Allgemeine Zeitung. Nr. 128. Augsburg, 7. Mai 1840.bedarf, um uns eine glückliche Ernte zu bringen; um die königliche Wohnung und auf dem stolzen Quai der Seine Freudenfeuer und Freudenbeleuchtung, glänzendes Feuerwerk zur Lust, während in den Provinzen, an den verschiedensten Punkten die schrecklichste, wildeste Flamme der Zerstörung und selbst der boshaften Brandlegung wüthet; hier ein festlicher Brautzug und die lange Folge einer reich geschmückten Dienerschaft in den buntesten Farben, dort der schwarze, schmerzliche Gang nach der letzten Ruhestätte: eine Menge Volkes, eine Menge ausgezeichneter Gelehrten und Staatsmänner folgen der Bahre. Wessen ist die Leiche, die man hier bestattet? Achtung vor ihr, sie gehört der Familie der Galilei, der Newton, der Laplace und Fourrier an - Poisson, Pair von Frankreich, Mitglied der Akademie der mathematischen und physikalischen Wissenschaften, Mitglied des Oberstudienrathes, des Längenbureau's, Decan der Facultät der mathematischen und physikalischen Wissenschaften empfängt in diesem Augenblick auf dem Gottesacker des Pere Lachaise den Nachruf seiner Freunde und Verehrer. Er war ein berühmter Meister der Geometrie, und alles, was der Mathematik sich annäherte, gehörte in sein Bereich; nicht ohne Rührung konnte man um sein Grab die polytechnische und die Normalschule in Masse geschaart sehen, ihre Directoren und das ganze Lehrerpersonal an der Spitze. Welche größere Ehre kann dem Manne, dem Staatsbürger, dem Gelehrten blühen, als von den beiden Pflanzschulen des höchsten kriegerischen und wissenschaftlichen Verdienstes als ein unersetzlicher Verlust beweint zu werden? Vier Redner haben vor dem Grabe gesprochen, unter ihnen Arago und der Minister des öffentlichen Unterrichts. Der Leiche Poissons folgt in kürzestem Zwischenraume die von Robiquet, gleichfalls von der Akademie der mathematischen und physikalischen Wissenschaften, außerdem von jener der Medicin, und einer der ausgezeichnetsten Chemiker der neuern Zeit. - Von dem eigentlichen Feste gestern habe ich Ihnen nichts zu melden, was aus dem hergebrachten Programme dieser Feierlichkeit herausträte. Der Himmel selbst hat den schönsten Beitrag dazu geliefert; das Blau über uns erinnert an die italienische Atmosphäre, und unsere Wetterpropheten sind in einer komischen Verblüffung; was soll das werden, wenn die Sonne im April schon solche Freiheiten sich erlaubt. Der Revolutionsplatz, bei Festen wie das gestrige, bleibt immer ein Ort, der wohl in der ganzen Welt seines gleichen nicht hat. Ueber dem herrlichen, großartigen Baumplatze der Tuilerien das glänzende Fuerwerk, zwischen den in gestäubtem Krystall auffahrenden neuen Fontainen der ägyptische Obelisk, gegenüber dem Bourbonischen Schlosse der Tuilerien der kaiserliche Triumphbogen, der in einer gasbeleuchteten aufsteigenden Perspective dem Auge wie ein willkommener Ruhepunkt erscheint; gegenüber dem Deputirtenpalaste, der sich hinter seine Baugerüste wie ein unenthülltes Räthsel versteckt, die Madelaine, die in einem Meere von Lichtern mit ihren classischen Säulengängen in heidnischer Schönheit alles Andere überstrahlte; man konnte einen Augenblick an sich selbst, an der Zeit und dem Lande irre werden. Und was zu der tiefen Wirkung dieses Moments nicht wenig beitrug, war der ganz außerordentliche Eifer, die unablässige Folge, mit welcher die alten Gesellen im Invalidenhause ihre donnernden Kanonen lösten. Um mich herum war darüber ein wahrer Enthusiasmus. On entend bien, sagte eine hübsche junge Frau, qu'il leur reste encore un bras! Das künstliche Feuer von gestern Abend ist erloschen, aber der Himmel hat heute, wie gestern, sein großes, helles Licht angezündet, das mit wolkenloser Klarheit über uns leuchtet, und aller möglichen Wetteränderung zu trotzen scheint. Paris, 2 Mai. Die neapolitanische Regierung hat die Vermittelung Frankreichs in ihrem Zwiste mit England angenommen. Diese Antwort ist den in den letzten Tagen hier gehegten Erwartungen entgegen, die sich sowohl auf die in meinem Briefe von vorgestern enthaltenen Umstände, als auf das weniger gute Vernehmen stützten, das bis zur Ankunft des Hrn. v. Serra Capriola zwischen beiden Höfen bestand, dann auf die freundschaftlichen Verhältnisse Neapels mit einer verwandten großen Macht, endlich auf den Umstand, daß die Schwefelcompagnie aus französischen Unterthanen besteht, deren Rechte vorab zu wahren die hiesige Regierung sich verpflichtet erachten möchte. Nunmehr will man wissen, Hr. Thiers meine es mit Neapel nicht aufrichtig, und trachte dahin, England, dessen Einverständniß mit Frankreich ihm vor Allem am Herzen liege, zu begünstigen: man folgert diese Absicht des Conseilspräsidenten aus den Aufsätzen in den ihm ergebenen Blättern, namentlich dem Constitutionnel und dem Courrier francais. Ersterer stellt die Behauptung auf, der Vertrag mit Hrn. Taix und Compagnie (oder vielmehr Hrn. Laffitte) stelle ein Monopol auf, welches nicht allein dem englischen Handel, sondern auch den übrigen französischen Kaufleuten Nachtheil bringe. Der Courrier will sogar den Vorschlag genau kennen, den Hr. Thiers der neapolitanischen Regierung machen wird, und zwar 1) Aufhebung des Monopols, 2) Entschädigung für Hrn. Taix und Compagnie (was nie streitig war), so wie Entschädigung für den Nachtheil, den das Monopol dem englischen Handel zugefügt habe. Das Capitol und das Commerce ergreifen die Partei Neapels, und behaupten, der Vertrag constituire kein Monopol, sondern bloß einen Ausfuhrzoll von 20 Carlin (10 Fr. 75 Cent.) auf jeden Cantaro (metriischen Centner) Schwefel, zum Vortheil der neapolitanischen Regierung: diese sey unbestreitbar befugt, den Zoll aufzulegen. Uebrigens habe Niemand durch den Vertrag Nachtheil gelitten, die englischen Speculanten insbesondere hätten durch das erfolgte Steigen des Schwefels über 8 Millionen gewonnen. Diese letztere Ansicht ist heute die der Mehrheit der Kaufleute und Staatsmänner, und Hr. Thiers würde sich irren, wenn er glaubte, die im Constitutionnel und Courrier ausgesprochene Meinung fände allgemeinen Anklang. - Es ist vielfältig die Rede von einem bevorstehenden Bruch zwischen England und den Vereinigten Staaten; ersteres, sagt man, betrachte die Handelskrisis und die Zwistigkeiten der Parteien in den Vereinigten Staaten, deren Krieg mit den Indianern und ihren Mangel an regulären Truppen als eine günstige Gelegenheit mit seinen kriegsgewohnten Truppen den Gränzstreit zu schlichten, und sich den streitigen Landstrich definitiv zuzueignen. Die Gegner der Sklaverei sehen in einem solchen Kriege ein ihrem System vortheilhaftes Ereigniß, indem England eines oder mehrere seiner Negerregimenter aus den Antillen in die Sklavenstaaten überführen, und die ganze Negerbevölkerung derselben aufregen könnte. - Hr. Dupont de l'Cure hat noch immer das ihm angetragene Amt eines Rathes am Cassationshof nicht angenommen; er hat sich einige Bedenkzeit genommen, die er auf dem Lande zubringt; für den Fall seiner definitiven Weigerung ist die Rede von Hr. Teste, dem Siegelbewahrer des Ministeriums vom 12 Mai. - Heute ernennt die Kammer in den Bureaux die Commission zur Prüfung der Motion des Hrn. v. Remilly. Paris, 30 April. Die von Frankreich dem englischen Cabinet in dem Schwefelstreit angetragene Vermittelung ward zwar in London angenommen, die Modificationen inzwischen, unter denen es geschah, scheinen die Wirksamkeit dieser Vermittelung paralysiren zu müssen. England erklärte nämlich, bedarf, um uns eine glückliche Ernte zu bringen; um die königliche Wohnung und auf dem stolzen Quai der Seine Freudenfeuer und Freudenbeleuchtung, glänzendes Feuerwerk zur Lust, während in den Provinzen, an den verschiedensten Punkten die schrecklichste, wildeste Flamme der Zerstörung und selbst der boshaften Brandlegung wüthet; hier ein festlicher Brautzug und die lange Folge einer reich geschmückten Dienerschaft in den buntesten Farben, dort der schwarze, schmerzliche Gang nach der letzten Ruhestätte: eine Menge Volkes, eine Menge ausgezeichneter Gelehrten und Staatsmänner folgen der Bahre. Wessen ist die Leiche, die man hier bestattet? Achtung vor ihr, sie gehört der Familie der Galilei, der Newton, der Laplace und Fourrier an – Poisson, Pair von Frankreich, Mitglied der Akademie der mathematischen und physikalischen Wissenschaften, Mitglied des Oberstudienrathes, des Längenbureau's, Decan der Facultät der mathematischen und physikalischen Wissenschaften empfängt in diesem Augenblick auf dem Gottesacker des Pere Lachaise den Nachruf seiner Freunde und Verehrer. Er war ein berühmter Meister der Geometrie, und alles, was der Mathematik sich annäherte, gehörte in sein Bereich; nicht ohne Rührung konnte man um sein Grab die polytechnische und die Normalschule in Masse geschaart sehen, ihre Directoren und das ganze Lehrerpersonal an der Spitze. Welche größere Ehre kann dem Manne, dem Staatsbürger, dem Gelehrten blühen, als von den beiden Pflanzschulen des höchsten kriegerischen und wissenschaftlichen Verdienstes als ein unersetzlicher Verlust beweint zu werden? Vier Redner haben vor dem Grabe gesprochen, unter ihnen Arago und der Minister des öffentlichen Unterrichts. Der Leiche Poissons folgt in kürzestem Zwischenraume die von Robiquet, gleichfalls von der Akademie der mathematischen und physikalischen Wissenschaften, außerdem von jener der Medicin, und einer der ausgezeichnetsten Chemiker der neuern Zeit. – Von dem eigentlichen Feste gestern habe ich Ihnen nichts zu melden, was aus dem hergebrachten Programme dieser Feierlichkeit herausträte. Der Himmel selbst hat den schönsten Beitrag dazu geliefert; das Blau über uns erinnert an die italienische Atmosphäre, und unsere Wetterpropheten sind in einer komischen Verblüffung; was soll das werden, wenn die Sonne im April schon solche Freiheiten sich erlaubt. Der Revolutionsplatz, bei Festen wie das gestrige, bleibt immer ein Ort, der wohl in der ganzen Welt seines gleichen nicht hat. Ueber dem herrlichen, großartigen Baumplatze der Tuilerien das glänzende Fuerwerk, zwischen den in gestäubtem Krystall auffahrenden neuen Fontainen der ägyptische Obelisk, gegenüber dem Bourbonischen Schlosse der Tuilerien der kaiserliche Triumphbogen, der in einer gasbeleuchteten aufsteigenden Perspective dem Auge wie ein willkommener Ruhepunkt erscheint; gegenüber dem Deputirtenpalaste, der sich hinter seine Baugerüste wie ein unenthülltes Räthsel versteckt, die Madelaine, die in einem Meere von Lichtern mit ihren classischen Säulengängen in heidnischer Schönheit alles Andere überstrahlte; man konnte einen Augenblick an sich selbst, an der Zeit und dem Lande irre werden. Und was zu der tiefen Wirkung dieses Moments nicht wenig beitrug, war der ganz außerordentliche Eifer, die unablässige Folge, mit welcher die alten Gesellen im Invalidenhause ihre donnernden Kanonen lösten. Um mich herum war darüber ein wahrer Enthusiasmus. On entend bien, sagte eine hübsche junge Frau, qu'il leur reste encore un bras! Das künstliche Feuer von gestern Abend ist erloschen, aber der Himmel hat heute, wie gestern, sein großes, helles Licht angezündet, das mit wolkenloser Klarheit über uns leuchtet, und aller möglichen Wetteränderung zu trotzen scheint. Paris, 2 Mai. Die neapolitanische Regierung hat die Vermittelung Frankreichs in ihrem Zwiste mit England angenommen. Diese Antwort ist den in den letzten Tagen hier gehegten Erwartungen entgegen, die sich sowohl auf die in meinem Briefe von vorgestern enthaltenen Umstände, als auf das weniger gute Vernehmen stützten, das bis zur Ankunft des Hrn. v. Serra Capriola zwischen beiden Höfen bestand, dann auf die freundschaftlichen Verhältnisse Neapels mit einer verwandten großen Macht, endlich auf den Umstand, daß die Schwefelcompagnie aus französischen Unterthanen besteht, deren Rechte vorab zu wahren die hiesige Regierung sich verpflichtet erachten möchte. Nunmehr will man wissen, Hr. Thiers meine es mit Neapel nicht aufrichtig, und trachte dahin, England, dessen Einverständniß mit Frankreich ihm vor Allem am Herzen liege, zu begünstigen: man folgert diese Absicht des Conseilspräsidenten aus den Aufsätzen in den ihm ergebenen Blättern, namentlich dem Constitutionnel und dem Courrier français. Ersterer stellt die Behauptung auf, der Vertrag mit Hrn. Taix und Compagnie (oder vielmehr Hrn. Laffitte) stelle ein Monopol auf, welches nicht allein dem englischen Handel, sondern auch den übrigen französischen Kaufleuten Nachtheil bringe. Der Courrier will sogar den Vorschlag genau kennen, den Hr. Thiers der neapolitanischen Regierung machen wird, und zwar 1) Aufhebung des Monopols, 2) Entschädigung für Hrn. Taix und Compagnie (was nie streitig war), so wie Entschädigung für den Nachtheil, den das Monopol dem englischen Handel zugefügt habe. Das Capitol und das Commerce ergreifen die Partei Neapels, und behaupten, der Vertrag constituire kein Monopol, sondern bloß einen Ausfuhrzoll von 20 Carlin (10 Fr. 75 Cent.) auf jeden Cantaro (metriischen Centner) Schwefel, zum Vortheil der neapolitanischen Regierung: diese sey unbestreitbar befugt, den Zoll aufzulegen. Uebrigens habe Niemand durch den Vertrag Nachtheil gelitten, die englischen Speculanten insbesondere hätten durch das erfolgte Steigen des Schwefels über 8 Millionen gewonnen. Diese letztere Ansicht ist heute die der Mehrheit der Kaufleute und Staatsmänner, und Hr. Thiers würde sich irren, wenn er glaubte, die im Constitutionnel und Courrier ausgesprochene Meinung fände allgemeinen Anklang. – Es ist vielfältig die Rede von einem bevorstehenden Bruch zwischen England und den Vereinigten Staaten; ersteres, sagt man, betrachte die Handelskrisis und die Zwistigkeiten der Parteien in den Vereinigten Staaten, deren Krieg mit den Indianern und ihren Mangel an regulären Truppen als eine günstige Gelegenheit mit seinen kriegsgewohnten Truppen den Gränzstreit zu schlichten, und sich den streitigen Landstrich definitiv zuzueignen. Die Gegner der Sklaverei sehen in einem solchen Kriege ein ihrem System vortheilhaftes Ereigniß, indem England eines oder mehrere seiner Negerregimenter aus den Antillen in die Sklavenstaaten überführen, und die ganze Negerbevölkerung derselben aufregen könnte. – Hr. Dupont de l'Cure hat noch immer das ihm angetragene Amt eines Rathes am Cassationshof nicht angenommen; er hat sich einige Bedenkzeit genommen, die er auf dem Lande zubringt; für den Fall seiner definitiven Weigerung ist die Rede von Hr. Teste, dem Siegelbewahrer des Ministeriums vom 12 Mai. – Heute ernennt die Kammer in den Bureaux die Commission zur Prüfung der Motion des Hrn. v. Rémilly. Paris, 30 April. Die von Frankreich dem englischen Cabinet in dem Schwefelstreit angetragene Vermittelung ward zwar in London angenommen, die Modificationen inzwischen, unter denen es geschah, scheinen die Wirksamkeit dieser Vermittelung paralysiren zu müssen. England erklärte nämlich, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="1020"/> bedarf, um uns eine glückliche Ernte zu bringen; um die königliche Wohnung und auf dem stolzen Quai der Seine Freudenfeuer und Freudenbeleuchtung, glänzendes Feuerwerk zur Lust, während in den Provinzen, an den verschiedensten Punkten die schrecklichste, wildeste Flamme der Zerstörung und selbst der boshaften Brandlegung wüthet; hier ein festlicher Brautzug und die lange Folge einer reich geschmückten Dienerschaft in den buntesten Farben, dort der schwarze, schmerzliche Gang nach der letzten Ruhestätte: eine Menge Volkes, eine Menge ausgezeichneter Gelehrten und Staatsmänner folgen der Bahre. Wessen ist die Leiche, die man hier bestattet? Achtung vor ihr, sie gehört der Familie der Galilei, der Newton, der Laplace und Fourrier an – Poisson, Pair von Frankreich, Mitglied der Akademie der mathematischen und physikalischen Wissenschaften, Mitglied des Oberstudienrathes, des Längenbureau's, Decan der Facultät der mathematischen und physikalischen Wissenschaften empfängt in diesem Augenblick auf dem Gottesacker des Pere Lachaise den Nachruf seiner Freunde und Verehrer. Er war ein berühmter Meister der Geometrie, und alles, was der Mathematik sich annäherte, gehörte in sein Bereich; nicht ohne Rührung konnte man um sein Grab die polytechnische und die Normalschule in Masse geschaart sehen, ihre Directoren und das ganze Lehrerpersonal an der Spitze. Welche größere Ehre kann dem Manne, dem Staatsbürger, dem Gelehrten blühen, als von den beiden Pflanzschulen des höchsten kriegerischen und wissenschaftlichen Verdienstes als ein unersetzlicher Verlust beweint zu werden? Vier Redner haben vor dem Grabe gesprochen, unter ihnen Arago und der Minister des öffentlichen Unterrichts. Der Leiche Poissons folgt in kürzestem Zwischenraume die von Robiquet, gleichfalls von der Akademie der mathematischen und physikalischen Wissenschaften, außerdem von jener der Medicin, und einer der ausgezeichnetsten Chemiker der neuern Zeit. – Von dem eigentlichen Feste gestern habe ich Ihnen nichts zu melden, was aus dem hergebrachten Programme dieser Feierlichkeit herausträte. Der Himmel selbst hat den schönsten Beitrag dazu geliefert; das Blau über uns erinnert an die italienische Atmosphäre, und unsere Wetterpropheten sind in einer komischen Verblüffung; was soll das werden, wenn die Sonne im April schon solche Freiheiten sich erlaubt. Der Revolutionsplatz, bei Festen wie das gestrige, bleibt immer ein Ort, der wohl in der ganzen Welt seines gleichen nicht hat. Ueber dem herrlichen, großartigen Baumplatze der Tuilerien das glänzende Fuerwerk, zwischen den in gestäubtem Krystall auffahrenden neuen Fontainen der ägyptische Obelisk, gegenüber dem Bourbonischen Schlosse der Tuilerien der kaiserliche Triumphbogen, der in einer gasbeleuchteten aufsteigenden Perspective dem Auge wie ein willkommener Ruhepunkt erscheint; gegenüber dem Deputirtenpalaste, der sich hinter seine Baugerüste wie ein unenthülltes Räthsel versteckt, die Madelaine, die in einem Meere von Lichtern mit ihren classischen Säulengängen in heidnischer Schönheit alles Andere überstrahlte; man konnte einen Augenblick an sich selbst, an der Zeit und dem Lande irre werden. Und was zu der tiefen Wirkung dieses Moments nicht wenig beitrug, war der ganz außerordentliche Eifer, die unablässige Folge, mit welcher die alten Gesellen im Invalidenhause ihre donnernden Kanonen lösten. Um mich herum war darüber ein wahrer Enthusiasmus. On entend bien, sagte eine hübsche junge Frau, qu'il leur reste encore un bras! Das künstliche Feuer von gestern Abend ist erloschen, aber der Himmel hat heute, wie gestern, sein großes, helles Licht angezündet, das mit wolkenloser Klarheit über uns leuchtet, und aller möglichen Wetteränderung zu trotzen scheint.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 2 Mai.</dateline> <p> Die neapolitanische Regierung hat die Vermittelung Frankreichs in ihrem Zwiste mit England angenommen. Diese Antwort ist den in den letzten Tagen hier gehegten Erwartungen entgegen, die sich sowohl auf die in meinem Briefe von vorgestern enthaltenen Umstände, als auf das weniger gute Vernehmen stützten, das bis zur Ankunft des Hrn. v. Serra Capriola zwischen beiden Höfen bestand, dann auf die freundschaftlichen Verhältnisse Neapels mit einer verwandten großen Macht, endlich auf den Umstand, daß die Schwefelcompagnie aus französischen Unterthanen besteht, deren Rechte vorab zu wahren die hiesige Regierung sich verpflichtet erachten möchte. Nunmehr will man wissen, Hr. Thiers meine es mit Neapel nicht aufrichtig, und trachte dahin, England, dessen Einverständniß mit Frankreich ihm vor Allem am Herzen liege, zu begünstigen: man folgert diese Absicht des Conseilspräsidenten aus den Aufsätzen in den ihm ergebenen Blättern, namentlich dem <hi rendition="#g">Constitutionnel</hi> und dem <hi rendition="#g">Courrier français</hi>. Ersterer stellt die Behauptung auf, der Vertrag mit Hrn. Taix und Compagnie (oder vielmehr Hrn. Laffitte) stelle ein Monopol auf, welches nicht allein dem englischen Handel, sondern auch den übrigen französischen Kaufleuten Nachtheil bringe. Der <hi rendition="#g">Courrier</hi> will sogar den Vorschlag genau kennen, den Hr. Thiers der neapolitanischen Regierung machen wird, und zwar 1) Aufhebung des Monopols, 2) Entschädigung für Hrn. Taix und Compagnie (was nie streitig war), so wie Entschädigung für den Nachtheil, den das Monopol dem englischen Handel zugefügt habe. Das <hi rendition="#g">Capitol</hi> und das <hi rendition="#g">Commerce</hi> ergreifen die Partei Neapels, und behaupten, der Vertrag constituire kein Monopol, sondern bloß einen Ausfuhrzoll von 20 Carlin (10 Fr. 75 Cent.) auf jeden Cantaro (metriischen Centner) Schwefel, zum Vortheil der neapolitanischen Regierung: diese sey unbestreitbar befugt, den Zoll aufzulegen. Uebrigens habe Niemand durch den Vertrag Nachtheil gelitten, die englischen Speculanten insbesondere hätten durch das erfolgte Steigen des Schwefels über 8 Millionen gewonnen. Diese letztere Ansicht ist heute die der Mehrheit der Kaufleute und Staatsmänner, und Hr. Thiers würde sich irren, wenn er glaubte, die im Constitutionnel und Courrier ausgesprochene Meinung fände allgemeinen Anklang. – Es ist vielfältig die Rede von einem bevorstehenden Bruch zwischen England und den Vereinigten Staaten; ersteres, sagt man, betrachte die Handelskrisis und die Zwistigkeiten der Parteien in den Vereinigten Staaten, deren Krieg mit den Indianern und ihren Mangel an regulären Truppen als eine günstige Gelegenheit mit seinen kriegsgewohnten Truppen den Gränzstreit zu schlichten, und sich den streitigen Landstrich definitiv zuzueignen. Die Gegner der Sklaverei sehen in einem solchen Kriege ein ihrem System vortheilhaftes Ereigniß, indem England eines oder mehrere seiner Negerregimenter aus den Antillen in die Sklavenstaaten überführen, und die ganze Negerbevölkerung derselben aufregen könnte. – Hr. Dupont de l'Cure hat noch immer das ihm angetragene Amt eines Rathes am Cassationshof nicht angenommen; er hat sich einige Bedenkzeit genommen, die er auf dem Lande zubringt; für den Fall seiner definitiven Weigerung ist die Rede von Hr. Teste, dem Siegelbewahrer des Ministeriums vom 12 Mai. – Heute ernennt die Kammer in den Bureaux die Commission zur Prüfung der Motion des Hrn. v. Rémilly.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 30 April.</dateline> <p> Die von Frankreich dem englischen Cabinet in dem Schwefelstreit angetragene Vermittelung ward zwar in London angenommen, die Modificationen inzwischen, unter denen es geschah, scheinen die Wirksamkeit dieser Vermittelung paralysiren zu müssen. England erklärte nämlich,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1020/0004]
bedarf, um uns eine glückliche Ernte zu bringen; um die königliche Wohnung und auf dem stolzen Quai der Seine Freudenfeuer und Freudenbeleuchtung, glänzendes Feuerwerk zur Lust, während in den Provinzen, an den verschiedensten Punkten die schrecklichste, wildeste Flamme der Zerstörung und selbst der boshaften Brandlegung wüthet; hier ein festlicher Brautzug und die lange Folge einer reich geschmückten Dienerschaft in den buntesten Farben, dort der schwarze, schmerzliche Gang nach der letzten Ruhestätte: eine Menge Volkes, eine Menge ausgezeichneter Gelehrten und Staatsmänner folgen der Bahre. Wessen ist die Leiche, die man hier bestattet? Achtung vor ihr, sie gehört der Familie der Galilei, der Newton, der Laplace und Fourrier an – Poisson, Pair von Frankreich, Mitglied der Akademie der mathematischen und physikalischen Wissenschaften, Mitglied des Oberstudienrathes, des Längenbureau's, Decan der Facultät der mathematischen und physikalischen Wissenschaften empfängt in diesem Augenblick auf dem Gottesacker des Pere Lachaise den Nachruf seiner Freunde und Verehrer. Er war ein berühmter Meister der Geometrie, und alles, was der Mathematik sich annäherte, gehörte in sein Bereich; nicht ohne Rührung konnte man um sein Grab die polytechnische und die Normalschule in Masse geschaart sehen, ihre Directoren und das ganze Lehrerpersonal an der Spitze. Welche größere Ehre kann dem Manne, dem Staatsbürger, dem Gelehrten blühen, als von den beiden Pflanzschulen des höchsten kriegerischen und wissenschaftlichen Verdienstes als ein unersetzlicher Verlust beweint zu werden? Vier Redner haben vor dem Grabe gesprochen, unter ihnen Arago und der Minister des öffentlichen Unterrichts. Der Leiche Poissons folgt in kürzestem Zwischenraume die von Robiquet, gleichfalls von der Akademie der mathematischen und physikalischen Wissenschaften, außerdem von jener der Medicin, und einer der ausgezeichnetsten Chemiker der neuern Zeit. – Von dem eigentlichen Feste gestern habe ich Ihnen nichts zu melden, was aus dem hergebrachten Programme dieser Feierlichkeit herausträte. Der Himmel selbst hat den schönsten Beitrag dazu geliefert; das Blau über uns erinnert an die italienische Atmosphäre, und unsere Wetterpropheten sind in einer komischen Verblüffung; was soll das werden, wenn die Sonne im April schon solche Freiheiten sich erlaubt. Der Revolutionsplatz, bei Festen wie das gestrige, bleibt immer ein Ort, der wohl in der ganzen Welt seines gleichen nicht hat. Ueber dem herrlichen, großartigen Baumplatze der Tuilerien das glänzende Fuerwerk, zwischen den in gestäubtem Krystall auffahrenden neuen Fontainen der ägyptische Obelisk, gegenüber dem Bourbonischen Schlosse der Tuilerien der kaiserliche Triumphbogen, der in einer gasbeleuchteten aufsteigenden Perspective dem Auge wie ein willkommener Ruhepunkt erscheint; gegenüber dem Deputirtenpalaste, der sich hinter seine Baugerüste wie ein unenthülltes Räthsel versteckt, die Madelaine, die in einem Meere von Lichtern mit ihren classischen Säulengängen in heidnischer Schönheit alles Andere überstrahlte; man konnte einen Augenblick an sich selbst, an der Zeit und dem Lande irre werden. Und was zu der tiefen Wirkung dieses Moments nicht wenig beitrug, war der ganz außerordentliche Eifer, die unablässige Folge, mit welcher die alten Gesellen im Invalidenhause ihre donnernden Kanonen lösten. Um mich herum war darüber ein wahrer Enthusiasmus. On entend bien, sagte eine hübsche junge Frau, qu'il leur reste encore un bras! Das künstliche Feuer von gestern Abend ist erloschen, aber der Himmel hat heute, wie gestern, sein großes, helles Licht angezündet, das mit wolkenloser Klarheit über uns leuchtet, und aller möglichen Wetteränderung zu trotzen scheint.
_ Paris, 2 Mai. Die neapolitanische Regierung hat die Vermittelung Frankreichs in ihrem Zwiste mit England angenommen. Diese Antwort ist den in den letzten Tagen hier gehegten Erwartungen entgegen, die sich sowohl auf die in meinem Briefe von vorgestern enthaltenen Umstände, als auf das weniger gute Vernehmen stützten, das bis zur Ankunft des Hrn. v. Serra Capriola zwischen beiden Höfen bestand, dann auf die freundschaftlichen Verhältnisse Neapels mit einer verwandten großen Macht, endlich auf den Umstand, daß die Schwefelcompagnie aus französischen Unterthanen besteht, deren Rechte vorab zu wahren die hiesige Regierung sich verpflichtet erachten möchte. Nunmehr will man wissen, Hr. Thiers meine es mit Neapel nicht aufrichtig, und trachte dahin, England, dessen Einverständniß mit Frankreich ihm vor Allem am Herzen liege, zu begünstigen: man folgert diese Absicht des Conseilspräsidenten aus den Aufsätzen in den ihm ergebenen Blättern, namentlich dem Constitutionnel und dem Courrier français. Ersterer stellt die Behauptung auf, der Vertrag mit Hrn. Taix und Compagnie (oder vielmehr Hrn. Laffitte) stelle ein Monopol auf, welches nicht allein dem englischen Handel, sondern auch den übrigen französischen Kaufleuten Nachtheil bringe. Der Courrier will sogar den Vorschlag genau kennen, den Hr. Thiers der neapolitanischen Regierung machen wird, und zwar 1) Aufhebung des Monopols, 2) Entschädigung für Hrn. Taix und Compagnie (was nie streitig war), so wie Entschädigung für den Nachtheil, den das Monopol dem englischen Handel zugefügt habe. Das Capitol und das Commerce ergreifen die Partei Neapels, und behaupten, der Vertrag constituire kein Monopol, sondern bloß einen Ausfuhrzoll von 20 Carlin (10 Fr. 75 Cent.) auf jeden Cantaro (metriischen Centner) Schwefel, zum Vortheil der neapolitanischen Regierung: diese sey unbestreitbar befugt, den Zoll aufzulegen. Uebrigens habe Niemand durch den Vertrag Nachtheil gelitten, die englischen Speculanten insbesondere hätten durch das erfolgte Steigen des Schwefels über 8 Millionen gewonnen. Diese letztere Ansicht ist heute die der Mehrheit der Kaufleute und Staatsmänner, und Hr. Thiers würde sich irren, wenn er glaubte, die im Constitutionnel und Courrier ausgesprochene Meinung fände allgemeinen Anklang. – Es ist vielfältig die Rede von einem bevorstehenden Bruch zwischen England und den Vereinigten Staaten; ersteres, sagt man, betrachte die Handelskrisis und die Zwistigkeiten der Parteien in den Vereinigten Staaten, deren Krieg mit den Indianern und ihren Mangel an regulären Truppen als eine günstige Gelegenheit mit seinen kriegsgewohnten Truppen den Gränzstreit zu schlichten, und sich den streitigen Landstrich definitiv zuzueignen. Die Gegner der Sklaverei sehen in einem solchen Kriege ein ihrem System vortheilhaftes Ereigniß, indem England eines oder mehrere seiner Negerregimenter aus den Antillen in die Sklavenstaaten überführen, und die ganze Negerbevölkerung derselben aufregen könnte. – Hr. Dupont de l'Cure hat noch immer das ihm angetragene Amt eines Rathes am Cassationshof nicht angenommen; er hat sich einige Bedenkzeit genommen, die er auf dem Lande zubringt; für den Fall seiner definitiven Weigerung ist die Rede von Hr. Teste, dem Siegelbewahrer des Ministeriums vom 12 Mai. – Heute ernennt die Kammer in den Bureaux die Commission zur Prüfung der Motion des Hrn. v. Rémilly.
_ Paris, 30 April. Die von Frankreich dem englischen Cabinet in dem Schwefelstreit angetragene Vermittelung ward zwar in London angenommen, die Modificationen inzwischen, unter denen es geschah, scheinen die Wirksamkeit dieser Vermittelung paralysiren zu müssen. England erklärte nämlich,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |