Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 115. Augsburg, 24. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

erbauten hier, an dem Nordende der Insel auf einem Sandhügel, das Castell Zeeland und suchten nach und nach der ganzen Insel Meister zu werden. Es gelang ihnen in kurzem mit zwölf auf der Nordseite der Insel gelegenen Oertern, und auch die andern hätten sich in der Folgezeit sicherlich ihrer Herrschaft fügen müssen, wenn die Niederländer verstanden hätten sich hier zu behaupten. Es wurden zu dieser Zeit Schulen errichtet, um die Kenntniß der holländischen Sprache und europäischer Gesittung unter den Eingebornen zu verbreiten; es wurden Schul- und Lesebücher in der Sprache Formosa's gedruckt und selbst einzelne Theile der heiligen Schrift übersetzt. Die Eingebornen zeigten sich sehr gelehrig, und das Christenthum schlug hier in wenigen Jahren so feste Wurzel, daß es sich selbst noch lange Zeit nach der Vertreibung der Niederländer, unter der chinesischen Herrschaft behaupten konnte.

Es waren schon früher eine Anzahl Chinesen auf der Insel, die sich jetzt, nachdem die Japaner bald ihre Niederlassung aufgegeben und die Holländer beinahe des ganzen westlichen Theiles der Insel sich bemächtigt hatten, außerordentlich vermehrten. Es waren dieß durchgängig Feinde der Fremdherrschaft der Mandschu. Die Chinesen sind aber, wie dieß die Europäer in ihren Besitzungen auf dem östlichen Archipelagus mehrmalen zu ihrem großen Nachtheil erfuhren, sehr gefährliche Unterthanen. Wo ein Bewohner des Mittelreichs sich niederläßt, folgen alsbald Tausende nach, die bei günstiger Gelegenheit darauf ausgehen, des neuen Vaterlandes Meister zu werden. Diese Erfahrungen machten auch die Niederländer auf Formosa. Bereits im Jahre 1652 erhoben die Chinesen einen Aufstand, der nur durch ein furchtbares Blutbad, welches die Holländer unter ihnen anrichteten - es wurden innerhalb fünfzehn Tagen neuntausend Menschen hingeschlachtet - unterdrückt werden konnte. Die hierüber höchst erbitterten chinesischen Colonisten schlossen alsbald eine enge Verbindung mit ihren Landsleuten, welche noch immer der jungen Herrschaft der Mandschu an den Südküsten des Reichs und innerhalb der südlichen Meere einen erfolgreichen Widerstand entgegensetzten. Tsching tsching kong, von seinen Landsleuten zu Fo kien in ihrem höchst eigenthümlichen Dialekte Kok sing und hiernach von den Europäern Koxinga*) genannt, war eines der vorzüglichsten Häupter der mit der Herrschaft der Mandschu unzufriedenen Chinesen. Er war der Sohn eines Schneiders, Tsching tschi long geheißen, der sich in den südlichen Gränzländern zu großer Macht erhoben hatte, und auf eine hinterlistige Weise von den Mandschu gefangen genommen und hingerichtet wurde. Koxinga brachte eine Flotte von hundert Segeln zusammen, eroberte (1659) die Fischerinseln, erschien dann im April des Jahrs 1660 zu Formosa und schloß von allen Seiten die Veste Zeeland ein, die sich ihm auch nach einer Belagerung von zehn Monaten im März des Jahrs 1661 ergeben mußte. Tsching tsching kong wollte sich hier nicht bloß eine erbliche Herrschaft errichten, sondern auch die südlichen Kreise China's und die Philippinen erobern. Es waren aber alle seine Unternehmungen gegen diese Länder vergebens. Aus Verdruß hierüber und anderer häuslichen Sorgen wegen - eine seiner Frauen hielt es mit seinem eigenen Sohn - starb Kok sing bereits im folgenden Jahr. Sein Sohn und Nachfolger Tsching king mai folgte der Bahn seines Vaters und blieb bis zu seinem Tode, 1680, ein Feind der Mandschu. Tsching ke san, den sein Vater als unmündigen Knaben unter Vormundschaft zurückgelassen hatte, ward schon im Jahre 1683 von Kaiser Kang hi gezwungen, Formosa an die Mandschu abzutreten und seinen Aufenthalt in Peking zu nehmen.

Es strömten bald von den benachbarten Kreisen Fo kien und Tsche kiang eine Menge Ansiedler dahin, welche in ihrer gewöhnlichen sorgfältigen Weise jeden Fleck Landes urbar machten, so daß nach der Schätzung Gützlaffs, welcher diese Insel im Jahr 1832 besuchte, bloß auf dem chinesischen Antheile drei Millionen Einwohner leben, welche dem Schatze jährlich eine reine Abgabe von einer Million Dollars tragen sollen; es scheinen aber diese Angaben übertrieben zu seyn. In den gesammelten Satzungen des Reichs (Tay tsing Hoei tien) haben wir hierüber keine Angabe gefunden; es wird bloß bemerkt, daß die dem Reiche unterworfene, autochthone Bevölkerung gegen das Ende des Jahrs 1812 auf 1748 Personen sich belaufen habe. Die Engländer hatten bereits im siebzehnten Jahrhunderte Formosa im Auge, um von hier aus den ganzen oder doch wenigstens einen Theil des Handels mit China in ihre Hände zu bekommen. Was den Handel mit China betrifft, schreibt im Jahre 1622 der Vorsteher der Factorei der englischen Compagnie zu Bantam auf Java, so bedenke man, daß er unermeßlich ist. Die Chinesen sind die ersten Handelsleute auf Erden und sehr gewinnsüchtig, aber ihre Regierung gestattet den Fremden keinen Zutritt innerhalb des Landes. Es wird dann die Aufmerksamkeit der Handelsgesellschaft auf die an den Küsten China's gelegenen Inseln, namentlich auf Formosa gerichtet; man könnte, meinte der Präsident der Factorei, auf einer dieser Inseln sich niederlassen und dann von hier aus den Handel mit China betreiben. Man befolgte den Rath dieses einsichtsvollen Beamten; die englisch-ostindische Gesellschaft hatte, wenn nicht viel früher, doch bereits im Jahre 1676, wie wir aus ihren Berichten ersehen, eine Factorei zu Formosa.

Der Kreis Tsche kiang, nach dem Flusse Tsche so genannt, welcher, das Land in östlicher Richtung durchziehend, dem Meere entgegeneilt, ist in Betreff seines Umfanges, der Fruchtbarkeit und der großen Cultur, die hier herrscht, der bedeutendste in dem südöstlichen Gebiete des chinesischen Reiches. Tsche kiang erstreckt sich vom siebenundzwanzigsten bis zum einunddreißigsten Grad der Breite und von ein und ein halb bis zu sechs Graden östlicher Länge von Peking. Längs des Gestades, ungefähr eine deutsche Meile vom festen Lande entfernt, und der Mündung des Flusses gegenüber befinden sich viele Inseln, die Tscheou schan, gemeinhin Tschu san oder die Gruppe des Schiffberges genannt werden. Dieser Gruppe, wo, wie Capitän Hamilton berichtet, die englisch-ostindische Compagnie bereits im Jahre 1700 eine Factorei angelegt hatte, wollen sich jetzt die Engländer, nach einer wie es scheint zuverlässigen Angabe zuerst bemächtigen und dann von hier aus die ferneren Demonstrationen gegen China beginnen. Der Hauptort, der im Laufe der Zeit bald Ting bald Tschin hai genannt wurde - unter der jetzigen Dynastie erhielt er wiederum den Namen Tschin hai - liegt nach den neuesten Beobachtungen von Capitän Rees 29° 54' nördl. Breite und 121° 52' 30'' östl. Länge von Greenwich. Die ältern Kartenaufnahmen sind sämmtlich fehlerhaft. Dalrymple's Darstellung dieser Küstenstrecke ist nach Lindsay's Versicherung,

*) Die Einwohner der südlichen Kreise des Reichs setzen des Wohllauts wegen gewöhnlich ein a an das Ende der Wörter und Sätze, welches die Stelle der Endpartikel je der Schriftsprache vertritt. Ausländer, die des Chinesischen unkundig sind, glauben gewöhnlich, das a gehöre zum Stamme; so entstand Tsiniz-a beim Mönch Kosmas, dem Indiensegler, und Koxing-a bei den Niederländern.

erbauten hier, an dem Nordende der Insel auf einem Sandhügel, das Castell Zeeland und suchten nach und nach der ganzen Insel Meister zu werden. Es gelang ihnen in kurzem mit zwölf auf der Nordseite der Insel gelegenen Oertern, und auch die andern hätten sich in der Folgezeit sicherlich ihrer Herrschaft fügen müssen, wenn die Niederländer verstanden hätten sich hier zu behaupten. Es wurden zu dieser Zeit Schulen errichtet, um die Kenntniß der holländischen Sprache und europäischer Gesittung unter den Eingebornen zu verbreiten; es wurden Schul- und Lesebücher in der Sprache Formosa's gedruckt und selbst einzelne Theile der heiligen Schrift übersetzt. Die Eingebornen zeigten sich sehr gelehrig, und das Christenthum schlug hier in wenigen Jahren so feste Wurzel, daß es sich selbst noch lange Zeit nach der Vertreibung der Niederländer, unter der chinesischen Herrschaft behaupten konnte.

Es waren schon früher eine Anzahl Chinesen auf der Insel, die sich jetzt, nachdem die Japaner bald ihre Niederlassung aufgegeben und die Holländer beinahe des ganzen westlichen Theiles der Insel sich bemächtigt hatten, außerordentlich vermehrten. Es waren dieß durchgängig Feinde der Fremdherrschaft der Mandschu. Die Chinesen sind aber, wie dieß die Europäer in ihren Besitzungen auf dem östlichen Archipelagus mehrmalen zu ihrem großen Nachtheil erfuhren, sehr gefährliche Unterthanen. Wo ein Bewohner des Mittelreichs sich niederläßt, folgen alsbald Tausende nach, die bei günstiger Gelegenheit darauf ausgehen, des neuen Vaterlandes Meister zu werden. Diese Erfahrungen machten auch die Niederländer auf Formosa. Bereits im Jahre 1652 erhoben die Chinesen einen Aufstand, der nur durch ein furchtbares Blutbad, welches die Holländer unter ihnen anrichteten – es wurden innerhalb fünfzehn Tagen neuntausend Menschen hingeschlachtet – unterdrückt werden konnte. Die hierüber höchst erbitterten chinesischen Colonisten schlossen alsbald eine enge Verbindung mit ihren Landsleuten, welche noch immer der jungen Herrschaft der Mandschu an den Südküsten des Reichs und innerhalb der südlichen Meere einen erfolgreichen Widerstand entgegensetzten. Tsching tsching kong, von seinen Landsleuten zu Fo kien in ihrem höchst eigenthümlichen Dialekte Kok sing und hiernach von den Europäern Koxinga*) genannt, war eines der vorzüglichsten Häupter der mit der Herrschaft der Mandschu unzufriedenen Chinesen. Er war der Sohn eines Schneiders, Tsching tschi long geheißen, der sich in den südlichen Gränzländern zu großer Macht erhoben hatte, und auf eine hinterlistige Weise von den Mandschu gefangen genommen und hingerichtet wurde. Koxinga brachte eine Flotte von hundert Segeln zusammen, eroberte (1659) die Fischerinseln, erschien dann im April des Jahrs 1660 zu Formosa und schloß von allen Seiten die Veste Zeeland ein, die sich ihm auch nach einer Belagerung von zehn Monaten im März des Jahrs 1661 ergeben mußte. Tsching tsching kong wollte sich hier nicht bloß eine erbliche Herrschaft errichten, sondern auch die südlichen Kreise China's und die Philippinen erobern. Es waren aber alle seine Unternehmungen gegen diese Länder vergebens. Aus Verdruß hierüber und anderer häuslichen Sorgen wegen – eine seiner Frauen hielt es mit seinem eigenen Sohn – starb Kok sing bereits im folgenden Jahr. Sein Sohn und Nachfolger Tsching king mai folgte der Bahn seines Vaters und blieb bis zu seinem Tode, 1680, ein Feind der Mandschu. Tsching ke san, den sein Vater als unmündigen Knaben unter Vormundschaft zurückgelassen hatte, ward schon im Jahre 1683 von Kaiser Kang hi gezwungen, Formosa an die Mandschu abzutreten und seinen Aufenthalt in Peking zu nehmen.

Es strömten bald von den benachbarten Kreisen Fo kien und Tsche kiang eine Menge Ansiedler dahin, welche in ihrer gewöhnlichen sorgfältigen Weise jeden Fleck Landes urbar machten, so daß nach der Schätzung Gützlaffs, welcher diese Insel im Jahr 1832 besuchte, bloß auf dem chinesischen Antheile drei Millionen Einwohner leben, welche dem Schatze jährlich eine reine Abgabe von einer Million Dollars tragen sollen; es scheinen aber diese Angaben übertrieben zu seyn. In den gesammelten Satzungen des Reichs (Tay tsing Hoei tien) haben wir hierüber keine Angabe gefunden; es wird bloß bemerkt, daß die dem Reiche unterworfene, autochthone Bevölkerung gegen das Ende des Jahrs 1812 auf 1748 Personen sich belaufen habe. Die Engländer hatten bereits im siebzehnten Jahrhunderte Formosa im Auge, um von hier aus den ganzen oder doch wenigstens einen Theil des Handels mit China in ihre Hände zu bekommen. Was den Handel mit China betrifft, schreibt im Jahre 1622 der Vorsteher der Factorei der englischen Compagnie zu Bantam auf Java, so bedenke man, daß er unermeßlich ist. Die Chinesen sind die ersten Handelsleute auf Erden und sehr gewinnsüchtig, aber ihre Regierung gestattet den Fremden keinen Zutritt innerhalb des Landes. Es wird dann die Aufmerksamkeit der Handelsgesellschaft auf die an den Küsten China's gelegenen Inseln, namentlich auf Formosa gerichtet; man könnte, meinte der Präsident der Factorei, auf einer dieser Inseln sich niederlassen und dann von hier aus den Handel mit China betreiben. Man befolgte den Rath dieses einsichtsvollen Beamten; die englisch-ostindische Gesellschaft hatte, wenn nicht viel früher, doch bereits im Jahre 1676, wie wir aus ihren Berichten ersehen, eine Factorei zu Formosa.

Der Kreis Tsche kiang, nach dem Flusse Tsche so genannt, welcher, das Land in östlicher Richtung durchziehend, dem Meere entgegeneilt, ist in Betreff seines Umfanges, der Fruchtbarkeit und der großen Cultur, die hier herrscht, der bedeutendste in dem südöstlichen Gebiete des chinesischen Reiches. Tsche kiang erstreckt sich vom siebenundzwanzigsten bis zum einunddreißigsten Grad der Breite und von ein und ein halb bis zu sechs Graden östlicher Länge von Peking. Längs des Gestades, ungefähr eine deutsche Meile vom festen Lande entfernt, und der Mündung des Flusses gegenüber befinden sich viele Inseln, die Tscheou schan, gemeinhin Tschu san oder die Gruppe des Schiffberges genannt werden. Dieser Gruppe, wo, wie Capitän Hamilton berichtet, die englisch-ostindische Compagnie bereits im Jahre 1700 eine Factorei angelegt hatte, wollen sich jetzt die Engländer, nach einer wie es scheint zuverlässigen Angabe zuerst bemächtigen und dann von hier aus die ferneren Demonstrationen gegen China beginnen. Der Hauptort, der im Laufe der Zeit bald Ting bald Tschin hai genannt wurde – unter der jetzigen Dynastie erhielt er wiederum den Namen Tschin hai – liegt nach den neuesten Beobachtungen von Capitän Rees 29° 54' nördl. Breite und 121° 52' 30'' östl. Länge von Greenwich. Die ältern Kartenaufnahmen sind sämmtlich fehlerhaft. Dalrymple's Darstellung dieser Küstenstrecke ist nach Lindsay's Versicherung,

*) Die Einwohner der südlichen Kreise des Reichs setzen des Wohllauts wegen gewöhnlich ein a an das Ende der Wörter und Sätze, welches die Stelle der Endpartikel je der Schriftsprache vertritt. Ausländer, die des Chinesischen unkundig sind, glauben gewöhnlich, das a gehöre zum Stamme; so entstand Tsiniz-a beim Mönch Kosmas, dem Indiensegler, und Koxing-a bei den Niederländern.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013" n="0917"/>
erbauten hier, an dem Nordende der Insel auf einem Sandhügel, das Castell <hi rendition="#g">Zeeland</hi> und suchten nach und nach der ganzen Insel Meister zu werden. Es gelang ihnen in kurzem mit zwölf auf der Nordseite der Insel gelegenen Oertern, und auch die andern hätten sich in der Folgezeit sicherlich ihrer Herrschaft fügen müssen, wenn die Niederländer verstanden hätten sich hier zu behaupten. Es wurden zu dieser Zeit Schulen errichtet, um die Kenntniß der holländischen Sprache und europäischer Gesittung unter den Eingebornen zu verbreiten; es wurden Schul- und Lesebücher in der Sprache Formosa's gedruckt und selbst einzelne Theile der heiligen Schrift übersetzt. Die Eingebornen zeigten sich sehr gelehrig, und das Christenthum schlug hier in wenigen Jahren so feste Wurzel, daß es sich selbst noch lange Zeit nach der Vertreibung der Niederländer, unter der chinesischen Herrschaft behaupten konnte.</p><lb/>
        <p>Es waren schon früher eine Anzahl Chinesen auf der Insel, die sich jetzt, nachdem die Japaner bald ihre Niederlassung aufgegeben und die Holländer beinahe des ganzen westlichen Theiles der Insel sich bemächtigt hatten, außerordentlich vermehrten. Es waren dieß durchgängig Feinde der Fremdherrschaft der Mandschu. Die Chinesen sind aber, wie dieß die Europäer in ihren Besitzungen auf dem östlichen Archipelagus mehrmalen zu ihrem großen Nachtheil erfuhren, sehr gefährliche Unterthanen. Wo ein Bewohner des Mittelreichs sich niederläßt, folgen alsbald Tausende nach, die bei günstiger Gelegenheit darauf ausgehen, des neuen Vaterlandes Meister zu werden. Diese Erfahrungen machten auch die Niederländer auf Formosa. Bereits im Jahre 1652 erhoben die Chinesen einen Aufstand, der nur durch ein furchtbares Blutbad, welches die Holländer unter ihnen anrichteten &#x2013; es wurden innerhalb fünfzehn Tagen neuntausend Menschen hingeschlachtet &#x2013; unterdrückt werden konnte. Die hierüber höchst erbitterten chinesischen Colonisten schlossen alsbald eine enge Verbindung mit ihren Landsleuten, welche noch immer der jungen Herrschaft der Mandschu an den Südküsten des Reichs und innerhalb der südlichen Meere einen erfolgreichen Widerstand entgegensetzten. <hi rendition="#g">Tsching tsching kong</hi>, von seinen Landsleuten zu Fo kien in ihrem höchst eigenthümlichen Dialekte <hi rendition="#g">Kok sing</hi> und hiernach von den Europäern <hi rendition="#g">Koxinga</hi><note place="foot" n="*)"><p>Die Einwohner der südlichen Kreise des Reichs setzen des Wohllauts wegen gewöhnlich ein <hi rendition="#b">a</hi> an das Ende der Wörter und Sätze, welches die Stelle der Endpartikel <hi rendition="#b">je</hi> der Schriftsprache vertritt. Ausländer, die des Chinesischen unkundig sind, glauben gewöhnlich, das <hi rendition="#b">a</hi> gehöre zum Stamme; so entstand Tsiniz-a beim Mönch Kosmas, dem Indiensegler, und Koxing-a bei den Niederländern.</p></note> genannt, war eines der vorzüglichsten Häupter der mit der Herrschaft der Mandschu unzufriedenen Chinesen. Er war der Sohn eines Schneiders, Tsching tschi long geheißen, der sich in den südlichen Gränzländern zu großer Macht erhoben hatte, und auf eine hinterlistige Weise von den Mandschu gefangen genommen und hingerichtet wurde. Koxinga brachte eine Flotte von hundert Segeln zusammen, eroberte (1659) die Fischerinseln, erschien dann im April des Jahrs 1660 zu Formosa und schloß von allen Seiten die Veste Zeeland ein, die sich ihm auch nach einer Belagerung von zehn Monaten im März des Jahrs 1661 ergeben mußte. Tsching tsching kong wollte sich hier nicht bloß eine erbliche Herrschaft errichten, sondern auch die südlichen Kreise China's und die Philippinen erobern. Es waren aber alle seine Unternehmungen gegen diese Länder vergebens. Aus Verdruß hierüber und anderer häuslichen Sorgen wegen &#x2013; eine seiner Frauen hielt es mit seinem eigenen Sohn &#x2013; starb Kok sing bereits im folgenden Jahr. Sein Sohn und Nachfolger Tsching king mai folgte der Bahn seines Vaters und blieb bis zu seinem Tode, 1680, ein Feind der Mandschu. Tsching ke san, den sein Vater als unmündigen Knaben unter Vormundschaft zurückgelassen hatte, ward schon im Jahre 1683 von Kaiser Kang hi gezwungen, Formosa an die Mandschu abzutreten und seinen Aufenthalt in Peking zu nehmen.</p><lb/>
        <p>Es strömten bald von den benachbarten Kreisen Fo kien und Tsche kiang eine Menge Ansiedler dahin, welche in ihrer gewöhnlichen sorgfältigen Weise jeden Fleck Landes urbar machten, so daß nach der Schätzung Gützlaffs, welcher diese Insel im Jahr 1832 besuchte, bloß auf dem chinesischen Antheile <hi rendition="#g">drei Millionen Einwohner</hi> leben, welche dem Schatze jährlich eine reine Abgabe von einer Million Dollars tragen sollen; es scheinen aber diese Angaben übertrieben zu seyn. In den gesammelten Satzungen des Reichs (Tay tsing Hoei tien) haben wir hierüber keine Angabe gefunden; es wird bloß bemerkt, daß die dem Reiche unterworfene, autochthone Bevölkerung gegen das Ende des Jahrs 1812 auf 1748 Personen sich belaufen habe. Die Engländer hatten bereits im siebzehnten Jahrhunderte Formosa im Auge, um von hier aus den ganzen oder doch wenigstens einen Theil des Handels mit China in ihre Hände zu bekommen. Was den Handel mit China betrifft, schreibt im Jahre 1622 der Vorsteher der Factorei der englischen Compagnie zu Bantam auf Java, so bedenke man, daß er unermeßlich ist. Die Chinesen sind die ersten Handelsleute auf Erden und sehr gewinnsüchtig, aber ihre Regierung gestattet den Fremden keinen Zutritt innerhalb des Landes. Es wird dann die Aufmerksamkeit der Handelsgesellschaft auf die an den Küsten China's gelegenen Inseln, namentlich auf Formosa gerichtet; man könnte, meinte der Präsident der Factorei, auf einer dieser Inseln sich niederlassen und dann von hier aus den Handel mit China betreiben. Man befolgte den Rath dieses einsichtsvollen Beamten; die englisch-ostindische Gesellschaft hatte, wenn nicht viel früher, doch bereits im Jahre 1676, wie wir aus ihren Berichten ersehen, eine Factorei zu Formosa.</p><lb/>
        <p>Der Kreis <hi rendition="#g">Tsche kiang</hi>, nach dem Flusse <hi rendition="#g">Tsche</hi> so genannt, welcher, das Land in östlicher Richtung durchziehend, dem Meere entgegeneilt, ist in Betreff seines Umfanges, der Fruchtbarkeit und der großen Cultur, die hier herrscht, der bedeutendste in dem südöstlichen Gebiete des chinesischen Reiches. Tsche kiang erstreckt sich vom siebenundzwanzigsten bis zum einunddreißigsten Grad der Breite und von ein und ein halb bis zu sechs Graden östlicher Länge von Peking. Längs des Gestades, ungefähr eine deutsche Meile vom festen Lande entfernt, und der Mündung des Flusses gegenüber befinden sich viele Inseln, die <hi rendition="#g">Tscheou schan</hi>, gemeinhin <hi rendition="#g">Tschu san</hi> oder die <hi rendition="#g">Gruppe des Schiffberges</hi> genannt werden. Dieser Gruppe, wo, wie Capitän Hamilton berichtet, die englisch-ostindische Compagnie bereits im Jahre 1700 eine Factorei angelegt hatte, wollen sich jetzt die Engländer, nach einer wie es scheint zuverlässigen Angabe zuerst bemächtigen und dann von hier aus die ferneren Demonstrationen gegen China beginnen. Der Hauptort, der im Laufe der Zeit bald <hi rendition="#g">Ting</hi> bald <hi rendition="#g">Tschin hai</hi> genannt wurde &#x2013; unter der jetzigen Dynastie erhielt er wiederum den Namen <hi rendition="#g">Tschin hai</hi> &#x2013; liegt nach den neuesten Beobachtungen von Capitän Rees 29° 54' nördl. Breite und 121° 52' 30'' östl. Länge von Greenwich. Die ältern Kartenaufnahmen sind sämmtlich fehlerhaft. Dalrymple's Darstellung dieser Küstenstrecke ist nach Lindsay's Versicherung,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0917/0013] erbauten hier, an dem Nordende der Insel auf einem Sandhügel, das Castell Zeeland und suchten nach und nach der ganzen Insel Meister zu werden. Es gelang ihnen in kurzem mit zwölf auf der Nordseite der Insel gelegenen Oertern, und auch die andern hätten sich in der Folgezeit sicherlich ihrer Herrschaft fügen müssen, wenn die Niederländer verstanden hätten sich hier zu behaupten. Es wurden zu dieser Zeit Schulen errichtet, um die Kenntniß der holländischen Sprache und europäischer Gesittung unter den Eingebornen zu verbreiten; es wurden Schul- und Lesebücher in der Sprache Formosa's gedruckt und selbst einzelne Theile der heiligen Schrift übersetzt. Die Eingebornen zeigten sich sehr gelehrig, und das Christenthum schlug hier in wenigen Jahren so feste Wurzel, daß es sich selbst noch lange Zeit nach der Vertreibung der Niederländer, unter der chinesischen Herrschaft behaupten konnte. Es waren schon früher eine Anzahl Chinesen auf der Insel, die sich jetzt, nachdem die Japaner bald ihre Niederlassung aufgegeben und die Holländer beinahe des ganzen westlichen Theiles der Insel sich bemächtigt hatten, außerordentlich vermehrten. Es waren dieß durchgängig Feinde der Fremdherrschaft der Mandschu. Die Chinesen sind aber, wie dieß die Europäer in ihren Besitzungen auf dem östlichen Archipelagus mehrmalen zu ihrem großen Nachtheil erfuhren, sehr gefährliche Unterthanen. Wo ein Bewohner des Mittelreichs sich niederläßt, folgen alsbald Tausende nach, die bei günstiger Gelegenheit darauf ausgehen, des neuen Vaterlandes Meister zu werden. Diese Erfahrungen machten auch die Niederländer auf Formosa. Bereits im Jahre 1652 erhoben die Chinesen einen Aufstand, der nur durch ein furchtbares Blutbad, welches die Holländer unter ihnen anrichteten – es wurden innerhalb fünfzehn Tagen neuntausend Menschen hingeschlachtet – unterdrückt werden konnte. Die hierüber höchst erbitterten chinesischen Colonisten schlossen alsbald eine enge Verbindung mit ihren Landsleuten, welche noch immer der jungen Herrschaft der Mandschu an den Südküsten des Reichs und innerhalb der südlichen Meere einen erfolgreichen Widerstand entgegensetzten. Tsching tsching kong, von seinen Landsleuten zu Fo kien in ihrem höchst eigenthümlichen Dialekte Kok sing und hiernach von den Europäern Koxinga *) genannt, war eines der vorzüglichsten Häupter der mit der Herrschaft der Mandschu unzufriedenen Chinesen. Er war der Sohn eines Schneiders, Tsching tschi long geheißen, der sich in den südlichen Gränzländern zu großer Macht erhoben hatte, und auf eine hinterlistige Weise von den Mandschu gefangen genommen und hingerichtet wurde. Koxinga brachte eine Flotte von hundert Segeln zusammen, eroberte (1659) die Fischerinseln, erschien dann im April des Jahrs 1660 zu Formosa und schloß von allen Seiten die Veste Zeeland ein, die sich ihm auch nach einer Belagerung von zehn Monaten im März des Jahrs 1661 ergeben mußte. Tsching tsching kong wollte sich hier nicht bloß eine erbliche Herrschaft errichten, sondern auch die südlichen Kreise China's und die Philippinen erobern. Es waren aber alle seine Unternehmungen gegen diese Länder vergebens. Aus Verdruß hierüber und anderer häuslichen Sorgen wegen – eine seiner Frauen hielt es mit seinem eigenen Sohn – starb Kok sing bereits im folgenden Jahr. Sein Sohn und Nachfolger Tsching king mai folgte der Bahn seines Vaters und blieb bis zu seinem Tode, 1680, ein Feind der Mandschu. Tsching ke san, den sein Vater als unmündigen Knaben unter Vormundschaft zurückgelassen hatte, ward schon im Jahre 1683 von Kaiser Kang hi gezwungen, Formosa an die Mandschu abzutreten und seinen Aufenthalt in Peking zu nehmen. Es strömten bald von den benachbarten Kreisen Fo kien und Tsche kiang eine Menge Ansiedler dahin, welche in ihrer gewöhnlichen sorgfältigen Weise jeden Fleck Landes urbar machten, so daß nach der Schätzung Gützlaffs, welcher diese Insel im Jahr 1832 besuchte, bloß auf dem chinesischen Antheile drei Millionen Einwohner leben, welche dem Schatze jährlich eine reine Abgabe von einer Million Dollars tragen sollen; es scheinen aber diese Angaben übertrieben zu seyn. In den gesammelten Satzungen des Reichs (Tay tsing Hoei tien) haben wir hierüber keine Angabe gefunden; es wird bloß bemerkt, daß die dem Reiche unterworfene, autochthone Bevölkerung gegen das Ende des Jahrs 1812 auf 1748 Personen sich belaufen habe. Die Engländer hatten bereits im siebzehnten Jahrhunderte Formosa im Auge, um von hier aus den ganzen oder doch wenigstens einen Theil des Handels mit China in ihre Hände zu bekommen. Was den Handel mit China betrifft, schreibt im Jahre 1622 der Vorsteher der Factorei der englischen Compagnie zu Bantam auf Java, so bedenke man, daß er unermeßlich ist. Die Chinesen sind die ersten Handelsleute auf Erden und sehr gewinnsüchtig, aber ihre Regierung gestattet den Fremden keinen Zutritt innerhalb des Landes. Es wird dann die Aufmerksamkeit der Handelsgesellschaft auf die an den Küsten China's gelegenen Inseln, namentlich auf Formosa gerichtet; man könnte, meinte der Präsident der Factorei, auf einer dieser Inseln sich niederlassen und dann von hier aus den Handel mit China betreiben. Man befolgte den Rath dieses einsichtsvollen Beamten; die englisch-ostindische Gesellschaft hatte, wenn nicht viel früher, doch bereits im Jahre 1676, wie wir aus ihren Berichten ersehen, eine Factorei zu Formosa. Der Kreis Tsche kiang, nach dem Flusse Tsche so genannt, welcher, das Land in östlicher Richtung durchziehend, dem Meere entgegeneilt, ist in Betreff seines Umfanges, der Fruchtbarkeit und der großen Cultur, die hier herrscht, der bedeutendste in dem südöstlichen Gebiete des chinesischen Reiches. Tsche kiang erstreckt sich vom siebenundzwanzigsten bis zum einunddreißigsten Grad der Breite und von ein und ein halb bis zu sechs Graden östlicher Länge von Peking. Längs des Gestades, ungefähr eine deutsche Meile vom festen Lande entfernt, und der Mündung des Flusses gegenüber befinden sich viele Inseln, die Tscheou schan, gemeinhin Tschu san oder die Gruppe des Schiffberges genannt werden. Dieser Gruppe, wo, wie Capitän Hamilton berichtet, die englisch-ostindische Compagnie bereits im Jahre 1700 eine Factorei angelegt hatte, wollen sich jetzt die Engländer, nach einer wie es scheint zuverlässigen Angabe zuerst bemächtigen und dann von hier aus die ferneren Demonstrationen gegen China beginnen. Der Hauptort, der im Laufe der Zeit bald Ting bald Tschin hai genannt wurde – unter der jetzigen Dynastie erhielt er wiederum den Namen Tschin hai – liegt nach den neuesten Beobachtungen von Capitän Rees 29° 54' nördl. Breite und 121° 52' 30'' östl. Länge von Greenwich. Die ältern Kartenaufnahmen sind sämmtlich fehlerhaft. Dalrymple's Darstellung dieser Küstenstrecke ist nach Lindsay's Versicherung, *) Die Einwohner der südlichen Kreise des Reichs setzen des Wohllauts wegen gewöhnlich ein a an das Ende der Wörter und Sätze, welches die Stelle der Endpartikel je der Schriftsprache vertritt. Ausländer, die des Chinesischen unkundig sind, glauben gewöhnlich, das a gehöre zum Stamme; so entstand Tsiniz-a beim Mönch Kosmas, dem Indiensegler, und Koxing-a bei den Niederländern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_115_18400424
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_115_18400424/13
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 115. Augsburg, 24. April 1840, S. 0917. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_115_18400424/13>, abgerufen am 03.12.2024.