Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 151. Augsburg, 30. Mai 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn er die Franzosen zum Dienst in der Miliz zwinge, so thue er nur dasselbe, was in Frankreich durch Heranziehung der Ausländer zur Nationalgarde geschehe; offenbar erlaubt ihm der durch die Uebereinkunft gehandhabte Status quo noch fortan dasselbe Argument. Ich schweige hier von den andern Beschwerden Frankreichs. Das bisherige Benehmen des Präsidenten Rosas in allen zur Oeffentlichkeit gelangten Verhältnissen war sicher nicht geeignet, Vertrauen auf seine Versprechungen einzuflößen. Die getroffene Uebereinkunft scheint demnach die zweite Auflage des Tractats mit Mexico zu bilden; in beiden Fällen haben die französischen Unterhändler den Beweis geliefert, daß ihnen die Verhältnisse der auswärtigen Länder eben so unbekannt sind, als die Kunst der Diplomatie und die Wissenschaft des Völkerrechts: Geld und Blut sind vergeblich aufgeopfert worden. Zudem hat man während der Zwistigkeit mit Buenos-Ayres französischerseits, wie kürzlich Hr. Thiers in der Deputirtenkammer auseinander setzte, dort mit vielen Unkosten inneren Krieg angestiftet, und jetzt wird man wohl die Anführer der Bewegung gegen Rosas im Stiche lassen. Der noch immer dem Ministerium gewogene Courrier francais stimmt für die Ratification jener Uebereinkunft. - Die dem Herzog von Coburg entwendete Summe von 15,000 Fr. hat sich in einem Local des Palais Royal, wo Niemand nachgesucht hatte, durch Zufall wieder aufgefunden: vermuthlich hatte der Dieb das Geld dahin versteckt, in der Hoffnung, es später wieder zu ergreifen. Dieser Umstand bildet einen neuen Beweis, daß die Entwendung durch eine im Palast bekannte Person verübt wurde. - Die Academie des sciences morales et politiques hat in ihrer Sitzung von gestern über eine Preisfrage erkannt, die sie bereits zweimal ausgesetzt hatte; der Gegenstand war eine Darstellung des deutschen Zollvereins und des Einflusses desselben auf Deutschland sowohl als auf andere Staaten; dann die Untersuchung der Frage, welche ähnliche Vereine sich möglicher Weise nach dem Beispiel des deutschen und im Gefolge der Nothwendigkeit bilden können, ein neues Gleichgewicht in den Handelsverhältnissen zu errichten, und welche Veränderungen solche Vereine in dem System der Handels- und Gewerbsverhältnisse bewirken können? Der Preis wurde Hrn. Theodor Fix zuerkannt, der früher eine Zeitschrift für Staatswissenschaften herausgab, und durch mehrere staatswirthschaftliche Arbeiten sich einen Ruf erworben hat; man hat hier allgemein bedauert, daß er nicht zu der vor einiger Zeit vergebenen Professur der Gewerbsgesetzgebung berufen wurde. Die Schrift eines Concurrenten, Hrn. L. N....., der in Deutschland nicht unrühmlich bekannt ist, wurde, dem Vernehmen nach, aus dem Grunde beseitigt, weil er die politische Seite des Zollvereins zu sehr herausgehoben hatte. - Für die Gründer von betrügerischen Actiengesellschaften, wie Saint Berain und andere, die vor einigen Jahren so häufig waren, sind jetzt die Conjuncturen nicht günstig; das Gericht erster Instanz und der Appellhof haben in den letzten Tagen in zwei verschiedenen Sachen dieselben durch scharfe Strafen gezüchtigt, und zum Ersatz alles den Actionnärs abgeschwatzten Geldes verurtheilt. - Hr. Thiers steht auf immer besserem Fuße mit dem Rest der 221: seit dem Votum über die Wahlreform haben dieselben, was bisher noch nicht geschehen war, seinen Salon besucht, Hrn. Fulchiron an der Spitze. Der Conseilpräsident hat dermalen einen trefflichen Köder für diejenigen unter ihnen, die gerichtliche Aemter bekleiden: Hr. Voisin de Gartempe, Rath am Cassationshofe, ist gestorben, und sein College Hr. Quecquet liegt am Tode. Die HH. Moreau, Generalprocurator in Metz, Amilhau, Präsident des Appellhofes in Pau, und Dalloz, ehedem Advocat am Cassationshofe und mehrere andere, sämmtlich zu den 221 gehörig, bewerben sich darum. - Hr. Havin ist noch nicht von seinem Urlaube zurückgekommen; sein Ausbleiben bestärkt Jedermann in der Meinung, seine Abwesenheit sey nur ein mit Hrn. Thiers zum Ruin der Motion von Remilly abgesprochener Vorwand; so werden dann die Debatten über diese Motion bis gegen den 20 Jun. verschoben bleiben, wo, wie der Präsident Sauzet dieser Tage den Deputirten versicherte, die dießjährige Session zu Ende gehen wird; denn die Kammer ist müde, und wird, wie gewöhnlich, das Budget im Galopp votiren. - Hr. Thiers beginnt schon die Präfecten hieher kommen zu lassen, um mit ihnen Bekanntschaft zu machen, und sie in Betreff der Wahlen zu sondiren; in diesem Augenblick sind mehrere derselben hier anwesend. - Hr. Daunou ist auf Besserung, und scheint die Bewerber um seine Stelle zu Schanden zu machen! - In Betreff der neapolitanischen Schwefelangelegenheit versichert mich einer meiner Bekannten, der kürzlich Sicilien bereiste, die Gesellschaft Taix und Compagnie bestehe eigentlich zunächst aus Freunden der Herzogin von Berry, die selbst darin interessirt sey, und diese Gesellschaft habe nur darum den Hrn. Laffitte zu ihrem Bankier ausersehen, um das französische Publicum irre zu leiten, welches eine von Legitimisten gegründete Unternehmung weniger günstig betrachtet haben würde.

Belgien.

Der Gegenstand, welcher seit mehreren Tagen in unsern politischen Salons am meisten besprochen wird, ist eine Mißhelligkeit, welche zwischen dem diplomatischen Corps und dem neuen Ministerium entstanden seyn soll, und wovon die Pariser Blätter die erste ausführliche Nachricht gegeben haben. Wie es da heißt, hätte ein hiesiger Gesandter dem neuen Ministerium in einem Cirkel den Beinamen Pillard (Plünderer) gegeben, weil die Plünderungen der Orangisten im Jahr 1834 gerade stattfanden, als Hr. Lebeau Minister des Innern war, und Hr. Rogier an der Spitze eines andern Departements stand. Hr. Lebeau soll sich deßhalb bei dem König, und Se. Majestät, da der Gesandte zu widerrufen sich weigerte, Ihrerseits sich bei dessen Hofe beschwert haben. Ob sich die Sache genau so verhält, wie die französischen Zeitungen sie darstellen, ist nicht gewiß, denn noch vor wenigen Tagen hat man den Beweis gehabt, wie leicht diese Blätter alle Gerüchte aufnehmen, ohne nach dem Grunde, oder auch nur nach der Wahrscheinlichkeit derselben zu fragen, indem sie nicht nur im ganzen Ernst die Nachricht gegeben, daß eine Gesandschaft von dem Kaiser von China in Holland angekommen sey, um Handelsverbindungen etc. anzuknüpfen, sondern noch Commentare und Folgerungen hinzugefügt haben, während dieß nichts Anderes als eine Mystification und einer von den gewöhnlichen Späßen war, die der "Courrier Belge" seinen Lesern auftischt. (Hannov. Ztg. und Preuß. Staatsztg.)

In den höhern Cirkeln unserer Hauptstadt erregt ein Vorfall, der sich in dieser Woche ereignet hat und nicht ohne unangenehme Folgen bleiben möchte, viel Aufsehen. Der Gesandte einer großen Macht, der noch nicht lange an unserm Hof accreditirt ist, stattete neulich dem Chef unsers Ministeriums in Dienstangelegenheiten einen Besuch ab, und soll bei dieser Gelegenheit, nachdem er schon längere Zeit hatte antichambriren müssen, von dem Minister in einer auffallenden Negligemanier empfangen worden seyn. Eine böswillige Absicht scheint keineswegs vorgeherrscht zu haben, vielmehr dürfte es nur als das ungenirte Benehmen eines Mannes auszulegen seyn, der auch die Diplomatie wie etwa seine

wenn er die Franzosen zum Dienst in der Miliz zwinge, so thue er nur dasselbe, was in Frankreich durch Heranziehung der Ausländer zur Nationalgarde geschehe; offenbar erlaubt ihm der durch die Uebereinkunft gehandhabte Status quo noch fortan dasselbe Argument. Ich schweige hier von den andern Beschwerden Frankreichs. Das bisherige Benehmen des Präsidenten Rosas in allen zur Oeffentlichkeit gelangten Verhältnissen war sicher nicht geeignet, Vertrauen auf seine Versprechungen einzuflößen. Die getroffene Uebereinkunft scheint demnach die zweite Auflage des Tractats mit Mexico zu bilden; in beiden Fällen haben die französischen Unterhändler den Beweis geliefert, daß ihnen die Verhältnisse der auswärtigen Länder eben so unbekannt sind, als die Kunst der Diplomatie und die Wissenschaft des Völkerrechts: Geld und Blut sind vergeblich aufgeopfert worden. Zudem hat man während der Zwistigkeit mit Buenos-Ayres französischerseits, wie kürzlich Hr. Thiers in der Deputirtenkammer auseinander setzte, dort mit vielen Unkosten inneren Krieg angestiftet, und jetzt wird man wohl die Anführer der Bewegung gegen Rosas im Stiche lassen. Der noch immer dem Ministerium gewogene Courrier français stimmt für die Ratification jener Uebereinkunft. – Die dem Herzog von Coburg entwendete Summe von 15,000 Fr. hat sich in einem Local des Palais Royal, wo Niemand nachgesucht hatte, durch Zufall wieder aufgefunden: vermuthlich hatte der Dieb das Geld dahin versteckt, in der Hoffnung, es später wieder zu ergreifen. Dieser Umstand bildet einen neuen Beweis, daß die Entwendung durch eine im Palast bekannte Person verübt wurde. – Die Académie des sciences morales et politiques hat in ihrer Sitzung von gestern über eine Preisfrage erkannt, die sie bereits zweimal ausgesetzt hatte; der Gegenstand war eine Darstellung des deutschen Zollvereins und des Einflusses desselben auf Deutschland sowohl als auf andere Staaten; dann die Untersuchung der Frage, welche ähnliche Vereine sich möglicher Weise nach dem Beispiel des deutschen und im Gefolge der Nothwendigkeit bilden können, ein neues Gleichgewicht in den Handelsverhältnissen zu errichten, und welche Veränderungen solche Vereine in dem System der Handels- und Gewerbsverhältnisse bewirken können? Der Preis wurde Hrn. Theodor Fix zuerkannt, der früher eine Zeitschrift für Staatswissenschaften herausgab, und durch mehrere staatswirthschaftliche Arbeiten sich einen Ruf erworben hat; man hat hier allgemein bedauert, daß er nicht zu der vor einiger Zeit vergebenen Professur der Gewerbsgesetzgebung berufen wurde. Die Schrift eines Concurrenten, Hrn. L. N....., der in Deutschland nicht unrühmlich bekannt ist, wurde, dem Vernehmen nach, aus dem Grunde beseitigt, weil er die politische Seite des Zollvereins zu sehr herausgehoben hatte. – Für die Gründer von betrügerischen Actiengesellschaften, wie Saint Berain und andere, die vor einigen Jahren so häufig waren, sind jetzt die Conjuncturen nicht günstig; das Gericht erster Instanz und der Appellhof haben in den letzten Tagen in zwei verschiedenen Sachen dieselben durch scharfe Strafen gezüchtigt, und zum Ersatz alles den Actionnärs abgeschwatzten Geldes verurtheilt. – Hr. Thiers steht auf immer besserem Fuße mit dem Rest der 221: seit dem Votum über die Wahlreform haben dieselben, was bisher noch nicht geschehen war, seinen Salon besucht, Hrn. Fulchiron an der Spitze. Der Conseilpräsident hat dermalen einen trefflichen Köder für diejenigen unter ihnen, die gerichtliche Aemter bekleiden: Hr. Voisin de Gartempe, Rath am Cassationshofe, ist gestorben, und sein College Hr. Quecquet liegt am Tode. Die HH. Moreau, Generalprocurator in Metz, Amilhau, Präsident des Appellhofes in Pau, und Dalloz, ehedem Advocat am Cassationshofe und mehrere andere, sämmtlich zu den 221 gehörig, bewerben sich darum. – Hr. Havin ist noch nicht von seinem Urlaube zurückgekommen; sein Ausbleiben bestärkt Jedermann in der Meinung, seine Abwesenheit sey nur ein mit Hrn. Thiers zum Ruin der Motion von Rémilly abgesprochener Vorwand; so werden dann die Debatten über diese Motion bis gegen den 20 Jun. verschoben bleiben, wo, wie der Präsident Sauzet dieser Tage den Deputirten versicherte, die dießjährige Session zu Ende gehen wird; denn die Kammer ist müde, und wird, wie gewöhnlich, das Budget im Galopp votiren. – Hr. Thiers beginnt schon die Präfecten hieher kommen zu lassen, um mit ihnen Bekanntschaft zu machen, und sie in Betreff der Wahlen zu sondiren; in diesem Augenblick sind mehrere derselben hier anwesend. – Hr. Daunou ist auf Besserung, und scheint die Bewerber um seine Stelle zu Schanden zu machen! – In Betreff der neapolitanischen Schwefelangelegenheit versichert mich einer meiner Bekannten, der kürzlich Sicilien bereiste, die Gesellschaft Taix und Compagnie bestehe eigentlich zunächst aus Freunden der Herzogin von Berry, die selbst darin interessirt sey, und diese Gesellschaft habe nur darum den Hrn. Laffitte zu ihrem Bankier ausersehen, um das französische Publicum irre zu leiten, welches eine von Legitimisten gegründete Unternehmung weniger günstig betrachtet haben würde.

Belgien.

Der Gegenstand, welcher seit mehreren Tagen in unsern politischen Salons am meisten besprochen wird, ist eine Mißhelligkeit, welche zwischen dem diplomatischen Corps und dem neuen Ministerium entstanden seyn soll, und wovon die Pariser Blätter die erste ausführliche Nachricht gegeben haben. Wie es da heißt, hätte ein hiesiger Gesandter dem neuen Ministerium in einem Cirkel den Beinamen Pillard (Plünderer) gegeben, weil die Plünderungen der Orangisten im Jahr 1834 gerade stattfanden, als Hr. Lebeau Minister des Innern war, und Hr. Rogier an der Spitze eines andern Departements stand. Hr. Lebeau soll sich deßhalb bei dem König, und Se. Majestät, da der Gesandte zu widerrufen sich weigerte, Ihrerseits sich bei dessen Hofe beschwert haben. Ob sich die Sache genau so verhält, wie die französischen Zeitungen sie darstellen, ist nicht gewiß, denn noch vor wenigen Tagen hat man den Beweis gehabt, wie leicht diese Blätter alle Gerüchte aufnehmen, ohne nach dem Grunde, oder auch nur nach der Wahrscheinlichkeit derselben zu fragen, indem sie nicht nur im ganzen Ernst die Nachricht gegeben, daß eine Gesandschaft von dem Kaiser von China in Holland angekommen sey, um Handelsverbindungen etc. anzuknüpfen, sondern noch Commentare und Folgerungen hinzugefügt haben, während dieß nichts Anderes als eine Mystification und einer von den gewöhnlichen Späßen war, die der „Courrier Belge“ seinen Lesern auftischt. (Hannov. Ztg. und Preuß. Staatsztg.)

In den höhern Cirkeln unserer Hauptstadt erregt ein Vorfall, der sich in dieser Woche ereignet hat und nicht ohne unangenehme Folgen bleiben möchte, viel Aufsehen. Der Gesandte einer großen Macht, der noch nicht lange an unserm Hof accreditirt ist, stattete neulich dem Chef unsers Ministeriums in Dienstangelegenheiten einen Besuch ab, und soll bei dieser Gelegenheit, nachdem er schon längere Zeit hatte antichambriren müssen, von dem Minister in einer auffallenden Negligémanier empfangen worden seyn. Eine böswillige Absicht scheint keineswegs vorgeherrscht zu haben, vielmehr dürfte es nur als das ungenirte Benehmen eines Mannes auszulegen seyn, der auch die Diplomatie wie etwa seine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0003" n="1203"/>
wenn er die Franzosen zum Dienst in der Miliz zwinge, so thue er nur dasselbe, was in Frankreich durch Heranziehung der Ausländer zur Nationalgarde geschehe; offenbar erlaubt ihm der durch die Uebereinkunft gehandhabte Status quo noch fortan dasselbe Argument. Ich schweige hier von den andern Beschwerden Frankreichs. Das bisherige Benehmen des Präsidenten Rosas in allen zur Oeffentlichkeit gelangten Verhältnissen war sicher nicht geeignet, Vertrauen auf seine Versprechungen einzuflößen. Die getroffene Uebereinkunft scheint demnach die zweite Auflage des Tractats mit Mexico zu bilden; in beiden Fällen haben die französischen Unterhändler den Beweis geliefert, daß ihnen die Verhältnisse der auswärtigen Länder eben so unbekannt sind, als die Kunst der Diplomatie und die Wissenschaft des Völkerrechts: Geld und Blut sind vergeblich aufgeopfert worden. Zudem hat man während der Zwistigkeit mit Buenos-Ayres französischerseits, wie kürzlich Hr. Thiers in der Deputirtenkammer auseinander setzte, dort mit vielen Unkosten inneren Krieg angestiftet, und jetzt wird man wohl die Anführer der Bewegung gegen Rosas im Stiche lassen. Der noch immer dem Ministerium gewogene Courrier français stimmt für die Ratification jener Uebereinkunft. &#x2013; Die dem Herzog von Coburg entwendete Summe von 15,000 Fr. hat sich in einem Local des Palais Royal, wo Niemand nachgesucht hatte, durch Zufall wieder aufgefunden: vermuthlich hatte der Dieb das Geld dahin versteckt, in der Hoffnung, es später wieder zu ergreifen. Dieser Umstand bildet einen neuen Beweis, daß die Entwendung durch eine im Palast bekannte Person verübt wurde. &#x2013; Die Académie des sciences morales et politiques hat in ihrer Sitzung von gestern über eine Preisfrage erkannt, die sie bereits zweimal ausgesetzt hatte; der Gegenstand war eine Darstellung des deutschen Zollvereins und des Einflusses desselben auf Deutschland sowohl als auf andere Staaten; dann die Untersuchung der Frage, welche ähnliche Vereine sich möglicher Weise nach dem Beispiel des deutschen und im Gefolge der Nothwendigkeit bilden können, ein neues Gleichgewicht in den Handelsverhältnissen zu errichten, und welche Veränderungen solche Vereine in dem System der Handels- und Gewerbsverhältnisse bewirken können? Der Preis wurde Hrn. Theodor Fix zuerkannt, der früher eine Zeitschrift für Staatswissenschaften herausgab, und durch mehrere staatswirthschaftliche Arbeiten sich einen Ruf erworben hat; man hat hier allgemein bedauert, daß er nicht zu der vor einiger Zeit vergebenen Professur der Gewerbsgesetzgebung berufen wurde. Die Schrift eines Concurrenten, Hrn. L. N....., der in Deutschland nicht unrühmlich bekannt ist, wurde, dem Vernehmen nach, aus dem Grunde beseitigt, weil er die politische Seite des Zollvereins zu sehr herausgehoben hatte. &#x2013; Für die Gründer von betrügerischen Actiengesellschaften, wie Saint Berain und andere, die vor einigen Jahren so häufig waren, sind jetzt die Conjuncturen nicht günstig; das Gericht erster Instanz und der Appellhof haben in den letzten Tagen in zwei verschiedenen Sachen dieselben durch scharfe Strafen gezüchtigt, und zum Ersatz alles den Actionnärs abgeschwatzten Geldes verurtheilt. &#x2013; Hr. Thiers steht auf immer besserem Fuße mit dem Rest der 221: seit dem Votum über die Wahlreform haben dieselben, was bisher noch nicht geschehen war, seinen Salon besucht, Hrn. Fulchiron an der Spitze. Der Conseilpräsident hat dermalen einen trefflichen Köder für diejenigen unter ihnen, die gerichtliche Aemter bekleiden: Hr. Voisin de Gartempe, Rath am Cassationshofe, ist gestorben, und sein College Hr. Quecquet liegt am Tode. Die HH. Moreau, Generalprocurator in Metz, Amilhau, Präsident des Appellhofes in Pau, und Dalloz, ehedem Advocat am Cassationshofe und mehrere andere, sämmtlich zu den 221 gehörig, bewerben sich darum. &#x2013; Hr. Havin ist noch nicht von seinem Urlaube zurückgekommen; sein Ausbleiben bestärkt Jedermann in der Meinung, seine Abwesenheit sey nur ein mit Hrn. Thiers zum Ruin der Motion von Rémilly abgesprochener Vorwand; so werden dann die Debatten über diese Motion bis gegen den 20 Jun. verschoben bleiben, wo, wie der Präsident Sauzet dieser Tage den Deputirten versicherte, die dießjährige Session zu Ende gehen wird; denn die Kammer ist müde, und wird, wie gewöhnlich, das Budget im Galopp votiren. &#x2013; Hr. Thiers beginnt schon die Präfecten hieher kommen zu lassen, um mit ihnen Bekanntschaft zu machen, und sie in Betreff der Wahlen zu sondiren; in diesem Augenblick sind mehrere derselben hier anwesend. &#x2013; Hr. Daunou ist auf Besserung, und scheint die Bewerber um seine Stelle zu Schanden zu machen! &#x2013; In Betreff der neapolitanischen Schwefelangelegenheit versichert mich einer meiner Bekannten, der kürzlich Sicilien bereiste, die Gesellschaft Taix und Compagnie bestehe eigentlich zunächst aus Freunden der Herzogin von Berry, die selbst darin interessirt sey, und diese Gesellschaft habe nur darum den Hrn. Laffitte zu ihrem Bankier ausersehen, um das französische Publicum irre zu leiten, welches eine von Legitimisten gegründete Unternehmung weniger günstig betrachtet haben würde.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Belgien.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Brüssel,</hi> 19 Mai.</dateline>
          <p> Der Gegenstand, welcher seit mehreren Tagen in unsern politischen Salons am meisten besprochen wird, ist eine Mißhelligkeit, welche zwischen dem diplomatischen Corps und dem neuen Ministerium entstanden seyn soll, und wovon die Pariser Blätter die erste ausführliche Nachricht gegeben haben. Wie es da heißt, hätte ein hiesiger Gesandter dem neuen Ministerium in einem Cirkel den Beinamen Pillard (Plünderer) gegeben, weil die Plünderungen der Orangisten im Jahr 1834 gerade stattfanden, als Hr. Lebeau Minister des Innern war, und Hr. Rogier an der Spitze eines andern Departements stand. Hr. Lebeau soll sich deßhalb bei dem König, und Se. Majestät, da der Gesandte zu widerrufen sich weigerte, Ihrerseits sich bei dessen Hofe beschwert haben. Ob sich die Sache genau so verhält, wie die französischen Zeitungen sie darstellen, ist nicht gewiß, denn noch vor wenigen Tagen hat man den Beweis gehabt, wie leicht diese Blätter alle Gerüchte aufnehmen, ohne nach dem Grunde, oder auch nur nach der Wahrscheinlichkeit derselben zu fragen, indem sie nicht nur im ganzen Ernst die Nachricht gegeben, daß eine Gesandschaft von dem Kaiser von China in Holland angekommen sey, um Handelsverbindungen etc. anzuknüpfen, sondern noch Commentare und Folgerungen hinzugefügt haben, während dieß nichts Anderes als eine Mystification und einer von den gewöhnlichen Späßen war, die der &#x201E;Courrier Belge&#x201C; seinen Lesern auftischt. (<hi rendition="#g">Hannov</hi>. <hi rendition="#g">Ztg</hi>. <hi rendition="#g">und Preuß</hi>. <hi rendition="#g">Staatsztg</hi>.)</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Brüssel,</hi> 20 Mai.</dateline>
          <p> In den höhern Cirkeln unserer Hauptstadt erregt ein Vorfall, der sich in dieser Woche ereignet hat und nicht ohne unangenehme Folgen bleiben möchte, viel Aufsehen. Der Gesandte einer großen Macht, der noch nicht lange an unserm Hof accreditirt ist, stattete neulich dem Chef unsers Ministeriums in Dienstangelegenheiten einen Besuch ab, und soll bei dieser Gelegenheit, nachdem er schon längere Zeit hatte antichambriren müssen, von dem Minister in einer auffallenden Negligémanier empfangen worden seyn. Eine böswillige Absicht scheint keineswegs vorgeherrscht zu haben, vielmehr dürfte es nur als das ungenirte Benehmen eines Mannes auszulegen seyn, der auch die Diplomatie wie etwa seine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1203/0003] wenn er die Franzosen zum Dienst in der Miliz zwinge, so thue er nur dasselbe, was in Frankreich durch Heranziehung der Ausländer zur Nationalgarde geschehe; offenbar erlaubt ihm der durch die Uebereinkunft gehandhabte Status quo noch fortan dasselbe Argument. Ich schweige hier von den andern Beschwerden Frankreichs. Das bisherige Benehmen des Präsidenten Rosas in allen zur Oeffentlichkeit gelangten Verhältnissen war sicher nicht geeignet, Vertrauen auf seine Versprechungen einzuflößen. Die getroffene Uebereinkunft scheint demnach die zweite Auflage des Tractats mit Mexico zu bilden; in beiden Fällen haben die französischen Unterhändler den Beweis geliefert, daß ihnen die Verhältnisse der auswärtigen Länder eben so unbekannt sind, als die Kunst der Diplomatie und die Wissenschaft des Völkerrechts: Geld und Blut sind vergeblich aufgeopfert worden. Zudem hat man während der Zwistigkeit mit Buenos-Ayres französischerseits, wie kürzlich Hr. Thiers in der Deputirtenkammer auseinander setzte, dort mit vielen Unkosten inneren Krieg angestiftet, und jetzt wird man wohl die Anführer der Bewegung gegen Rosas im Stiche lassen. Der noch immer dem Ministerium gewogene Courrier français stimmt für die Ratification jener Uebereinkunft. – Die dem Herzog von Coburg entwendete Summe von 15,000 Fr. hat sich in einem Local des Palais Royal, wo Niemand nachgesucht hatte, durch Zufall wieder aufgefunden: vermuthlich hatte der Dieb das Geld dahin versteckt, in der Hoffnung, es später wieder zu ergreifen. Dieser Umstand bildet einen neuen Beweis, daß die Entwendung durch eine im Palast bekannte Person verübt wurde. – Die Académie des sciences morales et politiques hat in ihrer Sitzung von gestern über eine Preisfrage erkannt, die sie bereits zweimal ausgesetzt hatte; der Gegenstand war eine Darstellung des deutschen Zollvereins und des Einflusses desselben auf Deutschland sowohl als auf andere Staaten; dann die Untersuchung der Frage, welche ähnliche Vereine sich möglicher Weise nach dem Beispiel des deutschen und im Gefolge der Nothwendigkeit bilden können, ein neues Gleichgewicht in den Handelsverhältnissen zu errichten, und welche Veränderungen solche Vereine in dem System der Handels- und Gewerbsverhältnisse bewirken können? Der Preis wurde Hrn. Theodor Fix zuerkannt, der früher eine Zeitschrift für Staatswissenschaften herausgab, und durch mehrere staatswirthschaftliche Arbeiten sich einen Ruf erworben hat; man hat hier allgemein bedauert, daß er nicht zu der vor einiger Zeit vergebenen Professur der Gewerbsgesetzgebung berufen wurde. Die Schrift eines Concurrenten, Hrn. L. N....., der in Deutschland nicht unrühmlich bekannt ist, wurde, dem Vernehmen nach, aus dem Grunde beseitigt, weil er die politische Seite des Zollvereins zu sehr herausgehoben hatte. – Für die Gründer von betrügerischen Actiengesellschaften, wie Saint Berain und andere, die vor einigen Jahren so häufig waren, sind jetzt die Conjuncturen nicht günstig; das Gericht erster Instanz und der Appellhof haben in den letzten Tagen in zwei verschiedenen Sachen dieselben durch scharfe Strafen gezüchtigt, und zum Ersatz alles den Actionnärs abgeschwatzten Geldes verurtheilt. – Hr. Thiers steht auf immer besserem Fuße mit dem Rest der 221: seit dem Votum über die Wahlreform haben dieselben, was bisher noch nicht geschehen war, seinen Salon besucht, Hrn. Fulchiron an der Spitze. Der Conseilpräsident hat dermalen einen trefflichen Köder für diejenigen unter ihnen, die gerichtliche Aemter bekleiden: Hr. Voisin de Gartempe, Rath am Cassationshofe, ist gestorben, und sein College Hr. Quecquet liegt am Tode. Die HH. Moreau, Generalprocurator in Metz, Amilhau, Präsident des Appellhofes in Pau, und Dalloz, ehedem Advocat am Cassationshofe und mehrere andere, sämmtlich zu den 221 gehörig, bewerben sich darum. – Hr. Havin ist noch nicht von seinem Urlaube zurückgekommen; sein Ausbleiben bestärkt Jedermann in der Meinung, seine Abwesenheit sey nur ein mit Hrn. Thiers zum Ruin der Motion von Rémilly abgesprochener Vorwand; so werden dann die Debatten über diese Motion bis gegen den 20 Jun. verschoben bleiben, wo, wie der Präsident Sauzet dieser Tage den Deputirten versicherte, die dießjährige Session zu Ende gehen wird; denn die Kammer ist müde, und wird, wie gewöhnlich, das Budget im Galopp votiren. – Hr. Thiers beginnt schon die Präfecten hieher kommen zu lassen, um mit ihnen Bekanntschaft zu machen, und sie in Betreff der Wahlen zu sondiren; in diesem Augenblick sind mehrere derselben hier anwesend. – Hr. Daunou ist auf Besserung, und scheint die Bewerber um seine Stelle zu Schanden zu machen! – In Betreff der neapolitanischen Schwefelangelegenheit versichert mich einer meiner Bekannten, der kürzlich Sicilien bereiste, die Gesellschaft Taix und Compagnie bestehe eigentlich zunächst aus Freunden der Herzogin von Berry, die selbst darin interessirt sey, und diese Gesellschaft habe nur darum den Hrn. Laffitte zu ihrem Bankier ausersehen, um das französische Publicum irre zu leiten, welches eine von Legitimisten gegründete Unternehmung weniger günstig betrachtet haben würde. Belgien. _ Brüssel, 19 Mai. Der Gegenstand, welcher seit mehreren Tagen in unsern politischen Salons am meisten besprochen wird, ist eine Mißhelligkeit, welche zwischen dem diplomatischen Corps und dem neuen Ministerium entstanden seyn soll, und wovon die Pariser Blätter die erste ausführliche Nachricht gegeben haben. Wie es da heißt, hätte ein hiesiger Gesandter dem neuen Ministerium in einem Cirkel den Beinamen Pillard (Plünderer) gegeben, weil die Plünderungen der Orangisten im Jahr 1834 gerade stattfanden, als Hr. Lebeau Minister des Innern war, und Hr. Rogier an der Spitze eines andern Departements stand. Hr. Lebeau soll sich deßhalb bei dem König, und Se. Majestät, da der Gesandte zu widerrufen sich weigerte, Ihrerseits sich bei dessen Hofe beschwert haben. Ob sich die Sache genau so verhält, wie die französischen Zeitungen sie darstellen, ist nicht gewiß, denn noch vor wenigen Tagen hat man den Beweis gehabt, wie leicht diese Blätter alle Gerüchte aufnehmen, ohne nach dem Grunde, oder auch nur nach der Wahrscheinlichkeit derselben zu fragen, indem sie nicht nur im ganzen Ernst die Nachricht gegeben, daß eine Gesandschaft von dem Kaiser von China in Holland angekommen sey, um Handelsverbindungen etc. anzuknüpfen, sondern noch Commentare und Folgerungen hinzugefügt haben, während dieß nichts Anderes als eine Mystification und einer von den gewöhnlichen Späßen war, die der „Courrier Belge“ seinen Lesern auftischt. (Hannov. Ztg. und Preuß. Staatsztg.) _ Brüssel, 20 Mai. In den höhern Cirkeln unserer Hauptstadt erregt ein Vorfall, der sich in dieser Woche ereignet hat und nicht ohne unangenehme Folgen bleiben möchte, viel Aufsehen. Der Gesandte einer großen Macht, der noch nicht lange an unserm Hof accreditirt ist, stattete neulich dem Chef unsers Ministeriums in Dienstangelegenheiten einen Besuch ab, und soll bei dieser Gelegenheit, nachdem er schon längere Zeit hatte antichambriren müssen, von dem Minister in einer auffallenden Negligémanier empfangen worden seyn. Eine böswillige Absicht scheint keineswegs vorgeherrscht zu haben, vielmehr dürfte es nur als das ungenirte Benehmen eines Mannes auszulegen seyn, der auch die Diplomatie wie etwa seine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_151_18400530
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_151_18400530/3
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 151. Augsburg, 30. Mai 1840, S. 1203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_151_18400530/3>, abgerufen am 21.11.2024.