sey der Bediente des jüdischen Kaufmanns Hariri gegen 11 Uhr Abends zu ihm gekommen, und habe ihn unter dem Vorwand, sein Herr sey krank, in dessen Haus geführt. Dort angekommen habe er in einem hell erleuchteten Zimmer neun der reichsten jüdischen Kaufleute, darunter auch den unter europäischer Protection stehenden sehr reichen Juden Piccioni, versammelt gefunden; Hariri sey sogleich an ihn heran getreten und habe ihm gesagt, daß der Pater Thomas in seinem Hause sey und sterben müsse, und daß man ihn (den Barbier) habe kommen lassen, um ihm den Hals abzuschneiden. Dieß habe er zwar verweigert, sich aber erboten als Zeuge da zu bleiben. Hierauf sey er mit den übrigen neun Juden in ein anderes Zimmer gegangen, wo er den Pater Thomas auf einem Stuhl sitzend gefunden habe; sogleich sey man über ihn hergefallen, habe ihn zu Boden geworfen, und nachdem sein Körper in eine Lage gebracht worden, daß die Gurgel einer großen Schüssel zugedreht gewesen, habe einer der Juden dieselbe mit einem großen Rasirmesser durchschnitten, während andere mit der größten Sorgfalt das Blut in der Schüssel aufgefangen hätten. Späterhin sey sein Körper bei den Beinen aufgehängt und auf alle mögliche Weise gedrückt und gequetscht worden, um ihm den letzten Tropfen Blut auszupressen. Nachdem er sich gänzlich verblutet, habe man ihn in tausend kleine Stücke zerschnitten und diese in eine Cloake geworfen. Man zog nun den Bedienten des Hariri ein, und da er nach geringem Weigern dasselbe aussagte, wurden die neun Juden verhaftet. Einige Stockschläge erzwangen von ihnen ein mit der Aussage des Barbiers conformes Geständniß, worauf sie sammtlich zum Strange verurtheilt wurden. Einige wurden sogleich gehängt, andere aber, wie Hariri, hat man aufgespart, um von ihnen Aufklärungen über andere ihrer Religion hier eigenthümliche barbarische Gebräuche zu bekommen. Der Grund aber, warum sie den unglücklichen Pater umbrachten, soll folgender seyn: nicht nur in Syrien, sondern in der ganzen Levante ist überall der Glaube verbreitet, daß die Juden zur Bereitung des von ihnen zu Ostern zu genießenden sogenannten vollkommenen Brodes, (esch asim, wie es in Syrien heißt), das Blut eines Christen, namentlich eines Christenknaben bedürfen. Deßhalb suchen die Juden (so geht unterm Volk die Sage) vor Ostern einen solchen Knaben, vor allem einen recht rothbackigen, bei dem man viel Blut voraussetzt, zu fangen, schlachten ihn und backen mit seinem Blut ihr esch asim. In diesem Jahr aber sollen die Damascener Juden ein ganz vollkommenes Brod, ein esch asis, zur Celebration ihrer Mysterien haben essen wollen, und sich dazu das Blut eines recht eingefleischten Christen ausgesucht haben, das nach ihrer Ansicht nirgends reiner fließen könne, als in den Adern eines Capuciners. Aus diesem Grund habe man den Pater Thomas in das Schlachthaus gelockt und dort sein Blut vergossen. Ohne auf den Grund oder Ungrund dieses in der Levante allgemein verbreiteten Glaubens eingehen zu wollen, frägt sich in dem vorliegenden Falle nur, ob man von den oben erwähnten Geständnissen auf die wirkliche Vollbringung der That schließen dürfe, und da wird wohl ein jeder vorurtheilsfreie Mensch bedeutende Zweifel haben müssen. Nicht nur, daß der türkische Stock die magische Gewalt hat, alles herauszuprügeln, was man will, liegt auch in der Aussage des Barbiers eine handgreifliche Unwahrscheinlichkeit. Daß neun Fanatiker, die sich versammelt haben um einen in ihrer Gewalt befindlichen Menschen eines religiösen Zweckes wegen zu ermorden, was sie auf alle mögliche Weise geheim halten und verbergen mußten, noch einen zehnten nicht Eingeweihten herbeirufen, damit er den Mord vollbringe, den auch gewiß religiöse Cerimonien begleiteten, trägt das Gepräge der höchsten Unwahrscheinlichkeit, um so mehr als der heimliche

Umrissen der Continente und der Vertheilung der die Küsten begleitenden Inseln so auffallend wiederholen, und welche, einmal aufmerksam gemacht, Jeder bemerkt, der eine sogenannte Weltkarte in Mercators Projection betrachtet. – Die Geologie kann auf der Bahn, die sie in neuester Zeit so glänzend betreten, den schnellsten, fruchtbarsten Fortschritten entgegensehen; sie wird sich dabei allerdings ganz an die Oberflächenerscheinungen halten und bei ihrer Analyse nach der nächsten Ursache jener periodischen Zerreißungen und Auftreibungen der Erdrinde gar nicht fragen; aber auch die Kenntniß vom Leben der Erde selbst, namentlich die Lehren von der Erdwärme und dem Magnetismus, werden allermittelst vom regen wissenschaftlichen Trieb des Jahrhunderts gewiß rasch gefördert werden, und so wäre es gar nicht unmöglich, daß in früherer oder späterer Zeit die ganze, scheinbar so willkürliche und regellose Höckerbildung des Globus aus den Gesetzen des Erdlebens selbst entwickelt und die wirren Linien der Gebirge als Glieder einer großen symmetrischen Ausstrahlung aufgefaßt würden. Wenn Leopold v. Buch der Galilei der Geologie ist, so wäre Elie de Beaumont der Keppler derselben, der die von einem nach ihm kommenden Größern auszusprechenden umfassenden Gesetze ahnt, und man dürfte zuversichtlich dem geologischen Newton entgegensehen, der mit einem Wort den Punkt gibt, um den für Jahrhunderte tausend Begriffe wie Krystalle anschießen.

Wir haben bei Entwerfung dieses flüchtigen Abrisses der Theorien der Erdbildung, wie sie in diesem Jahrhundert geherrscht und noch herrschen, die organische Schöpfung fast ganz aus dem Spiel gelassen; wir fürchteten durch thierische Staffage das einfache Bild zu verwirren. Aber schon die Betrachtung, daß die Existenz von Festland die nächste Bedingung der Entwicklung alles höhern organischen Lebens war, zeigt den innigen Zusammenhang zwischen der allmählichen Ausbildung des Landes und den Evolutionen der Thierwelt. Diese könnten ein andermal geschildert werden, wenn vorliegende Skizze nicht ungünstig aufgenommen würde. Der Hauptpunkt dabei wäre eine Kritik der Vorstellungen vom Zusammenhang geologischer und historischer Zeit, das heißt vom ersten Auftreten des Menschen auf dem wechselvollen Schauplatz der Erde.

HH.

Die Juden in Damaskus.

Die Sache mit dem in Damascus plötzlich verschwundenen Pater Thomas macht in ganz Syrien einen gewaltigen Lärm, und hätte ohne die scharfe Polizei Ibrahims wahrscheinlich eine Volksbewegung gegen die Juden veranlaßt. Der Haß, der überall gegen sie genährt wird, sucht, wo er nur kann, zum Ausbruch zu kommen, und jede Gelegenheit ist gut dazu. Das was aus Damascus über den dortigen Vorfall berichtet wird, ist in der Kürze folgendes. Der Prior des Capucinerklosters in Damascus, mit Namen Thomas, verschwand plötzlich so ohne alle Spur, daß sich sogleich das Gerücht verbreitete, er sey ermordet worden und zwar von der Hand der Juden. Ein jüdischer Barbier, den man eine Affiche desselben Pater Thomas wegen des Verkaufs der Kleider eines im Kloster Verstorbenen hatte abreißen und darauf mit einem andern Siegel wieder anheften sehen, ward eingezogen. Da er über seine Handlung keine genügende Rechenschaft zu geben wußte, so gab man ihm gerade auf den Kopf schuld, er habe den Capuciner umgebracht. Um das Geständniß heraus zu pressen erhielt er 3 Tage hinter einander jeden Tag 1000 Karbatschenhiebe. Auf diese furchtbare Tortur machte er folgendes Geständniß: denselben Tag, wo der Pater Thomas verschwand, sey der Bediente des jüdischen Kaufmanns Hariri gegen 11 Uhr Abends zu ihm gekommen, und habe ihn unter dem Vorwand, sein Herr sey krank, in dessen Haus geführt. Dort angekommen habe er in einem hell erleuchteten Zimmer neun der reichsten jüdischen Kaufleute, darunter auch den unter europäischer Protection stehenden sehr reichen Juden Piccioni, versammelt gefunden; Hariri sey sogleich an ihn heran getreten und habe ihm gesagt, daß der Pater Thomas in seinem Hause sey und sterben müsse, und daß man ihn (den Barbier) habe kommen lassen, um ihm den Hals abzuschneiden. Dieß habe er zwar verweigert, sich aber erboten als Zeuge da zu bleiben. Hierauf sey er mit den übrigen neun Juden in ein anderes Zimmer gegangen, wo er den Pater Thomas auf einem Stuhl sitzend gefunden habe; sogleich sey man über ihn hergefallen, habe ihn zu Boden geworfen, und nachdem sein Körper in eine Lage gebracht worden, daß die Gurgel einer großen Schüssel zugedreht gewesen, habe einer der Juden dieselbe mit einem großen Rasirmesser durchschnitten, während andere mit der größten Sorgfalt das Blut in der Schüssel aufgefangen hätten. Späterhin sey sein Körper bei den Beinen aufgehängt und auf alle mögliche Weise gedrückt und gequetscht worden, um ihm den letzten Tropfen Blut auszupressen. Nachdem er sich gänzlich verblutet, habe man ihn in tausend kleine Stücke zerschnitten und diese in eine Cloake geworfen. Man zog nun den Bedienten des Hariri ein, und da er nach geringem Weigern dasselbe aussagte, wurden die neun Juden verhaftet. Einige Stockschläge erzwangen von ihnen ein mit der Aussage des Barbiers conformes Geständniß, worauf sie sammtlich zum Strange verurtheilt wurden. Einige wurden sogleich gehängt, andere aber, wie Hariri, hat man aufgespart, um von ihnen Aufklärungen über andere ihrer Religion hier eigenthümliche barbarische Gebräuche zu bekommen. Der Grund aber, warum sie den unglücklichen Pater umbrachten, soll folgender seyn: nicht nur in Syrien, sondern in der ganzen Levante ist überall der Glaube verbreitet, daß die Juden zur Bereitung des von ihnen zu Ostern zu genießenden sogenannten vollkommenen Brodes, (esch asim, wie es in Syrien heißt), das Blut eines Christen, namentlich eines Christenknaben bedürfen. Deßhalb suchen die Juden (so geht unterm Volk die Sage) vor Ostern einen solchen Knaben, vor allem einen recht rothbackigen, bei dem man viel Blut voraussetzt, zu fangen, schlachten ihn und backen mit seinem Blut ihr esch asim. In diesem Jahr aber sollen die Damascener Juden ein ganz vollkommenes Brod, ein esch asis, zur Celebration ihrer Mysterien haben essen wollen, und sich dazu das Blut eines recht eingefleischten Christen ausgesucht haben, das nach ihrer Ansicht nirgends reiner fließen könne, als in den Adern eines Capuciners. Aus diesem Grund habe man den Pater Thomas in das Schlachthaus gelockt und dort sein Blut vergossen. Ohne auf den Grund oder Ungrund dieses in der Levante allgemein verbreiteten Glaubens eingehen zu wollen, frägt sich in dem vorliegenden Falle nur, ob man von den oben erwähnten Geständnissen auf die wirkliche Vollbringung der That schließen dürfe, und da wird wohl ein jeder vorurtheilsfreie Mensch bedeutende Zweifel haben müssen. Nicht nur, daß der türkische Stock die magische Gewalt hat, alles herauszuprügeln, was man will, liegt auch in der Aussage des Barbiers eine handgreifliche Unwahrscheinlichkeit. Daß neun Fanatiker, die sich versammelt haben um einen in ihrer Gewalt befindlichen Menschen eines religiösen Zweckes wegen zu ermorden, was sie auf alle mögliche Weise geheim halten und verbergen mußten, noch einen zehnten nicht Eingeweihten herbeirufen, damit er den Mord vollbringe, den auch gewiß religiöse Cerimonien begleiteten, trägt das Gepräge der höchsten Unwahrscheinlichkeit, um so mehr als der heimliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="0900"/>
Umrissen der Continente und der Vertheilung der die Küsten begleitenden Inseln so auffallend wiederholen, und welche, einmal aufmerksam gemacht, Jeder bemerkt, der eine sogenannte Weltkarte in Mercators Projection betrachtet. &#x2013; Die Geologie kann auf der Bahn, die sie in neuester Zeit so glänzend betreten, den schnellsten, fruchtbarsten Fortschritten entgegensehen; sie wird sich dabei allerdings ganz an die Oberflächenerscheinungen halten und bei ihrer Analyse nach der nächsten Ursache jener periodischen Zerreißungen und Auftreibungen der Erdrinde gar nicht fragen; aber auch die Kenntniß vom Leben der Erde selbst, namentlich die Lehren von der Erdwärme und dem Magnetismus, werden allermittelst vom regen wissenschaftlichen Trieb des Jahrhunderts gewiß rasch gefördert werden, und so wäre es gar nicht unmöglich, daß in früherer oder späterer Zeit die ganze, scheinbar so willkürliche und regellose Höckerbildung des Globus aus den Gesetzen des Erdlebens selbst entwickelt und die wirren Linien der Gebirge als Glieder einer großen symmetrischen Ausstrahlung aufgefaßt würden. Wenn Leopold v. <hi rendition="#g">Buch</hi> der <hi rendition="#g">Galilei</hi> der Geologie ist, so wäre Elie <hi rendition="#g">de Beaumont</hi> der <hi rendition="#g">Keppler</hi> derselben, der die von einem nach ihm kommenden Größern auszusprechenden umfassenden Gesetze ahnt, und man dürfte zuversichtlich dem geologischen <hi rendition="#g">Newton</hi> entgegensehen, der mit einem <hi rendition="#g">Wort</hi> den Punkt gibt, um den für Jahrhunderte tausend Begriffe wie Krystalle anschießen.</p><lb/>
        <p>Wir haben bei Entwerfung dieses flüchtigen Abrisses der Theorien der Erdbildung, wie sie in diesem Jahrhundert geherrscht und noch herrschen, die organische Schöpfung fast ganz aus dem Spiel gelassen; wir fürchteten durch thierische Staffage das einfache Bild zu verwirren. Aber schon die Betrachtung, daß die Existenz von Festland die nächste Bedingung der Entwicklung alles höhern organischen Lebens war, zeigt den innigen Zusammenhang zwischen der allmählichen Ausbildung des Landes und den Evolutionen der Thierwelt. Diese könnten ein andermal geschildert werden, wenn vorliegende Skizze nicht ungünstig aufgenommen würde. Der Hauptpunkt dabei wäre eine Kritik der Vorstellungen vom Zusammenhang geologischer und historischer Zeit, das heißt vom ersten Auftreten des Menschen auf dem wechselvollen Schauplatz der Erde.</p><lb/>
        <p>HH.</p><lb/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g"><hi rendition="#b">Die Juden in Damaskus</hi>.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Alexandria,</hi> 27 März.</dateline>
          <p> Die Sache mit dem in Damascus plötzlich verschwundenen Pater Thomas macht in ganz Syrien einen gewaltigen Lärm, und hätte ohne die scharfe Polizei Ibrahims wahrscheinlich eine Volksbewegung gegen die Juden veranlaßt. Der Haß, der überall gegen sie genährt wird, sucht, wo er nur kann, zum Ausbruch zu kommen, und jede Gelegenheit ist gut dazu. Das was aus Damascus über den dortigen Vorfall berichtet wird, ist in der Kürze folgendes. Der Prior des Capucinerklosters in Damascus, mit Namen Thomas, verschwand plötzlich so ohne alle Spur, daß sich sogleich das Gerücht verbreitete, er sey ermordet worden und zwar von der Hand der Juden. Ein jüdischer Barbier, den man eine Affiche desselben Pater Thomas wegen des Verkaufs der Kleider eines im Kloster Verstorbenen hatte abreißen und darauf mit einem andern Siegel wieder anheften sehen, ward eingezogen. Da er über seine Handlung keine genügende Rechenschaft zu geben wußte, so gab man ihm gerade auf den Kopf schuld, er habe den Capuciner umgebracht. Um das Geständniß heraus zu pressen erhielt er 3 Tage hinter einander jeden Tag 1000 Karbatschenhiebe. Auf diese furchtbare Tortur machte er folgendes Geständniß: denselben Tag, wo der Pater Thomas verschwand, sey der Bediente des jüdischen Kaufmanns Hariri gegen 11 Uhr Abends zu ihm gekommen, und habe ihn unter dem Vorwand, sein Herr sey krank, in dessen Haus geführt. Dort angekommen habe er in einem hell erleuchteten Zimmer neun der reichsten jüdischen Kaufleute, darunter auch den unter europäischer Protection stehenden sehr reichen Juden Piccioni, versammelt gefunden; Hariri sey sogleich an ihn heran getreten und habe ihm gesagt, daß der Pater Thomas in seinem Hause sey und sterben müsse, und daß man ihn (den Barbier) habe kommen lassen, um ihm den Hals abzuschneiden. Dieß habe er zwar verweigert, sich aber erboten als Zeuge da zu bleiben. Hierauf sey er mit den übrigen neun Juden in ein anderes Zimmer gegangen, wo er den Pater Thomas auf einem Stuhl sitzend gefunden habe; sogleich sey man über ihn hergefallen, habe ihn zu Boden geworfen, und nachdem sein Körper in eine Lage gebracht worden, daß die Gurgel einer großen Schüssel zugedreht gewesen, habe einer der Juden dieselbe mit einem großen Rasirmesser durchschnitten, während andere mit der größten Sorgfalt das Blut in der Schüssel aufgefangen hätten. Späterhin sey sein Körper bei den Beinen aufgehängt und auf alle mögliche Weise gedrückt und gequetscht worden, um ihm den letzten Tropfen Blut auszupressen. Nachdem er sich gänzlich verblutet, habe man ihn in tausend kleine Stücke zerschnitten und diese in eine Cloake geworfen. Man zog nun den Bedienten des Hariri ein, und da er nach geringem Weigern dasselbe aussagte, wurden die neun Juden verhaftet. Einige Stockschläge erzwangen von ihnen ein mit der Aussage des Barbiers conformes Geständniß, worauf sie sammtlich zum Strange verurtheilt wurden. Einige wurden sogleich gehängt, andere aber, wie Hariri, hat man aufgespart, um von ihnen Aufklärungen über andere ihrer Religion hier eigenthümliche barbarische Gebräuche zu bekommen. Der Grund aber, warum sie den unglücklichen Pater umbrachten, soll folgender seyn: nicht nur in Syrien, sondern in der ganzen Levante ist überall der Glaube verbreitet, daß die Juden zur Bereitung des von ihnen zu Ostern zu genießenden sogenannten <hi rendition="#g">vollkommenen</hi> Brodes, (esch asim, wie es in Syrien heißt), das Blut eines Christen, namentlich eines Christenknaben bedürfen. Deßhalb suchen die Juden (so geht unterm Volk die Sage) vor Ostern einen solchen Knaben, vor allem einen recht rothbackigen, bei dem man viel Blut voraussetzt, zu fangen, schlachten ihn und backen mit seinem Blut ihr esch asim. In diesem Jahr aber sollen die Damascener Juden ein <hi rendition="#g">ganz vollkommenes</hi> Brod, ein esch asis, zur Celebration ihrer Mysterien haben essen wollen, und sich dazu das Blut eines recht eingefleischten Christen ausgesucht haben, das nach ihrer Ansicht nirgends reiner fließen könne, als in den Adern eines Capuciners. Aus diesem Grund habe man den Pater Thomas in das Schlachthaus gelockt und dort sein Blut vergossen. Ohne auf den Grund oder Ungrund dieses in der Levante allgemein verbreiteten Glaubens eingehen zu wollen, frägt sich in dem vorliegenden Falle nur, ob man von den oben erwähnten Geständnissen auf die wirkliche Vollbringung der That schließen dürfe, und da wird wohl ein jeder vorurtheilsfreie Mensch bedeutende Zweifel haben müssen. Nicht nur, daß der türkische Stock die magische Gewalt hat, alles herauszuprügeln, was man will, liegt auch in der Aussage des Barbiers eine handgreifliche Unwahrscheinlichkeit. Daß neun Fanatiker, die sich versammelt haben um einen in ihrer Gewalt befindlichen Menschen eines religiösen Zweckes wegen zu ermorden, was sie auf alle mögliche Weise geheim halten und verbergen mußten, noch einen zehnten nicht Eingeweihten herbeirufen, damit <hi rendition="#g">er</hi> den Mord vollbringe, den auch gewiß religiöse Cerimonien begleiteten, trägt das Gepräge der höchsten Unwahrscheinlichkeit, um so mehr als der heimliche<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0900/0012] Umrissen der Continente und der Vertheilung der die Küsten begleitenden Inseln so auffallend wiederholen, und welche, einmal aufmerksam gemacht, Jeder bemerkt, der eine sogenannte Weltkarte in Mercators Projection betrachtet. – Die Geologie kann auf der Bahn, die sie in neuester Zeit so glänzend betreten, den schnellsten, fruchtbarsten Fortschritten entgegensehen; sie wird sich dabei allerdings ganz an die Oberflächenerscheinungen halten und bei ihrer Analyse nach der nächsten Ursache jener periodischen Zerreißungen und Auftreibungen der Erdrinde gar nicht fragen; aber auch die Kenntniß vom Leben der Erde selbst, namentlich die Lehren von der Erdwärme und dem Magnetismus, werden allermittelst vom regen wissenschaftlichen Trieb des Jahrhunderts gewiß rasch gefördert werden, und so wäre es gar nicht unmöglich, daß in früherer oder späterer Zeit die ganze, scheinbar so willkürliche und regellose Höckerbildung des Globus aus den Gesetzen des Erdlebens selbst entwickelt und die wirren Linien der Gebirge als Glieder einer großen symmetrischen Ausstrahlung aufgefaßt würden. Wenn Leopold v. Buch der Galilei der Geologie ist, so wäre Elie de Beaumont der Keppler derselben, der die von einem nach ihm kommenden Größern auszusprechenden umfassenden Gesetze ahnt, und man dürfte zuversichtlich dem geologischen Newton entgegensehen, der mit einem Wort den Punkt gibt, um den für Jahrhunderte tausend Begriffe wie Krystalle anschießen. Wir haben bei Entwerfung dieses flüchtigen Abrisses der Theorien der Erdbildung, wie sie in diesem Jahrhundert geherrscht und noch herrschen, die organische Schöpfung fast ganz aus dem Spiel gelassen; wir fürchteten durch thierische Staffage das einfache Bild zu verwirren. Aber schon die Betrachtung, daß die Existenz von Festland die nächste Bedingung der Entwicklung alles höhern organischen Lebens war, zeigt den innigen Zusammenhang zwischen der allmählichen Ausbildung des Landes und den Evolutionen der Thierwelt. Diese könnten ein andermal geschildert werden, wenn vorliegende Skizze nicht ungünstig aufgenommen würde. Der Hauptpunkt dabei wäre eine Kritik der Vorstellungen vom Zusammenhang geologischer und historischer Zeit, das heißt vom ersten Auftreten des Menschen auf dem wechselvollen Schauplatz der Erde. HH. Die Juden in Damaskus. _ Alexandria, 27 März. Die Sache mit dem in Damascus plötzlich verschwundenen Pater Thomas macht in ganz Syrien einen gewaltigen Lärm, und hätte ohne die scharfe Polizei Ibrahims wahrscheinlich eine Volksbewegung gegen die Juden veranlaßt. Der Haß, der überall gegen sie genährt wird, sucht, wo er nur kann, zum Ausbruch zu kommen, und jede Gelegenheit ist gut dazu. Das was aus Damascus über den dortigen Vorfall berichtet wird, ist in der Kürze folgendes. Der Prior des Capucinerklosters in Damascus, mit Namen Thomas, verschwand plötzlich so ohne alle Spur, daß sich sogleich das Gerücht verbreitete, er sey ermordet worden und zwar von der Hand der Juden. Ein jüdischer Barbier, den man eine Affiche desselben Pater Thomas wegen des Verkaufs der Kleider eines im Kloster Verstorbenen hatte abreißen und darauf mit einem andern Siegel wieder anheften sehen, ward eingezogen. Da er über seine Handlung keine genügende Rechenschaft zu geben wußte, so gab man ihm gerade auf den Kopf schuld, er habe den Capuciner umgebracht. Um das Geständniß heraus zu pressen erhielt er 3 Tage hinter einander jeden Tag 1000 Karbatschenhiebe. Auf diese furchtbare Tortur machte er folgendes Geständniß: denselben Tag, wo der Pater Thomas verschwand, sey der Bediente des jüdischen Kaufmanns Hariri gegen 11 Uhr Abends zu ihm gekommen, und habe ihn unter dem Vorwand, sein Herr sey krank, in dessen Haus geführt. Dort angekommen habe er in einem hell erleuchteten Zimmer neun der reichsten jüdischen Kaufleute, darunter auch den unter europäischer Protection stehenden sehr reichen Juden Piccioni, versammelt gefunden; Hariri sey sogleich an ihn heran getreten und habe ihm gesagt, daß der Pater Thomas in seinem Hause sey und sterben müsse, und daß man ihn (den Barbier) habe kommen lassen, um ihm den Hals abzuschneiden. Dieß habe er zwar verweigert, sich aber erboten als Zeuge da zu bleiben. Hierauf sey er mit den übrigen neun Juden in ein anderes Zimmer gegangen, wo er den Pater Thomas auf einem Stuhl sitzend gefunden habe; sogleich sey man über ihn hergefallen, habe ihn zu Boden geworfen, und nachdem sein Körper in eine Lage gebracht worden, daß die Gurgel einer großen Schüssel zugedreht gewesen, habe einer der Juden dieselbe mit einem großen Rasirmesser durchschnitten, während andere mit der größten Sorgfalt das Blut in der Schüssel aufgefangen hätten. Späterhin sey sein Körper bei den Beinen aufgehängt und auf alle mögliche Weise gedrückt und gequetscht worden, um ihm den letzten Tropfen Blut auszupressen. Nachdem er sich gänzlich verblutet, habe man ihn in tausend kleine Stücke zerschnitten und diese in eine Cloake geworfen. Man zog nun den Bedienten des Hariri ein, und da er nach geringem Weigern dasselbe aussagte, wurden die neun Juden verhaftet. Einige Stockschläge erzwangen von ihnen ein mit der Aussage des Barbiers conformes Geständniß, worauf sie sammtlich zum Strange verurtheilt wurden. Einige wurden sogleich gehängt, andere aber, wie Hariri, hat man aufgespart, um von ihnen Aufklärungen über andere ihrer Religion hier eigenthümliche barbarische Gebräuche zu bekommen. Der Grund aber, warum sie den unglücklichen Pater umbrachten, soll folgender seyn: nicht nur in Syrien, sondern in der ganzen Levante ist überall der Glaube verbreitet, daß die Juden zur Bereitung des von ihnen zu Ostern zu genießenden sogenannten vollkommenen Brodes, (esch asim, wie es in Syrien heißt), das Blut eines Christen, namentlich eines Christenknaben bedürfen. Deßhalb suchen die Juden (so geht unterm Volk die Sage) vor Ostern einen solchen Knaben, vor allem einen recht rothbackigen, bei dem man viel Blut voraussetzt, zu fangen, schlachten ihn und backen mit seinem Blut ihr esch asim. In diesem Jahr aber sollen die Damascener Juden ein ganz vollkommenes Brod, ein esch asis, zur Celebration ihrer Mysterien haben essen wollen, und sich dazu das Blut eines recht eingefleischten Christen ausgesucht haben, das nach ihrer Ansicht nirgends reiner fließen könne, als in den Adern eines Capuciners. Aus diesem Grund habe man den Pater Thomas in das Schlachthaus gelockt und dort sein Blut vergossen. Ohne auf den Grund oder Ungrund dieses in der Levante allgemein verbreiteten Glaubens eingehen zu wollen, frägt sich in dem vorliegenden Falle nur, ob man von den oben erwähnten Geständnissen auf die wirkliche Vollbringung der That schließen dürfe, und da wird wohl ein jeder vorurtheilsfreie Mensch bedeutende Zweifel haben müssen. Nicht nur, daß der türkische Stock die magische Gewalt hat, alles herauszuprügeln, was man will, liegt auch in der Aussage des Barbiers eine handgreifliche Unwahrscheinlichkeit. Daß neun Fanatiker, die sich versammelt haben um einen in ihrer Gewalt befindlichen Menschen eines religiösen Zweckes wegen zu ermorden, was sie auf alle mögliche Weise geheim halten und verbergen mußten, noch einen zehnten nicht Eingeweihten herbeirufen, damit er den Mord vollbringe, den auch gewiß religiöse Cerimonien begleiteten, trägt das Gepräge der höchsten Unwahrscheinlichkeit, um so mehr als der heimliche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_113_18400422
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_113_18400422/12
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 113. Augsburg, 22. April 1840, S. 0900. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_113_18400422/12>, abgerufen am 21.11.2024.