Allgemeine Zeitung. Nr. 133. Augsburg, 12. Mai 1840.Begünstigung des einheimischen Zuckers entgehe dem Schatz jährlich eine Summe von 15 bis 20 Millionen. Der Grund, den man zur Vertheidigung der einheimischen Industrie angeführt habe, daß sie den Vorzug vor der Fabrication der Colonien verdiene, weil sie zweimal so viel Arme und Capitalien beschäftige, sey nicht haltbar, denn mit einem solchen System müßte man annehmen, daß eine andere Substanz, aus welcher der Zucker noch zweimal schwerer zu gewinnen wäre, als aus der Runkelrübe, vor dieser den Vorzug verdiente, weil sie zweimal so viele Arme und Capitalien beschäftigte. (Allgemeines Gelächter.) Offenbar sey im Gegentheil die beste Industrie jene, welche am meisten erzeuge mit der geringsten Mühe und den mindesten Kosten. Hr. Duvergier de Hauranne fand weit mehr Aufmerksamkeit, als seine Vorgänger. Aus der Gunst, mit der die Kammer seine Rede aufnahm, schließt ein Journal, daß das Amendement des Hrn. Dumont, welcher eine Abgabe von 49 Fr. 50 C. auf den Colonialzucker und von 29 Fr. 70 C. auf den einheimischen Zucker vorschlägt, wahrscheinlich Annahme finden werde. Hr. Delespaul schloß die Sitzung mit einer Rede zu Gunsten des Rübenzuckers. [irrelevantes Material] In der Deputirtenkammersitzung vom 7 Mai kam die allgemeine Berathung über den Zucker zu Ende. Hr. Bignon hielt zuvor noch eine Rede im Interesse der Colonien. Er verwarf den Antrag der Commission. Der Berichterstatter (Bugeaud), meinte er, könne wohl ein vortrefflicher General seyn, er stehe auch im Rufe eines tüchtigen Agronomen, aber offenbar sey er ein schlechter Staatsökonom. Der Redner wünschte eine völlige Gleichstellung der auf beiden Industrien lastenden Steuern zwar nicht auf der Stelle, doch allmählich. Die Liste der eingeschriebenen Redner war mit Hrn. Bignon noch nicht erschöpft und eben wollte wieder ein Rübenzuckerpartisan, Hr. Gauthier de Rumilly, auf die Tribune eilen, als die ermüdete Kammer die allgemeine Discussion für geschlossen erklärte. Der Berichterstatter General Bugeaud reassumirte die Discussion. "Der Handelsminister behauptete, das Steigen der Zuckerpreise im Jahr 1839 sey eine Folge der Herabsetzung des Zolles auf den Colonialzucker gewesen. Dieß ist ein Irrthum: das Steigen war eine Folge des Aufhörens von Rübenzuckerfabriken, welche die Ordonnanz der Zollherabsetzung zu Grund gerichtet hat. Unrichtig ist auch die Behauptung, der Staat habe kein Interesse, den einheimischen Fabriken eine Entschädigung zu gewähren. Der Zoll auf den ausländischen Zucker würde, wenn er ihn auf die Märkte Frankreichs zuließe, alle Kosten decken. Eine Folge der von der Regierung vorgeschlagenen Maaßregel würde eine Verminderung der Zahl der bestehenden Rübenzuckerfabriken seyn. Wenn die Kammer in diese Verminderung willigt, wird man von der Rübenzuckerindustrie bald nur wie von einer Merkwürdigkeit sprechen, etwa wie von der Wahlreform des Hrn. Odilon-Barrot. (Allgemeines Gelächter.) Die Abgabe auf die einheimische Industrie bis auf 27 Fr. erhöhen, wäre so viel, als ihren Untergang wünschen. Einige Gegner dieser Industrie glauben, man könne im Falle eines Krieges auf die Zuckereinfuhr durch neutrale Schiffe rechnen. Dieß ist sehr zweifelhaft, da von vielen Mächten das Recht der Neutralen nicht anerkannt wird. Gesetzt aber auch, man könnte sich auf diesem Wege Zucker verschaffen, so würde Frankreich ihn so theuer bezahlen müssen, daß in wenigen Jahren die Ersparnisse, die man durch Unterdrückung des einheimischen Zuckers machen zu können glaubt, davon verschlungen würden. Unwahr auch ist es, daß nur vier Departements bei dieser Production betheiligt seyen. Uebrigens ziehe ich einer Verminderung der Rübenzuckerfabriken durch Steuererhöhung einer Unterdrückung derselben gegen Entschädigung vor, und die ganze Commission wird lieber für letzteres System sich erklären." Die Kammer beschloß hierauf zur Discussion der Artikel überzugehen. Hr. Lacave Laplagne erhielt das Wort. Er stellte das Amendement: "vom 1 Julius 1841 an soll jede Fabrication von Rohzucker in Frankreich verboten seyn." Bei Abgang der Post hatte die Kammer noch keine Entscheidung gefaßt. Die Commission der Deputirtenkammer, welche über den Remilly'schen Antrag Bericht zu erstatten hat, wählte mit fünf Stimmen gegen vier Hrn. Ganneron zum Präsidenten und Hrn. Maurat Ballange zum Secretär. Beide sind dem Princip des Antrags günstig. In einer ersten Sitzung beschloß die Commission, daß, wenn auch der Antrag in seiner vorliegenden Form die Majorität der Commission nicht erhalten würde, derselbe doch nicht ganz abgewiesen werden dürfe; in diesem Falle müsse die Commission sich mit andern vorzuschlagenden Systemen beschäftigen. Die Presse sagt, eines der conservativen Mitglieder der Deputirtenkammer, an welche Graf Jaubert das vertrauliche Schreiben gerichtet, worin er von einem "Begraben" des Remilly'schen Antrags spricht, werde den Minister der öffentlichen Arbeiten bei der Discussion über diesen Antrag zu einer Erklärung über jenes Schreiben auffordern. Hr. Jaubert möge sich also darauf gefaßt machen, und nicht wieder eine stotternde Antwort geben." Man liest im Moniteur Parisien: "Das Journa la Presse spricht von Unterhandlungen, welche zwischen der Regierung und gewissen Journalen stattgehabt hätten, und die mit den von den Ministern auf der Tribune ausgesprochenen Grundsätzen nicht übereinstimmten. Die Presse entstellt die Thatsachen. Die Regierung hat sich ausdrücklich untersagt, die öffentlichen Blätter durch geheime Unterstützungen zu verführen; allein sie hat sich offen und bei jeder Gelegenheit das Recht vorbehalten, sich durch ergebene Organe vertheidigen zu lassen. Um diesen letztern Zweck zu erreichen, hat sie sich ein Organ in dem Messager geschaffen, und ein anderes durch die Vereinigung des Nouvelliste mit dem Moniteur Parisien verstärkt." Belgien. Brüssel, 3 Mai. Der Mangel an innerer Uebereinstimmung der Elemente, aus denen sich die Majorität gebildet, welcher das neue Ministerium sein Daseyn verdankt, hat sich, so kurz auch die Existenz dieses letztern noch ist, schon in der Kammer und in der Presse offenbart, was natürlich die Haltung desselben unsicher, schwankend und zweideutig macht. In dieser kitzlichen Stellung rechnet das Ministerium, wie der Independant es auch erklärte, auf "diejenigen Glieder der Kammern, welche die Regierung zu allen Zeiten, im Gefühle der Schwierigkeiten, die sie zu überwinden hat, unterstützt haben;" diese Glieder sind aber eben jene Katholiken, über welche die antikatholische Opposition durch den Sturz des de Theux'schen Ministeriums einen so großen Sieg davon getragen zu haben hofft. Die Stellung ist also in sich falsch, und auf die Länge unhaltbar. Dieß geht auch schon aus dem Wenigen hervor, was in der Kammer vorgekommen. In den Sectionen hat sich bei Gelegenheit des Amnestiegesetzes die alte Frage wieder hervorgethan: ob denn der 20ste Artikel des Friedensvertrags nicht schon hinreiche? Die Anhänger der alten Minister sind alle dieser Meinung, und mischten sich nicht die Leidenschaften des Augenblicks und die Rücksicht auf Vandersmissens Stellung hinein, so würde man vielleicht einstimmig so denken. Um nun einer neuen Discussion auszuweichen, schlägt man vor, die Worte: "en tant que de besoin" hinzuzufügen, so daß der Begünstigung des einheimischen Zuckers entgehe dem Schatz jährlich eine Summe von 15 bis 20 Millionen. Der Grund, den man zur Vertheidigung der einheimischen Industrie angeführt habe, daß sie den Vorzug vor der Fabrication der Colonien verdiene, weil sie zweimal so viel Arme und Capitalien beschäftige, sey nicht haltbar, denn mit einem solchen System müßte man annehmen, daß eine andere Substanz, aus welcher der Zucker noch zweimal schwerer zu gewinnen wäre, als aus der Runkelrübe, vor dieser den Vorzug verdiente, weil sie zweimal so viele Arme und Capitalien beschäftigte. (Allgemeines Gelächter.) Offenbar sey im Gegentheil die beste Industrie jene, welche am meisten erzeuge mit der geringsten Mühe und den mindesten Kosten. Hr. Duvergier de Hauranne fand weit mehr Aufmerksamkeit, als seine Vorgänger. Aus der Gunst, mit der die Kammer seine Rede aufnahm, schließt ein Journal, daß das Amendement des Hrn. Dumont, welcher eine Abgabe von 49 Fr. 50 C. auf den Colonialzucker und von 29 Fr. 70 C. auf den einheimischen Zucker vorschlägt, wahrscheinlich Annahme finden werde. Hr. Delespaul schloß die Sitzung mit einer Rede zu Gunsten des Rübenzuckers. [irrelevantes Material] In der Deputirtenkammersitzung vom 7 Mai kam die allgemeine Berathung über den Zucker zu Ende. Hr. Bignon hielt zuvor noch eine Rede im Interesse der Colonien. Er verwarf den Antrag der Commission. Der Berichterstatter (Bugeaud), meinte er, könne wohl ein vortrefflicher General seyn, er stehe auch im Rufe eines tüchtigen Agronomen, aber offenbar sey er ein schlechter Staatsökonom. Der Redner wünschte eine völlige Gleichstellung der auf beiden Industrien lastenden Steuern zwar nicht auf der Stelle, doch allmählich. Die Liste der eingeschriebenen Redner war mit Hrn. Bignon noch nicht erschöpft und eben wollte wieder ein Rübenzuckerpartisan, Hr. Gauthier de Rumilly, auf die Tribune eilen, als die ermüdete Kammer die allgemeine Discussion für geschlossen erklärte. Der Berichterstatter General Bugeaud reassumirte die Discussion. „Der Handelsminister behauptete, das Steigen der Zuckerpreise im Jahr 1839 sey eine Folge der Herabsetzung des Zolles auf den Colonialzucker gewesen. Dieß ist ein Irrthum: das Steigen war eine Folge des Aufhörens von Rübenzuckerfabriken, welche die Ordonnanz der Zollherabsetzung zu Grund gerichtet hat. Unrichtig ist auch die Behauptung, der Staat habe kein Interesse, den einheimischen Fabriken eine Entschädigung zu gewähren. Der Zoll auf den ausländischen Zucker würde, wenn er ihn auf die Märkte Frankreichs zuließe, alle Kosten decken. Eine Folge der von der Regierung vorgeschlagenen Maaßregel würde eine Verminderung der Zahl der bestehenden Rübenzuckerfabriken seyn. Wenn die Kammer in diese Verminderung willigt, wird man von der Rübenzuckerindustrie bald nur wie von einer Merkwürdigkeit sprechen, etwa wie von der Wahlreform des Hrn. Odilon-Barrot. (Allgemeines Gelächter.) Die Abgabe auf die einheimische Industrie bis auf 27 Fr. erhöhen, wäre so viel, als ihren Untergang wünschen. Einige Gegner dieser Industrie glauben, man könne im Falle eines Krieges auf die Zuckereinfuhr durch neutrale Schiffe rechnen. Dieß ist sehr zweifelhaft, da von vielen Mächten das Recht der Neutralen nicht anerkannt wird. Gesetzt aber auch, man könnte sich auf diesem Wege Zucker verschaffen, so würde Frankreich ihn so theuer bezahlen müssen, daß in wenigen Jahren die Ersparnisse, die man durch Unterdrückung des einheimischen Zuckers machen zu können glaubt, davon verschlungen würden. Unwahr auch ist es, daß nur vier Departements bei dieser Production betheiligt seyen. Uebrigens ziehe ich einer Verminderung der Rübenzuckerfabriken durch Steuererhöhung einer Unterdrückung derselben gegen Entschädigung vor, und die ganze Commission wird lieber für letzteres System sich erklären.“ Die Kammer beschloß hierauf zur Discussion der Artikel überzugehen. Hr. Lacave Laplagne erhielt das Wort. Er stellte das Amendement: „vom 1 Julius 1841 an soll jede Fabrication von Rohzucker in Frankreich verboten seyn.“ Bei Abgang der Post hatte die Kammer noch keine Entscheidung gefaßt. Die Commission der Deputirtenkammer, welche über den Rémilly'schen Antrag Bericht zu erstatten hat, wählte mit fünf Stimmen gegen vier Hrn. Ganneron zum Präsidenten und Hrn. Maurat Ballange zum Secretär. Beide sind dem Princip des Antrags günstig. In einer ersten Sitzung beschloß die Commission, daß, wenn auch der Antrag in seiner vorliegenden Form die Majorität der Commission nicht erhalten würde, derselbe doch nicht ganz abgewiesen werden dürfe; in diesem Falle müsse die Commission sich mit andern vorzuschlagenden Systemen beschäftigen. Die Presse sagt, eines der conservativen Mitglieder der Deputirtenkammer, an welche Graf Jaubert das vertrauliche Schreiben gerichtet, worin er von einem „Begraben“ des Rémilly'schen Antrags spricht, werde den Minister der öffentlichen Arbeiten bei der Discussion über diesen Antrag zu einer Erklärung über jenes Schreiben auffordern. Hr. Jaubert möge sich also darauf gefaßt machen, und nicht wieder eine stotternde Antwort geben.“ Man liest im Moniteur Parisien: „Das Journa la Presse spricht von Unterhandlungen, welche zwischen der Regierung und gewissen Journalen stattgehabt hätten, und die mit den von den Ministern auf der Tribune ausgesprochenen Grundsätzen nicht übereinstimmten. Die Presse entstellt die Thatsachen. Die Regierung hat sich ausdrücklich untersagt, die öffentlichen Blätter durch geheime Unterstützungen zu verführen; allein sie hat sich offen und bei jeder Gelegenheit das Recht vorbehalten, sich durch ergebene Organe vertheidigen zu lassen. Um diesen letztern Zweck zu erreichen, hat sie sich ein Organ in dem Messager geschaffen, und ein anderes durch die Vereinigung des Nouvelliste mit dem Moniteur Parisien verstärkt.“ Belgien. Brüssel, 3 Mai. Der Mangel an innerer Uebereinstimmung der Elemente, aus denen sich die Majorität gebildet, welcher das neue Ministerium sein Daseyn verdankt, hat sich, so kurz auch die Existenz dieses letztern noch ist, schon in der Kammer und in der Presse offenbart, was natürlich die Haltung desselben unsicher, schwankend und zweideutig macht. In dieser kitzlichen Stellung rechnet das Ministerium, wie der Indépendant es auch erklärte, auf „diejenigen Glieder der Kammern, welche die Regierung zu allen Zeiten, im Gefühle der Schwierigkeiten, die sie zu überwinden hat, unterstützt haben;“ diese Glieder sind aber eben jene Katholiken, über welche die antikatholische Opposition durch den Sturz des de Theux'schen Ministeriums einen so großen Sieg davon getragen zu haben hofft. Die Stellung ist also in sich falsch, und auf die Länge unhaltbar. Dieß geht auch schon aus dem Wenigen hervor, was in der Kammer vorgekommen. In den Sectionen hat sich bei Gelegenheit des Amnestiegesetzes die alte Frage wieder hervorgethan: ob denn der 20ste Artikel des Friedensvertrags nicht schon hinreiche? Die Anhänger der alten Minister sind alle dieser Meinung, und mischten sich nicht die Leidenschaften des Augenblicks und die Rücksicht auf Vandersmissens Stellung hinein, so würde man vielleicht einstimmig so denken. 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Duvergier de Hauranne fand weit mehr Aufmerksamkeit, als seine Vorgänger. Aus der Gunst, mit der die Kammer seine Rede aufnahm, schließt ein Journal, daß das Amendement des Hrn. Dumont, welcher eine Abgabe von 49 Fr. 50 C. auf den Colonialzucker und von 29 Fr. 70 C. auf den einheimischen Zucker vorschlägt, wahrscheinlich Annahme finden werde. Hr. <hi rendition="#g">Delespaul</hi> schloß die Sitzung mit einer Rede zu Gunsten des Rübenzuckers.</p><lb/> <p><bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> In der <hi rendition="#g">Deputirtenkammersitzung</hi> vom 7 Mai kam die allgemeine Berathung über den Zucker zu Ende. Hr. <hi rendition="#g">Bignon</hi> hielt zuvor noch eine Rede im Interesse der Colonien. Er verwarf den Antrag der Commission. Der Berichterstatter (Bugeaud), meinte er, könne wohl ein vortrefflicher General seyn, er stehe auch im Rufe eines tüchtigen Agronomen, aber offenbar sey er ein schlechter Staatsökonom. 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Der Zoll auf den ausländischen Zucker würde, wenn er ihn auf die Märkte Frankreichs zuließe, alle Kosten decken. Eine Folge der von der Regierung vorgeschlagenen Maaßregel würde eine Verminderung der Zahl der bestehenden Rübenzuckerfabriken seyn. Wenn die Kammer in diese Verminderung willigt, wird man von der Rübenzuckerindustrie bald nur wie von einer Merkwürdigkeit sprechen, etwa wie von der Wahlreform des Hrn. Odilon-Barrot. (Allgemeines Gelächter.) Die Abgabe auf die einheimische Industrie bis auf 27 Fr. erhöhen, wäre so viel, als ihren Untergang wünschen. Einige Gegner dieser Industrie glauben, man könne im Falle eines Krieges auf die Zuckereinfuhr durch neutrale Schiffe rechnen. Dieß ist sehr zweifelhaft, da von vielen Mächten das Recht der Neutralen nicht anerkannt wird. Gesetzt aber auch, man könnte sich auf diesem Wege Zucker verschaffen, so würde Frankreich ihn so theuer bezahlen müssen, daß in wenigen Jahren die Ersparnisse, die man durch Unterdrückung des einheimischen Zuckers machen zu können glaubt, davon verschlungen würden. Unwahr auch ist es, daß nur vier Departements bei dieser Production betheiligt seyen. Uebrigens ziehe ich einer Verminderung der Rübenzuckerfabriken durch Steuererhöhung einer Unterdrückung derselben gegen Entschädigung vor, und die ganze Commission wird lieber für letzteres System sich erklären.“ Die Kammer beschloß hierauf zur Discussion der Artikel überzugehen. Hr. <hi rendition="#g">Lacave Laplagne</hi> erhielt das Wort. 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Begünstigung des einheimischen Zuckers entgehe dem Schatz jährlich eine Summe von 15 bis 20 Millionen. Der Grund, den man zur Vertheidigung der einheimischen Industrie angeführt habe, daß sie den Vorzug vor der Fabrication der Colonien verdiene, weil sie zweimal so viel Arme und Capitalien beschäftige, sey nicht haltbar, denn mit einem solchen System müßte man annehmen, daß eine andere Substanz, aus welcher der Zucker noch zweimal schwerer zu gewinnen wäre, als aus der Runkelrübe, vor dieser den Vorzug verdiente, weil sie zweimal so viele Arme und Capitalien beschäftigte. (Allgemeines Gelächter.) Offenbar sey im Gegentheil die beste Industrie jene, welche am meisten erzeuge mit der geringsten Mühe und den mindesten Kosten. Hr. Duvergier de Hauranne fand weit mehr Aufmerksamkeit, als seine Vorgänger. Aus der Gunst, mit der die Kammer seine Rede aufnahm, schließt ein Journal, daß das Amendement des Hrn. Dumont, welcher eine Abgabe von 49 Fr. 50 C. auf den Colonialzucker und von 29 Fr. 70 C. auf den einheimischen Zucker vorschlägt, wahrscheinlich Annahme finden werde. Hr. Delespaul schloß die Sitzung mit einer Rede zu Gunsten des Rübenzuckers.
_ In der Deputirtenkammersitzung vom 7 Mai kam die allgemeine Berathung über den Zucker zu Ende. Hr. Bignon hielt zuvor noch eine Rede im Interesse der Colonien. Er verwarf den Antrag der Commission. Der Berichterstatter (Bugeaud), meinte er, könne wohl ein vortrefflicher General seyn, er stehe auch im Rufe eines tüchtigen Agronomen, aber offenbar sey er ein schlechter Staatsökonom. Der Redner wünschte eine völlige Gleichstellung der auf beiden Industrien lastenden Steuern zwar nicht auf der Stelle, doch allmählich. Die Liste der eingeschriebenen Redner war mit Hrn. Bignon noch nicht erschöpft und eben wollte wieder ein Rübenzuckerpartisan, Hr. Gauthier de Rumilly, auf die Tribune eilen, als die ermüdete Kammer die allgemeine Discussion für geschlossen erklärte. Der Berichterstatter General Bugeaud reassumirte die Discussion. „Der Handelsminister behauptete, das Steigen der Zuckerpreise im Jahr 1839 sey eine Folge der Herabsetzung des Zolles auf den Colonialzucker gewesen. Dieß ist ein Irrthum: das Steigen war eine Folge des Aufhörens von Rübenzuckerfabriken, welche die Ordonnanz der Zollherabsetzung zu Grund gerichtet hat. Unrichtig ist auch die Behauptung, der Staat habe kein Interesse, den einheimischen Fabriken eine Entschädigung zu gewähren. Der Zoll auf den ausländischen Zucker würde, wenn er ihn auf die Märkte Frankreichs zuließe, alle Kosten decken. Eine Folge der von der Regierung vorgeschlagenen Maaßregel würde eine Verminderung der Zahl der bestehenden Rübenzuckerfabriken seyn. Wenn die Kammer in diese Verminderung willigt, wird man von der Rübenzuckerindustrie bald nur wie von einer Merkwürdigkeit sprechen, etwa wie von der Wahlreform des Hrn. Odilon-Barrot. (Allgemeines Gelächter.) Die Abgabe auf die einheimische Industrie bis auf 27 Fr. erhöhen, wäre so viel, als ihren Untergang wünschen. Einige Gegner dieser Industrie glauben, man könne im Falle eines Krieges auf die Zuckereinfuhr durch neutrale Schiffe rechnen. Dieß ist sehr zweifelhaft, da von vielen Mächten das Recht der Neutralen nicht anerkannt wird. Gesetzt aber auch, man könnte sich auf diesem Wege Zucker verschaffen, so würde Frankreich ihn so theuer bezahlen müssen, daß in wenigen Jahren die Ersparnisse, die man durch Unterdrückung des einheimischen Zuckers machen zu können glaubt, davon verschlungen würden. Unwahr auch ist es, daß nur vier Departements bei dieser Production betheiligt seyen. Uebrigens ziehe ich einer Verminderung der Rübenzuckerfabriken durch Steuererhöhung einer Unterdrückung derselben gegen Entschädigung vor, und die ganze Commission wird lieber für letzteres System sich erklären.“ Die Kammer beschloß hierauf zur Discussion der Artikel überzugehen. Hr. Lacave Laplagne erhielt das Wort. Er stellte das Amendement: „vom 1 Julius 1841 an soll jede Fabrication von Rohzucker in Frankreich verboten seyn.“ Bei Abgang der Post hatte die Kammer noch keine Entscheidung gefaßt.
Die Commission der Deputirtenkammer, welche über den Rémilly'schen Antrag Bericht zu erstatten hat, wählte mit fünf Stimmen gegen vier Hrn. Ganneron zum Präsidenten und Hrn. Maurat Ballange zum Secretär. Beide sind dem Princip des Antrags günstig. In einer ersten Sitzung beschloß die Commission, daß, wenn auch der Antrag in seiner vorliegenden Form die Majorität der Commission nicht erhalten würde, derselbe doch nicht ganz abgewiesen werden dürfe; in diesem Falle müsse die Commission sich mit andern vorzuschlagenden Systemen beschäftigen.
Die Presse sagt, eines der conservativen Mitglieder der Deputirtenkammer, an welche Graf Jaubert das vertrauliche Schreiben gerichtet, worin er von einem „Begraben“ des Rémilly'schen Antrags spricht, werde den Minister der öffentlichen Arbeiten bei der Discussion über diesen Antrag zu einer Erklärung über jenes Schreiben auffordern. Hr. Jaubert möge sich also darauf gefaßt machen, und nicht wieder eine stotternde Antwort geben.“
Man liest im Moniteur Parisien: „Das Journa la Presse spricht von Unterhandlungen, welche zwischen der Regierung und gewissen Journalen stattgehabt hätten, und die mit den von den Ministern auf der Tribune ausgesprochenen Grundsätzen nicht übereinstimmten. Die Presse entstellt die Thatsachen. Die Regierung hat sich ausdrücklich untersagt, die öffentlichen Blätter durch geheime Unterstützungen zu verführen; allein sie hat sich offen und bei jeder Gelegenheit das Recht vorbehalten, sich durch ergebene Organe vertheidigen zu lassen. Um diesen letztern Zweck zu erreichen, hat sie sich ein Organ in dem Messager geschaffen, und ein anderes durch die Vereinigung des Nouvelliste mit dem Moniteur Parisien verstärkt.“
Belgien.
_ Brüssel, 3 Mai. Der Mangel an innerer Uebereinstimmung der Elemente, aus denen sich die Majorität gebildet, welcher das neue Ministerium sein Daseyn verdankt, hat sich, so kurz auch die Existenz dieses letztern noch ist, schon in der Kammer und in der Presse offenbart, was natürlich die Haltung desselben unsicher, schwankend und zweideutig macht. In dieser kitzlichen Stellung rechnet das Ministerium, wie der Indépendant es auch erklärte, auf „diejenigen Glieder der Kammern, welche die Regierung zu allen Zeiten, im Gefühle der Schwierigkeiten, die sie zu überwinden hat, unterstützt haben;“ diese Glieder sind aber eben jene Katholiken, über welche die antikatholische Opposition durch den Sturz des de Theux'schen Ministeriums einen so großen Sieg davon getragen zu haben hofft. Die Stellung ist also in sich falsch, und auf die Länge unhaltbar. Dieß geht auch schon aus dem Wenigen hervor, was in der Kammer vorgekommen. In den Sectionen hat sich bei Gelegenheit des Amnestiegesetzes die alte Frage wieder hervorgethan: ob denn der 20ste Artikel des Friedensvertrags nicht schon hinreiche? Die Anhänger der alten Minister sind alle dieser Meinung, und mischten sich nicht die Leidenschaften des Augenblicks und die Rücksicht auf Vandersmissens Stellung hinein, so würde man vielleicht einstimmig so denken. Um nun einer neuen Discussion auszuweichen, schlägt man vor, die Worte: „en tant que de besoin“ hinzuzufügen, so daß der
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