Allgemeine Zeitung. Nr. 149. Augsburg, 28. Mai 1840.Wetter herrscht in Algier, aber die Sonnenhitze ist ungewöhnlich groß. Dem National zufolge hat sich der Enkel des Generals Hoche, Hr. Leopold Desroys, als gemeiner Soldat in die Armee von Afrika aufnehmen lassen. Die geologische Gesellschaft von Frankreich hat in ihrer Sitzung vom 18 Mai beschlossen, daß sie in diesem Jahr ihre außerordentliche Sitzung in Grenoble am 1 September halten werde. (Univers.) Aus einer Quelle, die uns das größte Vertrauen einflößt, erfahren wir, daß das brittische Cabinet von Seite der drei nordischen Mächte aufs neue die Versicherung erhalten hat, daß Krakau demnächst von ihren Truppen geräumt werden soll. Der Moment ist für Frankreich und England sehr einladend zur Ergreifung von Maaßregeln zu Gunsten jener unglücklichen Republik. Diese Maaßregeln sollten in der unverzüglichen Absendung von zwei Residenten dieser Mächte nach Krakau bestehen. Paris, 20 Mai. Die Allg. Zeitung vom 7 Mai veröffentlichte ein Schreiben aus Wiesbaden vom 2 d. in Betreff der Irrungen, welche zwischen dem herzogl. nassauischen Staatsministerium und dem intermistischen französischen Geschäftsträger Hrn. v. Coehorn in Darmstadt entstanden sind. Von Ihren hiesigen Lesern bezweifelt Niemand die Wahrheit des erzählten Vorgangs, noch wundert man sich darüber; es ist derselbe nur einer der vielen Beweise, daß die jüngern französischen Diplomaten in der Regel in steter Unkenntniß, nicht allein der Gesetze und Verhältnisse der Länder leben, in welchen sie Frankreich repräsentiren sollen, sondern sogar der in Frankreich selbst bestehenden Verfügungen. Schon vor 1830 hatte einer der Minister der auswärtigen Angelegenheiten die Nothwendigkeit einer besondern Schule für die angehenden Diplomaten gefühlt; und mehrere der vielen Minister desselben Departements, die seit 1830 auf einander folgten, hatten dieselbe Idee aufgefaßt, keiner aber brachte sie bis jetzt zur Erfüllung. Warum, weiß man nicht, da doch wenigstens einige Personen hier leben, die solchen Unterricht zu ertheilen die nöthigen Fähigkeiten besitzen. Vermuthlich bleibt es Hrn. Guizot vorbehalten, diese Idee zu verwirklichen, wenn er einstens bei seiner Rückkehr von London das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten übernimmt. Wahrhaftig, wenn eine solche Schule existirte, würde man nicht gesehen haben, daß ein französischer Diplomat, der eine Anzahl Jahre hindurch in einer deutschen Centralstadt lebte, bei seiner anderweitigen Versetzung noch nicht den geringsten Begriff von den Verhältnissen des Bundestags hatte; es würde nicht ein anderer, der zum Kaufmann erzogen war, in Neapel auf den Gedanken gekommen seyn, eine bewaffnete Yacht zur Spazierfahrt auf dem Golfe auszurüsten; er würde, als die dortigen Behörden sich auf den Grund eines längst bestehenden allgemeinen gesetzlichen Verbots widersetzten, nicht geantwortet haben, es sey dieß doch in Konstantinopel den auswärtigen Diplomaten gestattet; es würde unter dem zahlreichen mit Hrn. v. Sercey nach Persien abgegangenen Gesandtschaftspersonal, welches ausschließlich aus jungen Leuten besteht, wenigstens eine einzige Person sich befinden, die einer der orientalischen Sprachen mächtig wäre, und man würde sich nicht haben begnügen müssen einen Dolmetscher mitzuschicken; auch würde dann jenes Personal Correspondenzen mit den hiesigen Gelehrten führen, während dem Vernehmen nach die jetzt von denselben hier anlangenden Briefe nur an sogenannte Lions und gants jaunes du boulevard des Italiens gerichtet sind, weßhalb auch Hr. Thiers, als kürzlich in einem Kreise von Deputirten die Rede von der Zurückberufung dieser Gesandtschaft war, sich der Worte bediente: il n'est pas necessaire que M. de Sercey promene ses charmes dans l'Orient. Es würde dann vielleicht auch nicht geschehen seyn, daß Hr. Sauveur de la Chapelle, ein guter ehrlicher Landmann aus der Bretagne, dessen Verdienst darin besteht, daß er ministerieller Deputirter war, ohne weiteres vom Grafen Mole zu dem wichtigen Posten eines Generalconsuls in Tiflis ernannt wurde. Es würde vermuthlich dann auch nicht unter dem Namen eines obern Beamten dieses Ministeriums (der im J. 1830 sich sehr darüber beschwerte, daß bei einer Beförderung ein Freund des Hrn. Thiers ihm vorgezogen worden) eine Ausgabe von Vattel und eine Sammlung von Handelstractaten publicirt werden, während die Arbeit durch eine andere allerdings fähige Person gemacht wird, welcher der Buchhändler das Honorar bezahlt. Um nun schließlich auf Hrn. Coehorn zurückzukommen, so ist sein Benehmen desto unerklärlicher, als in Frankreich eine der betreffenden herzoglich nassauischen Verordnung ähnliche Verfügung besteht. In Nassau hat ein im Ausland sich verehelichender Unterthan eine Bescheinigung der betreffenden auswärtigen Stelle beizubringen, daß seiner Aufnahme in dem Orte, wohin der Ueberzug geschehen soll, nichts im Wege stehe; in Frankreich muß, laut einem noch immer angewendeten Circular des Justizministers vom Monat März 1831 der hier sich verehelichende Ausländer eine Bescheinigung der Behörde seines Vaterlandes beibringen, daß nach den dortigen Gesetzen seiner Heirath mit einem französischen Unterthan nichts im Wege steht. Paris, 22 Mai. Man hört hier, sobald es sich um Finanzen und Handel dreht, sonderbare Ketzereien gegen die einfachsten Grundsätze der Nationalökonomie, die, glaube ich, daher kommen, daß die Minister beständig wechseln, und daher keine Zeit haben zu lernen, und daß die Chefs der Finanzadministrationen alte Leute sind, welche seit der Zeit des Kaiserthums ihre Routine forttreiben. Daher kommt z. B. der Plan, die Dampfschifflinien zwischen Amerika und Bordeaux und Marseille mit Schiffen zu betreiben, die halb Handels- halb Kriegsschiffe wären. Die Linie zwischen Havre und New-York überläßt der Minister dem Handel, was äußerst inconsequent ist, denn er scheint zu glauben, daß die Administration solche Unternehmungen wohlfeiler betreibe als die Kaufleute. Dieß geht klar aus seinem Bericht hervor: er sagt, daß die Linien, wenn sie dem Handel überlassen würden, 9 Millionen Subvention verlangten, wogegen sie nicht über 7 bis 800,000 Franken durch die Post eintragen würden, also den Staat definitiv acht Millionen jährlich kosteten, dagegen wenn sie der Staat selbst betreibe, werden sie 11 Millionen jährlich kosten, aber vom ersten Jahr an 4 Mill. eintragen, also die reinen Kosten nur 7 Mill. betragen, welche noch von Jahr zu Jahr abnehmen werden. Es ist also klar, daß er glaubt, die Sache wohlfeiler betreiben zu können, was sehr gegen die bisherige Erfahrung der Welt ist. Es ist auch nicht recht zu begreifen, wie die Privatgesellschaften 9 Mill. verlangen können, denn er sagt selbst, daß Marseille 2 Mill. verlange, also Bordeaux müßte 7 Mill. verlangen, d. h. mehr als die ganze jährliche Auslage dieser Linie. Wie es mit solchen officiellen Anschlägen und mit der commerciellen Betreibung von administrativen Dampfbooten steht, hätte der Minister aus den levantischen Booten sehen können, welche nicht die Hälfte von dem eintragen, was man geglaubt hatte, und dem Handel nicht die Hälfte der Dienste leisten, die sie leisten würden, wenn sie Privateigenthum wären, und daher ein Interesse hätten Waaren zu laden. Sogar für Reisende sind Schiffe, die unter Marineofficieren stehen, nicht bequem; man braucht nur die Klagen zu lesen, die sich über die Wetter herrscht in Algier, aber die Sonnenhitze ist ungewöhnlich groß. Dem National zufolge hat sich der Enkel des Generals Hoche, Hr. Leopold Desroys, als gemeiner Soldat in die Armee von Afrika aufnehmen lassen. Die geologische Gesellschaft von Frankreich hat in ihrer Sitzung vom 18 Mai beschlossen, daß sie in diesem Jahr ihre außerordentliche Sitzung in Grenoble am 1 September halten werde. (Univers.) Aus einer Quelle, die uns das größte Vertrauen einflößt, erfahren wir, daß das brittische Cabinet von Seite der drei nordischen Mächte aufs neue die Versicherung erhalten hat, daß Krakau demnächst von ihren Truppen geräumt werden soll. Der Moment ist für Frankreich und England sehr einladend zur Ergreifung von Maaßregeln zu Gunsten jener unglücklichen Republik. Diese Maaßregeln sollten in der unverzüglichen Absendung von zwei Residenten dieser Mächte nach Krakau bestehen. Paris, 20 Mai. Die Allg. Zeitung vom 7 Mai veröffentlichte ein Schreiben aus Wiesbaden vom 2 d. in Betreff der Irrungen, welche zwischen dem herzogl. nassauischen Staatsministerium und dem intermistischen französischen Geschäftsträger Hrn. v. Coehorn in Darmstadt entstanden sind. Von Ihren hiesigen Lesern bezweifelt Niemand die Wahrheit des erzählten Vorgangs, noch wundert man sich darüber; es ist derselbe nur einer der vielen Beweise, daß die jüngern französischen Diplomaten in der Regel in steter Unkenntniß, nicht allein der Gesetze und Verhältnisse der Länder leben, in welchen sie Frankreich repräsentiren sollen, sondern sogar der in Frankreich selbst bestehenden Verfügungen. Schon vor 1830 hatte einer der Minister der auswärtigen Angelegenheiten die Nothwendigkeit einer besondern Schule für die angehenden Diplomaten gefühlt; und mehrere der vielen Minister desselben Departements, die seit 1830 auf einander folgten, hatten dieselbe Idee aufgefaßt, keiner aber brachte sie bis jetzt zur Erfüllung. Warum, weiß man nicht, da doch wenigstens einige Personen hier leben, die solchen Unterricht zu ertheilen die nöthigen Fähigkeiten besitzen. Vermuthlich bleibt es Hrn. Guizot vorbehalten, diese Idee zu verwirklichen, wenn er einstens bei seiner Rückkehr von London das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten übernimmt. Wahrhaftig, wenn eine solche Schule existirte, würde man nicht gesehen haben, daß ein französischer Diplomat, der eine Anzahl Jahre hindurch in einer deutschen Centralstadt lebte, bei seiner anderweitigen Versetzung noch nicht den geringsten Begriff von den Verhältnissen des Bundestags hatte; es würde nicht ein anderer, der zum Kaufmann erzogen war, in Neapel auf den Gedanken gekommen seyn, eine bewaffnete Yacht zur Spazierfahrt auf dem Golfe auszurüsten; er würde, als die dortigen Behörden sich auf den Grund eines längst bestehenden allgemeinen gesetzlichen Verbots widersetzten, nicht geantwortet haben, es sey dieß doch in Konstantinopel den auswärtigen Diplomaten gestattet; es würde unter dem zahlreichen mit Hrn. v. Sercey nach Persien abgegangenen Gesandtschaftspersonal, welches ausschließlich aus jungen Leuten besteht, wenigstens eine einzige Person sich befinden, die einer der orientalischen Sprachen mächtig wäre, und man würde sich nicht haben begnügen müssen einen Dolmetscher mitzuschicken; auch würde dann jenes Personal Correspondenzen mit den hiesigen Gelehrten führen, während dem Vernehmen nach die jetzt von denselben hier anlangenden Briefe nur an sogenannte Lions und gants jaunes du boulevard des Italiens gerichtet sind, weßhalb auch Hr. Thiers, als kürzlich in einem Kreise von Deputirten die Rede von der Zurückberufung dieser Gesandtschaft war, sich der Worte bediente: il n'est pas nécessaire que M. de Sercey promène ses charmes dans l'Orient. Es würde dann vielleicht auch nicht geschehen seyn, daß Hr. Sauveur de la Chapelle, ein guter ehrlicher Landmann aus der Bretagne, dessen Verdienst darin besteht, daß er ministerieller Deputirter war, ohne weiteres vom Grafen Molé zu dem wichtigen Posten eines Generalconsuls in Tiflis ernannt wurde. Es würde vermuthlich dann auch nicht unter dem Namen eines obern Beamten dieses Ministeriums (der im J. 1830 sich sehr darüber beschwerte, daß bei einer Beförderung ein Freund des Hrn. Thiers ihm vorgezogen worden) eine Ausgabe von Vattel und eine Sammlung von Handelstractaten publicirt werden, während die Arbeit durch eine andere allerdings fähige Person gemacht wird, welcher der Buchhändler das Honorar bezahlt. Um nun schließlich auf Hrn. Coehorn zurückzukommen, so ist sein Benehmen desto unerklärlicher, als in Frankreich eine der betreffenden herzoglich nassauischen Verordnung ähnliche Verfügung besteht. In Nassau hat ein im Ausland sich verehelichender Unterthan eine Bescheinigung der betreffenden auswärtigen Stelle beizubringen, daß seiner Aufnahme in dem Orte, wohin der Ueberzug geschehen soll, nichts im Wege stehe; in Frankreich muß, laut einem noch immer angewendeten Circular des Justizministers vom Monat März 1831 der hier sich verehelichende Ausländer eine Bescheinigung der Behörde seines Vaterlandes beibringen, daß nach den dortigen Gesetzen seiner Heirath mit einem französischen Unterthan nichts im Wege steht. Paris, 22 Mai. Man hört hier, sobald es sich um Finanzen und Handel dreht, sonderbare Ketzereien gegen die einfachsten Grundsätze der Nationalökonomie, die, glaube ich, daher kommen, daß die Minister beständig wechseln, und daher keine Zeit haben zu lernen, und daß die Chefs der Finanzadministrationen alte Leute sind, welche seit der Zeit des Kaiserthums ihre Routine forttreiben. Daher kommt z. B. der Plan, die Dampfschifflinien zwischen Amerika und Bordeaux und Marseille mit Schiffen zu betreiben, die halb Handels- halb Kriegsschiffe wären. Die Linie zwischen Havre und New-York überläßt der Minister dem Handel, was äußerst inconsequent ist, denn er scheint zu glauben, daß die Administration solche Unternehmungen wohlfeiler betreibe als die Kaufleute. Dieß geht klar aus seinem Bericht hervor: er sagt, daß die Linien, wenn sie dem Handel überlassen würden, 9 Millionen Subvention verlangten, wogegen sie nicht über 7 bis 800,000 Franken durch die Post eintragen würden, also den Staat definitiv acht Millionen jährlich kosteten, dagegen wenn sie der Staat selbst betreibe, werden sie 11 Millionen jährlich kosten, aber vom ersten Jahr an 4 Mill. eintragen, also die reinen Kosten nur 7 Mill. betragen, welche noch von Jahr zu Jahr abnehmen werden. Es ist also klar, daß er glaubt, die Sache wohlfeiler betreiben zu können, was sehr gegen die bisherige Erfahrung der Welt ist. Es ist auch nicht recht zu begreifen, wie die Privatgesellschaften 9 Mill. verlangen können, denn er sagt selbst, daß Marseille 2 Mill. verlange, also Bordeaux müßte 7 Mill. verlangen, d. h. mehr als die ganze jährliche Auslage dieser Linie. Wie es mit solchen officiellen Anschlägen und mit der commerciellen Betreibung von administrativen Dampfbooten steht, hätte der Minister aus den levantischen Booten sehen können, welche nicht die Hälfte von dem eintragen, was man geglaubt hatte, und dem Handel nicht die Hälfte der Dienste leisten, die sie leisten würden, wenn sie Privateigenthum wären, und daher ein Interesse hätten Waaren zu laden. 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Von Ihren hiesigen Lesern bezweifelt Niemand die Wahrheit des erzählten Vorgangs, noch wundert man sich darüber; es ist derselbe nur einer der vielen Beweise, daß die jüngern französischen Diplomaten in der Regel in steter Unkenntniß, nicht allein der Gesetze und Verhältnisse der Länder leben, in welchen sie Frankreich repräsentiren sollen, sondern sogar der in Frankreich selbst bestehenden Verfügungen. Schon vor 1830 hatte einer der Minister der auswärtigen Angelegenheiten die Nothwendigkeit einer besondern Schule für die angehenden Diplomaten gefühlt; und mehrere der vielen Minister desselben Departements, die seit 1830 auf einander folgten, hatten dieselbe Idee aufgefaßt, keiner aber brachte sie bis jetzt zur Erfüllung. Warum, weiß man nicht, da doch wenigstens einige Personen hier leben, die solchen Unterricht zu ertheilen die nöthigen Fähigkeiten besitzen. Vermuthlich bleibt es Hrn. Guizot vorbehalten, diese Idee zu verwirklichen, wenn er einstens bei seiner Rückkehr von London das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten übernimmt. Wahrhaftig, wenn eine solche Schule existirte, würde man nicht gesehen haben, daß ein französischer Diplomat, der eine Anzahl Jahre hindurch in einer deutschen Centralstadt lebte, bei seiner anderweitigen Versetzung noch nicht den geringsten Begriff von den Verhältnissen des Bundestags hatte; es würde nicht ein anderer, der zum Kaufmann erzogen war, in Neapel auf den Gedanken gekommen seyn, eine bewaffnete Yacht zur Spazierfahrt auf dem Golfe auszurüsten; er würde, als die dortigen Behörden sich auf den Grund eines längst bestehenden allgemeinen gesetzlichen Verbots widersetzten, nicht geantwortet haben, es sey dieß doch in Konstantinopel den auswärtigen Diplomaten gestattet; es würde unter dem zahlreichen mit Hrn. v. Sercey nach Persien abgegangenen Gesandtschaftspersonal, welches ausschließlich aus jungen Leuten besteht, wenigstens eine einzige Person sich befinden, die einer der orientalischen Sprachen mächtig wäre, und man würde sich nicht haben begnügen müssen einen Dolmetscher mitzuschicken; auch würde dann jenes Personal Correspondenzen mit den hiesigen Gelehrten führen, während dem Vernehmen nach die jetzt von denselben hier anlangenden Briefe nur an sogenannte Lions und gants jaunes du boulevard des Italiens gerichtet sind, weßhalb auch Hr. Thiers, als kürzlich in einem Kreise von Deputirten die Rede von der Zurückberufung dieser Gesandtschaft war, sich der Worte bediente: il n'est pas nécessaire que M. de Sercey promène ses charmes dans l'Orient. Es würde dann vielleicht auch nicht geschehen seyn, daß Hr. Sauveur de la Chapelle, ein guter ehrlicher Landmann aus der Bretagne, dessen Verdienst darin besteht, daß er ministerieller Deputirter war, ohne weiteres vom Grafen Molé zu dem wichtigen Posten eines Generalconsuls in Tiflis ernannt wurde. Es würde vermuthlich dann auch nicht unter dem Namen eines obern Beamten dieses Ministeriums (der im J. 1830 sich sehr darüber beschwerte, daß bei einer Beförderung ein Freund des Hrn. Thiers ihm vorgezogen worden) eine Ausgabe von Vattel und eine Sammlung von Handelstractaten publicirt werden, während die Arbeit durch eine andere allerdings fähige Person gemacht wird, welcher der Buchhändler das Honorar bezahlt. Um nun schließlich auf Hrn. Coehorn zurückzukommen, so ist sein Benehmen desto unerklärlicher, als in Frankreich eine der betreffenden herzoglich nassauischen Verordnung ähnliche Verfügung besteht. In Nassau hat ein im Ausland sich verehelichender Unterthan eine Bescheinigung der betreffenden auswärtigen Stelle beizubringen, daß seiner Aufnahme in dem Orte, wohin der Ueberzug geschehen soll, nichts im Wege stehe; in Frankreich muß, laut einem noch immer angewendeten Circular des Justizministers vom Monat März 1831 der hier sich verehelichende Ausländer eine Bescheinigung der Behörde seines Vaterlandes beibringen, daß nach den dortigen Gesetzen seiner Heirath mit einem französischen Unterthan nichts im Wege steht.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 22 Mai.</dateline> <p> Man hört hier, sobald es sich um Finanzen und Handel dreht, sonderbare Ketzereien gegen die einfachsten Grundsätze der Nationalökonomie, die, glaube ich, daher kommen, daß die Minister beständig wechseln, und daher keine Zeit haben zu lernen, und daß die Chefs der Finanzadministrationen alte Leute sind, welche seit der Zeit des Kaiserthums ihre Routine forttreiben. Daher kommt z. B. der Plan, die Dampfschifflinien zwischen Amerika und Bordeaux und Marseille mit Schiffen zu betreiben, die halb Handels- halb Kriegsschiffe wären. Die Linie zwischen Havre und New-York überläßt der Minister dem Handel, was äußerst inconsequent ist, denn er scheint zu glauben, daß die Administration solche Unternehmungen wohlfeiler betreibe als die Kaufleute. Dieß geht klar aus seinem Bericht hervor: er sagt, daß die Linien, wenn sie dem Handel überlassen würden, 9 Millionen Subvention verlangten, wogegen sie nicht über 7 bis 800,000 Franken durch die Post eintragen würden, also den Staat definitiv acht Millionen jährlich kosteten, dagegen wenn sie der Staat selbst betreibe, werden sie 11 Millionen jährlich kosten, aber vom ersten Jahr an 4 Mill. eintragen, also die reinen Kosten nur 7 Mill. betragen, welche noch von Jahr zu Jahr abnehmen werden. Es ist also klar, daß er glaubt, die Sache wohlfeiler betreiben zu können, was sehr gegen die bisherige Erfahrung der Welt ist. Es ist auch nicht recht zu begreifen, wie die Privatgesellschaften 9 Mill. verlangen können, denn er sagt selbst, daß Marseille 2 Mill. verlange, also Bordeaux müßte 7 Mill. verlangen, d. h. mehr als die ganze jährliche Auslage dieser Linie. Wie es mit solchen officiellen Anschlägen und mit der commerciellen Betreibung von administrativen Dampfbooten steht, hätte der Minister aus den levantischen Booten sehen können, welche nicht die Hälfte von dem eintragen, was man geglaubt hatte, und dem Handel nicht die Hälfte der Dienste leisten, die sie leisten würden, wenn sie Privateigenthum wären, und daher ein Interesse hätten Waaren zu laden. Sogar für Reisende sind Schiffe, die unter Marineofficieren stehen, nicht bequem; man braucht nur die Klagen zu lesen, die sich über die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1188/0004]
Wetter herrscht in Algier, aber die Sonnenhitze ist ungewöhnlich groß.
Dem National zufolge hat sich der Enkel des Generals Hoche, Hr. Leopold Desroys, als gemeiner Soldat in die Armee von Afrika aufnehmen lassen.
Die geologische Gesellschaft von Frankreich hat in ihrer Sitzung vom 18 Mai beschlossen, daß sie in diesem Jahr ihre außerordentliche Sitzung in Grenoble am 1 September halten werde.
(Univers.) Aus einer Quelle, die uns das größte Vertrauen einflößt, erfahren wir, daß das brittische Cabinet von Seite der drei nordischen Mächte aufs neue die Versicherung erhalten hat, daß Krakau demnächst von ihren Truppen geräumt werden soll. Der Moment ist für Frankreich und England sehr einladend zur Ergreifung von Maaßregeln zu Gunsten jener unglücklichen Republik. Diese Maaßregeln sollten in der unverzüglichen Absendung von zwei Residenten dieser Mächte nach Krakau bestehen.
_ Paris, 20 Mai. Die Allg. Zeitung vom 7 Mai veröffentlichte ein Schreiben aus Wiesbaden vom 2 d. in Betreff der Irrungen, welche zwischen dem herzogl. nassauischen Staatsministerium und dem intermistischen französischen Geschäftsträger Hrn. v. Coehorn in Darmstadt entstanden sind. Von Ihren hiesigen Lesern bezweifelt Niemand die Wahrheit des erzählten Vorgangs, noch wundert man sich darüber; es ist derselbe nur einer der vielen Beweise, daß die jüngern französischen Diplomaten in der Regel in steter Unkenntniß, nicht allein der Gesetze und Verhältnisse der Länder leben, in welchen sie Frankreich repräsentiren sollen, sondern sogar der in Frankreich selbst bestehenden Verfügungen. Schon vor 1830 hatte einer der Minister der auswärtigen Angelegenheiten die Nothwendigkeit einer besondern Schule für die angehenden Diplomaten gefühlt; und mehrere der vielen Minister desselben Departements, die seit 1830 auf einander folgten, hatten dieselbe Idee aufgefaßt, keiner aber brachte sie bis jetzt zur Erfüllung. Warum, weiß man nicht, da doch wenigstens einige Personen hier leben, die solchen Unterricht zu ertheilen die nöthigen Fähigkeiten besitzen. Vermuthlich bleibt es Hrn. Guizot vorbehalten, diese Idee zu verwirklichen, wenn er einstens bei seiner Rückkehr von London das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten übernimmt. Wahrhaftig, wenn eine solche Schule existirte, würde man nicht gesehen haben, daß ein französischer Diplomat, der eine Anzahl Jahre hindurch in einer deutschen Centralstadt lebte, bei seiner anderweitigen Versetzung noch nicht den geringsten Begriff von den Verhältnissen des Bundestags hatte; es würde nicht ein anderer, der zum Kaufmann erzogen war, in Neapel auf den Gedanken gekommen seyn, eine bewaffnete Yacht zur Spazierfahrt auf dem Golfe auszurüsten; er würde, als die dortigen Behörden sich auf den Grund eines längst bestehenden allgemeinen gesetzlichen Verbots widersetzten, nicht geantwortet haben, es sey dieß doch in Konstantinopel den auswärtigen Diplomaten gestattet; es würde unter dem zahlreichen mit Hrn. v. Sercey nach Persien abgegangenen Gesandtschaftspersonal, welches ausschließlich aus jungen Leuten besteht, wenigstens eine einzige Person sich befinden, die einer der orientalischen Sprachen mächtig wäre, und man würde sich nicht haben begnügen müssen einen Dolmetscher mitzuschicken; auch würde dann jenes Personal Correspondenzen mit den hiesigen Gelehrten führen, während dem Vernehmen nach die jetzt von denselben hier anlangenden Briefe nur an sogenannte Lions und gants jaunes du boulevard des Italiens gerichtet sind, weßhalb auch Hr. Thiers, als kürzlich in einem Kreise von Deputirten die Rede von der Zurückberufung dieser Gesandtschaft war, sich der Worte bediente: il n'est pas nécessaire que M. de Sercey promène ses charmes dans l'Orient. Es würde dann vielleicht auch nicht geschehen seyn, daß Hr. Sauveur de la Chapelle, ein guter ehrlicher Landmann aus der Bretagne, dessen Verdienst darin besteht, daß er ministerieller Deputirter war, ohne weiteres vom Grafen Molé zu dem wichtigen Posten eines Generalconsuls in Tiflis ernannt wurde. Es würde vermuthlich dann auch nicht unter dem Namen eines obern Beamten dieses Ministeriums (der im J. 1830 sich sehr darüber beschwerte, daß bei einer Beförderung ein Freund des Hrn. Thiers ihm vorgezogen worden) eine Ausgabe von Vattel und eine Sammlung von Handelstractaten publicirt werden, während die Arbeit durch eine andere allerdings fähige Person gemacht wird, welcher der Buchhändler das Honorar bezahlt. Um nun schließlich auf Hrn. Coehorn zurückzukommen, so ist sein Benehmen desto unerklärlicher, als in Frankreich eine der betreffenden herzoglich nassauischen Verordnung ähnliche Verfügung besteht. In Nassau hat ein im Ausland sich verehelichender Unterthan eine Bescheinigung der betreffenden auswärtigen Stelle beizubringen, daß seiner Aufnahme in dem Orte, wohin der Ueberzug geschehen soll, nichts im Wege stehe; in Frankreich muß, laut einem noch immer angewendeten Circular des Justizministers vom Monat März 1831 der hier sich verehelichende Ausländer eine Bescheinigung der Behörde seines Vaterlandes beibringen, daß nach den dortigen Gesetzen seiner Heirath mit einem französischen Unterthan nichts im Wege steht.
_ Paris, 22 Mai. Man hört hier, sobald es sich um Finanzen und Handel dreht, sonderbare Ketzereien gegen die einfachsten Grundsätze der Nationalökonomie, die, glaube ich, daher kommen, daß die Minister beständig wechseln, und daher keine Zeit haben zu lernen, und daß die Chefs der Finanzadministrationen alte Leute sind, welche seit der Zeit des Kaiserthums ihre Routine forttreiben. Daher kommt z. B. der Plan, die Dampfschifflinien zwischen Amerika und Bordeaux und Marseille mit Schiffen zu betreiben, die halb Handels- halb Kriegsschiffe wären. Die Linie zwischen Havre und New-York überläßt der Minister dem Handel, was äußerst inconsequent ist, denn er scheint zu glauben, daß die Administration solche Unternehmungen wohlfeiler betreibe als die Kaufleute. Dieß geht klar aus seinem Bericht hervor: er sagt, daß die Linien, wenn sie dem Handel überlassen würden, 9 Millionen Subvention verlangten, wogegen sie nicht über 7 bis 800,000 Franken durch die Post eintragen würden, also den Staat definitiv acht Millionen jährlich kosteten, dagegen wenn sie der Staat selbst betreibe, werden sie 11 Millionen jährlich kosten, aber vom ersten Jahr an 4 Mill. eintragen, also die reinen Kosten nur 7 Mill. betragen, welche noch von Jahr zu Jahr abnehmen werden. Es ist also klar, daß er glaubt, die Sache wohlfeiler betreiben zu können, was sehr gegen die bisherige Erfahrung der Welt ist. Es ist auch nicht recht zu begreifen, wie die Privatgesellschaften 9 Mill. verlangen können, denn er sagt selbst, daß Marseille 2 Mill. verlange, also Bordeaux müßte 7 Mill. verlangen, d. h. mehr als die ganze jährliche Auslage dieser Linie. Wie es mit solchen officiellen Anschlägen und mit der commerciellen Betreibung von administrativen Dampfbooten steht, hätte der Minister aus den levantischen Booten sehen können, welche nicht die Hälfte von dem eintragen, was man geglaubt hatte, und dem Handel nicht die Hälfte der Dienste leisten, die sie leisten würden, wenn sie Privateigenthum wären, und daher ein Interesse hätten Waaren zu laden. Sogar für Reisende sind Schiffe, die unter Marineofficieren stehen, nicht bequem; man braucht nur die Klagen zu lesen, die sich über die
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
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