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Allgemeine Zeitung. Nr. 128. Augsburg, 7. Mai 1840.

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ertheilt, die Gesetzesbeamten der Krone nach Irland abzuordnen, um den dortigen öffentlichen Versammlungen beizuwohnen, und sofort gerichtliche Verfolgungen dagegen einzuleiten, so ist dieß ein Punkt, über den ich hier keine bestimmte Antwort geben kann." (Den Zeitungen zufolge wächst die Agitation in Irland täglich an Energie und Umfang, und allmählich nimmt der ganze liberale Adel daran Theil. Am 24 April war das große Meeting in Leinster, bei welchem mehrere tausend Personen, darunter gegen 600 von der "nobility and gentry", anwesend waren; den Vorsitz führte der ehrenwerthe F. Ponsonby, der Hauptredner aber, wie natürlich, war wieder O'Connell. Als gegen Lord Stanley schmähendes Geschrei erschallte, suchte er es scheinbar mit den Worten zu beschwichtigen: "Lord Stanley möchte allerdings noch einmal den Tyrannen gegen Irland spielen, übrigens hat der edle Lord mit einem Nero so wenig, als mit einem Löwen gemein; er sucht nur tückisch zu verwunden, und darum will ich ihn fortan Scorpion-Stanley nennen." Unglücklicherweise ward in den letzten Tagen wieder ein irischer Grundherr, ein Hr. West von Mohill, meuchlings erschossen, was die Toryblätter nicht ermangeln mit O'Connells Agitation in Zusammenhang zu bringen.) Schließlich fragte Lord Strangford, ob die Regierung aus Frankreich die Anzeige erhalten habe, daß die französische Regierung neuerdings eine beträchtliche Verstärkung nach Buenos-Ayres abzusenden beabsichtige. Lord Melbourne verneinte die Frage.

Trotz der nicht ganz günstigen Nachrichten, welche Lord Palmerston vom Continent erhalten hat, und die ihn in die Lage setzen fast allein handeln zu müssen, wenn er etwas Weiteres gegen Mehemed Ali unternehmen will, scheint er dazu entschlossen. Er ist seines Erachtens zu weit gegangen, um zurücktreten zu können, und beabsichtigt daher, sobald die hier eingeleiteten Negociationen nicht seinen Ansichten gemäß beendigt werden sollten, eine Resolution im Parlament zu veranlassen, um kräftige Maaßregeln gegen Aegypten zu ergreifen. Ob er dabei die Majorität für sich erlangen wird, ist zweifelhaft. Vom Continent zeigte man Lord Palmerston an, daß nach den gemachten Erfahrungen es sehr zu wünschen sey, die größte Vorsicht in der orientalischen Angelegenheit zu beobachten, damit das Uebel nicht vergrößert werde, das bereits bedeutend herangewachsen, und das zu unterdrücken die Kräfte der Mächte kaum mehr ausreichen, besonders wenn sie fortfahren Beweise von Uneinigkeit zu geben. Man erklärt sich bereit Alles aufzubieten, damit Einigkeit wenigstens unter den vier der Pforte vollkommen zugethanen Regierungen herrsche und so etwas Ernstes zu ihren Gunsten geschehen könne. Allein dieß schließe keine effective Mitwirkung in sich, wenn England für nöthig erachte Gewalt zu gebrauchen, sondern könne nur als moralische Beihülfe gelten, was manchmal besser und wirksamer sey als die Anwendung militärischer Unterstützung auf einem kleinen, wenig bedeutenden Fuß. Lord Palmerston scheint dieß für den Augenblick zu genügen, obgleich er gewünscht hätte eine kräftigere Sprache zu vernehmen. Er wird daher, bis er zu einer bessern Ueberzeugung gelangt, sich voranstellen und, wie gesagt, die Zustimmung des Parlaments dabei ansprechen; er wird aber auch wohl erst noch in Paris zuzuhören haben, um sich zu überzeugen, wie es eigentlich mit Thiers stehe, ob der einen ruhigen Beobachter abgeben will, wenn wir den Pascha von Aegypten bedrängen, oder sich verpflichtet glaubt dagegen Einsprache zu thun, was dann allerdings sehr mißlich wäre und den Unternehmungsgeist des Lords stark abkühlen müßte, weil dann die Sachen weiter gehen könnten, als er jetzt wähnt. Etwas Anderes ist es, mit Mehemed Ali allein zu thun zu haben als ihn an eine große Macht gelehnt zu wissen, wie es auch etwas anderes ist, den König von Neapel zu bekriegen als demselben Unterstützung und zwar kräftige Unterstützung von außen zugeführt zu sehen, sobald er aufs Aeußerste getrieben den Boden unter sich wanken fühlen sollte. Lord Palmerston thäte daher gut sich mehr Ruhe anzugewöhnen und die Folgen besser zu berechnen, die ihn überall erwarten, wenn er ohne Noth an verschiedenen Punkten zugleich die Kriegsflagge aufsteckt, denn so mächtig auch England ist, so möchte es doch keinen großen Gefallen daran finden, sich mit der halben Welt zu überwerfen.

Frankreich.

Am 1 Mai empfing der König aus Anlaß seines Namensfestes im Thronsaale um 11 Uhr die Minister, die Marschälle; um 12 Uhr die großen Deputationen der Pairs- und Deputirtenkammer, des Cassationshofs, des Instituts von Frankreich u. s. w.; um 4 Uhr das diplomatische Corps. Graf v. Appony hielt in dessen Namen folgende Anrede: "Das diplomatische Corps hat die Ehre, Ew. Maj. seine ehrfurchtsvollen Glückwünsche darzubringen, die Ihrem und dem Glück Ihrer erlauchten Familie, der Ruhe und der Wohlfahrt Frankreichs geweiht sind. Diesen Wünschen fügen wir heute noch insbesondere diejenigen bei, welche das von dem zweiten Sohne Ew. Maj. geknüpfte Band betreffen. Als Quelle des Glücks für die Zukunft dieses Prinzen werden Sie, Sire, daraus neue Gründe der Freude und Zufriedenheit schöpfen, und indem die Vorsehung zugleich Ihre Bemühungen zur Aufrechthaltung der Ordnung und des Friedens segnet, erfüllt sie alle Ihre Wünsche als Vater und als König." Der König antwortete: "Gewohnt, wie ich es bin, von dem diplomatischen Corps so hochschätzbare Wünsche für das Glück meiner Familie, so wie für die Fortdauer der Ruhe und der Wohlfahrt, deren sich Frankreich gegenwärtig erfreut, zu empfangen, ist es mir ein wahres Vergnügen Ihnen meinen Dank bezeugen zu können für diejenigen, die Sie mir aus Anlaß der Vermählung meines zweiten Sohnes ausgedrückt haben. Ich hoffe mit Ihnen, daß die Vorsehung dieses meinem Herzen so theure Band segnen werde, und hege das Vertrauen, daß wir unter Gottes Beihülfe im Stande seyn werden, die Welt auch fernerhin vor der Rückkehr jener Unruhen, die sie nur zu oft in Kummer versetzt haben, zu bewahren, und den Nationen die Aufrechthaltung des allgemeinen Friedens durch den glücklichen Einklang aller Regierungen zu sichern."

Aus den Reden der Präsidenten beider Kammern und den Antworten des Königs werden mir morgen einige Auszüge nachliefern. Hr. Sauzet schilderte mit Wärme die Wohlthaten des Friedens. Der König nannte die revolutionären Leidenschaften die einzige Gefahr, die Frankreich noch zu drohen scheine. Beide Präsidenten rühmten die Großherzigkeit des letzten Gnadenacts, und sprachen mit Stolz von den Söhnen des Königs, die sich auf den Schlachtfeldern als die ächten Kinder Frankreichs bewährten, während des Königs Familienkreis nur ein Abbild sey seines ganzen väterlichen Regiments.

Die Audienzen in den Tuilerien fanden in der gewöhnlichen Reihenfolge statt. Die Officiere der Nationalgarde erschienen in nicht sehr großer Zahl. Unter den Mitgliedern der königlichen Familie bemerkte man auch die junge Herzogin von Nemours, eine schöne Blondine, von hohem Wuchs; ihr Vater und Bruder trugen eine sehr reiche Husarenuniform. Die Herzogin von Orleans war wegen Unpäßlichkeit abwesend. Um halb acht Uhr Abends erschien der König, umgeben von seiner

ertheilt, die Gesetzesbeamten der Krone nach Irland abzuordnen, um den dortigen öffentlichen Versammlungen beizuwohnen, und sofort gerichtliche Verfolgungen dagegen einzuleiten, so ist dieß ein Punkt, über den ich hier keine bestimmte Antwort geben kann.“ (Den Zeitungen zufolge wächst die Agitation in Irland täglich an Energie und Umfang, und allmählich nimmt der ganze liberale Adel daran Theil. Am 24 April war das große Meeting in Leinster, bei welchem mehrere tausend Personen, darunter gegen 600 von der „nobility and gentry“, anwesend waren; den Vorsitz führte der ehrenwerthe F. Ponsonby, der Hauptredner aber, wie natürlich, war wieder O'Connell. Als gegen Lord Stanley schmähendes Geschrei erschallte, suchte er es scheinbar mit den Worten zu beschwichtigen: „Lord Stanley möchte allerdings noch einmal den Tyrannen gegen Irland spielen, übrigens hat der edle Lord mit einem Nero so wenig, als mit einem Löwen gemein; er sucht nur tückisch zu verwunden, und darum will ich ihn fortan Scorpion-Stanley nennen.“ Unglücklicherweise ward in den letzten Tagen wieder ein irischer Grundherr, ein Hr. West von Mohill, meuchlings erschossen, was die Toryblätter nicht ermangeln mit O'Connells Agitation in Zusammenhang zu bringen.) Schließlich fragte Lord Strangford, ob die Regierung aus Frankreich die Anzeige erhalten habe, daß die französische Regierung neuerdings eine beträchtliche Verstärkung nach Buenos-Ayres abzusenden beabsichtige. Lord Melbourne verneinte die Frage.

Trotz der nicht ganz günstigen Nachrichten, welche Lord Palmerston vom Continent erhalten hat, und die ihn in die Lage setzen fast allein handeln zu müssen, wenn er etwas Weiteres gegen Mehemed Ali unternehmen will, scheint er dazu entschlossen. Er ist seines Erachtens zu weit gegangen, um zurücktreten zu können, und beabsichtigt daher, sobald die hier eingeleiteten Negociationen nicht seinen Ansichten gemäß beendigt werden sollten, eine Resolution im Parlament zu veranlassen, um kräftige Maaßregeln gegen Aegypten zu ergreifen. Ob er dabei die Majorität für sich erlangen wird, ist zweifelhaft. Vom Continent zeigte man Lord Palmerston an, daß nach den gemachten Erfahrungen es sehr zu wünschen sey, die größte Vorsicht in der orientalischen Angelegenheit zu beobachten, damit das Uebel nicht vergrößert werde, das bereits bedeutend herangewachsen, und das zu unterdrücken die Kräfte der Mächte kaum mehr ausreichen, besonders wenn sie fortfahren Beweise von Uneinigkeit zu geben. Man erklärt sich bereit Alles aufzubieten, damit Einigkeit wenigstens unter den vier der Pforte vollkommen zugethanen Regierungen herrsche und so etwas Ernstes zu ihren Gunsten geschehen könne. Allein dieß schließe keine effective Mitwirkung in sich, wenn England für nöthig erachte Gewalt zu gebrauchen, sondern könne nur als moralische Beihülfe gelten, was manchmal besser und wirksamer sey als die Anwendung militärischer Unterstützung auf einem kleinen, wenig bedeutenden Fuß. Lord Palmerston scheint dieß für den Augenblick zu genügen, obgleich er gewünscht hätte eine kräftigere Sprache zu vernehmen. Er wird daher, bis er zu einer bessern Ueberzeugung gelangt, sich voranstellen und, wie gesagt, die Zustimmung des Parlaments dabei ansprechen; er wird aber auch wohl erst noch in Paris zuzuhören haben, um sich zu überzeugen, wie es eigentlich mit Thiers stehe, ob der einen ruhigen Beobachter abgeben will, wenn wir den Pascha von Aegypten bedrängen, oder sich verpflichtet glaubt dagegen Einsprache zu thun, was dann allerdings sehr mißlich wäre und den Unternehmungsgeist des Lords stark abkühlen müßte, weil dann die Sachen weiter gehen könnten, als er jetzt wähnt. Etwas Anderes ist es, mit Mehemed Ali allein zu thun zu haben als ihn an eine große Macht gelehnt zu wissen, wie es auch etwas anderes ist, den König von Neapel zu bekriegen als demselben Unterstützung und zwar kräftige Unterstützung von außen zugeführt zu sehen, sobald er aufs Aeußerste getrieben den Boden unter sich wanken fühlen sollte. Lord Palmerston thäte daher gut sich mehr Ruhe anzugewöhnen und die Folgen besser zu berechnen, die ihn überall erwarten, wenn er ohne Noth an verschiedenen Punkten zugleich die Kriegsflagge aufsteckt, denn so mächtig auch England ist, so möchte es doch keinen großen Gefallen daran finden, sich mit der halben Welt zu überwerfen.

Frankreich.

Am 1 Mai empfing der König aus Anlaß seines Namensfestes im Thronsaale um 11 Uhr die Minister, die Marschälle; um 12 Uhr die großen Deputationen der Pairs- und Deputirtenkammer, des Cassationshofs, des Instituts von Frankreich u. s. w.; um 4 Uhr das diplomatische Corps. Graf v. Appony hielt in dessen Namen folgende Anrede: „Das diplomatische Corps hat die Ehre, Ew. Maj. seine ehrfurchtsvollen Glückwünsche darzubringen, die Ihrem und dem Glück Ihrer erlauchten Familie, der Ruhe und der Wohlfahrt Frankreichs geweiht sind. Diesen Wünschen fügen wir heute noch insbesondere diejenigen bei, welche das von dem zweiten Sohne Ew. Maj. geknüpfte Band betreffen. Als Quelle des Glücks für die Zukunft dieses Prinzen werden Sie, Sire, daraus neue Gründe der Freude und Zufriedenheit schöpfen, und indem die Vorsehung zugleich Ihre Bemühungen zur Aufrechthaltung der Ordnung und des Friedens segnet, erfüllt sie alle Ihre Wünsche als Vater und als König.“ Der König antwortete: „Gewohnt, wie ich es bin, von dem diplomatischen Corps so hochschätzbare Wünsche für das Glück meiner Familie, so wie für die Fortdauer der Ruhe und der Wohlfahrt, deren sich Frankreich gegenwärtig erfreut, zu empfangen, ist es mir ein wahres Vergnügen Ihnen meinen Dank bezeugen zu können für diejenigen, die Sie mir aus Anlaß der Vermählung meines zweiten Sohnes ausgedrückt haben. Ich hoffe mit Ihnen, daß die Vorsehung dieses meinem Herzen so theure Band segnen werde, und hege das Vertrauen, daß wir unter Gottes Beihülfe im Stande seyn werden, die Welt auch fernerhin vor der Rückkehr jener Unruhen, die sie nur zu oft in Kummer versetzt haben, zu bewahren, und den Nationen die Aufrechthaltung des allgemeinen Friedens durch den glücklichen Einklang aller Regierungen zu sichern.“

Aus den Reden der Präsidenten beider Kammern und den Antworten des Königs werden mir morgen einige Auszüge nachliefern. Hr. Sauzet schilderte mit Wärme die Wohlthaten des Friedens. Der König nannte die revolutionären Leidenschaften die einzige Gefahr, die Frankreich noch zu drohen scheine. Beide Präsidenten rühmten die Großherzigkeit des letzten Gnadenacts, und sprachen mit Stolz von den Söhnen des Königs, die sich auf den Schlachtfeldern als die ächten Kinder Frankreichs bewährten, während des Königs Familienkreis nur ein Abbild sey seines ganzen väterlichen Regiments.

Die Audienzen in den Tuilerien fanden in der gewöhnlichen Reihenfolge statt. Die Officiere der Nationalgarde erschienen in nicht sehr großer Zahl. Unter den Mitgliedern der königlichen Familie bemerkte man auch die junge Herzogin von Nemours, eine schöne Blondine, von hohem Wuchs; ihr Vater und Bruder trugen eine sehr reiche Husarenuniform. Die Herzogin von Orleans war wegen Unpäßlichkeit abwesend. Um halb acht Uhr Abends erschien der König, umgeben von seiner

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[1018/0002] ertheilt, die Gesetzesbeamten der Krone nach Irland abzuordnen, um den dortigen öffentlichen Versammlungen beizuwohnen, und sofort gerichtliche Verfolgungen dagegen einzuleiten, so ist dieß ein Punkt, über den ich hier keine bestimmte Antwort geben kann.“ (Den Zeitungen zufolge wächst die Agitation in Irland täglich an Energie und Umfang, und allmählich nimmt der ganze liberale Adel daran Theil. Am 24 April war das große Meeting in Leinster, bei welchem mehrere tausend Personen, darunter gegen 600 von der „nobility and gentry“, anwesend waren; den Vorsitz führte der ehrenwerthe F. Ponsonby, der Hauptredner aber, wie natürlich, war wieder O'Connell. Als gegen Lord Stanley schmähendes Geschrei erschallte, suchte er es scheinbar mit den Worten zu beschwichtigen: „Lord Stanley möchte allerdings noch einmal den Tyrannen gegen Irland spielen, übrigens hat der edle Lord mit einem Nero so wenig, als mit einem Löwen gemein; er sucht nur tückisch zu verwunden, und darum will ich ihn fortan Scorpion-Stanley nennen.“ Unglücklicherweise ward in den letzten Tagen wieder ein irischer Grundherr, ein Hr. West von Mohill, meuchlings erschossen, was die Toryblätter nicht ermangeln mit O'Connells Agitation in Zusammenhang zu bringen.) Schließlich fragte Lord Strangford, ob die Regierung aus Frankreich die Anzeige erhalten habe, daß die französische Regierung neuerdings eine beträchtliche Verstärkung nach Buenos-Ayres abzusenden beabsichtige. Lord Melbourne verneinte die Frage. _ London, 28 April. Trotz der nicht ganz günstigen Nachrichten, welche Lord Palmerston vom Continent erhalten hat, und die ihn in die Lage setzen fast allein handeln zu müssen, wenn er etwas Weiteres gegen Mehemed Ali unternehmen will, scheint er dazu entschlossen. Er ist seines Erachtens zu weit gegangen, um zurücktreten zu können, und beabsichtigt daher, sobald die hier eingeleiteten Negociationen nicht seinen Ansichten gemäß beendigt werden sollten, eine Resolution im Parlament zu veranlassen, um kräftige Maaßregeln gegen Aegypten zu ergreifen. Ob er dabei die Majorität für sich erlangen wird, ist zweifelhaft. Vom Continent zeigte man Lord Palmerston an, daß nach den gemachten Erfahrungen es sehr zu wünschen sey, die größte Vorsicht in der orientalischen Angelegenheit zu beobachten, damit das Uebel nicht vergrößert werde, das bereits bedeutend herangewachsen, und das zu unterdrücken die Kräfte der Mächte kaum mehr ausreichen, besonders wenn sie fortfahren Beweise von Uneinigkeit zu geben. Man erklärt sich bereit Alles aufzubieten, damit Einigkeit wenigstens unter den vier der Pforte vollkommen zugethanen Regierungen herrsche und so etwas Ernstes zu ihren Gunsten geschehen könne. Allein dieß schließe keine effective Mitwirkung in sich, wenn England für nöthig erachte Gewalt zu gebrauchen, sondern könne nur als moralische Beihülfe gelten, was manchmal besser und wirksamer sey als die Anwendung militärischer Unterstützung auf einem kleinen, wenig bedeutenden Fuß. Lord Palmerston scheint dieß für den Augenblick zu genügen, obgleich er gewünscht hätte eine kräftigere Sprache zu vernehmen. Er wird daher, bis er zu einer bessern Ueberzeugung gelangt, sich voranstellen und, wie gesagt, die Zustimmung des Parlaments dabei ansprechen; er wird aber auch wohl erst noch in Paris zuzuhören haben, um sich zu überzeugen, wie es eigentlich mit Thiers stehe, ob der einen ruhigen Beobachter abgeben will, wenn wir den Pascha von Aegypten bedrängen, oder sich verpflichtet glaubt dagegen Einsprache zu thun, was dann allerdings sehr mißlich wäre und den Unternehmungsgeist des Lords stark abkühlen müßte, weil dann die Sachen weiter gehen könnten, als er jetzt wähnt. Etwas Anderes ist es, mit Mehemed Ali allein zu thun zu haben als ihn an eine große Macht gelehnt zu wissen, wie es auch etwas anderes ist, den König von Neapel zu bekriegen als demselben Unterstützung und zwar kräftige Unterstützung von außen zugeführt zu sehen, sobald er aufs Aeußerste getrieben den Boden unter sich wanken fühlen sollte. Lord Palmerston thäte daher gut sich mehr Ruhe anzugewöhnen und die Folgen besser zu berechnen, die ihn überall erwarten, wenn er ohne Noth an verschiedenen Punkten zugleich die Kriegsflagge aufsteckt, denn so mächtig auch England ist, so möchte es doch keinen großen Gefallen daran finden, sich mit der halben Welt zu überwerfen. Frankreich. _ Paris, 2 Mai. Am 1 Mai empfing der König aus Anlaß seines Namensfestes im Thronsaale um 11 Uhr die Minister, die Marschälle; um 12 Uhr die großen Deputationen der Pairs- und Deputirtenkammer, des Cassationshofs, des Instituts von Frankreich u. s. w.; um 4 Uhr das diplomatische Corps. Graf v. Appony hielt in dessen Namen folgende Anrede: „Das diplomatische Corps hat die Ehre, Ew. Maj. seine ehrfurchtsvollen Glückwünsche darzubringen, die Ihrem und dem Glück Ihrer erlauchten Familie, der Ruhe und der Wohlfahrt Frankreichs geweiht sind. Diesen Wünschen fügen wir heute noch insbesondere diejenigen bei, welche das von dem zweiten Sohne Ew. Maj. geknüpfte Band betreffen. Als Quelle des Glücks für die Zukunft dieses Prinzen werden Sie, Sire, daraus neue Gründe der Freude und Zufriedenheit schöpfen, und indem die Vorsehung zugleich Ihre Bemühungen zur Aufrechthaltung der Ordnung und des Friedens segnet, erfüllt sie alle Ihre Wünsche als Vater und als König.“ Der König antwortete: „Gewohnt, wie ich es bin, von dem diplomatischen Corps so hochschätzbare Wünsche für das Glück meiner Familie, so wie für die Fortdauer der Ruhe und der Wohlfahrt, deren sich Frankreich gegenwärtig erfreut, zu empfangen, ist es mir ein wahres Vergnügen Ihnen meinen Dank bezeugen zu können für diejenigen, die Sie mir aus Anlaß der Vermählung meines zweiten Sohnes ausgedrückt haben. Ich hoffe mit Ihnen, daß die Vorsehung dieses meinem Herzen so theure Band segnen werde, und hege das Vertrauen, daß wir unter Gottes Beihülfe im Stande seyn werden, die Welt auch fernerhin vor der Rückkehr jener Unruhen, die sie nur zu oft in Kummer versetzt haben, zu bewahren, und den Nationen die Aufrechthaltung des allgemeinen Friedens durch den glücklichen Einklang aller Regierungen zu sichern.“ Aus den Reden der Präsidenten beider Kammern und den Antworten des Königs werden mir morgen einige Auszüge nachliefern. Hr. Sauzet schilderte mit Wärme die Wohlthaten des Friedens. Der König nannte die revolutionären Leidenschaften die einzige Gefahr, die Frankreich noch zu drohen scheine. Beide Präsidenten rühmten die Großherzigkeit des letzten Gnadenacts, und sprachen mit Stolz von den Söhnen des Königs, die sich auf den Schlachtfeldern als die ächten Kinder Frankreichs bewährten, während des Königs Familienkreis nur ein Abbild sey seines ganzen väterlichen Regiments. Die Audienzen in den Tuilerien fanden in der gewöhnlichen Reihenfolge statt. Die Officiere der Nationalgarde erschienen in nicht sehr großer Zahl. Unter den Mitgliedern der königlichen Familie bemerkte man auch die junge Herzogin von Nemours, eine schöne Blondine, von hohem Wuchs; ihr Vater und Bruder trugen eine sehr reiche Husarenuniform. Die Herzogin von Orleans war wegen Unpäßlichkeit abwesend. Um halb acht Uhr Abends erschien der König, umgeben von seiner

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 128. Augsburg, 7. Mai 1840, S. 1018. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_128_18400507/2>, abgerufen am 21.11.2024.