Allgemeine Zeitung. Nr. 146. Augsburg, 25. Mai 1840.an dem Pater Thomas verdächtigen Juden nicht mehr nach der ältern Proceßform geführt werden solle. Der Vicekönig untersagte den Richtern jede fernere Anwendung von körperlichen Zwangsmitteln zur Erpressung des Geständnisses und gebot ihnen, in dem menschlichen und aufgeklärten Geiste zu verfahren, den der Hattischeriff von Gülhaneh athmet. Der französische Consul, Graf Ratti-Menton, scheint zu der harten Behandlung, der die armen Juden unterworfen worden, viel beigetragen zu haben. Die zweimalige Anwendung der Tortur soll auf Veranlassung desselben stattgefunden haben. - Mehemed Ali fährt fort das Land zu bewaffnen und soll die Unternehmung eines neuen Feldzugs im nächsten Junius im Schilde führen. - In Syrien sieht es unruhig aus. Man sieht einer neuen Erhebung der Drusen entgegen. Aegypten. (Journal de Smyrne.) Alexandria, 17 April. Heute herrschte große Freude im Palast. Mehemed Ali, welcher mit sichtbarer Spannung die Ankunft des französischen Paketboots erwartete, um die Meinung des neuen Ministeriums über ihn zu erfahren, ist jetzt ganz entzückt. Die Nachrichten aus Frankreich scheinen Jedermann den Kopf verdreht zu haben. Die Reden des Hrn. Thiers und des Hrn. Berryer, die sich der Pascha übersetzen ließ, haben ihm die größten Hoffnungen eingeflößt, daß ihn die Regierung Ludwig Philipps nicht preisgeben werde. Er geht in seiner Ansicht noch weiter, und ist fest überzeugt, daß Frankreich ihn nöthigenfalls gegen England und die andern Mächte unterstützen würde. Auch hat er Befehle zur thätigen Betreibung der Kriegsrüstungen erlassen, wie wenn er auf dem Punkte wäre, den Feldzug zu beginnen. - Die Nachrichten aus Syrien sind ziemlich unbedeutend und betreffen hauptsächlich die Judensache von Damaskus, die fortwährend die Gemüther beschäftigt. Die Erbitterung gegen die Juden scheint in Syrien aufs Aeußerste getrieben zu werden. - Briefe aus Beyrut geben traurige Nachrichten von drei jungen Franzosen, welche in Syrien reisen. Der eine, Heinrich v. Civrac, ein junger Mann von Verdienst und den schönsten Aussichten, ist am See Tiberias an einem bösartigen Fieber gestorben. Die beiden andern, die HH. Juigne und Beauford, wurden von den Beduinen von Balbek angegriffen und schwer verwundet; man hofft sie aber herzustellen. Hr. v. Beauford war bereits außer Gefahr. an dem Pater Thomas verdächtigen Juden nicht mehr nach der ältern Proceßform geführt werden solle. Der Vicekönig untersagte den Richtern jede fernere Anwendung von körperlichen Zwangsmitteln zur Erpressung des Geständnisses und gebot ihnen, in dem menschlichen und aufgeklärten Geiste zu verfahren, den der Hattischeriff von Gülhaneh athmet. Der französische Consul, Graf Ratti-Menton, scheint zu der harten Behandlung, der die armen Juden unterworfen worden, viel beigetragen zu haben. Die zweimalige Anwendung der Tortur soll auf Veranlassung desselben stattgefunden haben. – Mehemed Ali fährt fort das Land zu bewaffnen und soll die Unternehmung eines neuen Feldzugs im nächsten Junius im Schilde führen. – In Syrien sieht es unruhig aus. Man sieht einer neuen Erhebung der Drusen entgegen. Aegypten. (Journal de Smyrne.) Alexandria, 17 April. Heute herrschte große Freude im Palast. Mehemed Ali, welcher mit sichtbarer Spannung die Ankunft des französischen Paketboots erwartete, um die Meinung des neuen Ministeriums über ihn zu erfahren, ist jetzt ganz entzückt. Die Nachrichten aus Frankreich scheinen Jedermann den Kopf verdreht zu haben. Die Reden des Hrn. Thiers und des Hrn. Berryer, die sich der Pascha übersetzen ließ, haben ihm die größten Hoffnungen eingeflößt, daß ihn die Regierung Ludwig Philipps nicht preisgeben werde. Er geht in seiner Ansicht noch weiter, und ist fest überzeugt, daß Frankreich ihn nöthigenfalls gegen England und die andern Mächte unterstützen würde. Auch hat er Befehle zur thätigen Betreibung der Kriegsrüstungen erlassen, wie wenn er auf dem Punkte wäre, den Feldzug zu beginnen. – Die Nachrichten aus Syrien sind ziemlich unbedeutend und betreffen hauptsächlich die Judensache von Damaskus, die fortwährend die Gemüther beschäftigt. Die Erbitterung gegen die Juden scheint in Syrien aufs Aeußerste getrieben zu werden. – Briefe aus Beyrut geben traurige Nachrichten von drei jungen Franzosen, welche in Syrien reisen. Der eine, Heinrich v. Civrac, ein junger Mann von Verdienst und den schönsten Aussichten, ist am See Tiberias an einem bösartigen Fieber gestorben. Die beiden andern, die HH. Juigné und Beauford, wurden von den Beduinen von Balbek angegriffen und schwer verwundet; man hofft sie aber herzustellen. Hr. v. Beauford war bereits außer Gefahr. <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0008" n="1168"/> an dem Pater Thomas verdächtigen Juden nicht mehr nach der ältern Proceßform geführt werden solle. Der Vicekönig untersagte den Richtern jede fernere Anwendung von körperlichen Zwangsmitteln zur Erpressung des Geständnisses und gebot ihnen, in dem menschlichen und aufgeklärten Geiste zu verfahren, den der Hattischeriff von Gülhaneh athmet. Der französische Consul, Graf Ratti-Menton, scheint zu der harten Behandlung, der die armen Juden unterworfen worden, viel beigetragen zu haben. Die zweimalige Anwendung der Tortur soll auf Veranlassung desselben stattgefunden haben. – Mehemed Ali fährt fort das Land zu bewaffnen und soll die Unternehmung eines neuen Feldzugs im nächsten Junius im Schilde führen. – In Syrien sieht es unruhig aus. Man sieht einer neuen Erhebung der Drusen entgegen.</p> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Aegypten.</hi> </head><lb/> <p>(<hi rendition="#g">Journal de Smyrne</hi>.) <hi rendition="#b">Alexandria,</hi> 17 April. Heute herrschte große Freude im Palast. Mehemed Ali, welcher mit sichtbarer Spannung die Ankunft des französischen Paketboots erwartete, um die Meinung des neuen Ministeriums über ihn zu erfahren, ist jetzt ganz entzückt. Die Nachrichten aus Frankreich scheinen Jedermann den Kopf verdreht zu haben. Die Reden des Hrn. Thiers und des Hrn. Berryer, die sich der Pascha übersetzen ließ, haben ihm die größten Hoffnungen eingeflößt, daß ihn die Regierung Ludwig Philipps nicht preisgeben werde. Er geht in seiner Ansicht noch weiter, und ist fest überzeugt, daß Frankreich ihn nöthigenfalls gegen England und die andern Mächte unterstützen würde. Auch hat er Befehle zur thätigen Betreibung der Kriegsrüstungen erlassen, wie wenn er auf dem Punkte wäre, den Feldzug zu beginnen. – Die Nachrichten aus Syrien sind ziemlich unbedeutend und betreffen hauptsächlich die Judensache von Damaskus, die fortwährend die Gemüther beschäftigt. Die Erbitterung gegen die Juden scheint in Syrien aufs Aeußerste getrieben zu werden. – Briefe aus Beyrut geben traurige Nachrichten von drei jungen Franzosen, welche in Syrien reisen. Der eine, Heinrich v. Civrac, ein junger Mann von Verdienst und den schönsten Aussichten, ist am See Tiberias an einem bösartigen Fieber gestorben. Die beiden andern, die HH. Juigné und Beauford, wurden von den Beduinen von Balbek angegriffen und schwer verwundet; man hofft sie aber herzustellen. Hr. v. Beauford war bereits außer Gefahr.</p> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [1168/0008]
an dem Pater Thomas verdächtigen Juden nicht mehr nach der ältern Proceßform geführt werden solle. Der Vicekönig untersagte den Richtern jede fernere Anwendung von körperlichen Zwangsmitteln zur Erpressung des Geständnisses und gebot ihnen, in dem menschlichen und aufgeklärten Geiste zu verfahren, den der Hattischeriff von Gülhaneh athmet. Der französische Consul, Graf Ratti-Menton, scheint zu der harten Behandlung, der die armen Juden unterworfen worden, viel beigetragen zu haben. Die zweimalige Anwendung der Tortur soll auf Veranlassung desselben stattgefunden haben. – Mehemed Ali fährt fort das Land zu bewaffnen und soll die Unternehmung eines neuen Feldzugs im nächsten Junius im Schilde führen. – In Syrien sieht es unruhig aus. Man sieht einer neuen Erhebung der Drusen entgegen.
Aegypten.
(Journal de Smyrne.) Alexandria, 17 April. Heute herrschte große Freude im Palast. Mehemed Ali, welcher mit sichtbarer Spannung die Ankunft des französischen Paketboots erwartete, um die Meinung des neuen Ministeriums über ihn zu erfahren, ist jetzt ganz entzückt. Die Nachrichten aus Frankreich scheinen Jedermann den Kopf verdreht zu haben. Die Reden des Hrn. Thiers und des Hrn. Berryer, die sich der Pascha übersetzen ließ, haben ihm die größten Hoffnungen eingeflößt, daß ihn die Regierung Ludwig Philipps nicht preisgeben werde. Er geht in seiner Ansicht noch weiter, und ist fest überzeugt, daß Frankreich ihn nöthigenfalls gegen England und die andern Mächte unterstützen würde. Auch hat er Befehle zur thätigen Betreibung der Kriegsrüstungen erlassen, wie wenn er auf dem Punkte wäre, den Feldzug zu beginnen. – Die Nachrichten aus Syrien sind ziemlich unbedeutend und betreffen hauptsächlich die Judensache von Damaskus, die fortwährend die Gemüther beschäftigt. Die Erbitterung gegen die Juden scheint in Syrien aufs Aeußerste getrieben zu werden. – Briefe aus Beyrut geben traurige Nachrichten von drei jungen Franzosen, welche in Syrien reisen. Der eine, Heinrich v. Civrac, ein junger Mann von Verdienst und den schönsten Aussichten, ist am See Tiberias an einem bösartigen Fieber gestorben. Die beiden andern, die HH. Juigné und Beauford, wurden von den Beduinen von Balbek angegriffen und schwer verwundet; man hofft sie aber herzustellen. Hr. v. Beauford war bereits außer Gefahr.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |