Allgemeine Zeitung. Nr. 114. Augsburg, 23. April 1840.[1198-1200] Aufforderung zu Beiträgen zur Errichtung eines Denkmals für Johann v. Müller. (Geboren zu Schaffhausen den 3 Januar 1752; gestorben zu Kassel den 29 Mai 1809.) Volle dreißig Jahre sind bereits in den Schooß der Vergangenheit hinabgeeilt seit Johann v. Müllers Tode, ohne daß noch diesem unsterblichen Manne ein seiner würdiges Denkmal errichtet worden wäre. In den Zeitumständen ist die Ursache des Aufschubs dieser Erfüllung einer heiligen Pflicht gegen die Manen des großen Geschichtsschreibers zu suchen. Als er zu Kassel mit dem Tode rang wurde bei Aspern mit Verzweiflung gegen die Uebermacht des französischen Kolossen gerungen, und das Geräusch der Waffen übertäubte bald die Stimmen der Edlen, welche gleich nach des Verewigten Hinscheid für Errichtung eines Denkmals zu seiner Ehre sich aussprachen. Bald verlor selbst derjenige Reich und Krone, in dessen Dienst Müller die letzten, mühevollsten Jahre seines Lebens hingeopfert hatte. Hieronymus Napoleon vermochte es nicht mehr dem Befehle Folge zu geben, den er in dieser Beziehung im Junius 1809, aus dankbarer Anerkennung dessen, was der Verstorbene für ihn gewesen, erlassen hatte. So viel damals in ihren Kräften stand, that, im September desselben Jahres, die Regierung seiner Vaterstadt, um das Andenken ihres berühmten Mitbürgers zu ehren, indem sie den Ankauf der Bibliothek des vaterländischen Historiographen beschloß, um dieselbe der Stadtbibliothek einzuverleiben. Was eines Privatmanns beschränkte Kräfte vermögen, that Georg Müllers brüderliche Liebe durch Setzung eines Grabsteines auf dem Kassel'schen Friedhof, wo Johann v. Müllers Asche ruht, mit der einfachen Inschrift: "Johann von Müller'n, dem Geschichtschreiber der Schweiz, setzte diesen Denkstein sein Bruder Georg." Noch eine Reihe schwerer Jahre raste der Kriegssturm beinahe ununterbrochen, bis die in Rußlands Eisgefilden durch göttliche Gewalt gebrochene Kraft des Weltstürmers auf Leipzigs Ebenen vollends niedergeschmettert, und endlich im Jahre 1814 gänzlich vernichtet wurde. Vieles hatte der Krieg niedergetreten, und die ersten Jahre mußten auf Wiederherstellung des Nöthigen, auf Wiedereröffnung verlorener Quellen, auf den Wiederaufbau alles dessen verwendet werden, was die wilde Kriegsfurie zerstört hatte. Die Segnungen eines langen Friedens ergossen sich reichlich über die Völker, die erschöpften Kräfte kehrten wieder, und die Folgen davon waren jene Bewegungen, wodurch, vor zehn Jahren, das verjüngte Leben durch gewaltsame politische Umwälzungen gleichsam sein Daseyn bethätigen wollte. In unsern Tagen aber bewährt sich das wiedererstarkte Volksleben auf eine edlere, segensreichere Weise; überall beurkundet es sich durch eine bewunderungswürdige Thätigkeit in Eröffnung neuer Hülfsquellen des materiellen Wohlstandes. Gleichzeitig jedoch regt sich das Gefühl der Dankbarkeit gegen diejenigen, deren unsterbliche Geisteswerke das höhere Leben entwickelt und befördert haben, welches die unerschütterliche Grundlage des physischen Wohlseyns bilden muß. Daher ist unter dem Beifallsrufen ganz Deutschlands, ja ganz Europa's, Schillern zu Stuttgart ein Monument errichtet worden; daher jenes Standbild Guttenbergs zu Mainz; daher jene großen, wundervollen Schöpfungen, wodurch der edle deutsche König, Ludwig von Bayern, mit den großen Namen vergangener Zeiten sich selbst verewigt. Er war es, der durch Schadows Meisterhand Johann v. Müllers Büste in Marmor für sich ausführen ließ, ehe noch der Tod um des großen Geschichtschreibers Haupt den Strahlenkranz verklärten Ruhmes gewunden hatte! Jetzt ist es an der Zeit, die heilige Schuld gegen den edlen Todten endlich abzutragen, ihm ein Denkmal zu errichten, würdig seiner Werke, entsprechend der Liebe und Bewunderung der Mit- und Nachwelt! Die Waffen schweigen; die politischen Leidenschaften sind, wenn nicht erloschen, doch durch eine glückliche Zusammenwirkung von Umständen gebannt; das Verlangen nach Entledigung dieser [1198-1200] Aufforderung zu Beiträgen zur Errichtung eines Denkmals für Johann v. Müller. (Geboren zu Schaffhausen den 3 Januar 1752; gestorben zu Kassel den 29 Mai 1809.) Volle dreißig Jahre sind bereits in den Schooß der Vergangenheit hinabgeeilt seit Johann v. Müllers Tode, ohne daß noch diesem unsterblichen Manne ein seiner würdiges Denkmal errichtet worden wäre. In den Zeitumständen ist die Ursache des Aufschubs dieser Erfüllung einer heiligen Pflicht gegen die Manen des großen Geschichtsschreibers zu suchen. Als er zu Kassel mit dem Tode rang wurde bei Aspern mit Verzweiflung gegen die Uebermacht des französischen Kolossen gerungen, und das Geräusch der Waffen übertäubte bald die Stimmen der Edlen, welche gleich nach des Verewigten Hinscheid für Errichtung eines Denkmals zu seiner Ehre sich aussprachen. Bald verlor selbst derjenige Reich und Krone, in dessen Dienst Müller die letzten, mühevollsten Jahre seines Lebens hingeopfert hatte. Hieronymus Napoleon vermochte es nicht mehr dem Befehle Folge zu geben, den er in dieser Beziehung im Junius 1809, aus dankbarer Anerkennung dessen, was der Verstorbene für ihn gewesen, erlassen hatte. So viel damals in ihren Kräften stand, that, im September desselben Jahres, die Regierung seiner Vaterstadt, um das Andenken ihres berühmten Mitbürgers zu ehren, indem sie den Ankauf der Bibliothek des vaterländischen Historiographen beschloß, um dieselbe der Stadtbibliothek einzuverleiben. Was eines Privatmanns beschränkte Kräfte vermögen, that Georg Müllers brüderliche Liebe durch Setzung eines Grabsteines auf dem Kassel'schen Friedhof, wo Johann v. Müllers Asche ruht, mit der einfachen Inschrift: „Johann von Müller'n, dem Geschichtschreiber der Schweiz, setzte diesen Denkstein sein Bruder Georg.“ Noch eine Reihe schwerer Jahre raste der Kriegssturm beinahe ununterbrochen, bis die in Rußlands Eisgefilden durch göttliche Gewalt gebrochene Kraft des Weltstürmers auf Leipzigs Ebenen vollends niedergeschmettert, und endlich im Jahre 1814 gänzlich vernichtet wurde. Vieles hatte der Krieg niedergetreten, und die ersten Jahre mußten auf Wiederherstellung des Nöthigen, auf Wiedereröffnung verlorener Quellen, auf den Wiederaufbau alles dessen verwendet werden, was die wilde Kriegsfurie zerstört hatte. Die Segnungen eines langen Friedens ergossen sich reichlich über die Völker, die erschöpften Kräfte kehrten wieder, und die Folgen davon waren jene Bewegungen, wodurch, vor zehn Jahren, das verjüngte Leben durch gewaltsame politische Umwälzungen gleichsam sein Daseyn bethätigen wollte. In unsern Tagen aber bewährt sich das wiedererstarkte Volksleben auf eine edlere, segensreichere Weise; überall beurkundet es sich durch eine bewunderungswürdige Thätigkeit in Eröffnung neuer Hülfsquellen des materiellen Wohlstandes. Gleichzeitig jedoch regt sich das Gefühl der Dankbarkeit gegen diejenigen, deren unsterbliche Geisteswerke das höhere Leben entwickelt und befördert haben, welches die unerschütterliche Grundlage des physischen Wohlseyns bilden muß. Daher ist unter dem Beifallsrufen ganz Deutschlands, ja ganz Europa's, Schillern zu Stuttgart ein Monument errichtet worden; daher jenes Standbild Guttenbergs zu Mainz; daher jene großen, wundervollen Schöpfungen, wodurch der edle deutsche König, Ludwig von Bayern, mit den großen Namen vergangener Zeiten sich selbst verewigt. Er war es, der durch Schadows Meisterhand Johann v. Müllers Büste in Marmor für sich ausführen ließ, ehe noch der Tod um des großen Geschichtschreibers Haupt den Strahlenkranz verklärten Ruhmes gewunden hatte! Jetzt ist es an der Zeit, die heilige Schuld gegen den edlen Todten endlich abzutragen, ihm ein Denkmal zu errichten, würdig seiner Werke, entsprechend der Liebe und Bewunderung der Mit- und Nachwelt! 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Als er zu Kassel mit dem Tode rang wurde bei Aspern mit Verzweiflung gegen die Uebermacht des französischen Kolossen gerungen, und das Geräusch der Waffen übertäubte bald die Stimmen der Edlen, welche gleich nach des Verewigten Hinscheid für Errichtung eines Denkmals zu seiner Ehre sich aussprachen. Bald verlor selbst derjenige Reich und Krone, in dessen Dienst Müller die letzten, mühevollsten Jahre seines Lebens hingeopfert hatte. Hieronymus Napoleon vermochte es nicht mehr dem Befehle Folge zu geben, den er in dieser Beziehung im Junius 1809, aus dankbarer Anerkennung dessen, was der Verstorbene für ihn gewesen, erlassen hatte. So viel damals in ihren Kräften stand, that, im September desselben Jahres, die Regierung seiner Vaterstadt, um das Andenken ihres berühmten Mitbürgers zu ehren, indem sie den Ankauf der Bibliothek des vaterländischen Historiographen beschloß, um dieselbe der Stadtbibliothek einzuverleiben. Was eines Privatmanns beschränkte Kräfte vermögen, that Georg Müllers brüderliche Liebe durch Setzung eines Grabsteines auf dem Kassel'schen Friedhof, wo Johann v. Müllers Asche ruht, mit der einfachen Inschrift: „Johann von Müller'n, dem Geschichtschreiber der Schweiz, setzte diesen Denkstein sein Bruder Georg.“</p><lb/> <p>Noch eine Reihe schwerer Jahre raste der Kriegssturm beinahe ununterbrochen, bis die in Rußlands Eisgefilden durch göttliche Gewalt gebrochene Kraft des Weltstürmers auf Leipzigs Ebenen vollends niedergeschmettert, und endlich im Jahre 1814 gänzlich vernichtet wurde. Vieles hatte der Krieg niedergetreten, und die ersten Jahre mußten auf Wiederherstellung des Nöthigen, auf Wiedereröffnung verlorener Quellen, auf den Wiederaufbau alles dessen verwendet werden, was die wilde Kriegsfurie zerstört hatte. Die Segnungen eines langen Friedens ergossen sich reichlich über die Völker, die erschöpften Kräfte kehrten wieder, und die Folgen davon waren jene Bewegungen, wodurch, vor zehn Jahren, das verjüngte Leben durch gewaltsame politische Umwälzungen gleichsam sein Daseyn bethätigen wollte. In unsern Tagen aber bewährt sich das wiedererstarkte Volksleben auf eine edlere, segensreichere Weise; überall beurkundet es sich durch eine bewunderungswürdige Thätigkeit in Eröffnung neuer Hülfsquellen des materiellen Wohlstandes. Gleichzeitig jedoch regt sich das Gefühl der Dankbarkeit gegen diejenigen, deren unsterbliche Geisteswerke das höhere Leben entwickelt und befördert haben, welches die unerschütterliche Grundlage des physischen Wohlseyns bilden muß. Daher ist unter dem Beifallsrufen ganz Deutschlands, ja ganz Europa's, Schillern zu Stuttgart ein Monument errichtet worden; daher jenes Standbild Guttenbergs zu Mainz; daher jene großen, wundervollen Schöpfungen, wodurch der edle deutsche König, Ludwig von Bayern, mit den großen Namen vergangener Zeiten sich selbst verewigt. Er war es, der durch Schadows Meisterhand Johann v. Müllers Büste in Marmor für sich ausführen ließ, ehe noch der Tod um des großen Geschichtschreibers Haupt den Strahlenkranz verklärten Ruhmes gewunden hatte!</p><lb/> <p>Jetzt ist es an der Zeit, die heilige Schuld gegen den edlen Todten endlich abzutragen, ihm ein Denkmal zu errichten, würdig seiner Werke, entsprechend der Liebe und Bewunderung der Mit- und Nachwelt! Die Waffen schweigen; die politischen Leidenschaften sind, wenn nicht erloschen, doch durch eine glückliche Zusammenwirkung von Umständen gebannt; das Verlangen nach Entledigung dieser<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0910/0014]
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Aufforderung zu Beiträgen zur Errichtung eines Denkmals für Johann v. Müller.
(Geboren zu Schaffhausen den 3 Januar 1752; gestorben zu Kassel den 29 Mai 1809.)
Volle dreißig Jahre sind bereits in den Schooß der Vergangenheit hinabgeeilt seit Johann v. Müllers Tode, ohne daß noch diesem unsterblichen Manne ein seiner würdiges Denkmal errichtet worden wäre. In den Zeitumständen ist die Ursache des Aufschubs dieser Erfüllung einer heiligen Pflicht gegen die Manen des großen Geschichtsschreibers zu suchen. Als er zu Kassel mit dem Tode rang wurde bei Aspern mit Verzweiflung gegen die Uebermacht des französischen Kolossen gerungen, und das Geräusch der Waffen übertäubte bald die Stimmen der Edlen, welche gleich nach des Verewigten Hinscheid für Errichtung eines Denkmals zu seiner Ehre sich aussprachen. Bald verlor selbst derjenige Reich und Krone, in dessen Dienst Müller die letzten, mühevollsten Jahre seines Lebens hingeopfert hatte. Hieronymus Napoleon vermochte es nicht mehr dem Befehle Folge zu geben, den er in dieser Beziehung im Junius 1809, aus dankbarer Anerkennung dessen, was der Verstorbene für ihn gewesen, erlassen hatte. So viel damals in ihren Kräften stand, that, im September desselben Jahres, die Regierung seiner Vaterstadt, um das Andenken ihres berühmten Mitbürgers zu ehren, indem sie den Ankauf der Bibliothek des vaterländischen Historiographen beschloß, um dieselbe der Stadtbibliothek einzuverleiben. Was eines Privatmanns beschränkte Kräfte vermögen, that Georg Müllers brüderliche Liebe durch Setzung eines Grabsteines auf dem Kassel'schen Friedhof, wo Johann v. Müllers Asche ruht, mit der einfachen Inschrift: „Johann von Müller'n, dem Geschichtschreiber der Schweiz, setzte diesen Denkstein sein Bruder Georg.“
Noch eine Reihe schwerer Jahre raste der Kriegssturm beinahe ununterbrochen, bis die in Rußlands Eisgefilden durch göttliche Gewalt gebrochene Kraft des Weltstürmers auf Leipzigs Ebenen vollends niedergeschmettert, und endlich im Jahre 1814 gänzlich vernichtet wurde. Vieles hatte der Krieg niedergetreten, und die ersten Jahre mußten auf Wiederherstellung des Nöthigen, auf Wiedereröffnung verlorener Quellen, auf den Wiederaufbau alles dessen verwendet werden, was die wilde Kriegsfurie zerstört hatte. Die Segnungen eines langen Friedens ergossen sich reichlich über die Völker, die erschöpften Kräfte kehrten wieder, und die Folgen davon waren jene Bewegungen, wodurch, vor zehn Jahren, das verjüngte Leben durch gewaltsame politische Umwälzungen gleichsam sein Daseyn bethätigen wollte. In unsern Tagen aber bewährt sich das wiedererstarkte Volksleben auf eine edlere, segensreichere Weise; überall beurkundet es sich durch eine bewunderungswürdige Thätigkeit in Eröffnung neuer Hülfsquellen des materiellen Wohlstandes. Gleichzeitig jedoch regt sich das Gefühl der Dankbarkeit gegen diejenigen, deren unsterbliche Geisteswerke das höhere Leben entwickelt und befördert haben, welches die unerschütterliche Grundlage des physischen Wohlseyns bilden muß. Daher ist unter dem Beifallsrufen ganz Deutschlands, ja ganz Europa's, Schillern zu Stuttgart ein Monument errichtet worden; daher jenes Standbild Guttenbergs zu Mainz; daher jene großen, wundervollen Schöpfungen, wodurch der edle deutsche König, Ludwig von Bayern, mit den großen Namen vergangener Zeiten sich selbst verewigt. Er war es, der durch Schadows Meisterhand Johann v. Müllers Büste in Marmor für sich ausführen ließ, ehe noch der Tod um des großen Geschichtschreibers Haupt den Strahlenkranz verklärten Ruhmes gewunden hatte!
Jetzt ist es an der Zeit, die heilige Schuld gegen den edlen Todten endlich abzutragen, ihm ein Denkmal zu errichten, würdig seiner Werke, entsprechend der Liebe und Bewunderung der Mit- und Nachwelt! Die Waffen schweigen; die politischen Leidenschaften sind, wenn nicht erloschen, doch durch eine glückliche Zusammenwirkung von Umständen gebannt; das Verlangen nach Entledigung dieser
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