Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 120. Augsburg, 29. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

wie die Klöster. Viele, die sich zu noch härterer Buße gedrungen fühlen, ziehen sich in die Schluchten und Wälder zurück, und leben als Einsiedler unter den schwersten Uebungen.

Die Centralbehörde aller dieser Klöster ist in der Mitte der Halbinsel, welcher Ort daher die große Mitte ([fremdsprachliches Material - 2 Wörter fehlen]) oder das Principat [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt]), oder wegen der Niedermetzelung vieler Väter durch Michael Paläologos im Jahr 1285 die Schädelstätte (Karä) genannt wird. Diese Centralbehörde wird folgendermaßen gewählt. Im Mai senden alle Klöster ihre Repräsentanten nach Karä; diese wählen vier jährliche Vorsteher, deren Vorsitzer immer aus einem der fünf großen Klöster seyn muß, und dem noch ein Schreiber und ein Zahlmeister ([fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt]) beigegeben wird. Die vier Vorstände unterhalten die Correspondenz mit der großen Kirche, mit den Geschäftsträgern des heiligen Berges in Konstantinopel, Thessalonich, und mit andern Gegenden; sie sammeln die Kopfsteuer und andere Abgaben ein, und senden sie nach Konstantinopel. Auch schlichten sie die Streitigkeiten der Hagioriten und der dorthin kommenden Kaufleute, und nur wenn die Streitenden sich zu keinem gütlichen Vergleiche bequemen wollen, werden sie dem türkischen Aga übergeben. Die Centralbehörde besoldet eine Wache von 18 christlichen Soldaten, die sie als Polizeidiener und Feldjäger gebraucht. Die Ortschaft Karä ist endlich noch der vornehmste Markt- und Verkehrplatz der Halbinsel.

Die Kirchen dieser Klöster sind in sehr gutem Stande, mit Blei gedeckt, und voll silberner und zum Theil vergoldeter Geräthe. Der Gottesdienst wird in allen in hellenischer Sprache gehalten, außer in den Klöstern Chilantari und Zographu, wo man sich der slavonischen Sprache bedient. In allen finden sich ansehnliche Bibliotheken, vorzüglich in der großen Lavra, in dem Kloster der Iberer (Georgier und in Batopedion, deren Bibliotheken sehr viele Handschriften auf Pergament und Papier enthalten. Die meisten derselben sind kirchlichen Inhalts; doch mögen auch noch Classiker darunter seyn. (?) Im vorigen Jahre war hier ein deutscher Gelehrter, Namens Zachariä, der sich ein juristisches Buch abgeschrieben. Auch mangelt es nicht an heiligen Reliquien.

Drei Dinge haben wir mit Trauer auf dem heiligen Berge bemerkt: erstens die tiefe Unwissenheit der Väter, mit Ausnahme von zweien oder dreien; zweitens den elenden Zustand der meisten Bibliotheken, in welchen viele schöne Handschriften vermodern oder von Würmern gefressen werden, *) und drittens den Mangel einer theologischen Schule. Und doch ist gerade hier der Ort so geeignet zum Studiren, die Mittel sind vorhanden, und von hier aus müßten unterrichtete Mönche überall hingesandt werden, wo es anatolische Christen gibt, um das göttliche Wort zu verkündigen. Doch hoffen wir, daß Se. Heiligkeit der Patriarch hiefür wie für die Erhaltung der Bibliotheken Sorge tragen werde.

Auf dem heiligen Berge sahen wir auch viele Personen, die von der großen Kirche hierher ins Exil geschickt sind, Erzbischöfe und Bischöfe, Priester und Laien. Ueberhaupt verdienten der Athos und seine Klöster wohl eine besondere Geschichte; ausgezeichnete Geistliche sind von hier ausgegangen, große kirchliche Streitigkeiten haben hier stattgehabt, Könige und Fürsten, Minister und Patriarchen, Bischöfe und Philosophen, mit einem Worte, Menschen aller Stände haben hier als Mönche gelebt.

Zur Zeit unsers heiligen Kampfes standen auch diese Klöster auf und haben nicht wenig dafür erduldet, denn die Türken, aus Furcht, daß die Griechen sich der Halbinsel bemächtigen möchten, sandten zwölfhundert Albanesen hierher, die in alle Klöster vertheilt wurden. Sie blieben hier acht volle Jahre, und mußten von den Mönchen selbst besoldet und ernährt werden. Da aber viele der Klöster hiezu nicht die Mittel besaßen, verkauften sie ihre heiligen Geräthe und selbst ihre Bibliotheken. Die Handelsleute der benachbarten Städte kauften viele Pferdeladungen Bücher, unter denen auch manche Handschriften waren, für 30 bis 40 türkische Piaster die Ladung! Das Kloster Chiliantari verkaufte unter diesen Umständen siebenhundert (?) Okken Silber, und viele andere heilige Geräthe, um die unersättliche Habsucht der albanesischen Peiniger zu befriedigen. Mögen die Freunde der Bildung in den benachbarten Städten jenen Büchern noch nachforschen, und wenigstens die Handschriften auf Pergament aus den Händen der Krämer retten, besonders in Seres, wohin, wie man uns sagte, viele Pferdeladungen verkauft worden sind.

In allen den Gegenden aber, die wir durchreist sind, in Thessalien und Macedonien und selbst in den Klöstern der Meteoren und des heiligen Berges, bemerkten wir mit Freuden die Wißbegier der Griechen, ihr Geschick zum Lernen und ihre Neigung zu freien Gesinnungen. So oft sie von den Reisenden von den Fortschritten der Bildung im freien Griechenland und von der Entwickelung der Sprache hörten, die sie selbst noch so schlecht sprechen wie wir Andern vor zwanzig Jahren, und so oft das Wort Freiheit ausgesprochen wurde, sprangen sie vor Freuden in die Höhe; und oft blickten sie klagend zum Himmel auf und haderten mit dem Schicksal, das sie von ihren Stammgenossen getrennt und sie so vieles Guten beraubt, welches bald auch mit genießen zu können sie täglich von Gott erflehen."

Sicilien.

Die Preußische Staatsztg. enthält folgenden Artikel von der italienischen Gränze, 12 April. Die Aufregung, welche in den letzten Tagen in Neapel herrschte, läßt sich nicht wohl mit Worten beschreiben. Zuerst hatte sich ein panischer Schrecken der obersten Schichten der Gesellschaft bemeistert. Der Rücktritt Cassaro's machte die größte Sensation, zugleich wurden die unglaublichsten Gerüchte in Umlauf gesetzt. Man weiß, es bedarf nicht großer Dinge, um eine neapolitanische Phantasie zu erhitzen. Die südländische Entzündbarkeit dieser Gemüther einer- und andrerseits ihr angeborner Hang zur Feigheit sind für die Regierung in kritischen Momenten üble Elemente. Statt nun aber, was dort am meisten noth thäte, mit Ruhe und Festigkeit vorzugehen, geschieht Alles tumultuarisch, willkürlich, übereilt. Hierzu kommt die Bestechlichkeit der Beamten und die Unmöglichkeit, ein Amtsgeheimniß zu bewahren. Am 15 März überreichte Hr. Temple seine verhängnißvolle Note, am 16 und 18 versammelte sich der Staatsrath, und am nächsten Tage, noch bevor Fürst Cassaro seine Entlassung gegeben hatte, war die Streitfrage der Regierung mit Großbritannien das Gemeingut der Stadt, auf der Via Toledo, im Cafe d'Italia, auf der Chiaja hörte man von nichts Anderem. Zugleich wurden die Truppensendungen nach Sicilien mit auffallender Hast betrieben. Der Feind mußte im vollen Anzuge seyn, um so gewaltige, eilige und rücksichtslose Maaßregeln zu rechtfertigen. Das Volk meinte nun, es werde Krieg geben mit England, wogegen denn allerdings den besser Unterrichteten nicht entgehen konnte, daß die Regierung von Sicilien der

*) Könnte nicht hier die Regierung König Otto's rettend ins Mittel treten? Und ist sie nicht dazu berufen, als natürliche Vormünderin der gesammten Hellenen?

wie die Klöster. Viele, die sich zu noch härterer Buße gedrungen fühlen, ziehen sich in die Schluchten und Wälder zurück, und leben als Einsiedler unter den schwersten Uebungen.

Die Centralbehörde aller dieser Klöster ist in der Mitte der Halbinsel, welcher Ort daher die große Mitte ([fremdsprachliches Material – 2 Wörter fehlen]) oder das Principat [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt]), oder wegen der Niedermetzelung vieler Väter durch Michael Paläologos im Jahr 1285 die Schädelstätte (Karä) genannt wird. Diese Centralbehörde wird folgendermaßen gewählt. Im Mai senden alle Klöster ihre Repräsentanten nach Karä; diese wählen vier jährliche Vorsteher, deren Vorsitzer immer aus einem der fünf großen Klöster seyn muß, und dem noch ein Schreiber und ein Zahlmeister ([fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt]) beigegeben wird. Die vier Vorstände unterhalten die Correspondenz mit der großen Kirche, mit den Geschäftsträgern des heiligen Berges in Konstantinopel, Thessalonich, und mit andern Gegenden; sie sammeln die Kopfsteuer und andere Abgaben ein, und senden sie nach Konstantinopel. Auch schlichten sie die Streitigkeiten der Hagioriten und der dorthin kommenden Kaufleute, und nur wenn die Streitenden sich zu keinem gütlichen Vergleiche bequemen wollen, werden sie dem türkischen Aga übergeben. Die Centralbehörde besoldet eine Wache von 18 christlichen Soldaten, die sie als Polizeidiener und Feldjäger gebraucht. Die Ortschaft Karä ist endlich noch der vornehmste Markt- und Verkehrplatz der Halbinsel.

Die Kirchen dieser Klöster sind in sehr gutem Stande, mit Blei gedeckt, und voll silberner und zum Theil vergoldeter Geräthe. Der Gottesdienst wird in allen in hellenischer Sprache gehalten, außer in den Klöstern Chilantari und Zographu, wo man sich der slavonischen Sprache bedient. In allen finden sich ansehnliche Bibliotheken, vorzüglich in der großen Lavra, in dem Kloster der Iberer (Georgier und in Batopedion, deren Bibliotheken sehr viele Handschriften auf Pergament und Papier enthalten. Die meisten derselben sind kirchlichen Inhalts; doch mögen auch noch Classiker darunter seyn. (?) Im vorigen Jahre war hier ein deutscher Gelehrter, Namens Zachariä, der sich ein juristisches Buch abgeschrieben. Auch mangelt es nicht an heiligen Reliquien.

Drei Dinge haben wir mit Trauer auf dem heiligen Berge bemerkt: erstens die tiefe Unwissenheit der Väter, mit Ausnahme von zweien oder dreien; zweitens den elenden Zustand der meisten Bibliotheken, in welchen viele schöne Handschriften vermodern oder von Würmern gefressen werden, *) und drittens den Mangel einer theologischen Schule. Und doch ist gerade hier der Ort so geeignet zum Studiren, die Mittel sind vorhanden, und von hier aus müßten unterrichtete Mönche überall hingesandt werden, wo es anatolische Christen gibt, um das göttliche Wort zu verkündigen. Doch hoffen wir, daß Se. Heiligkeit der Patriarch hiefür wie für die Erhaltung der Bibliotheken Sorge tragen werde.

Auf dem heiligen Berge sahen wir auch viele Personen, die von der großen Kirche hierher ins Exil geschickt sind, Erzbischöfe und Bischöfe, Priester und Laien. Ueberhaupt verdienten der Athos und seine Klöster wohl eine besondere Geschichte; ausgezeichnete Geistliche sind von hier ausgegangen, große kirchliche Streitigkeiten haben hier stattgehabt, Könige und Fürsten, Minister und Patriarchen, Bischöfe und Philosophen, mit einem Worte, Menschen aller Stände haben hier als Mönche gelebt.

Zur Zeit unsers heiligen Kampfes standen auch diese Klöster auf und haben nicht wenig dafür erduldet, denn die Türken, aus Furcht, daß die Griechen sich der Halbinsel bemächtigen möchten, sandten zwölfhundert Albanesen hierher, die in alle Klöster vertheilt wurden. Sie blieben hier acht volle Jahre, und mußten von den Mönchen selbst besoldet und ernährt werden. Da aber viele der Klöster hiezu nicht die Mittel besaßen, verkauften sie ihre heiligen Geräthe und selbst ihre Bibliotheken. Die Handelsleute der benachbarten Städte kauften viele Pferdeladungen Bücher, unter denen auch manche Handschriften waren, für 30 bis 40 türkische Piaster die Ladung! Das Kloster Chiliantari verkaufte unter diesen Umständen siebenhundert (?) Okken Silber, und viele andere heilige Geräthe, um die unersättliche Habsucht der albanesischen Peiniger zu befriedigen. Mögen die Freunde der Bildung in den benachbarten Städten jenen Büchern noch nachforschen, und wenigstens die Handschriften auf Pergament aus den Händen der Krämer retten, besonders in Seres, wohin, wie man uns sagte, viele Pferdeladungen verkauft worden sind.

In allen den Gegenden aber, die wir durchreist sind, in Thessalien und Macedonien und selbst in den Klöstern der Meteoren und des heiligen Berges, bemerkten wir mit Freuden die Wißbegier der Griechen, ihr Geschick zum Lernen und ihre Neigung zu freien Gesinnungen. So oft sie von den Reisenden von den Fortschritten der Bildung im freien Griechenland und von der Entwickelung der Sprache hörten, die sie selbst noch so schlecht sprechen wie wir Andern vor zwanzig Jahren, und so oft das Wort Freiheit ausgesprochen wurde, sprangen sie vor Freuden in die Höhe; und oft blickten sie klagend zum Himmel auf und haderten mit dem Schicksal, das sie von ihren Stammgenossen getrennt und sie so vieles Guten beraubt, welches bald auch mit genießen zu können sie täglich von Gott erflehen.“

Sicilien.

Die Preußische Staatsztg. enthält folgenden Artikel von der italienischen Gränze, 12 April. Die Aufregung, welche in den letzten Tagen in Neapel herrschte, läßt sich nicht wohl mit Worten beschreiben. Zuerst hatte sich ein panischer Schrecken der obersten Schichten der Gesellschaft bemeistert. Der Rücktritt Cassaro's machte die größte Sensation, zugleich wurden die unglaublichsten Gerüchte in Umlauf gesetzt. Man weiß, es bedarf nicht großer Dinge, um eine neapolitanische Phantasie zu erhitzen. Die südländische Entzündbarkeit dieser Gemüther einer- und andrerseits ihr angeborner Hang zur Feigheit sind für die Regierung in kritischen Momenten üble Elemente. Statt nun aber, was dort am meisten noth thäte, mit Ruhe und Festigkeit vorzugehen, geschieht Alles tumultuarisch, willkürlich, übereilt. Hierzu kommt die Bestechlichkeit der Beamten und die Unmöglichkeit, ein Amtsgeheimniß zu bewahren. Am 15 März überreichte Hr. Temple seine verhängnißvolle Note, am 16 und 18 versammelte sich der Staatsrath, und am nächsten Tage, noch bevor Fürst Cassaro seine Entlassung gegeben hatte, war die Streitfrage der Regierung mit Großbritannien das Gemeingut der Stadt, auf der Via Toledo, im Café d'Italia, auf der Chiaja hörte man von nichts Anderem. Zugleich wurden die Truppensendungen nach Sicilien mit auffallender Hast betrieben. Der Feind mußte im vollen Anzuge seyn, um so gewaltige, eilige und rücksichtslose Maaßregeln zu rechtfertigen. Das Volk meinte nun, es werde Krieg geben mit England, wogegen denn allerdings den besser Unterrichteten nicht entgehen konnte, daß die Regierung von Sicilien der

*) Könnte nicht hier die Regierung König Otto's rettend ins Mittel treten? Und ist sie nicht dazu berufen, als natürliche Vormünderin der gesammten Hellenen?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="0954"/>
wie die Klöster. Viele, die sich zu noch härterer Buße gedrungen fühlen, ziehen sich in die Schluchten und Wälder zurück, und leben als Einsiedler unter den schwersten Uebungen.</p><lb/>
        <p>Die Centralbehörde aller dieser Klöster ist in der Mitte der Halbinsel, welcher Ort daher die große Mitte (<foreign xml:lang="grk"><gap reason="fm" unit="words" quantity="2"/></foreign>) oder das Principat <foreign xml:lang="grk"><gap reason="fm" unit="words" quantity="1"/></foreign>), oder wegen der Niedermetzelung vieler Väter durch Michael Paläologos im Jahr 1285 die Schädelstätte (Karä) genannt wird. Diese Centralbehörde wird folgendermaßen gewählt. Im Mai senden alle Klöster ihre Repräsentanten nach Karä; diese wählen vier jährliche Vorsteher, deren Vorsitzer immer aus einem der fünf großen Klöster seyn muß, und dem noch ein Schreiber und ein Zahlmeister (<foreign xml:lang="grk"><gap reason="fm" unit="words" quantity="1"/></foreign>) beigegeben wird. Die vier Vorstände unterhalten die Correspondenz mit der großen Kirche, mit den Geschäftsträgern des heiligen Berges in Konstantinopel, Thessalonich, und mit andern Gegenden; sie sammeln die Kopfsteuer und andere Abgaben ein, und senden sie nach Konstantinopel. Auch schlichten sie die Streitigkeiten der Hagioriten und der dorthin kommenden Kaufleute, und nur wenn die Streitenden sich zu keinem gütlichen Vergleiche bequemen wollen, werden sie dem türkischen Aga übergeben. Die Centralbehörde besoldet eine Wache von 18 christlichen Soldaten, die sie als Polizeidiener und Feldjäger gebraucht. Die Ortschaft Karä ist endlich noch der vornehmste Markt- und Verkehrplatz der Halbinsel.</p><lb/>
        <p>Die Kirchen dieser Klöster sind in sehr gutem Stande, mit Blei gedeckt, und voll silberner und zum Theil vergoldeter Geräthe. Der Gottesdienst wird in allen in hellenischer Sprache gehalten, außer in den Klöstern Chilantari und Zographu, wo man sich der slavonischen Sprache bedient. In allen finden sich ansehnliche Bibliotheken, vorzüglich in der großen Lavra, in dem Kloster der Iberer (Georgier und in Batopedion, deren Bibliotheken sehr viele Handschriften auf Pergament und Papier enthalten. Die meisten derselben sind kirchlichen Inhalts; doch mögen auch noch Classiker darunter seyn. (?) Im vorigen Jahre war hier ein deutscher Gelehrter, Namens Zachariä, der sich ein juristisches Buch abgeschrieben. Auch mangelt es nicht an heiligen Reliquien.</p><lb/>
        <p>Drei Dinge haben wir mit Trauer auf dem heiligen Berge bemerkt: erstens die tiefe Unwissenheit der Väter, mit Ausnahme von zweien oder dreien; zweitens den elenden Zustand der meisten Bibliotheken, in welchen viele schöne Handschriften vermodern oder von Würmern gefressen werden, <note place="foot" n="*)"><p>Könnte nicht hier die Regierung König Otto's rettend ins Mittel treten? Und ist sie nicht dazu berufen, als natürliche Vormünderin der gesammten Hellenen?</p></note> und drittens den Mangel einer theologischen Schule. Und doch ist gerade hier der Ort so geeignet zum Studiren, die Mittel sind vorhanden, und von hier aus müßten unterrichtete Mönche überall hingesandt werden, wo es anatolische Christen gibt, um das göttliche Wort zu verkündigen. Doch hoffen wir, daß Se. Heiligkeit der Patriarch hiefür wie für die Erhaltung der Bibliotheken Sorge tragen werde.</p><lb/>
        <p>Auf dem heiligen Berge sahen wir auch viele Personen, die von der großen Kirche hierher ins Exil geschickt sind, Erzbischöfe und Bischöfe, Priester und Laien. Ueberhaupt verdienten der Athos und seine Klöster wohl eine besondere Geschichte; ausgezeichnete Geistliche sind von hier ausgegangen, große kirchliche Streitigkeiten haben hier stattgehabt, Könige und Fürsten, Minister und Patriarchen, Bischöfe und Philosophen, mit einem Worte, Menschen aller Stände haben hier als Mönche gelebt.</p><lb/>
        <p>Zur Zeit unsers heiligen Kampfes standen auch diese Klöster auf und haben nicht wenig dafür erduldet, denn die Türken, aus Furcht, daß die Griechen sich der Halbinsel bemächtigen möchten, sandten zwölfhundert Albanesen hierher, die in alle Klöster vertheilt wurden. Sie blieben hier acht volle Jahre, und mußten von den Mönchen selbst besoldet und ernährt werden. Da aber viele der Klöster hiezu nicht die Mittel besaßen, verkauften sie ihre heiligen Geräthe und selbst ihre Bibliotheken. Die Handelsleute der benachbarten Städte kauften viele Pferdeladungen Bücher, unter denen auch manche Handschriften waren, für 30 bis 40 türkische Piaster die Ladung! Das Kloster Chiliantari verkaufte unter diesen Umständen siebenhundert (?) Okken Silber, und viele andere heilige Geräthe, um die unersättliche Habsucht der albanesischen Peiniger zu befriedigen. Mögen die Freunde der Bildung in den benachbarten Städten jenen Büchern noch nachforschen, und wenigstens die Handschriften auf Pergament aus den Händen der Krämer retten, besonders in Seres, wohin, wie man uns sagte, viele Pferdeladungen verkauft worden sind.</p><lb/>
        <p>In allen den Gegenden aber, die wir durchreist sind, in Thessalien und Macedonien und selbst in den Klöstern der Meteoren und des heiligen Berges, bemerkten wir mit Freuden die Wißbegier der Griechen, ihr Geschick zum Lernen und ihre Neigung zu freien Gesinnungen. So oft sie von den Reisenden von den Fortschritten der Bildung im freien Griechenland und von der Entwickelung der Sprache hörten, die sie selbst noch so schlecht sprechen wie wir Andern vor zwanzig Jahren, und so oft das Wort <hi rendition="#g">Freiheit</hi> ausgesprochen wurde, sprangen sie vor Freuden in die Höhe; und oft blickten sie klagend zum Himmel auf und haderten mit dem Schicksal, das sie von ihren Stammgenossen getrennt und sie so vieles Guten beraubt, welches bald auch mit genießen zu können sie täglich von Gott erflehen.&#x201C;</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Sicilien.</hi> </head><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#g">Preußische Staatsztg</hi>. enthält folgenden Artikel <hi rendition="#b">von der italienischen Gränze,</hi> 12 April. Die Aufregung, welche in den letzten Tagen in <hi rendition="#g">Neapel</hi> herrschte, läßt sich nicht wohl mit Worten beschreiben. Zuerst hatte sich ein panischer Schrecken der obersten Schichten der Gesellschaft bemeistert. Der Rücktritt Cassaro's machte die größte Sensation, zugleich wurden die unglaublichsten Gerüchte in Umlauf gesetzt. Man weiß, es bedarf nicht großer Dinge, um eine neapolitanische Phantasie zu erhitzen. Die südländische Entzündbarkeit dieser Gemüther einer- und andrerseits ihr angeborner Hang zur Feigheit sind für die Regierung in kritischen Momenten üble Elemente. Statt nun aber, was dort am meisten noth thäte, mit Ruhe und Festigkeit vorzugehen, geschieht Alles tumultuarisch, willkürlich, übereilt. Hierzu kommt die Bestechlichkeit der Beamten und die Unmöglichkeit, ein Amtsgeheimniß zu bewahren. Am 15 März überreichte Hr. Temple seine verhängnißvolle Note, am 16 und 18 versammelte sich der Staatsrath, und am nächsten Tage, noch bevor Fürst Cassaro seine Entlassung gegeben hatte, war die Streitfrage der Regierung mit Großbritannien das Gemeingut der Stadt, auf der Via Toledo, im Café d'Italia, auf der Chiaja hörte man von nichts Anderem. Zugleich wurden die Truppensendungen nach Sicilien mit auffallender Hast betrieben. Der Feind mußte im vollen Anzuge seyn, um so gewaltige, eilige und rücksichtslose Maaßregeln zu rechtfertigen. Das Volk meinte nun, es werde Krieg geben mit England, wogegen denn allerdings den besser Unterrichteten nicht entgehen konnte, daß die Regierung von Sicilien der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0954/0010] wie die Klöster. Viele, die sich zu noch härterer Buße gedrungen fühlen, ziehen sich in die Schluchten und Wälder zurück, und leben als Einsiedler unter den schwersten Uebungen. Die Centralbehörde aller dieser Klöster ist in der Mitte der Halbinsel, welcher Ort daher die große Mitte (__) oder das Principat _), oder wegen der Niedermetzelung vieler Väter durch Michael Paläologos im Jahr 1285 die Schädelstätte (Karä) genannt wird. Diese Centralbehörde wird folgendermaßen gewählt. Im Mai senden alle Klöster ihre Repräsentanten nach Karä; diese wählen vier jährliche Vorsteher, deren Vorsitzer immer aus einem der fünf großen Klöster seyn muß, und dem noch ein Schreiber und ein Zahlmeister (_) beigegeben wird. Die vier Vorstände unterhalten die Correspondenz mit der großen Kirche, mit den Geschäftsträgern des heiligen Berges in Konstantinopel, Thessalonich, und mit andern Gegenden; sie sammeln die Kopfsteuer und andere Abgaben ein, und senden sie nach Konstantinopel. Auch schlichten sie die Streitigkeiten der Hagioriten und der dorthin kommenden Kaufleute, und nur wenn die Streitenden sich zu keinem gütlichen Vergleiche bequemen wollen, werden sie dem türkischen Aga übergeben. Die Centralbehörde besoldet eine Wache von 18 christlichen Soldaten, die sie als Polizeidiener und Feldjäger gebraucht. Die Ortschaft Karä ist endlich noch der vornehmste Markt- und Verkehrplatz der Halbinsel. Die Kirchen dieser Klöster sind in sehr gutem Stande, mit Blei gedeckt, und voll silberner und zum Theil vergoldeter Geräthe. Der Gottesdienst wird in allen in hellenischer Sprache gehalten, außer in den Klöstern Chilantari und Zographu, wo man sich der slavonischen Sprache bedient. In allen finden sich ansehnliche Bibliotheken, vorzüglich in der großen Lavra, in dem Kloster der Iberer (Georgier und in Batopedion, deren Bibliotheken sehr viele Handschriften auf Pergament und Papier enthalten. Die meisten derselben sind kirchlichen Inhalts; doch mögen auch noch Classiker darunter seyn. (?) Im vorigen Jahre war hier ein deutscher Gelehrter, Namens Zachariä, der sich ein juristisches Buch abgeschrieben. Auch mangelt es nicht an heiligen Reliquien. Drei Dinge haben wir mit Trauer auf dem heiligen Berge bemerkt: erstens die tiefe Unwissenheit der Väter, mit Ausnahme von zweien oder dreien; zweitens den elenden Zustand der meisten Bibliotheken, in welchen viele schöne Handschriften vermodern oder von Würmern gefressen werden, *) und drittens den Mangel einer theologischen Schule. Und doch ist gerade hier der Ort so geeignet zum Studiren, die Mittel sind vorhanden, und von hier aus müßten unterrichtete Mönche überall hingesandt werden, wo es anatolische Christen gibt, um das göttliche Wort zu verkündigen. Doch hoffen wir, daß Se. Heiligkeit der Patriarch hiefür wie für die Erhaltung der Bibliotheken Sorge tragen werde. Auf dem heiligen Berge sahen wir auch viele Personen, die von der großen Kirche hierher ins Exil geschickt sind, Erzbischöfe und Bischöfe, Priester und Laien. Ueberhaupt verdienten der Athos und seine Klöster wohl eine besondere Geschichte; ausgezeichnete Geistliche sind von hier ausgegangen, große kirchliche Streitigkeiten haben hier stattgehabt, Könige und Fürsten, Minister und Patriarchen, Bischöfe und Philosophen, mit einem Worte, Menschen aller Stände haben hier als Mönche gelebt. Zur Zeit unsers heiligen Kampfes standen auch diese Klöster auf und haben nicht wenig dafür erduldet, denn die Türken, aus Furcht, daß die Griechen sich der Halbinsel bemächtigen möchten, sandten zwölfhundert Albanesen hierher, die in alle Klöster vertheilt wurden. Sie blieben hier acht volle Jahre, und mußten von den Mönchen selbst besoldet und ernährt werden. Da aber viele der Klöster hiezu nicht die Mittel besaßen, verkauften sie ihre heiligen Geräthe und selbst ihre Bibliotheken. Die Handelsleute der benachbarten Städte kauften viele Pferdeladungen Bücher, unter denen auch manche Handschriften waren, für 30 bis 40 türkische Piaster die Ladung! Das Kloster Chiliantari verkaufte unter diesen Umständen siebenhundert (?) Okken Silber, und viele andere heilige Geräthe, um die unersättliche Habsucht der albanesischen Peiniger zu befriedigen. Mögen die Freunde der Bildung in den benachbarten Städten jenen Büchern noch nachforschen, und wenigstens die Handschriften auf Pergament aus den Händen der Krämer retten, besonders in Seres, wohin, wie man uns sagte, viele Pferdeladungen verkauft worden sind. In allen den Gegenden aber, die wir durchreist sind, in Thessalien und Macedonien und selbst in den Klöstern der Meteoren und des heiligen Berges, bemerkten wir mit Freuden die Wißbegier der Griechen, ihr Geschick zum Lernen und ihre Neigung zu freien Gesinnungen. So oft sie von den Reisenden von den Fortschritten der Bildung im freien Griechenland und von der Entwickelung der Sprache hörten, die sie selbst noch so schlecht sprechen wie wir Andern vor zwanzig Jahren, und so oft das Wort Freiheit ausgesprochen wurde, sprangen sie vor Freuden in die Höhe; und oft blickten sie klagend zum Himmel auf und haderten mit dem Schicksal, das sie von ihren Stammgenossen getrennt und sie so vieles Guten beraubt, welches bald auch mit genießen zu können sie täglich von Gott erflehen.“ Sicilien. Die Preußische Staatsztg. enthält folgenden Artikel von der italienischen Gränze, 12 April. Die Aufregung, welche in den letzten Tagen in Neapel herrschte, läßt sich nicht wohl mit Worten beschreiben. Zuerst hatte sich ein panischer Schrecken der obersten Schichten der Gesellschaft bemeistert. Der Rücktritt Cassaro's machte die größte Sensation, zugleich wurden die unglaublichsten Gerüchte in Umlauf gesetzt. Man weiß, es bedarf nicht großer Dinge, um eine neapolitanische Phantasie zu erhitzen. Die südländische Entzündbarkeit dieser Gemüther einer- und andrerseits ihr angeborner Hang zur Feigheit sind für die Regierung in kritischen Momenten üble Elemente. Statt nun aber, was dort am meisten noth thäte, mit Ruhe und Festigkeit vorzugehen, geschieht Alles tumultuarisch, willkürlich, übereilt. Hierzu kommt die Bestechlichkeit der Beamten und die Unmöglichkeit, ein Amtsgeheimniß zu bewahren. Am 15 März überreichte Hr. Temple seine verhängnißvolle Note, am 16 und 18 versammelte sich der Staatsrath, und am nächsten Tage, noch bevor Fürst Cassaro seine Entlassung gegeben hatte, war die Streitfrage der Regierung mit Großbritannien das Gemeingut der Stadt, auf der Via Toledo, im Café d'Italia, auf der Chiaja hörte man von nichts Anderem. Zugleich wurden die Truppensendungen nach Sicilien mit auffallender Hast betrieben. Der Feind mußte im vollen Anzuge seyn, um so gewaltige, eilige und rücksichtslose Maaßregeln zu rechtfertigen. Das Volk meinte nun, es werde Krieg geben mit England, wogegen denn allerdings den besser Unterrichteten nicht entgehen konnte, daß die Regierung von Sicilien der *) Könnte nicht hier die Regierung König Otto's rettend ins Mittel treten? Und ist sie nicht dazu berufen, als natürliche Vormünderin der gesammten Hellenen?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_120_18400429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_120_18400429/10
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 120. Augsburg, 29. April 1840, S. 0954. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_120_18400429/10>, abgerufen am 23.11.2024.