Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 158. Augsburg, 6. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

schwedischen Adel enthalten soll, anbelangt, so kann zwar mein Gegner "nicht läugnen, daß der schwedische Adel Vieles von seinem Ansehen verloren hatte, weil er weniger als vormals um die Erwerbung gründlicher Kenntnisse bemüht war", allein dieses Verhältniß habe sich nunmehr wesentlich geändert, und die Söhne des alten Adels seyen jetzt gerade durch die Gründlichkeit ihrer Kenntnisse ausgezeichnet. Zum Beweis erzählt er, daß adelige Jünglinge von ihren Vätern die Vorschrift erhalten haben sollen, kein Examen zu machen, bevor sie gewiß seyen, das laudatur in ihrem Zeugniß zu erlangen; auf die Frage, warum denn dieß so nothwendig sey, sollen die gelehrten Jünglinge geantwortet haben: "Wir müssen wohl, wir haben die Geburt wider uns!" Ja, einer sey sogar neulich aus zu eifrigem Studiren gestorben! Sie haben die Geburt wider sich, sagen sie selbst. Wäre es denn so weit gekommen in Schweden, daß schon die adelige Geburt eine Präsumtion von Unwissenheit und Untauglichkeit gäbe? Ich habe so was nicht behaupten wollen, allein wenn man den Mittheilungen dieses Vertheidigers des Adels glauben soll, müßte es wohl so seyn, und zwar nach dem eigenen Geständniß der Adeligen. Denn in welchem andern Sinne könnten sie wohl die Geburt wider sich haben? In wie fern sie aber in der That über Zurücksetzung bei Beförderungen sich zu beklagen haben, dürften die statistischen Angaben, die ich in dem erwähnten Aufsatz schon mitgetheilt habe, hinlänglich zeigen. Meine Urtheile über den Standpunkt des schwedischen Adels in Bezug auf Studien und wissenschaftliche Bildung habe ich weder aus der Luft genommen, noch auf bloßes Hörensagen begründet. Ich habe selbst genug schwedische Adelige, alte und junge, gesehen und kennen gelernt, um in dieser Frage nach eigener Beobachtung urtheilen zu können. Will mein Gegner, daß ich eine Galerie davon ausstellen soll, so bin ich dazu bereit. Daß es Ausnahmen gibt, sagte ich übrigens in dem angeklagten Aufsatz ausdrücklich, und wäre es mir in einer allgemeinen Schilderung darum zu thun gewesen, Einzelne zu nennen, so würde ich gewiß in erster Linie den Namen des Frhrn. Wrede, Kammerherrn des Kronprinzen, angeführt haben, dessen Gelehrsamkeit mein Gegner rühmlichst erwähnt hat. Der genannte Freiherr ist Vorsteher der Artillerie-Lehranstalt zu Marieberg in der Nähe von Stockholm und einer der gelehrtesten Physiker Schwedens. Allein nicht nach den Ausnahmen bildet man die Regel, und die Schweden wissen nur zu gut, daß eine Schwalbe noch keinen Sommer macht. Was die Erhebung gewisser Personen in den Adelsstand betrifft, hat der Anmerker insofern Recht, daß ich in meiner Angabe von Berzelius einen Irrthum begangen habe, indem dieser wirklich die angebotene adelige Würde angenommen hatte, bevor er später in den Freiherrnstand erhoben wurde. Der Insinuation aber, daß der große Chemiker jene Erhebung "gewünscht hatte", wie der Anmerker "außer Zweifel" stellen will, muß ich widersprechen. Wie viel Berzelius auf seinen Adelsstand hält, kann ungefähr aus der ziemlich bekannten Anekdote hervorleuchten, welche erzählt, was er, bei Gelegenheit seiner Nobilitirung und als man sich um seinen Wunsch in Bezug auf das zu wählende Wappen erkundigte, geantwortet habe... (Der etwas grobkörnige Witz möchte wohl zugleich auf eine der chemischen Analysen hindeuten, wodurch Berzelius seinen ersten Ruf begründet hatte.) In Bezug auf Geijer muß ich bei meiner früheren Behauptung bleiben, daß er die angebotene adelige Würde abgelehnt hat. - Nur eines mag noch zur Beleuchtung der Adelsfrage gelegentlich hinzugefügt werden, da hiedurch, wenn nicht alle Zeichen trügen, meine früher ausgesprochene Ansicht eine höhere Bestätigung gewinnt. Während der letzten ministeriellen Krise sind, wie ich bestimmt weiß, wenigstens drei (Einige nennen sogar vier) verschiedene Universitätsprofessoren ernstlich in Frage gewesen, in den Staatsrath berufen zu werden. Dieß würde zwar anderswo, z. B. in Preußen oder Frankreich, nicht so sehr auffallen, aber in Schweden ist es etwas Unerhörtes. Woher kommt denn auf Einmal diese Erscheinung? Ich antworte, daher, daß man auch höheren Orts sich nicht mehr verhehlen kann, daß es jetzt unmöglich ist, innerhalb der Aristokratie die Intelligenz zu finden, welche den König in seiner Rathkammer umgeben muß und deren Beistand er vielleicht bisher sich nur zu oft entzogen sah.

Neuseeland.

Die Neuseeland-Compagnie hat Depeschen von Oberst Wakefield, ihrem Generalcommissär für die Colonisation der Inseln, erhalten, die bis zum 6 December gehen. Er hatte nach dem Ankauf von Port Nicholas, dem Platz, auf dem die künftige Hauptstadt der Inseln, Wellington, gebaut werden soll, die Meerenge, welche die beiden Inseln trennt (Cook's straits), befahren und mit den Stämmen an beiden Ufern hin um den Ankauf ihrer Ländereien unterhandelt. Er fand fast keine europäischen Etablissements in der Meerenge, da diese schwer zu befahren und für die schlechten Brigantinen von Sidney, welche die Inseln hauptsächlich besuchen, zu gefährlich ist. Die Compagnie konnte keinen bessern Agenten ausschicken. Die drei Berichte, welche bis jetzt von ihm eingelaufen sind, zeigen in jeder Linie den thätigen, unternehmenden und dabei klugen und humanen Mann, der zu einem solchen Unternehmen nothwendig ist. Die Unterhandlungen sind nicht sehr leicht, wenn man sie bona fide und so führen will, daß die Ankäufe von künftigen Ansprüchen der Eingebornen gesichert bleiben sollen. Denn die meisten Landstriche werden von mehreren Stämmen angesprochen, da die meisten während ihrer beständigen Kriege von ihren ursprünglichen Sitzen vertrieben worden sind, so daß man gewöhnlich nicht nur mit dem gegenwärtigen, sondern auch den ehemaligen Besitzern unterhandeln und sie entschädigen muß. Wakefield verfährt dabei auf die untadelhafteste Art. Er versammelt nicht nur die Häuptlinge, sondern so viel möglich die ganzen Stämme, und unterhandelt nur, wenn wenigstens alle hauptsächlichen Landeigenthümer beisammen sind; er erklärt ihnen die Absichten der Gesellschaft, das Land zu kaufen, den Stämmen ein Zehntheil ihres Landbesitzes vorzubehalten und die Folgen dieser Uebereinkunft. Ich kann die Procedur nicht besser charakterisiren, als durch einen Auszug aus seinem Tagebuch; z. B. er schreibt d. d. 27 Oct.: "Ich landete in Waikonai und nahm Ebattu, den Sohn von Toaroa, dem vornehmsten Häuptling dieses Districts und des Landes um Charlottensund, mit mir. Wir trafen am Landungsplatz eine große Menge, welche, in der Erwartung eines zweiten Angriffs von Seite des Stammes der Quatirowa, versammelt war, und uns mit lautem Geschrei bewillkommnete. Sobald bekannt geworden war, daß ich gekommen sey, um über Landankauf zu sprechen, liefen alle an den gewöhnlichen Versammlungsplatz für öffentliche Verhandlungen, und in wenigen Minuten war der weite Platz von einer Masse Menschen bedeckt, welche in ihrer besondern Art niederkauerten und in tiefem Stillschweigen die Reden der Chefs erwarteten. Man machte mir Raum neben einem Boot, und während der Debatte waren alle Augen auf mich gerichtet, um in meinen Zügen den Effect der Beredsamkeit der Sprechenden zu lesen. Ebattu stellte mich der Versammlung vor als einen guten Mann, der die Eingebornen liebe, und eine Menge Weißer mit einem weißen Missionär bringen wolle, um unter ihnen zu leben.

schwedischen Adel enthalten soll, anbelangt, so kann zwar mein Gegner „nicht läugnen, daß der schwedische Adel Vieles von seinem Ansehen verloren hatte, weil er weniger als vormals um die Erwerbung gründlicher Kenntnisse bemüht war“, allein dieses Verhältniß habe sich nunmehr wesentlich geändert, und die Söhne des alten Adels seyen jetzt gerade durch die Gründlichkeit ihrer Kenntnisse ausgezeichnet. Zum Beweis erzählt er, daß adelige Jünglinge von ihren Vätern die Vorschrift erhalten haben sollen, kein Examen zu machen, bevor sie gewiß seyen, das laudatur in ihrem Zeugniß zu erlangen; auf die Frage, warum denn dieß so nothwendig sey, sollen die gelehrten Jünglinge geantwortet haben: „Wir müssen wohl, wir haben die Geburt wider uns!“ Ja, einer sey sogar neulich aus zu eifrigem Studiren gestorben! Sie haben die Geburt wider sich, sagen sie selbst. Wäre es denn so weit gekommen in Schweden, daß schon die adelige Geburt eine Präsumtion von Unwissenheit und Untauglichkeit gäbe? Ich habe so was nicht behaupten wollen, allein wenn man den Mittheilungen dieses Vertheidigers des Adels glauben soll, müßte es wohl so seyn, und zwar nach dem eigenen Geständniß der Adeligen. Denn in welchem andern Sinne könnten sie wohl die Geburt wider sich haben? In wie fern sie aber in der That über Zurücksetzung bei Beförderungen sich zu beklagen haben, dürften die statistischen Angaben, die ich in dem erwähnten Aufsatz schon mitgetheilt habe, hinlänglich zeigen. Meine Urtheile über den Standpunkt des schwedischen Adels in Bezug auf Studien und wissenschaftliche Bildung habe ich weder aus der Luft genommen, noch auf bloßes Hörensagen begründet. Ich habe selbst genug schwedische Adelige, alte und junge, gesehen und kennen gelernt, um in dieser Frage nach eigener Beobachtung urtheilen zu können. Will mein Gegner, daß ich eine Galerie davon ausstellen soll, so bin ich dazu bereit. Daß es Ausnahmen gibt, sagte ich übrigens in dem angeklagten Aufsatz ausdrücklich, und wäre es mir in einer allgemeinen Schilderung darum zu thun gewesen, Einzelne zu nennen, so würde ich gewiß in erster Linie den Namen des Frhrn. Wrede, Kammerherrn des Kronprinzen, angeführt haben, dessen Gelehrsamkeit mein Gegner rühmlichst erwähnt hat. Der genannte Freiherr ist Vorsteher der Artillerie-Lehranstalt zu Marieberg in der Nähe von Stockholm und einer der gelehrtesten Physiker Schwedens. Allein nicht nach den Ausnahmen bildet man die Regel, und die Schweden wissen nur zu gut, daß eine Schwalbe noch keinen Sommer macht. Was die Erhebung gewisser Personen in den Adelsstand betrifft, hat der Anmerker insofern Recht, daß ich in meiner Angabe von Berzelius einen Irrthum begangen habe, indem dieser wirklich die angebotene adelige Würde angenommen hatte, bevor er später in den Freiherrnstand erhoben wurde. Der Insinuation aber, daß der große Chemiker jene Erhebung „gewünscht hatte“, wie der Anmerker „außer Zweifel“ stellen will, muß ich widersprechen. Wie viel Berzelius auf seinen Adelsstand hält, kann ungefähr aus der ziemlich bekannten Anekdote hervorleuchten, welche erzählt, was er, bei Gelegenheit seiner Nobilitirung und als man sich um seinen Wunsch in Bezug auf das zu wählende Wappen erkundigte, geantwortet habe... (Der etwas grobkörnige Witz möchte wohl zugleich auf eine der chemischen Analysen hindeuten, wodurch Berzelius seinen ersten Ruf begründet hatte.) In Bezug auf Geijer muß ich bei meiner früheren Behauptung bleiben, daß er die angebotene adelige Würde abgelehnt hat. – Nur eines mag noch zur Beleuchtung der Adelsfrage gelegentlich hinzugefügt werden, da hiedurch, wenn nicht alle Zeichen trügen, meine früher ausgesprochene Ansicht eine höhere Bestätigung gewinnt. Während der letzten ministeriellen Krise sind, wie ich bestimmt weiß, wenigstens drei (Einige nennen sogar vier) verschiedene Universitätsprofessoren ernstlich in Frage gewesen, in den Staatsrath berufen zu werden. Dieß würde zwar anderswo, z. B. in Preußen oder Frankreich, nicht so sehr auffallen, aber in Schweden ist es etwas Unerhörtes. Woher kommt denn auf Einmal diese Erscheinung? Ich antworte, daher, daß man auch höheren Orts sich nicht mehr verhehlen kann, daß es jetzt unmöglich ist, innerhalb der Aristokratie die Intelligenz zu finden, welche den König in seiner Rathkammer umgeben muß und deren Beistand er vielleicht bisher sich nur zu oft entzogen sah.

Neuseeland.

Die Neuseeland-Compagnie hat Depeschen von Oberst Wakefield, ihrem Generalcommissär für die Colonisation der Inseln, erhalten, die bis zum 6 December gehen. Er hatte nach dem Ankauf von Port Nicholas, dem Platz, auf dem die künftige Hauptstadt der Inseln, Wellington, gebaut werden soll, die Meerenge, welche die beiden Inseln trennt (Cook's straits), befahren und mit den Stämmen an beiden Ufern hin um den Ankauf ihrer Ländereien unterhandelt. Er fand fast keine europäischen Etablissements in der Meerenge, da diese schwer zu befahren und für die schlechten Brigantinen von Sidney, welche die Inseln hauptsächlich besuchen, zu gefährlich ist. Die Compagnie konnte keinen bessern Agenten ausschicken. Die drei Berichte, welche bis jetzt von ihm eingelaufen sind, zeigen in jeder Linie den thätigen, unternehmenden und dabei klugen und humanen Mann, der zu einem solchen Unternehmen nothwendig ist. Die Unterhandlungen sind nicht sehr leicht, wenn man sie bona fide und so führen will, daß die Ankäufe von künftigen Ansprüchen der Eingebornen gesichert bleiben sollen. Denn die meisten Landstriche werden von mehreren Stämmen angesprochen, da die meisten während ihrer beständigen Kriege von ihren ursprünglichen Sitzen vertrieben worden sind, so daß man gewöhnlich nicht nur mit dem gegenwärtigen, sondern auch den ehemaligen Besitzern unterhandeln und sie entschädigen muß. Wakefield verfährt dabei auf die untadelhafteste Art. Er versammelt nicht nur die Häuptlinge, sondern so viel möglich die ganzen Stämme, und unterhandelt nur, wenn wenigstens alle hauptsächlichen Landeigenthümer beisammen sind; er erklärt ihnen die Absichten der Gesellschaft, das Land zu kaufen, den Stämmen ein Zehntheil ihres Landbesitzes vorzubehalten und die Folgen dieser Uebereinkunft. Ich kann die Procedur nicht besser charakterisiren, als durch einen Auszug aus seinem Tagebuch; z. B. er schreibt d. d. 27 Oct.: „Ich landete in Waikonai und nahm Ebattu, den Sohn von Toaroa, dem vornehmsten Häuptling dieses Districts und des Landes um Charlottensund, mit mir. Wir trafen am Landungsplatz eine große Menge, welche, in der Erwartung eines zweiten Angriffs von Seite des Stammes der Quatirowa, versammelt war, und uns mit lautem Geschrei bewillkommnete. Sobald bekannt geworden war, daß ich gekommen sey, um über Landankauf zu sprechen, liefen alle an den gewöhnlichen Versammlungsplatz für öffentliche Verhandlungen, und in wenigen Minuten war der weite Platz von einer Masse Menschen bedeckt, welche in ihrer besondern Art niederkauerten und in tiefem Stillschweigen die Reden der Chefs erwarteten. Man machte mir Raum neben einem Boot, und während der Debatte waren alle Augen auf mich gerichtet, um in meinen Zügen den Effect der Beredsamkeit der Sprechenden zu lesen. Ebattu stellte mich der Versammlung vor als einen guten Mann, der die Eingebornen liebe, und eine Menge Weißer mit einem weißen Missionär bringen wolle, um unter ihnen zu leben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0012" n="1260"/>
schwedischen Adel enthalten soll, anbelangt, so kann zwar mein Gegner &#x201E;nicht läugnen, daß der schwedische Adel Vieles von seinem Ansehen verloren hatte, weil er weniger als vormals um die Erwerbung gründlicher Kenntnisse bemüht war&#x201C;, allein dieses Verhältniß habe sich nunmehr wesentlich geändert, und die Söhne des alten Adels seyen jetzt gerade durch die Gründlichkeit ihrer Kenntnisse ausgezeichnet. Zum Beweis erzählt er, daß adelige Jünglinge von ihren Vätern die Vorschrift erhalten haben sollen, kein Examen zu machen, bevor sie gewiß seyen, das laudatur in ihrem Zeugniß zu erlangen; auf die Frage, warum denn dieß so nothwendig sey, sollen die gelehrten Jünglinge geantwortet haben: &#x201E;Wir müssen wohl, wir haben die Geburt wider uns!&#x201C; Ja, einer sey sogar neulich aus zu eifrigem Studiren gestorben! Sie haben die Geburt wider sich, sagen sie selbst. Wäre es denn so weit gekommen in Schweden, daß schon die adelige Geburt eine Präsumtion von Unwissenheit und Untauglichkeit gäbe? Ich habe so was nicht behaupten wollen, allein wenn man den Mittheilungen dieses <hi rendition="#g">Vertheidigers</hi> des Adels glauben soll, müßte es wohl so seyn, und zwar nach dem eigenen Geständniß der Adeligen. Denn in welchem andern Sinne könnten sie wohl die Geburt wider sich haben? In wie fern sie aber in der That über Zurücksetzung bei Beförderungen sich zu beklagen haben, dürften die statistischen Angaben, die ich in dem erwähnten Aufsatz schon mitgetheilt habe, hinlänglich zeigen. Meine Urtheile über den Standpunkt des schwedischen Adels in Bezug auf Studien und wissenschaftliche Bildung habe ich weder aus der Luft genommen, noch auf bloßes Hörensagen begründet. Ich habe selbst genug schwedische Adelige, alte und junge, gesehen und kennen gelernt, um in dieser Frage nach eigener Beobachtung urtheilen zu können. Will mein Gegner, daß ich eine Galerie davon ausstellen soll, so bin ich dazu bereit. Daß es Ausnahmen gibt, sagte ich übrigens in dem angeklagten Aufsatz ausdrücklich, und wäre es mir in einer allgemeinen Schilderung darum zu thun gewesen, Einzelne zu nennen, so würde ich gewiß in erster Linie den Namen des Frhrn. Wrede, Kammerherrn des Kronprinzen, angeführt haben, dessen Gelehrsamkeit mein Gegner rühmlichst erwähnt hat. Der genannte Freiherr ist Vorsteher der Artillerie-Lehranstalt zu Marieberg in der Nähe von Stockholm und einer der gelehrtesten Physiker Schwedens. Allein nicht nach den Ausnahmen bildet man die Regel, und die Schweden wissen nur zu gut, daß <hi rendition="#g">eine</hi> Schwalbe noch keinen Sommer macht. Was die Erhebung gewisser Personen in den Adelsstand betrifft, hat der Anmerker insofern Recht, daß ich in meiner Angabe von Berzelius einen Irrthum begangen habe, indem dieser wirklich die angebotene adelige Würde angenommen hatte, bevor er später in den Freiherrnstand erhoben wurde. Der Insinuation aber, daß der große Chemiker jene Erhebung &#x201E;gewünscht hatte&#x201C;, wie der Anmerker &#x201E;außer Zweifel&#x201C; stellen will, muß ich widersprechen. Wie viel Berzelius auf seinen Adelsstand hält, kann ungefähr aus der ziemlich bekannten Anekdote hervorleuchten, welche erzählt, was er, bei Gelegenheit seiner Nobilitirung und als man sich um seinen Wunsch in Bezug auf das zu wählende Wappen erkundigte, geantwortet habe... (Der etwas grobkörnige Witz möchte wohl zugleich auf eine der chemischen Analysen hindeuten, wodurch Berzelius seinen ersten Ruf begründet hatte.) In Bezug auf Geijer muß ich bei meiner früheren Behauptung bleiben, daß er die angebotene adelige Würde abgelehnt hat. &#x2013; Nur eines mag noch zur Beleuchtung der Adelsfrage gelegentlich hinzugefügt werden, da hiedurch, wenn nicht alle Zeichen trügen, meine früher ausgesprochene Ansicht eine höhere Bestätigung gewinnt. Während der letzten ministeriellen Krise sind, wie ich bestimmt weiß, wenigstens <hi rendition="#g">drei</hi> (Einige nennen sogar vier) verschiedene Universitätsprofessoren ernstlich in Frage gewesen, in den Staatsrath berufen zu werden. Dieß würde zwar anderswo, z. B. in Preußen oder Frankreich, nicht so sehr auffallen, aber in Schweden ist es etwas Unerhörtes. Woher kommt denn auf Einmal diese Erscheinung? Ich antworte, daher, daß man auch höheren Orts sich nicht mehr verhehlen kann, daß es jetzt unmöglich ist, innerhalb der Aristokratie die Intelligenz zu finden, welche den König in seiner Rathkammer umgeben muß und deren Beistand er vielleicht bisher sich nur zu oft entzogen sah.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Neuseeland.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 21 Mai.</dateline>
          <p> Die Neuseeland-Compagnie hat Depeschen von Oberst Wakefield, ihrem Generalcommissär für die Colonisation der Inseln, erhalten, die bis zum 6 December gehen. Er hatte nach dem Ankauf von Port Nicholas, dem Platz, auf dem die künftige Hauptstadt der Inseln, Wellington, gebaut werden soll, die Meerenge, welche die beiden Inseln trennt (Cook's straits), befahren und mit den Stämmen an beiden Ufern hin um den Ankauf ihrer Ländereien unterhandelt. Er fand fast keine europäischen Etablissements in der Meerenge, da diese schwer zu befahren und für die schlechten Brigantinen von Sidney, welche die Inseln hauptsächlich besuchen, zu gefährlich ist. Die Compagnie konnte keinen bessern Agenten ausschicken. Die drei Berichte, welche bis jetzt von ihm eingelaufen sind, zeigen in jeder Linie den thätigen, unternehmenden und dabei klugen und humanen Mann, der zu einem solchen Unternehmen nothwendig ist. Die Unterhandlungen sind nicht sehr leicht, wenn man sie bona fide und so führen will, daß die Ankäufe von künftigen Ansprüchen der Eingebornen gesichert bleiben sollen. Denn die meisten Landstriche werden von mehreren Stämmen angesprochen, da die meisten während ihrer beständigen Kriege von ihren ursprünglichen Sitzen vertrieben worden sind, so daß man gewöhnlich nicht nur mit dem gegenwärtigen, sondern auch den ehemaligen Besitzern unterhandeln und sie entschädigen muß. Wakefield verfährt dabei auf die untadelhafteste Art. Er versammelt nicht nur die Häuptlinge, sondern so viel möglich die ganzen Stämme, und unterhandelt nur, wenn wenigstens alle hauptsächlichen Landeigenthümer beisammen sind; er erklärt ihnen die Absichten der Gesellschaft, das Land zu kaufen, den Stämmen ein Zehntheil ihres Landbesitzes vorzubehalten und die Folgen dieser Uebereinkunft. Ich kann die Procedur nicht besser charakterisiren, als durch einen Auszug aus seinem Tagebuch; z. B. er schreibt d. d. 27 Oct.: &#x201E;Ich landete in Waikonai und nahm Ebattu, den Sohn von Toaroa, dem vornehmsten Häuptling dieses Districts und des Landes um Charlottensund, mit mir. Wir trafen am Landungsplatz eine große Menge, welche, in der Erwartung eines zweiten Angriffs von Seite des Stammes der Quatirowa, versammelt war, und uns mit lautem Geschrei bewillkommnete. Sobald bekannt geworden war, daß ich gekommen sey, um über Landankauf zu sprechen, liefen alle an den gewöhnlichen Versammlungsplatz für öffentliche Verhandlungen, und in wenigen Minuten war der weite Platz von einer Masse Menschen bedeckt, welche in ihrer besondern Art niederkauerten und in tiefem Stillschweigen die Reden der Chefs erwarteten. Man machte mir Raum neben einem Boot, und während der Debatte waren alle Augen auf mich gerichtet, um in meinen Zügen den Effect der Beredsamkeit der Sprechenden zu lesen. Ebattu stellte mich der Versammlung vor als einen guten Mann, der die Eingebornen liebe, und eine Menge Weißer mit einem weißen Missionär bringen wolle, um unter ihnen zu leben.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1260/0012] schwedischen Adel enthalten soll, anbelangt, so kann zwar mein Gegner „nicht läugnen, daß der schwedische Adel Vieles von seinem Ansehen verloren hatte, weil er weniger als vormals um die Erwerbung gründlicher Kenntnisse bemüht war“, allein dieses Verhältniß habe sich nunmehr wesentlich geändert, und die Söhne des alten Adels seyen jetzt gerade durch die Gründlichkeit ihrer Kenntnisse ausgezeichnet. Zum Beweis erzählt er, daß adelige Jünglinge von ihren Vätern die Vorschrift erhalten haben sollen, kein Examen zu machen, bevor sie gewiß seyen, das laudatur in ihrem Zeugniß zu erlangen; auf die Frage, warum denn dieß so nothwendig sey, sollen die gelehrten Jünglinge geantwortet haben: „Wir müssen wohl, wir haben die Geburt wider uns!“ Ja, einer sey sogar neulich aus zu eifrigem Studiren gestorben! Sie haben die Geburt wider sich, sagen sie selbst. Wäre es denn so weit gekommen in Schweden, daß schon die adelige Geburt eine Präsumtion von Unwissenheit und Untauglichkeit gäbe? Ich habe so was nicht behaupten wollen, allein wenn man den Mittheilungen dieses Vertheidigers des Adels glauben soll, müßte es wohl so seyn, und zwar nach dem eigenen Geständniß der Adeligen. Denn in welchem andern Sinne könnten sie wohl die Geburt wider sich haben? In wie fern sie aber in der That über Zurücksetzung bei Beförderungen sich zu beklagen haben, dürften die statistischen Angaben, die ich in dem erwähnten Aufsatz schon mitgetheilt habe, hinlänglich zeigen. Meine Urtheile über den Standpunkt des schwedischen Adels in Bezug auf Studien und wissenschaftliche Bildung habe ich weder aus der Luft genommen, noch auf bloßes Hörensagen begründet. Ich habe selbst genug schwedische Adelige, alte und junge, gesehen und kennen gelernt, um in dieser Frage nach eigener Beobachtung urtheilen zu können. Will mein Gegner, daß ich eine Galerie davon ausstellen soll, so bin ich dazu bereit. Daß es Ausnahmen gibt, sagte ich übrigens in dem angeklagten Aufsatz ausdrücklich, und wäre es mir in einer allgemeinen Schilderung darum zu thun gewesen, Einzelne zu nennen, so würde ich gewiß in erster Linie den Namen des Frhrn. Wrede, Kammerherrn des Kronprinzen, angeführt haben, dessen Gelehrsamkeit mein Gegner rühmlichst erwähnt hat. Der genannte Freiherr ist Vorsteher der Artillerie-Lehranstalt zu Marieberg in der Nähe von Stockholm und einer der gelehrtesten Physiker Schwedens. Allein nicht nach den Ausnahmen bildet man die Regel, und die Schweden wissen nur zu gut, daß eine Schwalbe noch keinen Sommer macht. Was die Erhebung gewisser Personen in den Adelsstand betrifft, hat der Anmerker insofern Recht, daß ich in meiner Angabe von Berzelius einen Irrthum begangen habe, indem dieser wirklich die angebotene adelige Würde angenommen hatte, bevor er später in den Freiherrnstand erhoben wurde. Der Insinuation aber, daß der große Chemiker jene Erhebung „gewünscht hatte“, wie der Anmerker „außer Zweifel“ stellen will, muß ich widersprechen. Wie viel Berzelius auf seinen Adelsstand hält, kann ungefähr aus der ziemlich bekannten Anekdote hervorleuchten, welche erzählt, was er, bei Gelegenheit seiner Nobilitirung und als man sich um seinen Wunsch in Bezug auf das zu wählende Wappen erkundigte, geantwortet habe... (Der etwas grobkörnige Witz möchte wohl zugleich auf eine der chemischen Analysen hindeuten, wodurch Berzelius seinen ersten Ruf begründet hatte.) In Bezug auf Geijer muß ich bei meiner früheren Behauptung bleiben, daß er die angebotene adelige Würde abgelehnt hat. – Nur eines mag noch zur Beleuchtung der Adelsfrage gelegentlich hinzugefügt werden, da hiedurch, wenn nicht alle Zeichen trügen, meine früher ausgesprochene Ansicht eine höhere Bestätigung gewinnt. Während der letzten ministeriellen Krise sind, wie ich bestimmt weiß, wenigstens drei (Einige nennen sogar vier) verschiedene Universitätsprofessoren ernstlich in Frage gewesen, in den Staatsrath berufen zu werden. Dieß würde zwar anderswo, z. B. in Preußen oder Frankreich, nicht so sehr auffallen, aber in Schweden ist es etwas Unerhörtes. Woher kommt denn auf Einmal diese Erscheinung? Ich antworte, daher, daß man auch höheren Orts sich nicht mehr verhehlen kann, daß es jetzt unmöglich ist, innerhalb der Aristokratie die Intelligenz zu finden, welche den König in seiner Rathkammer umgeben muß und deren Beistand er vielleicht bisher sich nur zu oft entzogen sah. Neuseeland. _ London, 21 Mai. Die Neuseeland-Compagnie hat Depeschen von Oberst Wakefield, ihrem Generalcommissär für die Colonisation der Inseln, erhalten, die bis zum 6 December gehen. Er hatte nach dem Ankauf von Port Nicholas, dem Platz, auf dem die künftige Hauptstadt der Inseln, Wellington, gebaut werden soll, die Meerenge, welche die beiden Inseln trennt (Cook's straits), befahren und mit den Stämmen an beiden Ufern hin um den Ankauf ihrer Ländereien unterhandelt. Er fand fast keine europäischen Etablissements in der Meerenge, da diese schwer zu befahren und für die schlechten Brigantinen von Sidney, welche die Inseln hauptsächlich besuchen, zu gefährlich ist. Die Compagnie konnte keinen bessern Agenten ausschicken. Die drei Berichte, welche bis jetzt von ihm eingelaufen sind, zeigen in jeder Linie den thätigen, unternehmenden und dabei klugen und humanen Mann, der zu einem solchen Unternehmen nothwendig ist. Die Unterhandlungen sind nicht sehr leicht, wenn man sie bona fide und so führen will, daß die Ankäufe von künftigen Ansprüchen der Eingebornen gesichert bleiben sollen. Denn die meisten Landstriche werden von mehreren Stämmen angesprochen, da die meisten während ihrer beständigen Kriege von ihren ursprünglichen Sitzen vertrieben worden sind, so daß man gewöhnlich nicht nur mit dem gegenwärtigen, sondern auch den ehemaligen Besitzern unterhandeln und sie entschädigen muß. Wakefield verfährt dabei auf die untadelhafteste Art. Er versammelt nicht nur die Häuptlinge, sondern so viel möglich die ganzen Stämme, und unterhandelt nur, wenn wenigstens alle hauptsächlichen Landeigenthümer beisammen sind; er erklärt ihnen die Absichten der Gesellschaft, das Land zu kaufen, den Stämmen ein Zehntheil ihres Landbesitzes vorzubehalten und die Folgen dieser Uebereinkunft. Ich kann die Procedur nicht besser charakterisiren, als durch einen Auszug aus seinem Tagebuch; z. B. er schreibt d. d. 27 Oct.: „Ich landete in Waikonai und nahm Ebattu, den Sohn von Toaroa, dem vornehmsten Häuptling dieses Districts und des Landes um Charlottensund, mit mir. Wir trafen am Landungsplatz eine große Menge, welche, in der Erwartung eines zweiten Angriffs von Seite des Stammes der Quatirowa, versammelt war, und uns mit lautem Geschrei bewillkommnete. Sobald bekannt geworden war, daß ich gekommen sey, um über Landankauf zu sprechen, liefen alle an den gewöhnlichen Versammlungsplatz für öffentliche Verhandlungen, und in wenigen Minuten war der weite Platz von einer Masse Menschen bedeckt, welche in ihrer besondern Art niederkauerten und in tiefem Stillschweigen die Reden der Chefs erwarteten. Man machte mir Raum neben einem Boot, und während der Debatte waren alle Augen auf mich gerichtet, um in meinen Zügen den Effect der Beredsamkeit der Sprechenden zu lesen. Ebattu stellte mich der Versammlung vor als einen guten Mann, der die Eingebornen liebe, und eine Menge Weißer mit einem weißen Missionär bringen wolle, um unter ihnen zu leben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_158_18400606
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_158_18400606/12
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 158. Augsburg, 6. Juni 1840, S. 1260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_158_18400606/12>, abgerufen am 03.12.2024.