Allgemeine Zeitung. Nr. 140. Augsburg, 19. Mai 1840.dem Judenquartier nachzusuchen, um so mehr, als der Pater Thomas und sein Diener kurz zuvor einen heftigen, mit Schlägen begleiteten Streit auf dem Platze Hassan Pascha, einem sehr häufig besuchten Ort der Stadt, gehabt, und dieser Streit zwischen ihnen und Muselmännern aus der niedrigsten und gröbsten Volksclasse (della piu bassa e piu impertinente canaglia) stattgefunden hatte. Ein junger Hebräer, der aussagte, daß er ihn anderwärts gesehen, ward so heftig mit Ruthen gepeitscht, daß er nach 24 Stunden im Gefängniß seinen Geist aufgab. Darauf folgten Verhaftungen, vielfache Bastonnaden, worunter ein sechzigjähriger Hebräer während der Streiche umkam; sein Verbrechen war gewesen, der Pförtner des Judenquartiers zu seyn. Man grub die Leichname zweier kürzlich verstorbenen Israeliten wieder aus, um nachzusehen, ob es nicht die beiden Verschwundenen seyen. Oder setzte man voraus, diejenigen zwei Juden, die dem angeschuldigten Morde beigewohnt, hätten in dem Kampf mit dem Diener des Paters einen tödtlichen Schlag erhalten haben können. Man durchsuchte mehrere Häuser, worunter die von verschiedenen österreichischen oder toscanischen Unterthanen, mit Ermächtigung des k. k. Consulats; die Nachsuchungen blieben aber viele Tage lang völlig fruchtlos. Endlich verlangte der französische Consul, man solle einen Türken von ganz niedrigem Herkommen, Namens Mohammed el Telli, der wegen Steuerrückstands im Gefängniß war, aus dem Gefängniß herauslassen, und gebrauchte ihn bei diesem Anlaß nicht bloß um den Thätern nachzuspüren, sondern auch um verdächtige und gefangene Personen zu ermahnen, durch ihre Geständnisse einiges Licht, einige Anzeigen zur Entdeckung des Verbrechens und seiner Urheber zu liefern. "Bei den ersten Verhaftungen hatte man einen jüdischen Barbier festgenommen. Er ward auf dem französischen Consulate verhört und hatte in seinen Antworten Verwirrung und Widersprüche gezeigt. Er schien mehr Verdacht als die andern Verhafteten zu erwecken. Man behielt ihn drei Tage im Consulathause, ermahnte ihn zu offenem Bekenntniß, versprach ihm Straflosigkeit, eine Belohnung und freies Geleit ins Ausland; alle diese Mittel waren aber fruchtlos. Er läugnete unerschütterlich. Man lieferte ihn wieder in die Hände des Sherif-Pascha, wo man die Versprechungen, aber eben so erfolglos, erneuerte. Darauf ward er zweimal gräulich mit Ruthen gepeitscht; man folterte ihn am Kopfe. In der Zwischenzeit erhielt er die fortgesetzten brüderlichen Besuche jenes Mohammed el Telli, bis er am Ende Folgendes erklärte: er sey am 5 Februar Abends in das Haus David Arari's geholt worden, wo er auch Joseph, Aaron und Isaak Arari, Mussa Abulaffia, Moses Salonati und Joseph Laniado, lauter wohlhabende israelitische Kaufleute, getroffen habe. Sie hätten ihn aufgefordert, den Pater Thomas, der bereits im Winkel einer Kammer geknebelt gewesen sey, zu ermorden, er hätte sich aber der Begehung dieses schrecklichen Verbrechens geweigert. Darauf habe man ihn entlassen, und ihm eine Summe Geldes gegeben, damit er über alles Gesehene schweige. Er sey fortgegangen, ohne zu wissen, was weiter mit dem armen Pater geschehen. "Die sieben Kaufleute wurden sogleich verhaftet und verhört; sie läugneten Alles. Man hatte bei ihnen mit Stockschlägen beginnen wollen, dann aber überlegt, daß, da die meisten schon in vorgerücktem Alter wären, sie leicht den ersten Schlägen unterliegen könnten. Man suchte ihnen nun das Geständniß durch eine andere Folter zu entreißen: man ließ sie 36 Stunden unausgesetzt und ohne sie schlafen zu lassen, auf den Füßen stehen. Sie hielten diese Qual aus, läugneten aber beharrlich. Darauf ließ man einige mit Ruthen peitschen, hörte aber bald damit auf, da die Unglücklichen bei dem zwanzigsten Schlag ohnmächtig geworden waren. Als sie noch immer nichts bekannten, glaubte der französische Consul, die Tortur sey nicht gehörig vollzogen worden, und verlangte deßwegen Wiederholung. Man willfahrte ihm; die Gequälten behaupteten aber fortwährend, sie seyen unschuldig. Inzwischen hatte man sich des Dieners David Arari's bemächtigt, und diesen lange mit Ruthen gepeitscht. Dazwischen wusch man seinen zerrissenen und zerfleischten Körper mit kaltem Wasser, wo er dann endlich sagte, er habe auf Befehl seines Herrn, David Arari, den Barbier in das Haus abgeholt. "Man nahm sechsmalige Nachgrabung in dem Hause David Arari's vor, in der Hoffnung das Corpus delicti zu finden, aber vergebens. Endlich ward am Abend des 27 Febr. der Diener, Namens Murad el Fallat, wieder hergerufen. Nach dem ihm förmlich gemachten Versprechen der Straflosigkeit von Seite des französischen Consuls, und nach einem vorangegangenen zutraulichen Besuche Mohammed el Telli's erklärte er, daß er selbst den Pater Thomas in dem Hause David Arari's, seines Herrn, in Gegenwart und auf Befehl der sieben verhafteten Kaufleute ermordet habe. Da der Barbier sich geweigert, an dem Verbrechen Theil zu nehmen, so habe er den Pater gebunden und ihn während der Ermordung festgehalten. Die sieben Kaufleute hätten das Blut des armen Paters in einem krystallenen Gefäß, zu irgend einem ihm unbekannten religiösen Gebrauch aufgesammelt. Der Barbier und er hätten dann den Leichnam zerstückelt, die Knochen und den Schädel zerstoßen und das Ganze in einen Abzugscanal in der Nähe der Wohnung Arari's geworfen. Man machte sich nun wieder an den Barbier, befragte ihn auf sanfte, freundliche Art, munterte ihn durch neue Versprechungen der Straflosigkeit auf, worauf er dann endlich dieselbe Aussage wie der Diener machte. Der französische Consul und sein Gefolge begaben sich unter Vortritt der zwei Zeugen an den angezeigten Ort. Beide letztern fuhren dahin, da die von ihnen ausgestandenen Martern ihnen das Gehen unmöglich machten. Man öffnete an der von ihnen bezeichneten Stelle die Cloake und fand wirklich einen Haufen Knochen und Stücke einer Mütze oder Priesterkappe. Die Aerzte erklärten die Knochen für menschliche. Man brachte sie nach dem Serail unter die Augen der sieben Angeklagten, die jedoch jede Anschuldigung zurückwiesen. Man unterwarf sie dann neuen Martern und Peitschenhieben, bis endlich einer nach dem andern sich alles dessen schuldig erklärte, was der Barbier und der Diener ausgesagt hatten. Nach diesen Geständnissen verlangte man das aufbewahrte Blut. Der letzte, Mussa Abulaffia, der sich nicht mehr zu helfen und eine Sache, die er nicht hatte, nicht auszuliefern wußte, erbot sich, unter den fürchterlichsten Martern, zum Islam überzugehen. Da dieß aber nicht zureichte, so sagte er, er habe dem Rabbiner Jacob Antibi das Blut übergeben. Dieser ward sogleich gepeitscht und gefoltert; man erhielt aber von ihm nur den förmlichsten Widerspruch. (Beschluß folgt.) dem Judenquartier nachzusuchen, um so mehr, als der Pater Thomas und sein Diener kurz zuvor einen heftigen, mit Schlägen begleiteten Streit auf dem Platze Hassan Pascha, einem sehr häufig besuchten Ort der Stadt, gehabt, und dieser Streit zwischen ihnen und Muselmännern aus der niedrigsten und gröbsten Volksclasse (della più bassa e più impertinente canaglia) stattgefunden hatte. Ein junger Hebräer, der aussagte, daß er ihn anderwärts gesehen, ward so heftig mit Ruthen gepeitscht, daß er nach 24 Stunden im Gefängniß seinen Geist aufgab. Darauf folgten Verhaftungen, vielfache Bastonnaden, worunter ein sechzigjähriger Hebräer während der Streiche umkam; sein Verbrechen war gewesen, der Pförtner des Judenquartiers zu seyn. Man grub die Leichname zweier kürzlich verstorbenen Israeliten wieder aus, um nachzusehen, ob es nicht die beiden Verschwundenen seyen. Oder setzte man voraus, diejenigen zwei Juden, die dem angeschuldigten Morde beigewohnt, hätten in dem Kampf mit dem Diener des Paters einen tödtlichen Schlag erhalten haben können. Man durchsuchte mehrere Häuser, worunter die von verschiedenen österreichischen oder toscanischen Unterthanen, mit Ermächtigung des k. k. Consulats; die Nachsuchungen blieben aber viele Tage lang völlig fruchtlos. Endlich verlangte der französische Consul, man solle einen Türken von ganz niedrigem Herkommen, Namens Mohammed el Telli, der wegen Steuerrückstands im Gefängniß war, aus dem Gefängniß herauslassen, und gebrauchte ihn bei diesem Anlaß nicht bloß um den Thätern nachzuspüren, sondern auch um verdächtige und gefangene Personen zu ermahnen, durch ihre Geständnisse einiges Licht, einige Anzeigen zur Entdeckung des Verbrechens und seiner Urheber zu liefern. „Bei den ersten Verhaftungen hatte man einen jüdischen Barbier festgenommen. Er ward auf dem französischen Consulate verhört und hatte in seinen Antworten Verwirrung und Widersprüche gezeigt. Er schien mehr Verdacht als die andern Verhafteten zu erwecken. Man behielt ihn drei Tage im Consulathause, ermahnte ihn zu offenem Bekenntniß, versprach ihm Straflosigkeit, eine Belohnung und freies Geleit ins Ausland; alle diese Mittel waren aber fruchtlos. Er läugnete unerschütterlich. Man lieferte ihn wieder in die Hände des Sherif-Pascha, wo man die Versprechungen, aber eben so erfolglos, erneuerte. Darauf ward er zweimal gräulich mit Ruthen gepeitscht; man folterte ihn am Kopfe. In der Zwischenzeit erhielt er die fortgesetzten brüderlichen Besuche jenes Mohammed el Telli, bis er am Ende Folgendes erklärte: er sey am 5 Februar Abends in das Haus David Arari's geholt worden, wo er auch Joseph, Aaron und Isaak Arari, Mussa Abulaffia, Moses Salonati und Joseph Laniado, lauter wohlhabende israelitische Kaufleute, getroffen habe. Sie hätten ihn aufgefordert, den Pater Thomas, der bereits im Winkel einer Kammer geknebelt gewesen sey, zu ermorden, er hätte sich aber der Begehung dieses schrecklichen Verbrechens geweigert. Darauf habe man ihn entlassen, und ihm eine Summe Geldes gegeben, damit er über alles Gesehene schweige. Er sey fortgegangen, ohne zu wissen, was weiter mit dem armen Pater geschehen. „Die sieben Kaufleute wurden sogleich verhaftet und verhört; sie läugneten Alles. Man hatte bei ihnen mit Stockschlägen beginnen wollen, dann aber überlegt, daß, da die meisten schon in vorgerücktem Alter wären, sie leicht den ersten Schlägen unterliegen könnten. Man suchte ihnen nun das Geständniß durch eine andere Folter zu entreißen: man ließ sie 36 Stunden unausgesetzt und ohne sie schlafen zu lassen, auf den Füßen stehen. Sie hielten diese Qual aus, läugneten aber beharrlich. Darauf ließ man einige mit Ruthen peitschen, hörte aber bald damit auf, da die Unglücklichen bei dem zwanzigsten Schlag ohnmächtig geworden waren. Als sie noch immer nichts bekannten, glaubte der französische Consul, die Tortur sey nicht gehörig vollzogen worden, und verlangte deßwegen Wiederholung. Man willfahrte ihm; die Gequälten behaupteten aber fortwährend, sie seyen unschuldig. Inzwischen hatte man sich des Dieners David Arari's bemächtigt, und diesen lange mit Ruthen gepeitscht. Dazwischen wusch man seinen zerrissenen und zerfleischten Körper mit kaltem Wasser, wo er dann endlich sagte, er habe auf Befehl seines Herrn, David Arari, den Barbier in das Haus abgeholt. „Man nahm sechsmalige Nachgrabung in dem Hause David Arari's vor, in der Hoffnung das Corpus delicti zu finden, aber vergebens. Endlich ward am Abend des 27 Febr. der Diener, Namens Murad el Fallat, wieder hergerufen. Nach dem ihm förmlich gemachten Versprechen der Straflosigkeit von Seite des französischen Consuls, und nach einem vorangegangenen zutraulichen Besuche Mohammed el Telli's erklärte er, daß er selbst den Pater Thomas in dem Hause David Arari's, seines Herrn, in Gegenwart und auf Befehl der sieben verhafteten Kaufleute ermordet habe. Da der Barbier sich geweigert, an dem Verbrechen Theil zu nehmen, so habe er den Pater gebunden und ihn während der Ermordung festgehalten. Die sieben Kaufleute hätten das Blut des armen Paters in einem krystallenen Gefäß, zu irgend einem ihm unbekannten religiösen Gebrauch aufgesammelt. Der Barbier und er hätten dann den Leichnam zerstückelt, die Knochen und den Schädel zerstoßen und das Ganze in einen Abzugscanal in der Nähe der Wohnung Arari's geworfen. Man machte sich nun wieder an den Barbier, befragte ihn auf sanfte, freundliche Art, munterte ihn durch neue Versprechungen der Straflosigkeit auf, worauf er dann endlich dieselbe Aussage wie der Diener machte. Der französische Consul und sein Gefolge begaben sich unter Vortritt der zwei Zeugen an den angezeigten Ort. Beide letztern fuhren dahin, da die von ihnen ausgestandenen Martern ihnen das Gehen unmöglich machten. Man öffnete an der von ihnen bezeichneten Stelle die Cloake und fand wirklich einen Haufen Knochen und Stücke einer Mütze oder Priesterkappe. Die Aerzte erklärten die Knochen für menschliche. Man brachte sie nach dem Serail unter die Augen der sieben Angeklagten, die jedoch jede Anschuldigung zurückwiesen. Man unterwarf sie dann neuen Martern und Peitschenhieben, bis endlich einer nach dem andern sich alles dessen schuldig erklärte, was der Barbier und der Diener ausgesagt hatten. Nach diesen Geständnissen verlangte man das aufbewahrte Blut. Der letzte, Mussa Abulaffia, der sich nicht mehr zu helfen und eine Sache, die er nicht hatte, nicht auszuliefern wußte, erbot sich, unter den fürchterlichsten Martern, zum Islam überzugehen. Da dieß aber nicht zureichte, so sagte er, er habe dem Rabbiner Jacob Antibi das Blut übergeben. Dieser ward sogleich gepeitscht und gefoltert; man erhielt aber von ihm nur den förmlichsten Widerspruch. (Beschluß folgt.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0013" n="1117"/> dem Judenquartier nachzusuchen, um so mehr, als der Pater Thomas und sein Diener kurz zuvor einen heftigen, mit Schlägen begleiteten Streit auf dem Platze Hassan Pascha, einem sehr häufig besuchten Ort der Stadt, gehabt, und dieser Streit zwischen ihnen und Muselmännern aus der niedrigsten und gröbsten Volksclasse (della più bassa e più impertinente canaglia) stattgefunden hatte. Ein junger Hebräer, der aussagte, daß er ihn anderwärts gesehen, ward so heftig mit Ruthen gepeitscht, daß er nach 24 Stunden im Gefängniß seinen Geist aufgab. Darauf folgten Verhaftungen, vielfache Bastonnaden, worunter ein sechzigjähriger Hebräer während der Streiche umkam; sein Verbrechen war gewesen, der Pförtner des Judenquartiers zu seyn. Man grub die Leichname zweier kürzlich verstorbenen Israeliten wieder aus, um nachzusehen, ob es nicht die beiden Verschwundenen seyen. Oder setzte man voraus, diejenigen zwei Juden, die dem angeschuldigten Morde beigewohnt, hätten in dem Kampf mit dem Diener des Paters einen tödtlichen Schlag erhalten haben können. Man durchsuchte mehrere Häuser, worunter die von verschiedenen österreichischen oder toscanischen Unterthanen, mit Ermächtigung des k. k. Consulats; die Nachsuchungen blieben aber viele Tage lang völlig fruchtlos. Endlich verlangte der französische Consul, man solle einen Türken von ganz niedrigem Herkommen, Namens Mohammed el Telli, der wegen Steuerrückstands im Gefängniß war, aus dem Gefängniß herauslassen, und gebrauchte ihn bei diesem Anlaß nicht bloß um den Thätern nachzuspüren, sondern auch um verdächtige und gefangene Personen zu ermahnen, durch ihre Geständnisse einiges Licht, einige Anzeigen zur Entdeckung des Verbrechens und seiner Urheber zu liefern.</p><lb/> <p>„Bei den ersten Verhaftungen hatte man einen jüdischen Barbier festgenommen. Er ward auf dem französischen Consulate verhört und hatte in seinen Antworten Verwirrung und Widersprüche gezeigt. Er schien mehr Verdacht als die andern Verhafteten zu erwecken. Man behielt ihn drei Tage im Consulathause, ermahnte ihn zu offenem Bekenntniß, versprach ihm Straflosigkeit, eine Belohnung und freies Geleit ins Ausland; alle diese Mittel waren aber fruchtlos. Er läugnete unerschütterlich. Man lieferte ihn wieder in die Hände des Sherif-Pascha, wo man die Versprechungen, aber eben so erfolglos, erneuerte. Darauf ward er zweimal gräulich mit Ruthen gepeitscht; man folterte ihn am Kopfe. In der Zwischenzeit erhielt er die fortgesetzten brüderlichen Besuche jenes Mohammed el Telli, bis er am Ende Folgendes erklärte: er sey am 5 Februar Abends in das Haus David Arari's geholt worden, wo er auch Joseph, Aaron und Isaak Arari, Mussa Abulaffia, Moses Salonati und Joseph Laniado, lauter wohlhabende israelitische Kaufleute, getroffen habe. Sie hätten ihn aufgefordert, den Pater Thomas, der bereits im Winkel einer Kammer geknebelt gewesen sey, zu ermorden, er hätte sich aber der Begehung dieses schrecklichen Verbrechens geweigert. Darauf habe man ihn entlassen, und ihm eine Summe Geldes gegeben, damit er über alles Gesehene schweige. Er sey fortgegangen, ohne zu wissen, was weiter mit dem armen Pater geschehen.</p><lb/> <p>„Die sieben Kaufleute wurden sogleich verhaftet und verhört; sie läugneten Alles. Man hatte bei ihnen mit Stockschlägen beginnen wollen, dann aber überlegt, daß, da die meisten schon in vorgerücktem Alter wären, sie leicht den ersten Schlägen unterliegen könnten. Man suchte ihnen nun das Geständniß durch eine andere Folter zu entreißen: man ließ sie 36 Stunden unausgesetzt und ohne sie schlafen zu lassen, auf den Füßen stehen. Sie hielten diese Qual aus, läugneten aber beharrlich. Darauf ließ man einige mit Ruthen peitschen, hörte aber bald damit auf, da die Unglücklichen bei dem zwanzigsten Schlag ohnmächtig geworden waren. Als sie noch immer nichts bekannten, glaubte der französische Consul, die Tortur sey nicht gehörig vollzogen worden, und verlangte deßwegen Wiederholung. Man willfahrte ihm; die Gequälten behaupteten aber fortwährend, sie seyen unschuldig. Inzwischen hatte man sich des Dieners David Arari's bemächtigt, und diesen lange mit Ruthen gepeitscht. Dazwischen wusch man seinen zerrissenen und zerfleischten Körper mit kaltem Wasser, wo er dann endlich sagte, er habe auf Befehl seines Herrn, David Arari, den Barbier in das Haus abgeholt.</p><lb/> <p>„Man nahm sechsmalige Nachgrabung in dem Hause David Arari's vor, in der Hoffnung das Corpus delicti zu finden, aber vergebens. Endlich ward am Abend des 27 Febr. der Diener, Namens Murad el Fallat, wieder hergerufen. Nach dem ihm förmlich gemachten Versprechen der Straflosigkeit von Seite des französischen Consuls, und nach einem vorangegangenen zutraulichen Besuche Mohammed el Telli's erklärte er, daß er selbst den Pater Thomas in dem Hause David Arari's, seines Herrn, in Gegenwart und auf Befehl der sieben verhafteten Kaufleute ermordet habe. Da der Barbier sich geweigert, an dem Verbrechen Theil zu nehmen, so habe er den Pater gebunden und ihn während der Ermordung festgehalten. Die sieben Kaufleute hätten das Blut des armen Paters in einem krystallenen Gefäß, zu irgend einem ihm unbekannten religiösen Gebrauch aufgesammelt. Der Barbier und er hätten dann den Leichnam zerstückelt, die Knochen und den Schädel zerstoßen und das Ganze in einen Abzugscanal in der Nähe der Wohnung Arari's geworfen. Man machte sich nun wieder an den Barbier, befragte ihn auf sanfte, freundliche Art, munterte ihn durch neue Versprechungen der Straflosigkeit auf, worauf er dann endlich dieselbe Aussage wie der Diener machte. Der französische Consul und sein Gefolge begaben sich unter Vortritt der zwei Zeugen an den angezeigten Ort. Beide letztern fuhren dahin, da die von ihnen ausgestandenen Martern ihnen das Gehen unmöglich machten. Man öffnete an der von ihnen bezeichneten Stelle die Cloake und fand wirklich einen Haufen Knochen und Stücke einer Mütze oder Priesterkappe. Die Aerzte erklärten die Knochen für menschliche. Man brachte sie nach dem Serail unter die Augen der sieben Angeklagten, die jedoch jede Anschuldigung zurückwiesen. Man unterwarf sie dann neuen Martern und Peitschenhieben, bis endlich einer nach dem andern sich alles dessen schuldig erklärte, was der Barbier und der Diener ausgesagt hatten. Nach diesen Geständnissen verlangte man das aufbewahrte Blut. Der letzte, Mussa Abulaffia, der sich nicht mehr zu helfen und eine Sache, die er nicht hatte, nicht auszuliefern wußte, erbot sich, unter den fürchterlichsten Martern, zum Islam überzugehen. Da dieß aber nicht zureichte, so sagte er, er habe dem Rabbiner Jacob Antibi das Blut übergeben. Dieser ward sogleich gepeitscht und gefoltert; man erhielt aber von ihm nur den förmlichsten Widerspruch.</p><lb/> <p>(Beschluß folgt.)</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [1117/0013]
dem Judenquartier nachzusuchen, um so mehr, als der Pater Thomas und sein Diener kurz zuvor einen heftigen, mit Schlägen begleiteten Streit auf dem Platze Hassan Pascha, einem sehr häufig besuchten Ort der Stadt, gehabt, und dieser Streit zwischen ihnen und Muselmännern aus der niedrigsten und gröbsten Volksclasse (della più bassa e più impertinente canaglia) stattgefunden hatte. Ein junger Hebräer, der aussagte, daß er ihn anderwärts gesehen, ward so heftig mit Ruthen gepeitscht, daß er nach 24 Stunden im Gefängniß seinen Geist aufgab. Darauf folgten Verhaftungen, vielfache Bastonnaden, worunter ein sechzigjähriger Hebräer während der Streiche umkam; sein Verbrechen war gewesen, der Pförtner des Judenquartiers zu seyn. Man grub die Leichname zweier kürzlich verstorbenen Israeliten wieder aus, um nachzusehen, ob es nicht die beiden Verschwundenen seyen. Oder setzte man voraus, diejenigen zwei Juden, die dem angeschuldigten Morde beigewohnt, hätten in dem Kampf mit dem Diener des Paters einen tödtlichen Schlag erhalten haben können. Man durchsuchte mehrere Häuser, worunter die von verschiedenen österreichischen oder toscanischen Unterthanen, mit Ermächtigung des k. k. Consulats; die Nachsuchungen blieben aber viele Tage lang völlig fruchtlos. Endlich verlangte der französische Consul, man solle einen Türken von ganz niedrigem Herkommen, Namens Mohammed el Telli, der wegen Steuerrückstands im Gefängniß war, aus dem Gefängniß herauslassen, und gebrauchte ihn bei diesem Anlaß nicht bloß um den Thätern nachzuspüren, sondern auch um verdächtige und gefangene Personen zu ermahnen, durch ihre Geständnisse einiges Licht, einige Anzeigen zur Entdeckung des Verbrechens und seiner Urheber zu liefern.
„Bei den ersten Verhaftungen hatte man einen jüdischen Barbier festgenommen. Er ward auf dem französischen Consulate verhört und hatte in seinen Antworten Verwirrung und Widersprüche gezeigt. Er schien mehr Verdacht als die andern Verhafteten zu erwecken. Man behielt ihn drei Tage im Consulathause, ermahnte ihn zu offenem Bekenntniß, versprach ihm Straflosigkeit, eine Belohnung und freies Geleit ins Ausland; alle diese Mittel waren aber fruchtlos. Er läugnete unerschütterlich. Man lieferte ihn wieder in die Hände des Sherif-Pascha, wo man die Versprechungen, aber eben so erfolglos, erneuerte. Darauf ward er zweimal gräulich mit Ruthen gepeitscht; man folterte ihn am Kopfe. In der Zwischenzeit erhielt er die fortgesetzten brüderlichen Besuche jenes Mohammed el Telli, bis er am Ende Folgendes erklärte: er sey am 5 Februar Abends in das Haus David Arari's geholt worden, wo er auch Joseph, Aaron und Isaak Arari, Mussa Abulaffia, Moses Salonati und Joseph Laniado, lauter wohlhabende israelitische Kaufleute, getroffen habe. Sie hätten ihn aufgefordert, den Pater Thomas, der bereits im Winkel einer Kammer geknebelt gewesen sey, zu ermorden, er hätte sich aber der Begehung dieses schrecklichen Verbrechens geweigert. Darauf habe man ihn entlassen, und ihm eine Summe Geldes gegeben, damit er über alles Gesehene schweige. Er sey fortgegangen, ohne zu wissen, was weiter mit dem armen Pater geschehen.
„Die sieben Kaufleute wurden sogleich verhaftet und verhört; sie läugneten Alles. Man hatte bei ihnen mit Stockschlägen beginnen wollen, dann aber überlegt, daß, da die meisten schon in vorgerücktem Alter wären, sie leicht den ersten Schlägen unterliegen könnten. Man suchte ihnen nun das Geständniß durch eine andere Folter zu entreißen: man ließ sie 36 Stunden unausgesetzt und ohne sie schlafen zu lassen, auf den Füßen stehen. Sie hielten diese Qual aus, läugneten aber beharrlich. Darauf ließ man einige mit Ruthen peitschen, hörte aber bald damit auf, da die Unglücklichen bei dem zwanzigsten Schlag ohnmächtig geworden waren. Als sie noch immer nichts bekannten, glaubte der französische Consul, die Tortur sey nicht gehörig vollzogen worden, und verlangte deßwegen Wiederholung. Man willfahrte ihm; die Gequälten behaupteten aber fortwährend, sie seyen unschuldig. Inzwischen hatte man sich des Dieners David Arari's bemächtigt, und diesen lange mit Ruthen gepeitscht. Dazwischen wusch man seinen zerrissenen und zerfleischten Körper mit kaltem Wasser, wo er dann endlich sagte, er habe auf Befehl seines Herrn, David Arari, den Barbier in das Haus abgeholt.
„Man nahm sechsmalige Nachgrabung in dem Hause David Arari's vor, in der Hoffnung das Corpus delicti zu finden, aber vergebens. Endlich ward am Abend des 27 Febr. der Diener, Namens Murad el Fallat, wieder hergerufen. Nach dem ihm förmlich gemachten Versprechen der Straflosigkeit von Seite des französischen Consuls, und nach einem vorangegangenen zutraulichen Besuche Mohammed el Telli's erklärte er, daß er selbst den Pater Thomas in dem Hause David Arari's, seines Herrn, in Gegenwart und auf Befehl der sieben verhafteten Kaufleute ermordet habe. Da der Barbier sich geweigert, an dem Verbrechen Theil zu nehmen, so habe er den Pater gebunden und ihn während der Ermordung festgehalten. Die sieben Kaufleute hätten das Blut des armen Paters in einem krystallenen Gefäß, zu irgend einem ihm unbekannten religiösen Gebrauch aufgesammelt. Der Barbier und er hätten dann den Leichnam zerstückelt, die Knochen und den Schädel zerstoßen und das Ganze in einen Abzugscanal in der Nähe der Wohnung Arari's geworfen. Man machte sich nun wieder an den Barbier, befragte ihn auf sanfte, freundliche Art, munterte ihn durch neue Versprechungen der Straflosigkeit auf, worauf er dann endlich dieselbe Aussage wie der Diener machte. Der französische Consul und sein Gefolge begaben sich unter Vortritt der zwei Zeugen an den angezeigten Ort. Beide letztern fuhren dahin, da die von ihnen ausgestandenen Martern ihnen das Gehen unmöglich machten. Man öffnete an der von ihnen bezeichneten Stelle die Cloake und fand wirklich einen Haufen Knochen und Stücke einer Mütze oder Priesterkappe. Die Aerzte erklärten die Knochen für menschliche. Man brachte sie nach dem Serail unter die Augen der sieben Angeklagten, die jedoch jede Anschuldigung zurückwiesen. Man unterwarf sie dann neuen Martern und Peitschenhieben, bis endlich einer nach dem andern sich alles dessen schuldig erklärte, was der Barbier und der Diener ausgesagt hatten. Nach diesen Geständnissen verlangte man das aufbewahrte Blut. Der letzte, Mussa Abulaffia, der sich nicht mehr zu helfen und eine Sache, die er nicht hatte, nicht auszuliefern wußte, erbot sich, unter den fürchterlichsten Martern, zum Islam überzugehen. Da dieß aber nicht zureichte, so sagte er, er habe dem Rabbiner Jacob Antibi das Blut übergeben. Dieser ward sogleich gepeitscht und gefoltert; man erhielt aber von ihm nur den förmlichsten Widerspruch.
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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