Allgemeine Zeitung. Nr. 134. Augsburg, 13. Mai 1840.ihre Kräfte messen würden. Dieses Amendement beantragt ein gänzliches Verbot der Rübenzuckerfabrication gegen Entschädigung. Der Präsident des Conseils, Hr. Thiers, bestieg gleich bei Anfang der Sitzung die Rednerbühne und erklärte, die Absicht der Regierung sey, sich dem vorliegenden Amendement aus allen Kräften zu widersetzen. Ihre Motive werde sie im Laufe der Discussion darlegen. Hr. Berryer, der als Repräsentant der Stadt Marseille ein entschiedener Verfechter des Interesses der Colonien ist, meinte, es lägen nur drei bestimmte Fragen vor: will man die einheimische Zuckerfabrication begünstigen? will man sie ganz verbieten? ist ein Mittelsystem zwischen diesen beiden äußersten Maaßregeln möglich? Die Betheiligten, sagte Hr. Berryer, seyen in einer äußerst peinlichen Lage, der man durchaus ein Ende machen müsse. Es sey Pflicht der Regierung, in dieser Frage förmlich zu interveniren. Der Finanzminister: "Die Regierung intervenirt vom Augenblick an, wo sie jedes absolute System bekämpft. Das System des Verbots der einheimischen Zuckerfabrication ist nicht neu. Es wurde zum erstenmal im Jahre 1837 angeregt. Hr. Lacave-Laplagne war zu jener Zeit Finanzminister. Warum hat er damals seinen Einfluß nicht aufgeboten, jenes System durchzuführen? Die Regierung und die Commission verwarfen einmüthig das Verbot des Rübenzuckers gegen Entschädigung. Man kann eine in Frankreich zuerst aufgekommene, lange begünstigte Industrie nicht aus bloßem Fiscalinteresse vernichten, wie Hr. Lacave-Laplagne vorschlägt. Könnten die Umstände, welche die ersten Versuche der Rübenzuckerindustrie veranlaßten, sich nicht erneuern? Die Regierung hat in der Commission ihre Absichten zu erkennen gegeben, und das Verhältniß der auf beide Industrien zu legenden Abgaben bezeichnet. (Murren.) Es ist dieß eine Transaction, welche die Regierung im Interesse beider Industrien für nützlich und nothwendig hält." Hr. Lacave-Laplagne antwortete, daß er, zur Zeit als er Finanzminister gewesen, die von ihm vorgeschlagene Maaßregel nur deßhalb nicht ausgeführt habe, weil er Opposition im Conseil gefunden. Seine Collegen hätten die Maaßregel damals für allzu schwierig gehalten. General Bugeaud kommt auf die zwischen der Commission und dem Ministerium gepflogenen Verhandlungen zurück. Das Ministerium, sagte er, habe zuerst eine Steuer von 27 Fr. auf den Rübenzucker vorgeschlagen, dann schien es in eine Abgabe von 25 Fr. zu willigen. (Der Finanzminister macht ein Zeichen der Verneinung.) Die Commission habe sich zu einer Festsetzung derselben auf 20 Fr. bereit gezeigt. Hr. Thiers nahm hierauf inmitten der tiefsten Stille der Versammlung das Wort. Das Ministerium, sagte er, wolle den Schwierigkeiten keineswegs, wie man ihm vorwerfe, aus dem Wege gehen. Beweis dafür sey seine offene Erklärung gegen ein Amendement, das wohl eine ziemlich große Stimmenzahl für sich erhalten werde. Durchdrungen von seiner Pflicht werde das Cabinet nicht nachgeben, sich nicht einschüchtern lassen, werde fest für das allgemeine Interesse des Landes kämpfen, sollte es auch unterliegen. (Beifall.) Hr. Thiers bestritt die Angaben derer, welche die Colonien als ins äußerste Elend versunken und einem baldigen Untergang nahe schilderten. Dagegen suchte er auch die Uebertreibung der Ansprüche der Rübenzuckerfabricanten hervorzuheben. Jede Industrie, die im Fortschreiten begriffen, verdiene den Schutz des Landes. Mit Unrecht habe man daher den dem Rübenzucker bisher gewordenen Schutz getadelt. Auch andere Industrien, wie die Fabrication der Eisenwaaren und der Baumwollenzeuge, verdanken ihre gegenwärtige Blüthe nur einem ähnlichen Schutz. Keine agricole Cultur sey vortheilhafter, als die der Runkelrübe und jede agricole Cultur sey für das Land ein Schatz. In einem Lande, wo der Boden die Basis der Steuern bilde, müsse man auch etwas für den Boden thun und ihn nicht einer Reichthumsquelle berauben. Wenn man durch einen wahrhaft barbarischen Beschluß die einheimische Fabrication unterdrückt haben würde, so wäre der Streit hiemit noch nicht zu Ende. Dann würden die Seehäfen und die Colonien mit einander über den Eingangszoll des Zuckers hadern und jene verlangen, daß man die Colonialproducte nicht durch Ausschließung der ausländischen Producte begünstige. "Ich weiß wohl, sagte Hr. Thiers am Schlusse, daß dem Rübenzucker Gefahr droht. Die Freunde der Seehäfen und der Colonien scheinen einverstanden, den Rübenzucker proscribiren zu wollen. Ueberdieß schmeicheln sich die einheimischen Fabricanten mit der Hoffnung einer Entschädigung. Meiner Meinung nach wäre eine Entschädigung eine schlechte und lästige, die Unterdrückung des Rübenzuckers eine verderbliche Maaßregel. Ich erkläre mich aufs entschiedenste gegen das vorliegende Amendement, weil ich solches für gefahrvoll halte." (Beifall.) Die Rede des Conseilpräsidenten dauerte anderthalb Stunden und wurde mit gespanntester Aufmerksamkeit angehört. Nach ihm betrat Hr. Berryer die Rednerbühne. Er wartete einige Augenblicke, bis die Aufregung der Kammer sich gelegt hatte. Die Post ging ab noch ehe er das Wort ergriffen hatte. Der National enthält einen umständlichen Artikel über die Zuckerfrage. Er sagt unter Anderm: "Die beiden Industrien können nicht neben einander bestehen! ruft man von allen Seiten. Daraus geht folgerecht hervor, daß man entweder den Colonialzucker zum Vortheil des einheimischen, oder diesen zum Vortheil des erstern zerstören muß. Diese Folgerung ist aber geradezu eine unvernünftige. Die beiderlei Interessenten versichern, daß nicht nur ihr Privat-, sondern auch das allgemeine Interesse Frankreichs dabei gewinnen würde. Wir hingegen behaupten das Gegentheil. Woher rührt der Uebelstand? Davon, daß die Zuckerproduction den Bedarf der Consumtion überschreitet. Es handelt sich einzig darum, das Gleichgewicht herzustellen, nicht, wie man unaufhörlich sagt, zwischen den zwei rivalisirenden Productionen, sondern zwischen der Production und der Consumtion. Was ist nun dazu nöthig? Etwa, daß man die Colonialproduction beschränke, oder die einheimische Production direct oder indirect zerstöre? Nein! und hundertmal Nein! Es gibt nur Ein Mittel, nämlich die Taxen von beiden Zuckerarten herabzusetzen. Wird der Zucker wohlfeiler verkauft, so darf man auch sicher annehmen, daß es der Production nicht an Consumtion fehlen wird. Wer könnte dann wohl mit einiger Vernunft gegen eine solche Maaßregel protestiren? Die Consumenten gewiß nicht, mit denen man sich überhaupt, unserer Ansicht nach, bei dieser Debatte nur allzu wenig beschäftigt. Oder die Colonisten? Was fordern aber diese jetzt? Einen ausgedehntern Markt, und weiter nichts. Gerade die größere Consumtion, die durch Herabsetzung des Preises unvermeidlich hervorgerufen werden würde, würde ihnen den ihnen mangelnden Absatz sichern. Würden die Seehäfen protestiren? Eine größere der Consumtion überlieferte Zuckerquantität würde aber gerade der Schifffahrt zum Vortheil und zur Vermehrung gereichen. Würden die einheimischen Fabricanten protestiren? Vielleicht. Viele derselben würden leicht darauf verzichten, fortarbeiten zu lassen, wenn man sie an dem ihnen von dem Cabinet des 12 Mai so großmüthig angebotenen Geschenke von 40 Millionen Theil nehmen ließe. Oder der Schatz? Wir behaupten aber, daß, wenn man die auf beide Zucker festgesetzte Auflage in gehörigem Verhältniß verminderte, der Staat nicht nur indirect, sondern direct durch vermehrte Consumtion, eine mit der gegenwärtigen gleiche, wo nicht höhere Summe beziehen würde. Man wird ihre Kräfte messen würden. Dieses Amendement beantragt ein gänzliches Verbot der Rübenzuckerfabrication gegen Entschädigung. Der Präsident des Conseils, Hr. Thiers, bestieg gleich bei Anfang der Sitzung die Rednerbühne und erklärte, die Absicht der Regierung sey, sich dem vorliegenden Amendement aus allen Kräften zu widersetzen. Ihre Motive werde sie im Laufe der Discussion darlegen. Hr. Berryer, der als Repräsentant der Stadt Marseille ein entschiedener Verfechter des Interesses der Colonien ist, meinte, es lägen nur drei bestimmte Fragen vor: will man die einheimische Zuckerfabrication begünstigen? will man sie ganz verbieten? ist ein Mittelsystem zwischen diesen beiden äußersten Maaßregeln möglich? Die Betheiligten, sagte Hr. Berryer, seyen in einer äußerst peinlichen Lage, der man durchaus ein Ende machen müsse. Es sey Pflicht der Regierung, in dieser Frage förmlich zu interveniren. Der Finanzminister: „Die Regierung intervenirt vom Augenblick an, wo sie jedes absolute System bekämpft. Das System des Verbots der einheimischen Zuckerfabrication ist nicht neu. Es wurde zum erstenmal im Jahre 1837 angeregt. Hr. Lacave-Laplagne war zu jener Zeit Finanzminister. Warum hat er damals seinen Einfluß nicht aufgeboten, jenes System durchzuführen? Die Regierung und die Commission verwarfen einmüthig das Verbot des Rübenzuckers gegen Entschädigung. Man kann eine in Frankreich zuerst aufgekommene, lange begünstigte Industrie nicht aus bloßem Fiscalinteresse vernichten, wie Hr. Lacave-Laplagne vorschlägt. Könnten die Umstände, welche die ersten Versuche der Rübenzuckerindustrie veranlaßten, sich nicht erneuern? Die Regierung hat in der Commission ihre Absichten zu erkennen gegeben, und das Verhältniß der auf beide Industrien zu legenden Abgaben bezeichnet. (Murren.) Es ist dieß eine Transaction, welche die Regierung im Interesse beider Industrien für nützlich und nothwendig hält.“ Hr. Lacave-Laplagne antwortete, daß er, zur Zeit als er Finanzminister gewesen, die von ihm vorgeschlagene Maaßregel nur deßhalb nicht ausgeführt habe, weil er Opposition im Conseil gefunden. Seine Collegen hätten die Maaßregel damals für allzu schwierig gehalten. General Bugeaud kommt auf die zwischen der Commission und dem Ministerium gepflogenen Verhandlungen zurück. Das Ministerium, sagte er, habe zuerst eine Steuer von 27 Fr. auf den Rübenzucker vorgeschlagen, dann schien es in eine Abgabe von 25 Fr. zu willigen. (Der Finanzminister macht ein Zeichen der Verneinung.) Die Commission habe sich zu einer Festsetzung derselben auf 20 Fr. bereit gezeigt. Hr. Thiers nahm hierauf inmitten der tiefsten Stille der Versammlung das Wort. Das Ministerium, sagte er, wolle den Schwierigkeiten keineswegs, wie man ihm vorwerfe, aus dem Wege gehen. Beweis dafür sey seine offene Erklärung gegen ein Amendement, das wohl eine ziemlich große Stimmenzahl für sich erhalten werde. Durchdrungen von seiner Pflicht werde das Cabinet nicht nachgeben, sich nicht einschüchtern lassen, werde fest für das allgemeine Interesse des Landes kämpfen, sollte es auch unterliegen. (Beifall.) Hr. Thiers bestritt die Angaben derer, welche die Colonien als ins äußerste Elend versunken und einem baldigen Untergang nahe schilderten. Dagegen suchte er auch die Uebertreibung der Ansprüche der Rübenzuckerfabricanten hervorzuheben. Jede Industrie, die im Fortschreiten begriffen, verdiene den Schutz des Landes. Mit Unrecht habe man daher den dem Rübenzucker bisher gewordenen Schutz getadelt. Auch andere Industrien, wie die Fabrication der Eisenwaaren und der Baumwollenzeuge, verdanken ihre gegenwärtige Blüthe nur einem ähnlichen Schutz. Keine agricole Cultur sey vortheilhafter, als die der Runkelrübe und jede agricole Cultur sey für das Land ein Schatz. In einem Lande, wo der Boden die Basis der Steuern bilde, müsse man auch etwas für den Boden thun und ihn nicht einer Reichthumsquelle berauben. Wenn man durch einen wahrhaft barbarischen Beschluß die einheimische Fabrication unterdrückt haben würde, so wäre der Streit hiemit noch nicht zu Ende. Dann würden die Seehäfen und die Colonien mit einander über den Eingangszoll des Zuckers hadern und jene verlangen, daß man die Colonialproducte nicht durch Ausschließung der ausländischen Producte begünstige. „Ich weiß wohl, sagte Hr. Thiers am Schlusse, daß dem Rübenzucker Gefahr droht. Die Freunde der Seehäfen und der Colonien scheinen einverstanden, den Rübenzucker proscribiren zu wollen. Ueberdieß schmeicheln sich die einheimischen Fabricanten mit der Hoffnung einer Entschädigung. Meiner Meinung nach wäre eine Entschädigung eine schlechte und lästige, die Unterdrückung des Rübenzuckers eine verderbliche Maaßregel. Ich erkläre mich aufs entschiedenste gegen das vorliegende Amendement, weil ich solches für gefahrvoll halte.“ (Beifall.) Die Rede des Conseilpräsidenten dauerte anderthalb Stunden und wurde mit gespanntester Aufmerksamkeit angehört. Nach ihm betrat Hr. Berryer die Rednerbühne. Er wartete einige Augenblicke, bis die Aufregung der Kammer sich gelegt hatte. Die Post ging ab noch ehe er das Wort ergriffen hatte. Der National enthält einen umständlichen Artikel über die Zuckerfrage. Er sagt unter Anderm: „Die beiden Industrien können nicht neben einander bestehen! ruft man von allen Seiten. Daraus geht folgerecht hervor, daß man entweder den Colonialzucker zum Vortheil des einheimischen, oder diesen zum Vortheil des erstern zerstören muß. Diese Folgerung ist aber geradezu eine unvernünftige. Die beiderlei Interessenten versichern, daß nicht nur ihr Privat-, sondern auch das allgemeine Interesse Frankreichs dabei gewinnen würde. Wir hingegen behaupten das Gegentheil. Woher rührt der Uebelstand? Davon, daß die Zuckerproduction den Bedarf der Consumtion überschreitet. Es handelt sich einzig darum, das Gleichgewicht herzustellen, nicht, wie man unaufhörlich sagt, zwischen den zwei rivalisirenden Productionen, sondern zwischen der Production und der Consumtion. Was ist nun dazu nöthig? Etwa, daß man die Colonialproduction beschränke, oder die einheimische Production direct oder indirect zerstöre? Nein! und hundertmal Nein! Es gibt nur Ein Mittel, nämlich die Taxen von beiden Zuckerarten herabzusetzen. Wird der Zucker wohlfeiler verkauft, so darf man auch sicher annehmen, daß es der Production nicht an Consumtion fehlen wird. Wer könnte dann wohl mit einiger Vernunft gegen eine solche Maaßregel protestiren? Die Consumenten gewiß nicht, mit denen man sich überhaupt, unserer Ansicht nach, bei dieser Debatte nur allzu wenig beschäftigt. Oder die Colonisten? Was fordern aber diese jetzt? Einen ausgedehntern Markt, und weiter nichts. Gerade die größere Consumtion, die durch Herabsetzung des Preises unvermeidlich hervorgerufen werden würde, würde ihnen den ihnen mangelnden Absatz sichern. Würden die Seehäfen protestiren? Eine größere der Consumtion überlieferte Zuckerquantität würde aber gerade der Schifffahrt zum Vortheil und zur Vermehrung gereichen. Würden die einheimischen Fabricanten protestiren? Vielleicht. Viele derselben würden leicht darauf verzichten, fortarbeiten zu lassen, wenn man sie an dem ihnen von dem Cabinet des 12 Mai so großmüthig angebotenen Geschenke von 40 Millionen Theil nehmen ließe. Oder der Schatz? Wir behaupten aber, daß, wenn man die auf beide Zucker festgesetzte Auflage in gehörigem Verhältniß verminderte, der Staat nicht nur indirect, sondern direct durch vermehrte Consumtion, eine mit der gegenwärtigen gleiche, wo nicht höhere Summe beziehen würde. Man wird <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0003" n="1067"/> ihre Kräfte messen würden. 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Der <hi rendition="#g">Finanzminister</hi>: „Die Regierung intervenirt vom Augenblick an, wo sie jedes absolute System bekämpft. Das System des Verbots der einheimischen Zuckerfabrication ist nicht neu. Es wurde zum erstenmal im Jahre 1837 angeregt. Hr. Lacave-Laplagne war zu jener Zeit Finanzminister. Warum hat er damals seinen Einfluß nicht aufgeboten, jenes System durchzuführen? Die Regierung und die Commission verwarfen einmüthig das Verbot des Rübenzuckers gegen Entschädigung. Man kann eine in Frankreich zuerst aufgekommene, lange begünstigte Industrie nicht aus bloßem Fiscalinteresse vernichten, wie Hr. Lacave-Laplagne vorschlägt. Könnten die Umstände, welche die ersten Versuche der Rübenzuckerindustrie veranlaßten, sich nicht erneuern? Die Regierung hat in der Commission ihre Absichten zu erkennen gegeben, und das Verhältniß der auf beide Industrien zu legenden Abgaben bezeichnet. (Murren.) 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Das Ministerium, sagte er, wolle den Schwierigkeiten keineswegs, wie man ihm vorwerfe, aus dem Wege gehen. Beweis dafür sey seine offene Erklärung gegen ein Amendement, das wohl eine ziemlich große Stimmenzahl für sich erhalten werde. Durchdrungen von seiner Pflicht werde das Cabinet nicht nachgeben, sich nicht einschüchtern lassen, werde fest für das allgemeine Interesse des Landes kämpfen, sollte es auch unterliegen. (Beifall.) Hr. Thiers bestritt die Angaben derer, welche die Colonien als ins äußerste Elend versunken und einem baldigen Untergang nahe schilderten. Dagegen suchte er auch die Uebertreibung der Ansprüche der Rübenzuckerfabricanten hervorzuheben. Jede Industrie, die im Fortschreiten begriffen, verdiene den Schutz des Landes. Mit Unrecht habe man daher den dem Rübenzucker bisher gewordenen Schutz getadelt. Auch andere Industrien, wie die Fabrication der Eisenwaaren und der Baumwollenzeuge, verdanken ihre gegenwärtige Blüthe nur einem ähnlichen Schutz. Keine agricole Cultur sey vortheilhafter, als die der Runkelrübe und jede agricole Cultur sey für das Land ein Schatz. In einem Lande, wo der Boden die Basis der Steuern bilde, müsse man auch etwas für den Boden thun und ihn nicht einer Reichthumsquelle berauben. Wenn man durch einen wahrhaft barbarischen Beschluß die einheimische Fabrication unterdrückt haben würde, so wäre der Streit hiemit noch nicht zu Ende. Dann würden die Seehäfen und die Colonien mit einander über den Eingangszoll des Zuckers hadern und jene verlangen, daß man die Colonialproducte nicht durch Ausschließung der ausländischen Producte begünstige. „Ich weiß wohl, sagte Hr. Thiers am Schlusse, daß dem Rübenzucker Gefahr droht. Die Freunde der Seehäfen und der Colonien scheinen einverstanden, den Rübenzucker proscribiren zu wollen. Ueberdieß schmeicheln sich die einheimischen Fabricanten mit der Hoffnung einer Entschädigung. Meiner Meinung nach wäre eine Entschädigung eine schlechte und lästige, die Unterdrückung des Rübenzuckers eine verderbliche Maaßregel. Ich erkläre mich aufs entschiedenste gegen das vorliegende Amendement, weil ich solches für gefahrvoll halte.“ (Beifall.) Die Rede des Conseilpräsidenten dauerte anderthalb Stunden und wurde mit gespanntester Aufmerksamkeit angehört. Nach ihm betrat Hr. <hi rendition="#g">Berryer</hi> die Rednerbühne. Er wartete einige Augenblicke, bis die Aufregung der Kammer sich gelegt hatte. Die Post ging ab noch ehe er das Wort ergriffen hatte.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">National</hi> enthält einen umständlichen Artikel über die Zuckerfrage. Er sagt unter Anderm: „Die beiden Industrien können nicht neben einander bestehen! ruft man von allen Seiten. Daraus geht folgerecht hervor, daß man entweder den Colonialzucker zum Vortheil des einheimischen, oder diesen zum Vortheil des erstern zerstören muß. Diese Folgerung ist aber geradezu eine unvernünftige. Die beiderlei Interessenten versichern, daß nicht nur ihr Privat-, sondern auch das allgemeine Interesse Frankreichs dabei gewinnen würde. Wir hingegen behaupten das Gegentheil. Woher rührt der Uebelstand? Davon, daß die Zuckerproduction den Bedarf der Consumtion überschreitet. Es handelt sich einzig darum, das Gleichgewicht herzustellen, nicht, wie man unaufhörlich sagt, zwischen den zwei rivalisirenden Productionen, sondern zwischen der Production und der Consumtion. Was ist nun dazu nöthig? Etwa, daß man die Colonialproduction beschränke, oder die einheimische Production direct oder indirect zerstöre? Nein! und hundertmal Nein! Es gibt nur Ein Mittel, nämlich die Taxen von beiden Zuckerarten herabzusetzen. Wird der Zucker wohlfeiler verkauft, so darf man auch sicher annehmen, daß es der Production nicht an Consumtion fehlen wird. Wer könnte dann wohl mit einiger Vernunft gegen eine solche Maaßregel protestiren? Die Consumenten gewiß nicht, mit denen man sich überhaupt, unserer Ansicht nach, bei dieser Debatte nur allzu wenig beschäftigt. Oder die Colonisten? Was fordern aber diese jetzt? Einen ausgedehntern Markt, und weiter nichts. Gerade die größere Consumtion, die durch Herabsetzung des Preises unvermeidlich hervorgerufen werden würde, würde ihnen den ihnen mangelnden Absatz sichern. Würden die Seehäfen protestiren? Eine größere der Consumtion überlieferte Zuckerquantität würde aber gerade der Schifffahrt zum Vortheil und zur Vermehrung gereichen. Würden die einheimischen Fabricanten protestiren? Vielleicht. Viele derselben würden leicht darauf verzichten, fortarbeiten zu lassen, wenn man sie an dem ihnen von dem Cabinet des 12 Mai so großmüthig angebotenen Geschenke von 40 Millionen Theil nehmen ließe. Oder der Schatz? 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ihre Kräfte messen würden. Dieses Amendement beantragt ein gänzliches Verbot der Rübenzuckerfabrication gegen Entschädigung. Der Präsident des Conseils, Hr. Thiers, bestieg gleich bei Anfang der Sitzung die Rednerbühne und erklärte, die Absicht der Regierung sey, sich dem vorliegenden Amendement aus allen Kräften zu widersetzen. Ihre Motive werde sie im Laufe der Discussion darlegen. Hr. Berryer, der als Repräsentant der Stadt Marseille ein entschiedener Verfechter des Interesses der Colonien ist, meinte, es lägen nur drei bestimmte Fragen vor: will man die einheimische Zuckerfabrication begünstigen? will man sie ganz verbieten? ist ein Mittelsystem zwischen diesen beiden äußersten Maaßregeln möglich? Die Betheiligten, sagte Hr. Berryer, seyen in einer äußerst peinlichen Lage, der man durchaus ein Ende machen müsse. Es sey Pflicht der Regierung, in dieser Frage förmlich zu interveniren. Der Finanzminister: „Die Regierung intervenirt vom Augenblick an, wo sie jedes absolute System bekämpft. Das System des Verbots der einheimischen Zuckerfabrication ist nicht neu. Es wurde zum erstenmal im Jahre 1837 angeregt. Hr. Lacave-Laplagne war zu jener Zeit Finanzminister. Warum hat er damals seinen Einfluß nicht aufgeboten, jenes System durchzuführen? Die Regierung und die Commission verwarfen einmüthig das Verbot des Rübenzuckers gegen Entschädigung. Man kann eine in Frankreich zuerst aufgekommene, lange begünstigte Industrie nicht aus bloßem Fiscalinteresse vernichten, wie Hr. Lacave-Laplagne vorschlägt. Könnten die Umstände, welche die ersten Versuche der Rübenzuckerindustrie veranlaßten, sich nicht erneuern? Die Regierung hat in der Commission ihre Absichten zu erkennen gegeben, und das Verhältniß der auf beide Industrien zu legenden Abgaben bezeichnet. (Murren.) Es ist dieß eine Transaction, welche die Regierung im Interesse beider Industrien für nützlich und nothwendig hält.“ Hr. Lacave-Laplagne antwortete, daß er, zur Zeit als er Finanzminister gewesen, die von ihm vorgeschlagene Maaßregel nur deßhalb nicht ausgeführt habe, weil er Opposition im Conseil gefunden. Seine Collegen hätten die Maaßregel damals für allzu schwierig gehalten. General Bugeaud kommt auf die zwischen der Commission und dem Ministerium gepflogenen Verhandlungen zurück. Das Ministerium, sagte er, habe zuerst eine Steuer von 27 Fr. auf den Rübenzucker vorgeschlagen, dann schien es in eine Abgabe von 25 Fr. zu willigen. (Der Finanzminister macht ein Zeichen der Verneinung.) Die Commission habe sich zu einer Festsetzung derselben auf 20 Fr. bereit gezeigt. Hr. Thiers nahm hierauf inmitten der tiefsten Stille der Versammlung das Wort. Das Ministerium, sagte er, wolle den Schwierigkeiten keineswegs, wie man ihm vorwerfe, aus dem Wege gehen. Beweis dafür sey seine offene Erklärung gegen ein Amendement, das wohl eine ziemlich große Stimmenzahl für sich erhalten werde. Durchdrungen von seiner Pflicht werde das Cabinet nicht nachgeben, sich nicht einschüchtern lassen, werde fest für das allgemeine Interesse des Landes kämpfen, sollte es auch unterliegen. (Beifall.) Hr. Thiers bestritt die Angaben derer, welche die Colonien als ins äußerste Elend versunken und einem baldigen Untergang nahe schilderten. Dagegen suchte er auch die Uebertreibung der Ansprüche der Rübenzuckerfabricanten hervorzuheben. Jede Industrie, die im Fortschreiten begriffen, verdiene den Schutz des Landes. Mit Unrecht habe man daher den dem Rübenzucker bisher gewordenen Schutz getadelt. Auch andere Industrien, wie die Fabrication der Eisenwaaren und der Baumwollenzeuge, verdanken ihre gegenwärtige Blüthe nur einem ähnlichen Schutz. Keine agricole Cultur sey vortheilhafter, als die der Runkelrübe und jede agricole Cultur sey für das Land ein Schatz. In einem Lande, wo der Boden die Basis der Steuern bilde, müsse man auch etwas für den Boden thun und ihn nicht einer Reichthumsquelle berauben. Wenn man durch einen wahrhaft barbarischen Beschluß die einheimische Fabrication unterdrückt haben würde, so wäre der Streit hiemit noch nicht zu Ende. Dann würden die Seehäfen und die Colonien mit einander über den Eingangszoll des Zuckers hadern und jene verlangen, daß man die Colonialproducte nicht durch Ausschließung der ausländischen Producte begünstige. „Ich weiß wohl, sagte Hr. Thiers am Schlusse, daß dem Rübenzucker Gefahr droht. Die Freunde der Seehäfen und der Colonien scheinen einverstanden, den Rübenzucker proscribiren zu wollen. Ueberdieß schmeicheln sich die einheimischen Fabricanten mit der Hoffnung einer Entschädigung. Meiner Meinung nach wäre eine Entschädigung eine schlechte und lästige, die Unterdrückung des Rübenzuckers eine verderbliche Maaßregel. Ich erkläre mich aufs entschiedenste gegen das vorliegende Amendement, weil ich solches für gefahrvoll halte.“ (Beifall.) Die Rede des Conseilpräsidenten dauerte anderthalb Stunden und wurde mit gespanntester Aufmerksamkeit angehört. Nach ihm betrat Hr. Berryer die Rednerbühne. Er wartete einige Augenblicke, bis die Aufregung der Kammer sich gelegt hatte. Die Post ging ab noch ehe er das Wort ergriffen hatte.
Der National enthält einen umständlichen Artikel über die Zuckerfrage. Er sagt unter Anderm: „Die beiden Industrien können nicht neben einander bestehen! ruft man von allen Seiten. Daraus geht folgerecht hervor, daß man entweder den Colonialzucker zum Vortheil des einheimischen, oder diesen zum Vortheil des erstern zerstören muß. Diese Folgerung ist aber geradezu eine unvernünftige. Die beiderlei Interessenten versichern, daß nicht nur ihr Privat-, sondern auch das allgemeine Interesse Frankreichs dabei gewinnen würde. Wir hingegen behaupten das Gegentheil. Woher rührt der Uebelstand? Davon, daß die Zuckerproduction den Bedarf der Consumtion überschreitet. Es handelt sich einzig darum, das Gleichgewicht herzustellen, nicht, wie man unaufhörlich sagt, zwischen den zwei rivalisirenden Productionen, sondern zwischen der Production und der Consumtion. Was ist nun dazu nöthig? Etwa, daß man die Colonialproduction beschränke, oder die einheimische Production direct oder indirect zerstöre? Nein! und hundertmal Nein! Es gibt nur Ein Mittel, nämlich die Taxen von beiden Zuckerarten herabzusetzen. Wird der Zucker wohlfeiler verkauft, so darf man auch sicher annehmen, daß es der Production nicht an Consumtion fehlen wird. Wer könnte dann wohl mit einiger Vernunft gegen eine solche Maaßregel protestiren? Die Consumenten gewiß nicht, mit denen man sich überhaupt, unserer Ansicht nach, bei dieser Debatte nur allzu wenig beschäftigt. Oder die Colonisten? Was fordern aber diese jetzt? Einen ausgedehntern Markt, und weiter nichts. Gerade die größere Consumtion, die durch Herabsetzung des Preises unvermeidlich hervorgerufen werden würde, würde ihnen den ihnen mangelnden Absatz sichern. Würden die Seehäfen protestiren? Eine größere der Consumtion überlieferte Zuckerquantität würde aber gerade der Schifffahrt zum Vortheil und zur Vermehrung gereichen. Würden die einheimischen Fabricanten protestiren? Vielleicht. Viele derselben würden leicht darauf verzichten, fortarbeiten zu lassen, wenn man sie an dem ihnen von dem Cabinet des 12 Mai so großmüthig angebotenen Geschenke von 40 Millionen Theil nehmen ließe. Oder der Schatz? Wir behaupten aber, daß, wenn man die auf beide Zucker festgesetzte Auflage in gehörigem Verhältniß verminderte, der Staat nicht nur indirect, sondern direct durch vermehrte Consumtion, eine mit der gegenwärtigen gleiche, wo nicht höhere Summe beziehen würde. Man wird
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
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