Allgemeine Zeitung. Nr. 133. Augsburg, 12. Mai 1840.Schicksal der deutschen Auswanderer in Westindien. London, 4 Mai. Ich habe in mehreren meiner Briefe die deutschen Emigranten, die, wie ich wußte, Agenten der westindischen Pflanzer in Hamburg anzuwerben suchten, vor Auswanderung nach Westindien gewarnt. Der Erfolg hat meine Warnungen nur zu schnell gerechtfertigt: man weiß, daß die nach Guiana gebrachten meistens todt sind, und hier ist die Rechenschaft, welche eine Zeitung in Jamaica, der Colonial Reformer, von dem Schicksal der dortigen gibt: "Wir gestehen, daß wir jede neue Einführung von Einwanderern in dieses ungastliche Land mit großem Mitleiden sehen. Wenn wir von der Ankunft solcher neuen bethörten Leute hören, können wir nicht umhin auszurufen, wo sind die deutschen, wo die irländischen Einwanderer? Das ungünstige Klima, die ungewohnte Arbeit, die Europäern neuen Lebensmittel, die leidige Leichtigkeit sich Rum zu verschaffen, Vernachlässigung, schlechte Behandlung und gebrochene Herzen haben sie fast bis zum letzten aufgerieben, und dieses Schicksal wird unfehlbar allen Feldarbeitern zufallen, welche in Masse einwandern, bis die englische Regierung die Leitung derselben auf sich nehmen, und Beamte zur Beschützung der Fremden aufstellen wird. Wir könnten herzbrechende Geschichten von dem Elend erzählen, dem die deutschen Emigranten unterlegen sind. Wie viele von ihnen haben ihre kleine Habe in ihrem Vaterlande verkauft, um auf unserer Insel durch die tropische Sonne, und eine Art von Arbeit, die ihnen neu war, und an die sie sich nicht gewöhnen konnten, aufgerieben zu werden!" Solche Warnungen sind leider noch immer an der Zeit, denn die Colonisten lassen nichts unversucht, durch Concurrenz, d. h. durch Einführung neuer Arbeiter den Preis der Arbeit ihrer ehemaligen Sklaven herabzudrücken, und es vergeht kein Monat, in dem der Colonialminister nicht einen neuen Vorschlag eines Colonialgesetzes über Beförderung der Einwanderung zu verwerfen hätte. Die Pflanzer in Guiana wollten im letzten Jahre ein Anlehen von 400,000 Pf. St. machen, um damit Arbeiter aus Europa, Afrika und Indien einzuführen. Barbados hat ein ähnliches Gesetz vorgeschlagen, das vor wenigen Tagen von Lord J. Russell verworfen wurde, und so ist es mit Jamaica, Trinidad u. s. w. Daß es den Pflanzern sehr der Mühe werth scheint, Emigranten einzuführen, kann man aus folgenden Auszügen aus einem Briefe von Hrn. Prescod, einem Pflanzer in Barbados, an den bekannten Quäker Sturge sehen. Der Brief ist vom 11 Febr. 1840, und nach einer Reise nach Trinidad geschrieben: "Ich habe den District Naparima in Trinidad bereist und mit vielen Pflanzern geredet. Ich habe mich auf meiner Reise durch die Insel auf zwei Punkte beschränkt: das allgemeine Betragen der Neger seit der Emancipation, und die Wirkungen dieser auf den Werth des Eigenthumes und die Interessen der Pflanzer, und ich bin sehr zufrieden mit den Nachrichten, die ich über beide Punkte eingezogen habe. Alle Pflanzer, mit sehr wenigen Ausnahmen, erklärten, daß die Neger sich anständig betragen und gut arbeiten, nicht so viel als die Pflanzer wünschen, aber so viel oder mehr als zur Zeit der Sklaverei. Was die Wirkungen der Emancipation auf die Pflanzer betrifft, so habe ich nicht Einen in Trinidad gefunden, der mich nicht versicherte, daß sein Gut jetzt mehr werth sey als früher, und viele angesehene Leute haben mir gesagt, daß die Zunahme des Werths des Grundbesitzes auf der ganzen Insel 10 bis 20 Procent betrage. Alexander Fraser, Besitzer des Guts Wellington in Süd-Naparima, sagte mir, daß das Gut im Jahr 1837 um 40,000 Dollars verkauft worden sey, daß er es im Jahre 1838 um 50,000 gekauft habe, und es jetzt 60,000 werth sey. Alle Pflanzer sind einstimmig, daß freie Arbeit der Sklavenarbeit vorzuziehen sey, obgleich einige behaupten, daß sie theurer sey, aber selbst diese ziehen sie vor, weil das Eigenthum sicherer und die Arbeit gleichförmiger sey, so daß auf einen geringeren, aber einen sichreren Gewinn zu rechnen sey. Die Arbeit ist gut bezahlt, doch nicht so gut als der Pflanzer sie bezahlen könnte; in Naparima wird auf den Zuckerpflanzungen 2 Schilling täglich bezahlt, und dazu dem Arbeiter ein Haus gratis gegeben; in andern Theilen der Insel ist der Lohn höher, aber keineswegs zu hoch im Verhältniß zum Ertrag der Arbeit; der Boden ist so gut, daß ein Mann dort so viel als fünf in Barbados thun kann, und ich finde von Anschlägen, welche mir die Pflanzer gegeben haben, daß das Capital in einer Zuckerpflanzung, wenn der Preis des Zuckers in London auf 60 Sch. steht, 25 Proc. jährlich einträgt. Die hauptsächlichste und fast die einzige Klage der Pflanzer ist Mangel an Arbeit; die geizigeren schreiben sie der Trägheit der Neger zu, und suchen durch ihr Geschrei Mitleiden zu erregen und so England zu bewegen, ihren Emigrationsplanen die Hände zu bieten. Allein diese Klagen sind ungerecht, der Pflanzer erhält gegenwärtig eben so viel und oft mehr Arbeit als zur Zeit der Sklaverei, und die Ernte letzten Jahres, bei der man mit so vieler Zuversicht einen Ausfall von 5000 Fässern Zucker vorausgesagt hatte, hat im Gegentheil um 2 bis 300 Fässer vorgeschlagen, welche nicht einmal ausgeführt werden konnten, weil es an Schiffen fehlte. Die gegenwärtige Ernte wird der letzten wenigstens gleichkommen. Wenn daher die Pflanzer von Mangel an Arbeit, von bevorstehendem Ruin u. s. w. reden, so heißt das nichts, als daß sie vor ihren gierigen Augen reiche wüstliegende Ländereien haben, die sie gern umbrechen möchten. Sie wollen ihre Culturen ausdehnen, und die Emancipation hat sie mit Hoffnungen angefüllt, von denen sie zur Zeit der Sklaverei nicht träumten. Sie sehen Reichthümer zu ihren Füßen, und es fehlt ihnen an Händen sie aufzugreifen. Dieß ist das ganze Geheimniß des Mangels an Arbeit, und des Geschreis nach Einwanderung im Großen. Sie wollen nicht sagen, daß sie ihre alte Cultur nicht mehr, oder nicht vortheilhaft forttreiben können, sondern, daß sie sie ausdehnen möchten ohne durch Concurrenz der Pflanzer um Arbeit den Lohn erhöhen zu müssen." Darum werden deutschen Emigranten goldene Hoffnungen gemacht, damit sie das brache Land von Trinidad und Guiana unter der brennenden Sonne umbrechen, ohne daß der Pflanzer genöthigt sey, den Fleiß der Neger durch höhern Lohn anzuspornen; aber dieß ist kein Klima und keine Arbeit für Nordländer, und westindische Pflanzer sind keine Herren, denen ein Deutscher dienen sollte. Es gibt gemäßigte Länder in Menge, wo er ein angemessenes Klima, Aussichten auf eigenen Landbesitz und keine durch Sklaverei verpestete Gesellschaft finden kann. Selbst die Malteser, welche man in Jamaica und Guiana eingeführt hat, haben das Klima und die Arbeit nicht ertragen können, obgleich sie an ein heißes Klima, harte Arbeit und große Mäßigkeit gewöhnt sind. Schicksal der deutschen Auswanderer in Westindien. London, 4 Mai. Ich habe in mehreren meiner Briefe die deutschen Emigranten, die, wie ich wußte, Agenten der westindischen Pflanzer in Hamburg anzuwerben suchten, vor Auswanderung nach Westindien gewarnt. Der Erfolg hat meine Warnungen nur zu schnell gerechtfertigt: man weiß, daß die nach Guiana gebrachten meistens todt sind, und hier ist die Rechenschaft, welche eine Zeitung in Jamaica, der Colonial Reformer, von dem Schicksal der dortigen gibt: „Wir gestehen, daß wir jede neue Einführung von Einwanderern in dieses ungastliche Land mit großem Mitleiden sehen. Wenn wir von der Ankunft solcher neuen bethörten Leute hören, können wir nicht umhin auszurufen, wo sind die deutschen, wo die irländischen Einwanderer? Das ungünstige Klima, die ungewohnte Arbeit, die Europäern neuen Lebensmittel, die leidige Leichtigkeit sich Rum zu verschaffen, Vernachlässigung, schlechte Behandlung und gebrochene Herzen haben sie fast bis zum letzten aufgerieben, und dieses Schicksal wird unfehlbar allen Feldarbeitern zufallen, welche in Masse einwandern, bis die englische Regierung die Leitung derselben auf sich nehmen, und Beamte zur Beschützung der Fremden aufstellen wird. Wir könnten herzbrechende Geschichten von dem Elend erzählen, dem die deutschen Emigranten unterlegen sind. Wie viele von ihnen haben ihre kleine Habe in ihrem Vaterlande verkauft, um auf unserer Insel durch die tropische Sonne, und eine Art von Arbeit, die ihnen neu war, und an die sie sich nicht gewöhnen konnten, aufgerieben zu werden!“ Solche Warnungen sind leider noch immer an der Zeit, denn die Colonisten lassen nichts unversucht, durch Concurrenz, d. h. durch Einführung neuer Arbeiter den Preis der Arbeit ihrer ehemaligen Sklaven herabzudrücken, und es vergeht kein Monat, in dem der Colonialminister nicht einen neuen Vorschlag eines Colonialgesetzes über Beförderung der Einwanderung zu verwerfen hätte. Die Pflanzer in Guiana wollten im letzten Jahre ein Anlehen von 400,000 Pf. St. machen, um damit Arbeiter aus Europa, Afrika und Indien einzuführen. Barbados hat ein ähnliches Gesetz vorgeschlagen, das vor wenigen Tagen von Lord J. Russell verworfen wurde, und so ist es mit Jamaica, Trinidad u. s. w. Daß es den Pflanzern sehr der Mühe werth scheint, Emigranten einzuführen, kann man aus folgenden Auszügen aus einem Briefe von Hrn. Prescod, einem Pflanzer in Barbados, an den bekannten Quäker Sturge sehen. Der Brief ist vom 11 Febr. 1840, und nach einer Reise nach Trinidad geschrieben: „Ich habe den District Naparima in Trinidad bereist und mit vielen Pflanzern geredet. Ich habe mich auf meiner Reise durch die Insel auf zwei Punkte beschränkt: das allgemeine Betragen der Neger seit der Emancipation, und die Wirkungen dieser auf den Werth des Eigenthumes und die Interessen der Pflanzer, und ich bin sehr zufrieden mit den Nachrichten, die ich über beide Punkte eingezogen habe. Alle Pflanzer, mit sehr wenigen Ausnahmen, erklärten, daß die Neger sich anständig betragen und gut arbeiten, nicht so viel als die Pflanzer wünschen, aber so viel oder mehr als zur Zeit der Sklaverei. Was die Wirkungen der Emancipation auf die Pflanzer betrifft, so habe ich nicht Einen in Trinidad gefunden, der mich nicht versicherte, daß sein Gut jetzt mehr werth sey als früher, und viele angesehene Leute haben mir gesagt, daß die Zunahme des Werths des Grundbesitzes auf der ganzen Insel 10 bis 20 Procent betrage. Alexander Fraser, Besitzer des Guts Wellington in Süd-Naparima, sagte mir, daß das Gut im Jahr 1837 um 40,000 Dollars verkauft worden sey, daß er es im Jahre 1838 um 50,000 gekauft habe, und es jetzt 60,000 werth sey. Alle Pflanzer sind einstimmig, daß freie Arbeit der Sklavenarbeit vorzuziehen sey, obgleich einige behaupten, daß sie theurer sey, aber selbst diese ziehen sie vor, weil das Eigenthum sicherer und die Arbeit gleichförmiger sey, so daß auf einen geringeren, aber einen sichreren Gewinn zu rechnen sey. Die Arbeit ist gut bezahlt, doch nicht so gut als der Pflanzer sie bezahlen könnte; in Naparima wird auf den Zuckerpflanzungen 2 Schilling täglich bezahlt, und dazu dem Arbeiter ein Haus gratis gegeben; in andern Theilen der Insel ist der Lohn höher, aber keineswegs zu hoch im Verhältniß zum Ertrag der Arbeit; der Boden ist so gut, daß ein Mann dort so viel als fünf in Barbados thun kann, und ich finde von Anschlägen, welche mir die Pflanzer gegeben haben, daß das Capital in einer Zuckerpflanzung, wenn der Preis des Zuckers in London auf 60 Sch. steht, 25 Proc. jährlich einträgt. Die hauptsächlichste und fast die einzige Klage der Pflanzer ist Mangel an Arbeit; die geizigeren schreiben sie der Trägheit der Neger zu, und suchen durch ihr Geschrei Mitleiden zu erregen und so England zu bewegen, ihren Emigrationsplanen die Hände zu bieten. Allein diese Klagen sind ungerecht, der Pflanzer erhält gegenwärtig eben so viel und oft mehr Arbeit als zur Zeit der Sklaverei, und die Ernte letzten Jahres, bei der man mit so vieler Zuversicht einen Ausfall von 5000 Fässern Zucker vorausgesagt hatte, hat im Gegentheil um 2 bis 300 Fässer vorgeschlagen, welche nicht einmal ausgeführt werden konnten, weil es an Schiffen fehlte. Die gegenwärtige Ernte wird der letzten wenigstens gleichkommen. Wenn daher die Pflanzer von Mangel an Arbeit, von bevorstehendem Ruin u. s. w. reden, so heißt das nichts, als daß sie vor ihren gierigen Augen reiche wüstliegende Ländereien haben, die sie gern umbrechen möchten. Sie wollen ihre Culturen ausdehnen, und die Emancipation hat sie mit Hoffnungen angefüllt, von denen sie zur Zeit der Sklaverei nicht träumten. Sie sehen Reichthümer zu ihren Füßen, und es fehlt ihnen an Händen sie aufzugreifen. Dieß ist das ganze Geheimniß des Mangels an Arbeit, und des Geschreis nach Einwanderung im Großen. Sie wollen nicht sagen, daß sie ihre alte Cultur nicht mehr, oder nicht vortheilhaft forttreiben können, sondern, daß sie sie ausdehnen möchten ohne durch Concurrenz der Pflanzer um Arbeit den Lohn erhöhen zu müssen.“ Darum werden deutschen Emigranten goldene Hoffnungen gemacht, damit sie das brache Land von Trinidad und Guiana unter der brennenden Sonne umbrechen, ohne daß der Pflanzer genöthigt sey, den Fleiß der Neger durch höhern Lohn anzuspornen; aber dieß ist kein Klima und keine Arbeit für Nordländer, und westindische Pflanzer sind keine Herren, denen ein Deutscher dienen sollte. Es gibt gemäßigte Länder in Menge, wo er ein angemessenes Klima, Aussichten auf eigenen Landbesitz und keine durch Sklaverei verpestete Gesellschaft finden kann. 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Wir könnten herzbrechende Geschichten von dem Elend erzählen, dem die deutschen Emigranten unterlegen sind. Wie viele von ihnen haben ihre kleine Habe in ihrem Vaterlande verkauft, um auf unserer Insel durch die tropische Sonne, und eine Art von Arbeit, die ihnen neu war, und an die sie sich nicht gewöhnen konnten, aufgerieben zu werden!“</p><lb/> <p>Solche Warnungen sind leider noch immer an der Zeit, denn die Colonisten lassen nichts unversucht, durch Concurrenz, d. h. durch Einführung neuer Arbeiter den Preis der Arbeit ihrer ehemaligen Sklaven herabzudrücken, und es vergeht kein Monat, in dem der Colonialminister nicht einen neuen Vorschlag eines Colonialgesetzes über Beförderung der Einwanderung zu verwerfen hätte. Die Pflanzer in Guiana wollten im letzten Jahre ein Anlehen von 400,000 Pf. St. machen, um damit Arbeiter aus Europa, Afrika und Indien einzuführen. Barbados hat ein ähnliches Gesetz vorgeschlagen, das vor wenigen Tagen von Lord J. Russell verworfen wurde, und so ist es mit Jamaica, Trinidad u. s. w. Daß es den Pflanzern sehr der Mühe werth scheint, Emigranten einzuführen, kann man aus folgenden Auszügen aus einem Briefe von Hrn. Prescod, einem Pflanzer in Barbados, an den bekannten Quäker Sturge sehen. Der Brief ist vom 11 Febr. 1840, und nach einer Reise nach Trinidad geschrieben: „Ich habe den District Naparima in Trinidad bereist und mit vielen Pflanzern geredet. Ich habe mich auf meiner Reise durch die Insel auf zwei Punkte beschränkt: das allgemeine Betragen der Neger seit der Emancipation, und die Wirkungen dieser auf den Werth des Eigenthumes und die Interessen der Pflanzer, und ich bin sehr zufrieden mit den Nachrichten, die ich über beide Punkte eingezogen habe. Alle Pflanzer, mit sehr wenigen Ausnahmen, erklärten, daß die Neger sich anständig betragen und gut arbeiten, nicht so viel als die Pflanzer wünschen, aber so viel oder mehr als zur Zeit der Sklaverei. Was die Wirkungen der Emancipation auf die Pflanzer betrifft, so habe ich nicht Einen in Trinidad gefunden, der mich nicht versicherte, daß sein Gut jetzt mehr werth sey als früher, und viele angesehene Leute haben mir gesagt, daß die Zunahme des Werths des Grundbesitzes auf der ganzen Insel 10 bis 20 Procent betrage. Alexander Fraser, Besitzer des Guts Wellington in Süd-Naparima, sagte mir, daß das Gut im Jahr 1837 um 40,000 Dollars verkauft worden sey, daß er es im Jahre 1838 um 50,000 gekauft habe, und es jetzt 60,000 werth sey. Alle Pflanzer sind einstimmig, daß freie Arbeit der Sklavenarbeit vorzuziehen sey, obgleich einige behaupten, daß sie theurer sey, aber selbst diese ziehen sie vor, weil das Eigenthum sicherer und die Arbeit gleichförmiger sey, so daß auf einen geringeren, aber einen sichreren Gewinn zu rechnen sey. Die Arbeit ist gut bezahlt, doch nicht so gut als der Pflanzer sie bezahlen könnte; in Naparima wird auf den Zuckerpflanzungen 2 Schilling täglich bezahlt, und dazu dem Arbeiter ein Haus gratis gegeben; in andern Theilen der Insel ist der Lohn höher, aber keineswegs zu hoch im Verhältniß zum Ertrag der Arbeit; der Boden ist so gut, daß ein Mann dort so viel als fünf in Barbados thun kann, und ich finde von Anschlägen, welche mir die Pflanzer gegeben haben, daß das Capital in einer Zuckerpflanzung, wenn der Preis des Zuckers in London auf 60 Sch. steht, 25 Proc. jährlich einträgt. Die hauptsächlichste und fast die einzige Klage der Pflanzer ist Mangel an Arbeit; die geizigeren schreiben sie der Trägheit der Neger zu, und suchen durch ihr Geschrei Mitleiden zu erregen und so England zu bewegen, ihren Emigrationsplanen die Hände zu bieten. Allein diese Klagen sind ungerecht, der Pflanzer erhält gegenwärtig eben so viel und oft mehr Arbeit als zur Zeit der Sklaverei, und die Ernte letzten Jahres, bei der man mit so vieler Zuversicht einen Ausfall von 5000 Fässern Zucker vorausgesagt hatte, hat im Gegentheil um 2 bis 300 Fässer vorgeschlagen, welche nicht einmal ausgeführt werden konnten, weil es an Schiffen fehlte. Die gegenwärtige Ernte wird der letzten wenigstens gleichkommen. Wenn daher die Pflanzer von Mangel an Arbeit, von bevorstehendem Ruin u. s. w. reden, so heißt das nichts, als daß sie vor ihren gierigen Augen reiche wüstliegende Ländereien haben, die sie gern umbrechen möchten. Sie wollen ihre Culturen ausdehnen, und die Emancipation hat sie mit Hoffnungen angefüllt, von denen sie zur Zeit der Sklaverei nicht träumten. Sie sehen Reichthümer zu ihren Füßen, und es fehlt ihnen an Händen sie aufzugreifen. Dieß ist das ganze Geheimniß des Mangels an Arbeit, und des Geschreis nach Einwanderung im Großen. Sie wollen nicht sagen, daß sie ihre alte Cultur nicht mehr, oder nicht vortheilhaft forttreiben können, sondern, daß sie sie ausdehnen möchten ohne durch Concurrenz der Pflanzer um Arbeit den Lohn erhöhen zu müssen.“ Darum werden deutschen Emigranten goldene Hoffnungen gemacht, damit sie das brache Land von Trinidad und Guiana unter der brennenden Sonne umbrechen, ohne daß der Pflanzer genöthigt sey, den Fleiß der Neger durch höhern Lohn anzuspornen; aber dieß ist kein Klima und keine Arbeit für Nordländer, und westindische Pflanzer sind keine Herren, denen ein Deutscher dienen sollte. Es gibt gemäßigte Länder in Menge, wo er ein angemessenes Klima, Aussichten auf eigenen Landbesitz und keine durch Sklaverei verpestete Gesellschaft finden kann. Selbst die Malteser, welche man in Jamaica und Guiana eingeführt hat, haben das Klima und die Arbeit nicht ertragen können, obgleich sie an ein heißes Klima, harte Arbeit und große Mäßigkeit gewöhnt sind.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1057/0009]
Schicksal der deutschen Auswanderer in Westindien.
_ London, 4 Mai. Ich habe in mehreren meiner Briefe die deutschen Emigranten, die, wie ich wußte, Agenten der westindischen Pflanzer in Hamburg anzuwerben suchten, vor Auswanderung nach Westindien gewarnt. Der Erfolg hat meine Warnungen nur zu schnell gerechtfertigt: man weiß, daß die nach Guiana gebrachten meistens todt sind, und hier ist die Rechenschaft, welche eine Zeitung in Jamaica, der Colonial Reformer, von dem Schicksal der dortigen gibt: „Wir gestehen, daß wir jede neue Einführung von Einwanderern in dieses ungastliche Land mit großem Mitleiden sehen. Wenn wir von der Ankunft solcher neuen bethörten Leute hören, können wir nicht umhin auszurufen, wo sind die deutschen, wo die irländischen Einwanderer? Das ungünstige Klima, die ungewohnte Arbeit, die Europäern neuen Lebensmittel, die leidige Leichtigkeit sich Rum zu verschaffen, Vernachlässigung, schlechte Behandlung und gebrochene Herzen haben sie fast bis zum letzten aufgerieben, und dieses Schicksal wird unfehlbar allen Feldarbeitern zufallen, welche in Masse einwandern, bis die englische Regierung die Leitung derselben auf sich nehmen, und Beamte zur Beschützung der Fremden aufstellen wird. Wir könnten herzbrechende Geschichten von dem Elend erzählen, dem die deutschen Emigranten unterlegen sind. Wie viele von ihnen haben ihre kleine Habe in ihrem Vaterlande verkauft, um auf unserer Insel durch die tropische Sonne, und eine Art von Arbeit, die ihnen neu war, und an die sie sich nicht gewöhnen konnten, aufgerieben zu werden!“
Solche Warnungen sind leider noch immer an der Zeit, denn die Colonisten lassen nichts unversucht, durch Concurrenz, d. h. durch Einführung neuer Arbeiter den Preis der Arbeit ihrer ehemaligen Sklaven herabzudrücken, und es vergeht kein Monat, in dem der Colonialminister nicht einen neuen Vorschlag eines Colonialgesetzes über Beförderung der Einwanderung zu verwerfen hätte. Die Pflanzer in Guiana wollten im letzten Jahre ein Anlehen von 400,000 Pf. St. machen, um damit Arbeiter aus Europa, Afrika und Indien einzuführen. Barbados hat ein ähnliches Gesetz vorgeschlagen, das vor wenigen Tagen von Lord J. Russell verworfen wurde, und so ist es mit Jamaica, Trinidad u. s. w. Daß es den Pflanzern sehr der Mühe werth scheint, Emigranten einzuführen, kann man aus folgenden Auszügen aus einem Briefe von Hrn. Prescod, einem Pflanzer in Barbados, an den bekannten Quäker Sturge sehen. Der Brief ist vom 11 Febr. 1840, und nach einer Reise nach Trinidad geschrieben: „Ich habe den District Naparima in Trinidad bereist und mit vielen Pflanzern geredet. Ich habe mich auf meiner Reise durch die Insel auf zwei Punkte beschränkt: das allgemeine Betragen der Neger seit der Emancipation, und die Wirkungen dieser auf den Werth des Eigenthumes und die Interessen der Pflanzer, und ich bin sehr zufrieden mit den Nachrichten, die ich über beide Punkte eingezogen habe. Alle Pflanzer, mit sehr wenigen Ausnahmen, erklärten, daß die Neger sich anständig betragen und gut arbeiten, nicht so viel als die Pflanzer wünschen, aber so viel oder mehr als zur Zeit der Sklaverei. Was die Wirkungen der Emancipation auf die Pflanzer betrifft, so habe ich nicht Einen in Trinidad gefunden, der mich nicht versicherte, daß sein Gut jetzt mehr werth sey als früher, und viele angesehene Leute haben mir gesagt, daß die Zunahme des Werths des Grundbesitzes auf der ganzen Insel 10 bis 20 Procent betrage. Alexander Fraser, Besitzer des Guts Wellington in Süd-Naparima, sagte mir, daß das Gut im Jahr 1837 um 40,000 Dollars verkauft worden sey, daß er es im Jahre 1838 um 50,000 gekauft habe, und es jetzt 60,000 werth sey. Alle Pflanzer sind einstimmig, daß freie Arbeit der Sklavenarbeit vorzuziehen sey, obgleich einige behaupten, daß sie theurer sey, aber selbst diese ziehen sie vor, weil das Eigenthum sicherer und die Arbeit gleichförmiger sey, so daß auf einen geringeren, aber einen sichreren Gewinn zu rechnen sey. Die Arbeit ist gut bezahlt, doch nicht so gut als der Pflanzer sie bezahlen könnte; in Naparima wird auf den Zuckerpflanzungen 2 Schilling täglich bezahlt, und dazu dem Arbeiter ein Haus gratis gegeben; in andern Theilen der Insel ist der Lohn höher, aber keineswegs zu hoch im Verhältniß zum Ertrag der Arbeit; der Boden ist so gut, daß ein Mann dort so viel als fünf in Barbados thun kann, und ich finde von Anschlägen, welche mir die Pflanzer gegeben haben, daß das Capital in einer Zuckerpflanzung, wenn der Preis des Zuckers in London auf 60 Sch. steht, 25 Proc. jährlich einträgt. Die hauptsächlichste und fast die einzige Klage der Pflanzer ist Mangel an Arbeit; die geizigeren schreiben sie der Trägheit der Neger zu, und suchen durch ihr Geschrei Mitleiden zu erregen und so England zu bewegen, ihren Emigrationsplanen die Hände zu bieten. Allein diese Klagen sind ungerecht, der Pflanzer erhält gegenwärtig eben so viel und oft mehr Arbeit als zur Zeit der Sklaverei, und die Ernte letzten Jahres, bei der man mit so vieler Zuversicht einen Ausfall von 5000 Fässern Zucker vorausgesagt hatte, hat im Gegentheil um 2 bis 300 Fässer vorgeschlagen, welche nicht einmal ausgeführt werden konnten, weil es an Schiffen fehlte. Die gegenwärtige Ernte wird der letzten wenigstens gleichkommen. Wenn daher die Pflanzer von Mangel an Arbeit, von bevorstehendem Ruin u. s. w. reden, so heißt das nichts, als daß sie vor ihren gierigen Augen reiche wüstliegende Ländereien haben, die sie gern umbrechen möchten. Sie wollen ihre Culturen ausdehnen, und die Emancipation hat sie mit Hoffnungen angefüllt, von denen sie zur Zeit der Sklaverei nicht träumten. Sie sehen Reichthümer zu ihren Füßen, und es fehlt ihnen an Händen sie aufzugreifen. Dieß ist das ganze Geheimniß des Mangels an Arbeit, und des Geschreis nach Einwanderung im Großen. Sie wollen nicht sagen, daß sie ihre alte Cultur nicht mehr, oder nicht vortheilhaft forttreiben können, sondern, daß sie sie ausdehnen möchten ohne durch Concurrenz der Pflanzer um Arbeit den Lohn erhöhen zu müssen.“ Darum werden deutschen Emigranten goldene Hoffnungen gemacht, damit sie das brache Land von Trinidad und Guiana unter der brennenden Sonne umbrechen, ohne daß der Pflanzer genöthigt sey, den Fleiß der Neger durch höhern Lohn anzuspornen; aber dieß ist kein Klima und keine Arbeit für Nordländer, und westindische Pflanzer sind keine Herren, denen ein Deutscher dienen sollte. Es gibt gemäßigte Länder in Menge, wo er ein angemessenes Klima, Aussichten auf eigenen Landbesitz und keine durch Sklaverei verpestete Gesellschaft finden kann. Selbst die Malteser, welche man in Jamaica und Guiana eingeführt hat, haben das Klima und die Arbeit nicht ertragen können, obgleich sie an ein heißes Klima, harte Arbeit und große Mäßigkeit gewöhnt sind.
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