Allgemeine Zeitung. Nr. 152. Augsburg, 31. Mai 1840.des Cabinets für die Ansichten des Staatssecretärs des Auswärtigen gewonnen werden? Dieß ist die große Frage, von deren Lösung entweder die Zerreißung der englisch-französischen Allianz oder der Sturz des uneinigen Ministeriums Melbourne abhängt, denn ich kann nicht glauben, daß Palmerston und Russell gegen ihre Ueberzeugung und mit Aufopferung der Pforte, ja der wichtigsten Interessen des brittischen Reichs, die Einigkeit im Schooße des Ministeriums durch unbedingtes Nachgeben zu bewirken suchen werden. Frankreich. Paris, 26 Mai. Das Capitole will wissen, daß folgende Veränderungen im Personal des diplomatischen Corps nahe bevorstehen. Hr. Mathieu de la Redorte werde an die Stelle des Marquis v. Dalmatien nach Turin, Marschall Clauzel an den Madrider Hof kommen. General Cubieres solle den Posten als Generalgouverneur in Algier erhalten. Die Deputirtenkammer bewilligte in ihrer Sitzung vom 25 Mai den Credit von 1,200,000 Fr. zum Bau verschiedener Brücken mit 209 gegen 29 Stimmen. Den übrigen Theil der Sitzung füllte die Discussion über einen, die Binnenschifffahrt betreffenden Gesetzesentwurf aus. Die Kammer bewilligte 3,500,000 Fr. für die Vollendung des Seinecanals zwischen Troyes und Marcilly; 1,200,000 Fr. für die Fortsetzung der Ausbesserungsarbeiten an der Yonne; 4,400,000 Fr. für Reparatur des Saonecanals zwischen Verdun und Lyon. Der Art. 4 des Entwurfs, die Bewilligung einer Summe von 13 Millionen für den Bau eines Canals zwischen der Aisne und Marne betreffend, gab zu einer längern Debatte Anlaß. Die Minorität der Commission hatte für eine Vertagung dieses Baues gestimmt. Der Minister der öffentlichen Arbeiten erinnerte, daß die Vollendung dieses Canals das einzige Mittel sey, die Bearbeitung der Steinkohlenbergwerke zu begünstigen, weil ihnen dadurch ein leichter Absatzweg gesichert würde. Die Kammer verschob ihre Entscheidung auf den folgenden Tag. Die Kammer erneuerte die Organisation ihrer Bureaux; die Wahlen haben aber keine politische Bedeutung, da kein Gesetzesentwurf vorliegt, der besonderes politisches Interesse hätte. [irrelevantes Material] Sitzung der Kammer der Deputirten vom 26 Mai. Die 13 Millionen für die Vollendung des Canals zwischen der Aisne und Marne wurden, nachdem Hr. Dangeville dagegen, Hr. Tespieres dafür gesprochen, gleichfalls bewilligt, und der ganze Gesetzesentwurf über die Binnenschifffahrt mit 211 gegen 103 Stimmen angenommen. Die Kammer ging nun zur Berathung des Gesetzesentwurfs, die Versetzung der sterblichen Reste des Kaisers betreffend, über. Eine sichtbare Bewegung herrschte in der Versammlung noch ehe ein Redner die Tribune bestiegen hatte. Hr. Glais Bizoin, Mitglied der Linken, war der erste eingeschriebene Redner. "Wenn die Commission, sagte er, sich beschränkt hätte, einen Credit von Ihnen zu verlangen, um die Reste des Kaisers Napoleon von fremder Erde zu holen, dann würde ich stillschweigend dafür gestimmt haben. Es scheint aber, man wollte einen Napoleonischen Enthusiasmus wieder erwecken, einen Enthusiasmus für einen großen Feldherrn, einen großen Geist, der aber zugleich ein böser und ein guter Geist gewesen. (Bewegung.) Nicht wolle Gott daß ich den Ruhm der Kaiserzeit antaste; es war der Ruhm Frankreichs. Es wäre weder Ehre einzulegen, noch würde es von Muth zeugen, diesen Ruhm anzugreifen. Ich habe aber das Bedürfniß in mir gefühlt, meine Anhänglichkeit für die liberale und constitutionelle Regierungsform gegenüber der despotischen mit einigen Worten auszudrücken. Die größte Wohlthat, welche, meiner Meinung nach, die Vorsehung meinem Vaterland und Europa geschenkt hat, war der Sturz des kaiserlichen absoluten Regierungssystems. Ich würde all' meine Kräfte aufbieten, mein Vaterland vor der Wiederkehr eines solchen Systems zu bewahren, und ich glaube, daß die Mehrheit der Nation meine Ansichten theilt." Der Redner will nichts von einem Enthusiasmus wissen, den er einen "Mode-Enthusiasmus" nennt. Er wünscht auch nicht, daß man die Statue des Kaisers von der Spitze der Vendomesäule auf einen der öffentlichen Plätze herabsteigen lasse. Er glaubt, die Rücksicht, daß diese Huldigungen den alten Königen zu Theil geworden, rechtfertige dieselben keineswegs. Auf diesen Redner, dessen letzte Bemerkungen mehrmals von dem Murren einer Anzahl Deputirter begleitet waren, erhob sich Hr. Gauguier für den Entwurf. "Unsere Zeit, sagte er, ist keineswegs von den Excessen der Kaiserzeit bedroht. Ich stimme den edlen Gesinnungen bei, welche die Regierung vermochten, die Reste Napoleons zu reclamiren. Dagegen billige ich nicht, daß man das Invalidenhotel zu seinem Grab bestimme. Die Magdalenenkirche, der alte Tempel des Ruhmes, fordert seine Asche." Der Ruf: zur Abstimmung! schallte von allen Bänken der ungeduldigen Kammer; der Dichter der "Chaute d'un Ange" wollte sich aber die schöne Gelegenheit nicht entwischen lassen, eine poetische Rede zu halten. Hr. v. Lamartine hatte sich weder für noch gegen, sondern als Redner über den Entwurf einschreiben lassen. Er freue sich, sprach er, über die Huldigung, die man einem großen Mann, einem der ersten Geister der neuern Zeit, erweise. Aber ohne über den königlichen Gedanken, der die Asche Napoleons in den Schooß des Vaterlandes zurückrufe, Klage anstimmen zu wollen, hätte er, vom philosophischen Gesichtspunkt aus betrachtet, nicht ungern gesehen, wenn man sein Grab noch einige Zeit in der Ferne und in ruhiger Stille ließe. (Hr. v. Lamartine war noch auf der Tribune, als die Post abging.) Der National spottet über den schwülstigen Pathos des Clauzel'schen Berichts, die Asche Napoleons betreffend, und meint, derselbe übersteige die Gränze des Lächerlichen. Uebrigens habe der Marschall diesen Bericht abgelesen, wie einer, der ihn nicht gemacht; Verleumder hätten dieses Stück kaiserlicher Litteratur Hrn. Viennet zugeschrieben. (Man glaubt in Frankreich so ziemlich allgemein, der Marschall Clauzel habe sich alle seine früheren pathetischen Broschüren und Reden, sogar seine famöse Proclamation bei Uebersteigung des Atlas, von Pariser Schöngeistern verfertigen lassen. Der fruchtbare Romanschreiber Frederic Soulie soll der Verfasser der "Explications du Marechal Clauzel" seyn, welche dieser nach seiner zweiten Abberufung von Algier publicirte.) Das Municipalconseil von Cherbourg hat einstimmig an die Deputirtenkammer eine Petition abgesandt, worin es bittet, die Asche Napoleons bei ihrer Ankunft in Frankreich in ihrer Stadt zu landen, und dem Militärhafen von Cherbourg wieder den Namen Napoleonshafen zu geben. "Napoleon" ist gegenwärtig ein stehender Artikel in den französischen Journalen. Der große Name wird von fast allen Blättern im Interesse ihrer Parteien ausgebeutet. National und Gazette de France wärmen alte Documente, Proclamationen, Briefe von Männern auf, welche mit der gegenwärtigen Regierung in nahen Verhältnissen stehen und dem Andenken des Kaisers jetzt stattliche Redensarten widmen, während sie gegen ihn 1815 mit den Titeln "Usurpator" und "Despot" freigebig um sich warfen. Der Courrier francais, welcher vermöge seiner gegenwärtigen Stellung eine solche Taktik gegen die Freunde der Regierung nicht wohl anwenden des Cabinets für die Ansichten des Staatssecretärs des Auswärtigen gewonnen werden? Dieß ist die große Frage, von deren Lösung entweder die Zerreißung der englisch-französischen Allianz oder der Sturz des uneinigen Ministeriums Melbourne abhängt, denn ich kann nicht glauben, daß Palmerston und Russell gegen ihre Ueberzeugung und mit Aufopferung der Pforte, ja der wichtigsten Interessen des brittischen Reichs, die Einigkeit im Schooße des Ministeriums durch unbedingtes Nachgeben zu bewirken suchen werden. Frankreich. Paris, 26 Mai. Das Capitole will wissen, daß folgende Veränderungen im Personal des diplomatischen Corps nahe bevorstehen. Hr. Mathieu de la Redorte werde an die Stelle des Marquis v. Dalmatien nach Turin, Marschall Clauzel an den Madrider Hof kommen. General Cubières solle den Posten als Generalgouverneur in Algier erhalten. Die Deputirtenkammer bewilligte in ihrer Sitzung vom 25 Mai den Credit von 1,200,000 Fr. zum Bau verschiedener Brücken mit 209 gegen 29 Stimmen. Den übrigen Theil der Sitzung füllte die Discussion über einen, die Binnenschifffahrt betreffenden Gesetzesentwurf aus. Die Kammer bewilligte 3,500,000 Fr. für die Vollendung des Seinecanals zwischen Troyes und Marcilly; 1,200,000 Fr. für die Fortsetzung der Ausbesserungsarbeiten an der Yonne; 4,400,000 Fr. für Reparatur des Saonecanals zwischen Verdun und Lyon. Der Art. 4 des Entwurfs, die Bewilligung einer Summe von 13 Millionen für den Bau eines Canals zwischen der Aisne und Marne betreffend, gab zu einer längern Debatte Anlaß. Die Minorität der Commission hatte für eine Vertagung dieses Baues gestimmt. Der Minister der öffentlichen Arbeiten erinnerte, daß die Vollendung dieses Canals das einzige Mittel sey, die Bearbeitung der Steinkohlenbergwerke zu begünstigen, weil ihnen dadurch ein leichter Absatzweg gesichert würde. Die Kammer verschob ihre Entscheidung auf den folgenden Tag. Die Kammer erneuerte die Organisation ihrer Bureaux; die Wahlen haben aber keine politische Bedeutung, da kein Gesetzesentwurf vorliegt, der besonderes politisches Interesse hätte. [irrelevantes Material] Sitzung der Kammer der Deputirten vom 26 Mai. Die 13 Millionen für die Vollendung des Canals zwischen der Aisne und Marne wurden, nachdem Hr. Dangeville dagegen, Hr. Tespières dafür gesprochen, gleichfalls bewilligt, und der ganze Gesetzesentwurf über die Binnenschifffahrt mit 211 gegen 103 Stimmen angenommen. Die Kammer ging nun zur Berathung des Gesetzesentwurfs, die Versetzung der sterblichen Reste des Kaisers betreffend, über. Eine sichtbare Bewegung herrschte in der Versammlung noch ehe ein Redner die Tribune bestiegen hatte. Hr. Glais Bizoin, Mitglied der Linken, war der erste eingeschriebene Redner. „Wenn die Commission, sagte er, sich beschränkt hätte, einen Credit von Ihnen zu verlangen, um die Reste des Kaisers Napoleon von fremder Erde zu holen, dann würde ich stillschweigend dafür gestimmt haben. Es scheint aber, man wollte einen Napoleonischen Enthusiasmus wieder erwecken, einen Enthusiasmus für einen großen Feldherrn, einen großen Geist, der aber zugleich ein böser und ein guter Geist gewesen. (Bewegung.) Nicht wolle Gott daß ich den Ruhm der Kaiserzeit antaste; es war der Ruhm Frankreichs. Es wäre weder Ehre einzulegen, noch würde es von Muth zeugen, diesen Ruhm anzugreifen. Ich habe aber das Bedürfniß in mir gefühlt, meine Anhänglichkeit für die liberale und constitutionelle Regierungsform gegenüber der despotischen mit einigen Worten auszudrücken. Die größte Wohlthat, welche, meiner Meinung nach, die Vorsehung meinem Vaterland und Europa geschenkt hat, war der Sturz des kaiserlichen absoluten Regierungssystems. Ich würde all' meine Kräfte aufbieten, mein Vaterland vor der Wiederkehr eines solchen Systems zu bewahren, und ich glaube, daß die Mehrheit der Nation meine Ansichten theilt.“ Der Redner will nichts von einem Enthusiasmus wissen, den er einen „Mode-Enthusiasmus“ nennt. Er wünscht auch nicht, daß man die Statue des Kaisers von der Spitze der Vendomesäule auf einen der öffentlichen Plätze herabsteigen lasse. Er glaubt, die Rücksicht, daß diese Huldigungen den alten Königen zu Theil geworden, rechtfertige dieselben keineswegs. Auf diesen Redner, dessen letzte Bemerkungen mehrmals von dem Murren einer Anzahl Deputirter begleitet waren, erhob sich Hr. Gauguier für den Entwurf. „Unsere Zeit, sagte er, ist keineswegs von den Excessen der Kaiserzeit bedroht. Ich stimme den edlen Gesinnungen bei, welche die Regierung vermochten, die Reste Napoleons zu reclamiren. Dagegen billige ich nicht, daß man das Invalidenhotel zu seinem Grab bestimme. Die Magdalenenkirche, der alte Tempel des Ruhmes, fordert seine Asche.“ Der Ruf: zur Abstimmung! schallte von allen Bänken der ungeduldigen Kammer; der Dichter der „Chûte d'un Ange“ wollte sich aber die schöne Gelegenheit nicht entwischen lassen, eine poetische Rede zu halten. Hr. v. Lamartine hatte sich weder für noch gegen, sondern als Redner über den Entwurf einschreiben lassen. Er freue sich, sprach er, über die Huldigung, die man einem großen Mann, einem der ersten Geister der neuern Zeit, erweise. Aber ohne über den königlichen Gedanken, der die Asche Napoleons in den Schooß des Vaterlandes zurückrufe, Klage anstimmen zu wollen, hätte er, vom philosophischen Gesichtspunkt aus betrachtet, nicht ungern gesehen, wenn man sein Grab noch einige Zeit in der Ferne und in ruhiger Stille ließe. (Hr. v. Lamartine war noch auf der Tribune, als die Post abging.) Der National spottet über den schwülstigen Pathos des Clauzel'schen Berichts, die Asche Napoleons betreffend, und meint, derselbe übersteige die Gränze des Lächerlichen. Uebrigens habe der Marschall diesen Bericht abgelesen, wie einer, der ihn nicht gemacht; Verleumder hätten dieses Stück kaiserlicher Litteratur Hrn. Viennet zugeschrieben. (Man glaubt in Frankreich so ziemlich allgemein, der Marschall Clauzel habe sich alle seine früheren pathetischen Broschüren und Reden, sogar seine famöse Proclamation bei Uebersteigung des Atlas, von Pariser Schöngeistern verfertigen lassen. Der fruchtbare Romanschreiber Fréderic Soulié soll der Verfasser der „Explications du Maréchal Clauzel“ seyn, welche dieser nach seiner zweiten Abberufung von Algier publicirte.) Das Municipalconseil von Cherbourg hat einstimmig an die Deputirtenkammer eine Petition abgesandt, worin es bittet, die Asche Napoleons bei ihrer Ankunft in Frankreich in ihrer Stadt zu landen, und dem Militärhafen von Cherbourg wieder den Namen Napoleonshafen zu geben. „Napoleon“ ist gegenwärtig ein stehender Artikel in den französischen Journalen. Der große Name wird von fast allen Blättern im Interesse ihrer Parteien ausgebeutet. National und Gazette de France wärmen alte Documente, Proclamationen, Briefe von Männern auf, welche mit der gegenwärtigen Regierung in nahen Verhältnissen stehen und dem Andenken des Kaisers jetzt stattliche Redensarten widmen, während sie gegen ihn 1815 mit den Titeln „Usurpator“ und „Despot“ freigebig um sich warfen. 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Der Minister der öffentlichen Arbeiten erinnerte, daß die Vollendung dieses Canals das einzige Mittel sey, die Bearbeitung der Steinkohlenbergwerke zu begünstigen, weil ihnen dadurch ein leichter Absatzweg gesichert würde. Die Kammer verschob ihre Entscheidung auf den folgenden Tag. Die Kammer erneuerte die Organisation ihrer Bureaux; die Wahlen haben aber keine politische Bedeutung, da kein Gesetzesentwurf vorliegt, der besonderes politisches Interesse hätte.</p><lb/> <p><bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> Sitzung der <hi rendition="#g">Kammer der Deputirten</hi> vom 26 Mai. Die 13 Millionen für die Vollendung des Canals zwischen der Aisne und Marne wurden, nachdem Hr. Dangeville dagegen, Hr. Tespières dafür gesprochen, gleichfalls bewilligt, und der ganze Gesetzesentwurf über die Binnenschifffahrt mit 211 gegen 103 Stimmen angenommen. Die Kammer ging nun zur Berathung des Gesetzesentwurfs, die Versetzung der sterblichen Reste des Kaisers betreffend, über. 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Die größte Wohlthat, welche, meiner Meinung nach, die Vorsehung meinem Vaterland und Europa geschenkt hat, war der Sturz des kaiserlichen absoluten Regierungssystems. Ich würde all' meine Kräfte aufbieten, mein Vaterland vor der Wiederkehr eines solchen Systems zu bewahren, und ich glaube, daß die Mehrheit der Nation meine Ansichten theilt.“ Der Redner will nichts von einem Enthusiasmus wissen, den er einen „Mode-Enthusiasmus“ nennt. Er wünscht auch nicht, daß man die Statue des Kaisers von der Spitze der Vendomesäule auf einen der öffentlichen Plätze herabsteigen lasse. Er glaubt, die Rücksicht, daß diese Huldigungen den alten Königen zu Theil geworden, rechtfertige dieselben keineswegs. Auf diesen Redner, dessen letzte Bemerkungen mehrmals von dem Murren einer Anzahl Deputirter begleitet waren, erhob sich Hr. <hi rendition="#g">Gauguier</hi> für den Entwurf. „Unsere Zeit, sagte er, ist keineswegs von den Excessen der Kaiserzeit bedroht. 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des Cabinets für die Ansichten des Staatssecretärs des Auswärtigen gewonnen werden? Dieß ist die große Frage, von deren Lösung entweder die Zerreißung der englisch-französischen Allianz oder der Sturz des uneinigen Ministeriums Melbourne abhängt, denn ich kann nicht glauben, daß Palmerston und Russell gegen ihre Ueberzeugung und mit Aufopferung der Pforte, ja der wichtigsten Interessen des brittischen Reichs, die Einigkeit im Schooße des Ministeriums durch unbedingtes Nachgeben zu bewirken suchen werden.
Frankreich.
_ Paris, 26 Mai.
Das Capitole will wissen, daß folgende Veränderungen im Personal des diplomatischen Corps nahe bevorstehen. Hr. Mathieu de la Redorte werde an die Stelle des Marquis v. Dalmatien nach Turin, Marschall Clauzel an den Madrider Hof kommen. General Cubières solle den Posten als Generalgouverneur in Algier erhalten.
Die Deputirtenkammer bewilligte in ihrer Sitzung vom 25 Mai den Credit von 1,200,000 Fr. zum Bau verschiedener Brücken mit 209 gegen 29 Stimmen. Den übrigen Theil der Sitzung füllte die Discussion über einen, die Binnenschifffahrt betreffenden Gesetzesentwurf aus. Die Kammer bewilligte 3,500,000 Fr. für die Vollendung des Seinecanals zwischen Troyes und Marcilly; 1,200,000 Fr. für die Fortsetzung der Ausbesserungsarbeiten an der Yonne; 4,400,000 Fr. für Reparatur des Saonecanals zwischen Verdun und Lyon. Der Art. 4 des Entwurfs, die Bewilligung einer Summe von 13 Millionen für den Bau eines Canals zwischen der Aisne und Marne betreffend, gab zu einer längern Debatte Anlaß. Die Minorität der Commission hatte für eine Vertagung dieses Baues gestimmt. Der Minister der öffentlichen Arbeiten erinnerte, daß die Vollendung dieses Canals das einzige Mittel sey, die Bearbeitung der Steinkohlenbergwerke zu begünstigen, weil ihnen dadurch ein leichter Absatzweg gesichert würde. Die Kammer verschob ihre Entscheidung auf den folgenden Tag. Die Kammer erneuerte die Organisation ihrer Bureaux; die Wahlen haben aber keine politische Bedeutung, da kein Gesetzesentwurf vorliegt, der besonderes politisches Interesse hätte.
_ Sitzung der Kammer der Deputirten vom 26 Mai. Die 13 Millionen für die Vollendung des Canals zwischen der Aisne und Marne wurden, nachdem Hr. Dangeville dagegen, Hr. Tespières dafür gesprochen, gleichfalls bewilligt, und der ganze Gesetzesentwurf über die Binnenschifffahrt mit 211 gegen 103 Stimmen angenommen. Die Kammer ging nun zur Berathung des Gesetzesentwurfs, die Versetzung der sterblichen Reste des Kaisers betreffend, über. Eine sichtbare Bewegung herrschte in der Versammlung noch ehe ein Redner die Tribune bestiegen hatte. Hr. Glais Bizoin, Mitglied der Linken, war der erste eingeschriebene Redner. „Wenn die Commission, sagte er, sich beschränkt hätte, einen Credit von Ihnen zu verlangen, um die Reste des Kaisers Napoleon von fremder Erde zu holen, dann würde ich stillschweigend dafür gestimmt haben. Es scheint aber, man wollte einen Napoleonischen Enthusiasmus wieder erwecken, einen Enthusiasmus für einen großen Feldherrn, einen großen Geist, der aber zugleich ein böser und ein guter Geist gewesen. (Bewegung.) Nicht wolle Gott daß ich den Ruhm der Kaiserzeit antaste; es war der Ruhm Frankreichs. Es wäre weder Ehre einzulegen, noch würde es von Muth zeugen, diesen Ruhm anzugreifen. Ich habe aber das Bedürfniß in mir gefühlt, meine Anhänglichkeit für die liberale und constitutionelle Regierungsform gegenüber der despotischen mit einigen Worten auszudrücken. Die größte Wohlthat, welche, meiner Meinung nach, die Vorsehung meinem Vaterland und Europa geschenkt hat, war der Sturz des kaiserlichen absoluten Regierungssystems. Ich würde all' meine Kräfte aufbieten, mein Vaterland vor der Wiederkehr eines solchen Systems zu bewahren, und ich glaube, daß die Mehrheit der Nation meine Ansichten theilt.“ Der Redner will nichts von einem Enthusiasmus wissen, den er einen „Mode-Enthusiasmus“ nennt. Er wünscht auch nicht, daß man die Statue des Kaisers von der Spitze der Vendomesäule auf einen der öffentlichen Plätze herabsteigen lasse. Er glaubt, die Rücksicht, daß diese Huldigungen den alten Königen zu Theil geworden, rechtfertige dieselben keineswegs. Auf diesen Redner, dessen letzte Bemerkungen mehrmals von dem Murren einer Anzahl Deputirter begleitet waren, erhob sich Hr. Gauguier für den Entwurf. „Unsere Zeit, sagte er, ist keineswegs von den Excessen der Kaiserzeit bedroht. Ich stimme den edlen Gesinnungen bei, welche die Regierung vermochten, die Reste Napoleons zu reclamiren. Dagegen billige ich nicht, daß man das Invalidenhotel zu seinem Grab bestimme. Die Magdalenenkirche, der alte Tempel des Ruhmes, fordert seine Asche.“ Der Ruf: zur Abstimmung! schallte von allen Bänken der ungeduldigen Kammer; der Dichter der „Chûte d'un Ange“ wollte sich aber die schöne Gelegenheit nicht entwischen lassen, eine poetische Rede zu halten. Hr. v. Lamartine hatte sich weder für noch gegen, sondern als Redner über den Entwurf einschreiben lassen. Er freue sich, sprach er, über die Huldigung, die man einem großen Mann, einem der ersten Geister der neuern Zeit, erweise. Aber ohne über den königlichen Gedanken, der die Asche Napoleons in den Schooß des Vaterlandes zurückrufe, Klage anstimmen zu wollen, hätte er, vom philosophischen Gesichtspunkt aus betrachtet, nicht ungern gesehen, wenn man sein Grab noch einige Zeit in der Ferne und in ruhiger Stille ließe. (Hr. v. Lamartine war noch auf der Tribune, als die Post abging.)
Der National spottet über den schwülstigen Pathos des Clauzel'schen Berichts, die Asche Napoleons betreffend, und meint, derselbe übersteige die Gränze des Lächerlichen. Uebrigens habe der Marschall diesen Bericht abgelesen, wie einer, der ihn nicht gemacht; Verleumder hätten dieses Stück kaiserlicher Litteratur Hrn. Viennet zugeschrieben. (Man glaubt in Frankreich so ziemlich allgemein, der Marschall Clauzel habe sich alle seine früheren pathetischen Broschüren und Reden, sogar seine famöse Proclamation bei Uebersteigung des Atlas, von Pariser Schöngeistern verfertigen lassen. Der fruchtbare Romanschreiber Fréderic Soulié soll der Verfasser der „Explications du Maréchal Clauzel“ seyn, welche dieser nach seiner zweiten Abberufung von Algier publicirte.)
Das Municipalconseil von Cherbourg hat einstimmig an die Deputirtenkammer eine Petition abgesandt, worin es bittet, die Asche Napoleons bei ihrer Ankunft in Frankreich in ihrer Stadt zu landen, und dem Militärhafen von Cherbourg wieder den Namen Napoleonshafen zu geben.
„Napoleon“ ist gegenwärtig ein stehender Artikel in den französischen Journalen. Der große Name wird von fast allen Blättern im Interesse ihrer Parteien ausgebeutet. National und Gazette de France wärmen alte Documente, Proclamationen, Briefe von Männern auf, welche mit der gegenwärtigen Regierung in nahen Verhältnissen stehen und dem Andenken des Kaisers jetzt stattliche Redensarten widmen, während sie gegen ihn 1815 mit den Titeln „Usurpator“ und „Despot“ freigebig um sich warfen. Der Courrier français, welcher vermöge seiner gegenwärtigen Stellung eine solche Taktik gegen die Freunde der Regierung nicht wohl anwenden
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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