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Allgemeine Zeitung. Nr. 154. Augsburg, 2. Juni 1840.

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Bignon (von Nantes), Deputirten; v. St. Hilaire, Staatsrath, Director der Colonien, Viceadmiral v. Mackau, Gegenadmiral v. Moges. Die Commission wird ihren Secretär selbst wählen. Wir bemerken, daß kein Mitglied aus dem Gerichtsstande in dieser Commission ist. Inzwischen wird die Umwandlung des Colonialregime's erfordern, daß die Civil- und die peinliche Gesetzgebung in Bezug auf die Freigelassenen modificirt werde, und es wäre dann zu bedauern, wenn in Ermanglung hinreichender Sachkenntniß die Commission ihre Arbeit nicht vollständig zu Stande bringen könnte.

Die Ernennung des hiesigen Domcapitulars, Hrn. Affre, zum Erzbischof von Paris hat einen beinahe allgemeinen Beifall erregt; nur ein Theil des Clerus und die Legitimisten billigen sie nicht. Bisher unterstellte man der Regierung die Absicht, dieses hohe Amt einer Person von alter Familie zu verleihen, und der an den Cardinal-Bischof von Arras ergangene aber von ihm abgelehnte Ruf schien diese Ansicht zu bestätigen. Da die Geistlichen aus alten Familien beinahe alle Anhänger der ältern Dynastie sind, so zählte jene Partei auf einen der Ihrigen; das übrige Publicum hätte eine solche Ernennung aus doppeltem Grunde ungern gesehen: einmal wegen den Streitigkeiten, die wahrscheinlich nach dem Beispiel des Hrn. v. Quelen zwischen dem Erzbischof und der Regierung entstanden wären; dann weil jene Herren es ihrem System gemäß finden, den Clerus in einem hohen Grad von Unwissenheit zu halten, aus dem sich nur hier und dort Einzelne durch Studien aus eigenem Antrieb befreien. Bekanntlich werden in ganz Frankreich die Vorlesungen der katholischen theologischen Facultäten nicht von den Candidaten des Clericats besucht, sondern diese erhalten bloß im Seminar einen mechanisch praktischen Unterricht in den Formen der kirchlichen Handlungen. Im Vorbeigehen gesagt, könnte Hr. Cousin als Minister des öffentlichen Unterrichts, wenn er streng auf den Besuch jener Vorlesungen durch die Zöglinge des Clerus hielte, sich wirkliche Verdienste erringen, während seine von manchen Personen hochgepriesenen Maaßregeln in Betreff der Rechtsschulen nichts weniger als Verbesserungen sind, vielmehr nur zur Wirkung haben, den verderblichen status quo zu verewigen. Doch ich kehre zum Hrn. Affre zurück. Derselbe stammt aus einer bürgerlichen Familie; er ist noch im besten Mannesalter, und ein aufgeklärter und unterrichteter Geistlicher, Verfasser mehrerer geachteten Schriften über die Natur und Verwaltung des Kirchenvermögens etc. Vor einiger Zeit war er zum Coadjutor des altersschwachen Bischofs von Straßburg, Hrn. Lepape de Trevern, auf dessen eigenes Verlangen, ernannt worden. Nunmehr ist die Rede davon, die erledigte Coadjutorstelle dem Hrn. Domcapitular Rees in Straßburg zu verleihen; Hr. Rees ist ebenfalls einer der würdigen, aufgeklärten und unterrichteten Männer, die man nur ziemlich sparsam unter dem jetzigen französischen Clerus findet: er hielt sich von den Zwistigkeiten entfernt, die zwischen dem Bischof und einigen Mitgliedern der Geistlichkeit entstanden waren. Früher Domcapitular in Mainz, war er dort unter den Candidaten zum bischöflichen Amte. In steter Verbindung mit den Bischöfen von Mainz und Speyer, dann mit dem Erzbischof von Freiburg, würde er eine Mittelsperson zwischen dem deutschen und französischen Clerus bilden, welches letzterm nur zum Vortheil gereichen könnte. - In der Sitzung von gestern beschäftigte sich die Deputirtenkammer mit Supplementar-Finanzbewilligungen; das Cabinet setzte mit Hülfe des Centrums und der ministeriellen Linken zwei Bewilligungen von Geldern zu Gehalten durch, die der Ueberrest der Linken anfocht: die erste betraf einen der Oberpostdirectoren, die andere die neulich schon zur Sprache gekommene Vermehrung der Mitglieder des Staatsraths; beide Ernennungen übersteigen die bisher gesetzlich festgestellte Zahl dieser Beamten. - Auf den Bericht des Marineministers ist eine Commission von 13 Mitgliedern niedergesetzt worden zur Prüfung aller Fragen, die sich auf die Abschaffung der Sklaverei und die politische Constitution der Colonien beziehen. Sachkenner erwarteten keinen guten Erfolg von dieser Commission, da sieben Mitglieder derselben Gegner der Emancipation sind. - Hr. Daunou lebt noch, obwohl ohne Hoffnung der Genesung, aber es ist jetzt nicht mehr die Rede davon, ihm den Hrn. Auguis zum Nachfolger zu geben, dem Vernehmen nach, weil dieses Mitglied der undisciplinirten Linken keine bedeutende Stellung in der Kammer einnimmt, und folglich es für das Cabinet die Mühe nicht verlohne, ihn an sich zu ziehen. Man spricht von den HH. Villemain oder Salvandy, die beide jetzt zur Opposition gehören.

Wir wissen wenig, was in Afrika geschieht. Die Berichte des Marschalls Valee sind so selten und so lakonisch, daß man mit Sehnsucht der Rückkehr der beiden Prinzen entgegensieht, um vielleicht aus ihrem Munde zu erfahren, was sie und die Armee in dem letzten Feldzuge gethan haben. Merkwürdig! Die Prinzen befinden sich wohl, sagt die letzte Meldung des Marschalls, sie werden nächstens von Algier nach Marseille abreisen. Also ist der Feldzug zu Ende? Und was ist denn Großes seit seiner Eröffnung geschehen? wo sind die Trophäen des Sieges? wo die Genugthuung für die im vorigen Jahre unter dem Yatagan der Araber gefallenen Opfer? wo die Garantie, daß solche Reaction nicht mehr geschehen und der Colonist in Zukunft sein Feld in Ruhe und Sicherheit bestellen wird? Von einem Hauptpunkte spricht der Bericht des Marschalls gar nicht: während er mit seinen Truppen auf Medeah losging, drangen feindliche Schwärme bis in die Gärten, bis unter die Mauern von Algier und versetzten die Einwohner der Hauptstadt in Unruhe und Schrecken. Wie weit ist dieser Zustand noch von der Ordnung und friedlichen Ruhe, die man der schönen Niederlassung und allen Ansiedlern schuldig ist! - Das Ministerium hat tiefen Kummer über die vorgestern in der Deputirtenkammer erlittene Niederlage; wir begreifen diesen Schmerz, besonders da es von dem Gesichtspunkte ausgeht, daß in die Motive der Abstimmung andere als die völlig lauteren der persönlichen Ueberzeugung untergelaufen seyen. Es ist möglich, daß dem so sey, es ist sogar wahrscheinlich, das aber kann den Charakter der Frage und der Entscheidung nicht ändern. Mag Hr. v. Lamartine von eifersüchtiger Mißgunst gegen das Ministerium, Hr. Delongrais von kleinlicher Sparsamkeit geleitet worden seyn, der Act, der Beschluß der Kammer waren durch die besondern Umstände des Streites und die ihn begleitenden äußerlichen Ungeschicktheiten gehörig gerechtfertigt, und darauf allein kommt es an. Eine empfindliche Feindseligkeit der Kammer gegen das Ministerium können wir darin nicht erblicken, sind es doch zum Theil seine aufrichtigsten und unbezweifelbarsten Freunde, die gegen den Commissionsbericht und die kindische Vergötterung des Helden gestimmt haben. Man wird Subscriptionen eröffnen, man wird durch freiwillige Beiträge das Fehlende der zwei Millionen zu decken suchen; bereits haben das Capitole und das Siecle solche Subscriptionen eröffnet, das Aufsehen und das Bonapartische Gerede wird noch größer und anhaltender werden, als wenn man geradezu dem Vorschlag der Commission beigetreten wäre. Es sey; an wem ist die Schuld? Zudem möge man den Unterschied nicht übersehen: die Privatmeinungen und die im Ganzen zur Gesammtbevölkerung sehr vereinzelten Stimmen mögen ihren Cultus feiern, wie es ihnen

Bignon (von Nantes), Deputirten; v. St. Hilaire, Staatsrath, Director der Colonien, Viceadmiral v. Mackau, Gegenadmiral v. Moges. Die Commission wird ihren Secretär selbst wählen. Wir bemerken, daß kein Mitglied aus dem Gerichtsstande in dieser Commission ist. Inzwischen wird die Umwandlung des Colonialregimé's erfordern, daß die Civil- und die peinliche Gesetzgebung in Bezug auf die Freigelassenen modificirt werde, und es wäre dann zu bedauern, wenn in Ermanglung hinreichender Sachkenntniß die Commission ihre Arbeit nicht vollständig zu Stande bringen könnte.

Die Ernennung des hiesigen Domcapitulars, Hrn. Affre, zum Erzbischof von Paris hat einen beinahe allgemeinen Beifall erregt; nur ein Theil des Clerus und die Legitimisten billigen sie nicht. Bisher unterstellte man der Regierung die Absicht, dieses hohe Amt einer Person von alter Familie zu verleihen, und der an den Cardinal-Bischof von Arras ergangene aber von ihm abgelehnte Ruf schien diese Ansicht zu bestätigen. Da die Geistlichen aus alten Familien beinahe alle Anhänger der ältern Dynastie sind, so zählte jene Partei auf einen der Ihrigen; das übrige Publicum hätte eine solche Ernennung aus doppeltem Grunde ungern gesehen: einmal wegen den Streitigkeiten, die wahrscheinlich nach dem Beispiel des Hrn. v. Quelen zwischen dem Erzbischof und der Regierung entstanden wären; dann weil jene Herren es ihrem System gemäß finden, den Clerus in einem hohen Grad von Unwissenheit zu halten, aus dem sich nur hier und dort Einzelne durch Studien aus eigenem Antrieb befreien. Bekanntlich werden in ganz Frankreich die Vorlesungen der katholischen theologischen Facultäten nicht von den Candidaten des Clericats besucht, sondern diese erhalten bloß im Seminar einen mechanisch praktischen Unterricht in den Formen der kirchlichen Handlungen. Im Vorbeigehen gesagt, könnte Hr. Cousin als Minister des öffentlichen Unterrichts, wenn er streng auf den Besuch jener Vorlesungen durch die Zöglinge des Clerus hielte, sich wirkliche Verdienste erringen, während seine von manchen Personen hochgepriesenen Maaßregeln in Betreff der Rechtsschulen nichts weniger als Verbesserungen sind, vielmehr nur zur Wirkung haben, den verderblichen status quo zu verewigen. Doch ich kehre zum Hrn. Affre zurück. Derselbe stammt aus einer bürgerlichen Familie; er ist noch im besten Mannesalter, und ein aufgeklärter und unterrichteter Geistlicher, Verfasser mehrerer geachteten Schriften über die Natur und Verwaltung des Kirchenvermögens etc. Vor einiger Zeit war er zum Coadjutor des altersschwachen Bischofs von Straßburg, Hrn. Lepape de Trevern, auf dessen eigenes Verlangen, ernannt worden. Nunmehr ist die Rede davon, die erledigte Coadjutorstelle dem Hrn. Domcapitular Rees in Straßburg zu verleihen; Hr. Rees ist ebenfalls einer der würdigen, aufgeklärten und unterrichteten Männer, die man nur ziemlich sparsam unter dem jetzigen französischen Clerus findet: er hielt sich von den Zwistigkeiten entfernt, die zwischen dem Bischof und einigen Mitgliedern der Geistlichkeit entstanden waren. Früher Domcapitular in Mainz, war er dort unter den Candidaten zum bischöflichen Amte. In steter Verbindung mit den Bischöfen von Mainz und Speyer, dann mit dem Erzbischof von Freiburg, würde er eine Mittelsperson zwischen dem deutschen und französischen Clerus bilden, welches letzterm nur zum Vortheil gereichen könnte. – In der Sitzung von gestern beschäftigte sich die Deputirtenkammer mit Supplementar-Finanzbewilligungen; das Cabinet setzte mit Hülfe des Centrums und der ministeriellen Linken zwei Bewilligungen von Geldern zu Gehalten durch, die der Ueberrest der Linken anfocht: die erste betraf einen der Oberpostdirectoren, die andere die neulich schon zur Sprache gekommene Vermehrung der Mitglieder des Staatsraths; beide Ernennungen übersteigen die bisher gesetzlich festgestellte Zahl dieser Beamten. – Auf den Bericht des Marineministers ist eine Commission von 13 Mitgliedern niedergesetzt worden zur Prüfung aller Fragen, die sich auf die Abschaffung der Sklaverei und die politische Constitution der Colonien beziehen. Sachkenner erwarteten keinen guten Erfolg von dieser Commission, da sieben Mitglieder derselben Gegner der Emancipation sind. – Hr. Daunou lebt noch, obwohl ohne Hoffnung der Genesung, aber es ist jetzt nicht mehr die Rede davon, ihm den Hrn. Auguis zum Nachfolger zu geben, dem Vernehmen nach, weil dieses Mitglied der undisciplinirten Linken keine bedeutende Stellung in der Kammer einnimmt, und folglich es für das Cabinet die Mühe nicht verlohne, ihn an sich zu ziehen. Man spricht von den HH. Villemain oder Salvandy, die beide jetzt zur Opposition gehören.

Wir wissen wenig, was in Afrika geschieht. Die Berichte des Marschalls Valée sind so selten und so lakonisch, daß man mit Sehnsucht der Rückkehr der beiden Prinzen entgegensieht, um vielleicht aus ihrem Munde zu erfahren, was sie und die Armee in dem letzten Feldzuge gethan haben. Merkwürdig! Die Prinzen befinden sich wohl, sagt die letzte Meldung des Marschalls, sie werden nächstens von Algier nach Marseille abreisen. Also ist der Feldzug zu Ende? Und was ist denn Großes seit seiner Eröffnung geschehen? wo sind die Trophäen des Sieges? wo die Genugthuung für die im vorigen Jahre unter dem Yatagan der Araber gefallenen Opfer? wo die Garantie, daß solche Reaction nicht mehr geschehen und der Colonist in Zukunft sein Feld in Ruhe und Sicherheit bestellen wird? Von einem Hauptpunkte spricht der Bericht des Marschalls gar nicht: während er mit seinen Truppen auf Medeah losging, drangen feindliche Schwärme bis in die Gärten, bis unter die Mauern von Algier und versetzten die Einwohner der Hauptstadt in Unruhe und Schrecken. Wie weit ist dieser Zustand noch von der Ordnung und friedlichen Ruhe, die man der schönen Niederlassung und allen Ansiedlern schuldig ist! – Das Ministerium hat tiefen Kummer über die vorgestern in der Deputirtenkammer erlittene Niederlage; wir begreifen diesen Schmerz, besonders da es von dem Gesichtspunkte ausgeht, daß in die Motive der Abstimmung andere als die völlig lauteren der persönlichen Ueberzeugung untergelaufen seyen. Es ist möglich, daß dem so sey, es ist sogar wahrscheinlich, das aber kann den Charakter der Frage und der Entscheidung nicht ändern. Mag Hr. v. Lamartine von eifersüchtiger Mißgunst gegen das Ministerium, Hr. Delongrais von kleinlicher Sparsamkeit geleitet worden seyn, der Act, der Beschluß der Kammer waren durch die besondern Umstände des Streites und die ihn begleitenden äußerlichen Ungeschicktheiten gehörig gerechtfertigt, und darauf allein kommt es an. Eine empfindliche Feindseligkeit der Kammer gegen das Ministerium können wir darin nicht erblicken, sind es doch zum Theil seine aufrichtigsten und unbezweifelbarsten Freunde, die gegen den Commissionsbericht und die kindische Vergötterung des Helden gestimmt haben. Man wird Subscriptionen eröffnen, man wird durch freiwillige Beiträge das Fehlende der zwei Millionen zu decken suchen; bereits haben das Capitole und das Siècle solche Subscriptionen eröffnet, das Aufsehen und das Bonapartische Gerede wird noch größer und anhaltender werden, als wenn man geradezu dem Vorschlag der Commission beigetreten wäre. Es sey; an wem ist die Schuld? Zudem möge man den Unterschied nicht übersehen: die Privatmeinungen und die im Ganzen zur Gesammtbevölkerung sehr vereinzelten Stimmen mögen ihren Cultus feiern, wie es ihnen

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[1228/0004] Bignon (von Nantes), Deputirten; v. St. Hilaire, Staatsrath, Director der Colonien, Viceadmiral v. Mackau, Gegenadmiral v. Moges. Die Commission wird ihren Secretär selbst wählen. Wir bemerken, daß kein Mitglied aus dem Gerichtsstande in dieser Commission ist. Inzwischen wird die Umwandlung des Colonialregimé's erfordern, daß die Civil- und die peinliche Gesetzgebung in Bezug auf die Freigelassenen modificirt werde, und es wäre dann zu bedauern, wenn in Ermanglung hinreichender Sachkenntniß die Commission ihre Arbeit nicht vollständig zu Stande bringen könnte. _ Paris, 28 Mai. Die Ernennung des hiesigen Domcapitulars, Hrn. Affre, zum Erzbischof von Paris hat einen beinahe allgemeinen Beifall erregt; nur ein Theil des Clerus und die Legitimisten billigen sie nicht. Bisher unterstellte man der Regierung die Absicht, dieses hohe Amt einer Person von alter Familie zu verleihen, und der an den Cardinal-Bischof von Arras ergangene aber von ihm abgelehnte Ruf schien diese Ansicht zu bestätigen. Da die Geistlichen aus alten Familien beinahe alle Anhänger der ältern Dynastie sind, so zählte jene Partei auf einen der Ihrigen; das übrige Publicum hätte eine solche Ernennung aus doppeltem Grunde ungern gesehen: einmal wegen den Streitigkeiten, die wahrscheinlich nach dem Beispiel des Hrn. v. Quelen zwischen dem Erzbischof und der Regierung entstanden wären; dann weil jene Herren es ihrem System gemäß finden, den Clerus in einem hohen Grad von Unwissenheit zu halten, aus dem sich nur hier und dort Einzelne durch Studien aus eigenem Antrieb befreien. Bekanntlich werden in ganz Frankreich die Vorlesungen der katholischen theologischen Facultäten nicht von den Candidaten des Clericats besucht, sondern diese erhalten bloß im Seminar einen mechanisch praktischen Unterricht in den Formen der kirchlichen Handlungen. Im Vorbeigehen gesagt, könnte Hr. Cousin als Minister des öffentlichen Unterrichts, wenn er streng auf den Besuch jener Vorlesungen durch die Zöglinge des Clerus hielte, sich wirkliche Verdienste erringen, während seine von manchen Personen hochgepriesenen Maaßregeln in Betreff der Rechtsschulen nichts weniger als Verbesserungen sind, vielmehr nur zur Wirkung haben, den verderblichen status quo zu verewigen. Doch ich kehre zum Hrn. Affre zurück. Derselbe stammt aus einer bürgerlichen Familie; er ist noch im besten Mannesalter, und ein aufgeklärter und unterrichteter Geistlicher, Verfasser mehrerer geachteten Schriften über die Natur und Verwaltung des Kirchenvermögens etc. Vor einiger Zeit war er zum Coadjutor des altersschwachen Bischofs von Straßburg, Hrn. Lepape de Trevern, auf dessen eigenes Verlangen, ernannt worden. Nunmehr ist die Rede davon, die erledigte Coadjutorstelle dem Hrn. Domcapitular Rees in Straßburg zu verleihen; Hr. Rees ist ebenfalls einer der würdigen, aufgeklärten und unterrichteten Männer, die man nur ziemlich sparsam unter dem jetzigen französischen Clerus findet: er hielt sich von den Zwistigkeiten entfernt, die zwischen dem Bischof und einigen Mitgliedern der Geistlichkeit entstanden waren. Früher Domcapitular in Mainz, war er dort unter den Candidaten zum bischöflichen Amte. In steter Verbindung mit den Bischöfen von Mainz und Speyer, dann mit dem Erzbischof von Freiburg, würde er eine Mittelsperson zwischen dem deutschen und französischen Clerus bilden, welches letzterm nur zum Vortheil gereichen könnte. – In der Sitzung von gestern beschäftigte sich die Deputirtenkammer mit Supplementar-Finanzbewilligungen; das Cabinet setzte mit Hülfe des Centrums und der ministeriellen Linken zwei Bewilligungen von Geldern zu Gehalten durch, die der Ueberrest der Linken anfocht: die erste betraf einen der Oberpostdirectoren, die andere die neulich schon zur Sprache gekommene Vermehrung der Mitglieder des Staatsraths; beide Ernennungen übersteigen die bisher gesetzlich festgestellte Zahl dieser Beamten. – Auf den Bericht des Marineministers ist eine Commission von 13 Mitgliedern niedergesetzt worden zur Prüfung aller Fragen, die sich auf die Abschaffung der Sklaverei und die politische Constitution der Colonien beziehen. Sachkenner erwarteten keinen guten Erfolg von dieser Commission, da sieben Mitglieder derselben Gegner der Emancipation sind. – Hr. Daunou lebt noch, obwohl ohne Hoffnung der Genesung, aber es ist jetzt nicht mehr die Rede davon, ihm den Hrn. Auguis zum Nachfolger zu geben, dem Vernehmen nach, weil dieses Mitglied der undisciplinirten Linken keine bedeutende Stellung in der Kammer einnimmt, und folglich es für das Cabinet die Mühe nicht verlohne, ihn an sich zu ziehen. Man spricht von den HH. Villemain oder Salvandy, die beide jetzt zur Opposition gehören. _ Paris, 28 Mai. Wir wissen wenig, was in Afrika geschieht. Die Berichte des Marschalls Valée sind so selten und so lakonisch, daß man mit Sehnsucht der Rückkehr der beiden Prinzen entgegensieht, um vielleicht aus ihrem Munde zu erfahren, was sie und die Armee in dem letzten Feldzuge gethan haben. Merkwürdig! Die Prinzen befinden sich wohl, sagt die letzte Meldung des Marschalls, sie werden nächstens von Algier nach Marseille abreisen. Also ist der Feldzug zu Ende? Und was ist denn Großes seit seiner Eröffnung geschehen? wo sind die Trophäen des Sieges? wo die Genugthuung für die im vorigen Jahre unter dem Yatagan der Araber gefallenen Opfer? wo die Garantie, daß solche Reaction nicht mehr geschehen und der Colonist in Zukunft sein Feld in Ruhe und Sicherheit bestellen wird? Von einem Hauptpunkte spricht der Bericht des Marschalls gar nicht: während er mit seinen Truppen auf Medeah losging, drangen feindliche Schwärme bis in die Gärten, bis unter die Mauern von Algier und versetzten die Einwohner der Hauptstadt in Unruhe und Schrecken. Wie weit ist dieser Zustand noch von der Ordnung und friedlichen Ruhe, die man der schönen Niederlassung und allen Ansiedlern schuldig ist! – Das Ministerium hat tiefen Kummer über die vorgestern in der Deputirtenkammer erlittene Niederlage; wir begreifen diesen Schmerz, besonders da es von dem Gesichtspunkte ausgeht, daß in die Motive der Abstimmung andere als die völlig lauteren der persönlichen Ueberzeugung untergelaufen seyen. Es ist möglich, daß dem so sey, es ist sogar wahrscheinlich, das aber kann den Charakter der Frage und der Entscheidung nicht ändern. Mag Hr. v. Lamartine von eifersüchtiger Mißgunst gegen das Ministerium, Hr. Delongrais von kleinlicher Sparsamkeit geleitet worden seyn, der Act, der Beschluß der Kammer waren durch die besondern Umstände des Streites und die ihn begleitenden äußerlichen Ungeschicktheiten gehörig gerechtfertigt, und darauf allein kommt es an. Eine empfindliche Feindseligkeit der Kammer gegen das Ministerium können wir darin nicht erblicken, sind es doch zum Theil seine aufrichtigsten und unbezweifelbarsten Freunde, die gegen den Commissionsbericht und die kindische Vergötterung des Helden gestimmt haben. Man wird Subscriptionen eröffnen, man wird durch freiwillige Beiträge das Fehlende der zwei Millionen zu decken suchen; bereits haben das Capitole und das Siècle solche Subscriptionen eröffnet, das Aufsehen und das Bonapartische Gerede wird noch größer und anhaltender werden, als wenn man geradezu dem Vorschlag der Commission beigetreten wäre. Es sey; an wem ist die Schuld? Zudem möge man den Unterschied nicht übersehen: die Privatmeinungen und die im Ganzen zur Gesammtbevölkerung sehr vereinzelten Stimmen mögen ihren Cultus feiern, wie es ihnen

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 154. Augsburg, 2. Juni 1840, S. 1228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_154_18400602/4>, abgerufen am 21.11.2024.