Allgemeine Zeitung. Nr. 165. Augsburg, 13. Juni 1840.hier wiederum zumeist auf Unkosten der kleinsten und kleinern derselben. Folglich - doch weßhalb die Consequenzen auf die höchste Spitze treiben, und im voraus ein trübes, unerfreuliches Prognostikon stellen, dort, wo vorzüglich in den Mittelstaaten ein reiches Maaß politischen Verstandes alle Chancen für sich hat, und als das Unwahrscheinlichste, als etwas fast Undenkbares eben dieses Aeußerste erscheint."" (Beschluß folgt.) Frankreich. Paris, 6 Jun. Die Asche Napoleons hat viel böses Blut gemacht, viel albernes Gerede veranlaßt, und die Absichten des Parteigeistes selbst dem Blindesten geoffenbart. Kaum ist die unglückliche Subscription, gleich dem Vorschlage des Hrn. Remilly, in stillem Grabe untergebracht, so kömmt des Kaisers Schwert und theilt die Gemüther. Soll Napoleon, der hintereinander ein Cäsar, Hannibal, Alexander, Attila, Karl der Große, Themistokles seyn mußte, jetzt noch zum Achilles gestempelt werden, weil man sich um seinen Säbel oder Degen, wie die edelsten Hellenen einst um die Waffen ihres unsterblichen Kampfgenossen, nur weniger ernst und männlich streitet? Liebhabern schlechter Spässe kann dieses Wortgefecht um des Kaisers Schwert wie ein Streit um des Kaisers Bart vorkommen; dennoch wäre es möglich, daß die Häuptlinge der Bonapartisten mit diesem Schwerte etwas Absonderliches vorhätten, weil sie so sehr darüber in Zorn gerathen, daß Frankreich und seine Regierung anderweitig darüber verfügten. Sollte vielleicht Prinz Louis, mit diesem Kleinod ausgerüstet, auf die Vendomesäule steigen, und droben in der Luft damit fuchteln, wie der Doctor Wirth in Hambach, damit das Volk sich an dessen Glanze, wie bei Austerlitz das Heer begeistere, und "es lebe Napoleon II" rufe, wie es einst "es lebe Napoleon I" gerufen? Aber man sollte überlegen, daß es nicht das Schwert war, welches die Soldaten von Austerlitz zum Kampfe führte, sondern der Arm, der es schwang oder vielmehr die Seele, die dem Arm gebot. Uns will es bedünken, Prinz Louis hätte etwas von einem umgekehrten Prinz Heinz. Ehe er König war, that der lustige Prinz Heinz mehr wie ein Lump denn ein König; kaum war aber das Diadem um seine Schläfe gegürtet, erwies er sich als wirklicher Beherrscher Englands. Prinz Louis, noch ohne Thron, gebärdet sich als Kaiser, aber wir fürchten sehr, er würde sich, wenn es zum Thronbesteigen käme, für nicht viel mehr als das bewähren, was Prinz Heinz als Kronprinz nur gespielt. Doch, wer weiß? die Prophezeiungen sind deutlich, und ihre Erfüllung könnte voreiligen Hohn beschämen. So viel wenigstens ist gewiß, daß man in den Spalten des Capitole, wo täglich das Evangelium des Bonapartismus gepredigt wird, stark an d'Orval und Nostradamus glaubt. Für die junge Zwiebel nämlich, die, nach des letztern Aussage, die Veste Philipps vernichten soll, wird aller Wahrscheinlichkeit nach in dem Schooße einer berühmten Familie Prinz Louis gehalten, und wenn man bedenkt, mit wie zuversichtlicher Hoffnung das Capitole wiederholt von dem Jahr 1840 sprach, so läßt sich schwer an dem Vertrauen gewisser Leute zu den dunklen Versprechungen der Magie zweifeln. Nun aber haben auch die Legitimisten eine "junge Zwiebel" in ihrem Lager, und auch dort scheinen Glaube und Hoffnung eine bedeutende Rolle zu spielen. Sicher kann man seyn, daß diese zwei Feinde des Bestehenden zu keinem widernatürlichen Bunde sich vereinigen werden. Dem Republicaner konnte der Ritter einer gefallenen tausendjährigen Dynastie, wenn auch mit Widerstreben, seine Hand reichen, nie reicht er sie dem Verschwörer zu Gunsten eines Bonaparte, so sehr dieser auch von Bayard, Heinrich IV und dem heiligen Ludwig gaskoniren mag. Neben den erwähnten Prätendenten taucht in wundersamem, neblichtem Hintergrunde noch ein dritter auf, ein angeblicher Herzog von der Normandie, den seine Anhänger in England umherirren lassen, wo ihn, zur Sicherstellung vor jedem Anschlag, eine höhere Macht auf geheimnißvolle Weise von einem Orte zum andern entführe. Ist nun besagtes Individuum wirklich die Waise des Tempels, wie er sich nennt, und hat ihn das Schicksal wirklich zum königlichen Nachfolger seiner Väter bestimmt, so wurde Nostradamus von seinen Geistern hinters Licht geführt, denn der ächte Sohn Ludwigs XVI könnte keine junge Zwiebel mehr, müßte im Gegentheil eine sehr alte Zwiebel seyn. Auch soll dieser Prätendent durch seinen Verkehr mit einem speciellen Engel in Erfahrung gebracht haben, das alte wie das neue Testament seyen von Grund aus verfälscht, er will daher über dieses Thema ein weitläufiges Werk vorbereiten. Die letztere Angabe könnte fast auf den Gedanken bringen, der edle Herzog sey ein Student der Theologie, den das Leben Jesu von Strauß um die Helle seines Geistes gebracht. Persien. Das M. Chronicle sagt in einer Correspondenz aus Konstantinopel vom 16 Mai: "Nach den letzten Nachrichten aus Persien stand der Schah immer noch im Lager in der Nähe von Ispahan, doch hatte er Befehl geschickt, daß bedeutende Verstärkungen sogleich ihm zuziehen sollten. Das Ziel der Expedition blieb noch unbekannt, doch vermuthete man fortdauernd, es sey Bagdad oder Bassorah. Die Gefahr, welche dieser wichtigen Provinz droht, wird jetzt hoffentlich unserer Regierung die Augen öffnen über die Nothwendigkeit, etwas zur Hülfe des Pascha zu thun. Die Dringlichkeit einer solchen Maaßregel ist so lange schon einleuchtend gewesen, und so oft von unserm dortigen Residenten vorgestellt worden, daß man sich wundern muß, wie sie so lange hat vernachlässigt werden können, besonders da man sagt, daß unser Handel viel gelitten hat durch die Eingriffe der Araber, die jetzt mit Gewalt von den blühenden Landstrichen auf beiden Seiten des Flusses Besitz genommen, und denen der Pascha bei seinen durch diesen Verlust an Land geschmälerten Einkünften nicht mehr die Spitze bieten kann. Wie ich glaube, wird jetzt ein neuer Versuch gemacht, die Aufmerksamkeit der Regierung auf diesen Punkt zu leiten; und es ist sehr zu wünschen, daß es von Wirksamkeit sey. Wenige Tausende, jährlich zur Disposition des Consuls von Bagdad gestellt, würden den Pascha befähigen eine hinlänglich achtungswerthe Macht aufzustellen, um den Einfällen der Beduinen zu widerstehen, und die bedeutenden Vortheile, die dadurch erlangt würden, kämen nur unserm Handel zu Gute. Es ist kein Zweifel, nur der jetzt vertheidigungslose Zustand des Paschaliks und die Hoffnung, daß diese Stämme, die bereits in einer Art von Abhängigkeit zu ihm stehen, sich mit ihm vereinigen werden, haben den Schah dazu gebracht, diesen Augenblick zu benutzen, um die Beleidigung zu rächen, die er von dem Pascha erhalten zu haben vorgibt." Wien, Februar *). Sie hatten in Nro. 257 der Allg. Zeit. vom vorigen Jahre einen anonymen Artikel mit sehr anzüglichen Einflüsterungen gegen den serbischen Schriftsteller Wuk aus Serbien, der uns hier um so mehr befremdete als Hr. Wuk nicht nur bei uns sehr viel gilt, sondern auch in Deutschland überhaupt viel zu gelten schien, da seine Schrift: Montenegro und die Montenegriner (in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung verlegt) vielfach gerühmt wurde. Wir verschoben indessen unsere Einrede bis der Beschuldigte *) Durch Zufall verspätet.
hier wiederum zumeist auf Unkosten der kleinsten und kleinern derselben. Folglich – doch weßhalb die Consequenzen auf die höchste Spitze treiben, und im voraus ein trübes, unerfreuliches Prognostikon stellen, dort, wo vorzüglich in den Mittelstaaten ein reiches Maaß politischen Verstandes alle Chancen für sich hat, und als das Unwahrscheinlichste, als etwas fast Undenkbares eben dieses Aeußerste erscheint.““ (Beschluß folgt.) Frankreich. Paris, 6 Jun. Die Asche Napoleons hat viel böses Blut gemacht, viel albernes Gerede veranlaßt, und die Absichten des Parteigeistes selbst dem Blindesten geoffenbart. Kaum ist die unglückliche Subscription, gleich dem Vorschlage des Hrn. Rémilly, in stillem Grabe untergebracht, so kömmt des Kaisers Schwert und theilt die Gemüther. Soll Napoleon, der hintereinander ein Cäsar, Hannibal, Alexander, Attila, Karl der Große, Themistokles seyn mußte, jetzt noch zum Achilles gestempelt werden, weil man sich um seinen Säbel oder Degen, wie die edelsten Hellenen einst um die Waffen ihres unsterblichen Kampfgenossen, nur weniger ernst und männlich streitet? Liebhabern schlechter Spässe kann dieses Wortgefecht um des Kaisers Schwert wie ein Streit um des Kaisers Bart vorkommen; dennoch wäre es möglich, daß die Häuptlinge der Bonapartisten mit diesem Schwerte etwas Absonderliches vorhätten, weil sie so sehr darüber in Zorn gerathen, daß Frankreich und seine Regierung anderweitig darüber verfügten. Sollte vielleicht Prinz Louis, mit diesem Kleinod ausgerüstet, auf die Vendomesäule steigen, und droben in der Luft damit fuchteln, wie der Doctor Wirth in Hambach, damit das Volk sich an dessen Glanze, wie bei Austerlitz das Heer begeistere, und „es lebe Napoleon II“ rufe, wie es einst „es lebe Napoleon I“ gerufen? Aber man sollte überlegen, daß es nicht das Schwert war, welches die Soldaten von Austerlitz zum Kampfe führte, sondern der Arm, der es schwang oder vielmehr die Seele, die dem Arm gebot. Uns will es bedünken, Prinz Louis hätte etwas von einem umgekehrten Prinz Heinz. Ehe er König war, that der lustige Prinz Heinz mehr wie ein Lump denn ein König; kaum war aber das Diadem um seine Schläfe gegürtet, erwies er sich als wirklicher Beherrscher Englands. Prinz Louis, noch ohne Thron, gebärdet sich als Kaiser, aber wir fürchten sehr, er würde sich, wenn es zum Thronbesteigen käme, für nicht viel mehr als das bewähren, was Prinz Heinz als Kronprinz nur gespielt. Doch, wer weiß? die Prophezeiungen sind deutlich, und ihre Erfüllung könnte voreiligen Hohn beschämen. So viel wenigstens ist gewiß, daß man in den Spalten des Capitole, wo täglich das Evangelium des Bonapartismus gepredigt wird, stark an d'Orval und Nostradamus glaubt. Für die junge Zwiebel nämlich, die, nach des letztern Aussage, die Veste Philipps vernichten soll, wird aller Wahrscheinlichkeit nach in dem Schooße einer berühmten Familie Prinz Louis gehalten, und wenn man bedenkt, mit wie zuversichtlicher Hoffnung das Capitole wiederholt von dem Jahr 1840 sprach, so läßt sich schwer an dem Vertrauen gewisser Leute zu den dunklen Versprechungen der Magie zweifeln. Nun aber haben auch die Legitimisten eine „junge Zwiebel“ in ihrem Lager, und auch dort scheinen Glaube und Hoffnung eine bedeutende Rolle zu spielen. Sicher kann man seyn, daß diese zwei Feinde des Bestehenden zu keinem widernatürlichen Bunde sich vereinigen werden. Dem Republicaner konnte der Ritter einer gefallenen tausendjährigen Dynastie, wenn auch mit Widerstreben, seine Hand reichen, nie reicht er sie dem Verschwörer zu Gunsten eines Bonaparte, so sehr dieser auch von Bayard, Heinrich IV und dem heiligen Ludwig gaskoniren mag. Neben den erwähnten Prätendenten taucht in wundersamem, neblichtem Hintergrunde noch ein dritter auf, ein angeblicher Herzog von der Normandie, den seine Anhänger in England umherirren lassen, wo ihn, zur Sicherstellung vor jedem Anschlag, eine höhere Macht auf geheimnißvolle Weise von einem Orte zum andern entführe. Ist nun besagtes Individuum wirklich die Waise des Tempels, wie er sich nennt, und hat ihn das Schicksal wirklich zum königlichen Nachfolger seiner Väter bestimmt, so wurde Nostradamus von seinen Geistern hinters Licht geführt, denn der ächte Sohn Ludwigs XVI könnte keine junge Zwiebel mehr, müßte im Gegentheil eine sehr alte Zwiebel seyn. Auch soll dieser Prätendent durch seinen Verkehr mit einem speciellen Engel in Erfahrung gebracht haben, das alte wie das neue Testament seyen von Grund aus verfälscht, er will daher über dieses Thema ein weitläufiges Werk vorbereiten. Die letztere Angabe könnte fast auf den Gedanken bringen, der edle Herzog sey ein Student der Theologie, den das Leben Jesu von Strauß um die Helle seines Geistes gebracht. Persien. Das M. Chronicle sagt in einer Correspondenz aus Konstantinopel vom 16 Mai: „Nach den letzten Nachrichten aus Persien stand der Schah immer noch im Lager in der Nähe von Ispahan, doch hatte er Befehl geschickt, daß bedeutende Verstärkungen sogleich ihm zuziehen sollten. Das Ziel der Expedition blieb noch unbekannt, doch vermuthete man fortdauernd, es sey Bagdad oder Bassorah. Die Gefahr, welche dieser wichtigen Provinz droht, wird jetzt hoffentlich unserer Regierung die Augen öffnen über die Nothwendigkeit, etwas zur Hülfe des Pascha zu thun. Die Dringlichkeit einer solchen Maaßregel ist so lange schon einleuchtend gewesen, und so oft von unserm dortigen Residenten vorgestellt worden, daß man sich wundern muß, wie sie so lange hat vernachlässigt werden können, besonders da man sagt, daß unser Handel viel gelitten hat durch die Eingriffe der Araber, die jetzt mit Gewalt von den blühenden Landstrichen auf beiden Seiten des Flusses Besitz genommen, und denen der Pascha bei seinen durch diesen Verlust an Land geschmälerten Einkünften nicht mehr die Spitze bieten kann. Wie ich glaube, wird jetzt ein neuer Versuch gemacht, die Aufmerksamkeit der Regierung auf diesen Punkt zu leiten; und es ist sehr zu wünschen, daß es von Wirksamkeit sey. Wenige Tausende, jährlich zur Disposition des Consuls von Bagdad gestellt, würden den Pascha befähigen eine hinlänglich achtungswerthe Macht aufzustellen, um den Einfällen der Beduinen zu widerstehen, und die bedeutenden Vortheile, die dadurch erlangt würden, kämen nur unserm Handel zu Gute. Es ist kein Zweifel, nur der jetzt vertheidigungslose Zustand des Paschaliks und die Hoffnung, daß diese Stämme, die bereits in einer Art von Abhängigkeit zu ihm stehen, sich mit ihm vereinigen werden, haben den Schah dazu gebracht, diesen Augenblick zu benutzen, um die Beleidigung zu rächen, die er von dem Pascha erhalten zu haben vorgibt.“ Wien, Februar *). Sie hatten in Nro. 257 der Allg. Zeit. vom vorigen Jahre einen anonymen Artikel mit sehr anzüglichen Einflüsterungen gegen den serbischen Schriftsteller Wuk aus Serbien, der uns hier um so mehr befremdete als Hr. Wuk nicht nur bei uns sehr viel gilt, sondern auch in Deutschland überhaupt viel zu gelten schien, da seine Schrift: Montenegro und die Montenegriner (in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung verlegt) vielfach gerühmt wurde. Wir verschoben indessen unsere Einrede bis der Beschuldigte *) Durch Zufall verspätet.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0013" n="1317"/> hier wiederum zumeist auf Unkosten der kleinsten und kleinern derselben. Folglich – doch weßhalb die Consequenzen auf die höchste Spitze treiben, und im voraus ein trübes, unerfreuliches Prognostikon stellen, dort, wo vorzüglich in den Mittelstaaten ein reiches Maaß politischen Verstandes alle Chancen für sich hat, und als das Unwahrscheinlichste, als etwas fast Undenkbares eben dieses Aeußerste erscheint.““</p><lb/> <p>(Beschluß folgt.)</p><lb/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 6 Jun.</dateline> <p> Die Asche Napoleons hat viel böses Blut gemacht, viel albernes Gerede veranlaßt, und die Absichten des Parteigeistes selbst dem Blindesten geoffenbart. Kaum ist die unglückliche Subscription, gleich dem Vorschlage des Hrn. Rémilly, in stillem Grabe untergebracht, so kömmt des Kaisers Schwert und theilt die Gemüther. Soll Napoleon, der hintereinander ein Cäsar, Hannibal, Alexander, Attila, Karl der Große, Themistokles seyn mußte, jetzt noch zum Achilles gestempelt werden, weil man sich um seinen Säbel oder Degen, wie die edelsten Hellenen einst um die Waffen ihres unsterblichen Kampfgenossen, nur weniger ernst und männlich streitet? Liebhabern schlechter Spässe kann dieses Wortgefecht um des Kaisers Schwert wie ein Streit um des Kaisers Bart vorkommen; dennoch wäre es möglich, daß die Häuptlinge der Bonapartisten mit diesem Schwerte etwas Absonderliches vorhätten, weil sie so sehr darüber in Zorn gerathen, daß Frankreich und seine Regierung anderweitig darüber verfügten. Sollte vielleicht Prinz Louis, mit diesem Kleinod ausgerüstet, auf die Vendomesäule steigen, und droben in der Luft damit fuchteln, wie der Doctor Wirth in Hambach, damit das Volk sich an dessen Glanze, wie bei Austerlitz das Heer begeistere, und „es lebe Napoleon II“ rufe, wie es einst „es lebe Napoleon I“ gerufen? Aber man sollte überlegen, daß es nicht das Schwert war, welches die Soldaten von Austerlitz zum Kampfe führte, sondern der Arm, der es schwang oder vielmehr die Seele, die dem Arm gebot. Uns will es bedünken, Prinz Louis hätte etwas von einem umgekehrten Prinz Heinz. Ehe er König war, that der lustige Prinz Heinz mehr wie ein Lump denn ein König; kaum war aber das Diadem um seine Schläfe gegürtet, erwies er sich als wirklicher Beherrscher Englands. Prinz Louis, noch ohne Thron, gebärdet sich als Kaiser, aber wir fürchten sehr, er würde sich, wenn es zum Thronbesteigen käme, für nicht viel mehr als das bewähren, was Prinz Heinz als Kronprinz nur gespielt. Doch, wer weiß? die Prophezeiungen sind deutlich, und ihre Erfüllung könnte voreiligen Hohn beschämen. So viel wenigstens ist gewiß, daß man in den Spalten des Capitole, wo täglich das Evangelium des Bonapartismus gepredigt wird, stark an d'Orval und Nostradamus glaubt. Für die junge Zwiebel nämlich, die, nach des letztern Aussage, die Veste Philipps vernichten soll, wird aller Wahrscheinlichkeit nach in dem Schooße einer berühmten Familie Prinz Louis gehalten, und wenn man bedenkt, mit wie zuversichtlicher Hoffnung das Capitole wiederholt von dem Jahr 1840 sprach, so läßt sich schwer an dem Vertrauen gewisser Leute zu den dunklen Versprechungen der Magie zweifeln. Nun aber haben auch die Legitimisten eine „junge Zwiebel“ in ihrem Lager, und auch dort scheinen Glaube und Hoffnung eine bedeutende Rolle zu spielen. Sicher kann man seyn, daß diese zwei Feinde des Bestehenden zu keinem widernatürlichen Bunde sich vereinigen werden. Dem Republicaner konnte der Ritter einer gefallenen tausendjährigen Dynastie, wenn auch mit Widerstreben, seine Hand reichen, nie reicht er sie dem Verschwörer zu Gunsten eines Bonaparte, so sehr dieser auch von Bayard, Heinrich IV und dem heiligen Ludwig gaskoniren mag. Neben den erwähnten Prätendenten taucht in wundersamem, neblichtem Hintergrunde noch ein dritter auf, ein angeblicher Herzog von der Normandie, den seine Anhänger in England umherirren lassen, wo ihn, zur Sicherstellung vor jedem Anschlag, eine höhere Macht auf geheimnißvolle Weise von einem Orte zum andern entführe. Ist nun besagtes Individuum wirklich die Waise des Tempels, wie er sich nennt, und hat ihn das Schicksal wirklich zum königlichen Nachfolger seiner Väter bestimmt, so wurde Nostradamus von seinen Geistern hinters Licht geführt, denn der ächte Sohn Ludwigs XVI könnte keine junge Zwiebel mehr, müßte im Gegentheil eine sehr alte Zwiebel seyn. Auch soll dieser Prätendent durch seinen Verkehr mit einem speciellen Engel in Erfahrung gebracht haben, das alte wie das neue Testament seyen von Grund aus verfälscht, er will daher über dieses Thema ein weitläufiges Werk vorbereiten. Die letztere Angabe könnte fast auf den Gedanken bringen, der edle Herzog sey ein Student der Theologie, den das Leben Jesu von Strauß um die Helle seines Geistes gebracht.</p><lb/> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Persien.</hi> </head><lb/> <p>Das M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi> sagt in einer Correspondenz aus <hi rendition="#b">Konstantinopel</hi> vom 16 Mai: „Nach den letzten Nachrichten aus Persien stand der Schah immer noch im Lager in der Nähe von Ispahan, doch hatte er Befehl geschickt, daß bedeutende Verstärkungen sogleich ihm zuziehen sollten. Das Ziel der Expedition blieb noch unbekannt, doch vermuthete man fortdauernd, es sey Bagdad oder Bassorah. Die Gefahr, welche dieser wichtigen Provinz droht, wird jetzt hoffentlich unserer Regierung die Augen öffnen über die Nothwendigkeit, etwas zur Hülfe des Pascha zu thun. Die Dringlichkeit einer solchen Maaßregel ist so lange schon einleuchtend gewesen, und so oft von unserm dortigen Residenten vorgestellt worden, daß man sich wundern muß, wie sie so lange hat vernachlässigt werden können, besonders da man sagt, daß unser Handel viel gelitten hat durch die Eingriffe der Araber, die jetzt mit Gewalt von den blühenden Landstrichen auf beiden Seiten des Flusses Besitz genommen, und denen der Pascha bei seinen durch diesen Verlust an Land geschmälerten Einkünften nicht mehr die Spitze bieten kann. Wie ich glaube, wird jetzt ein neuer Versuch gemacht, die Aufmerksamkeit der Regierung auf diesen Punkt zu leiten; und es ist sehr zu wünschen, daß es von Wirksamkeit sey. Wenige Tausende, jährlich zur Disposition des Consuls von Bagdad gestellt, würden den Pascha befähigen eine hinlänglich achtungswerthe Macht aufzustellen, um den Einfällen der Beduinen zu widerstehen, und die bedeutenden Vortheile, die dadurch erlangt würden, kämen nur unserm Handel zu Gute. Es ist kein Zweifel, nur der jetzt vertheidigungslose Zustand des Paschaliks und die Hoffnung, daß diese Stämme, die bereits in einer Art von Abhängigkeit zu ihm stehen, sich mit ihm vereinigen werden, haben den Schah dazu gebracht, diesen Augenblick zu benutzen, um die Beleidigung zu rächen, die er von dem Pascha erhalten zu haben vorgibt.“</p><lb/> </div><lb/> <div n="1"> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> Februar </dateline> <p><note place="foot" n="*)">Durch Zufall verspätet.</note>. Sie hatten in Nro. 257 der Allg. Zeit. vom vorigen Jahre einen anonymen Artikel mit sehr anzüglichen Einflüsterungen gegen den serbischen Schriftsteller Wuk aus Serbien, der uns hier um so mehr befremdete als Hr. Wuk nicht nur bei <hi rendition="#g">uns</hi> sehr viel gilt, sondern auch in Deutschland überhaupt viel zu gelten schien, da seine Schrift: Montenegro und die Montenegriner (in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung verlegt) vielfach gerühmt wurde. Wir verschoben indessen unsere Einrede bis der Beschuldigte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [1317/0013]
hier wiederum zumeist auf Unkosten der kleinsten und kleinern derselben. Folglich – doch weßhalb die Consequenzen auf die höchste Spitze treiben, und im voraus ein trübes, unerfreuliches Prognostikon stellen, dort, wo vorzüglich in den Mittelstaaten ein reiches Maaß politischen Verstandes alle Chancen für sich hat, und als das Unwahrscheinlichste, als etwas fast Undenkbares eben dieses Aeußerste erscheint.““
(Beschluß folgt.)
Frankreich.
_ Paris, 6 Jun. Die Asche Napoleons hat viel böses Blut gemacht, viel albernes Gerede veranlaßt, und die Absichten des Parteigeistes selbst dem Blindesten geoffenbart. Kaum ist die unglückliche Subscription, gleich dem Vorschlage des Hrn. Rémilly, in stillem Grabe untergebracht, so kömmt des Kaisers Schwert und theilt die Gemüther. Soll Napoleon, der hintereinander ein Cäsar, Hannibal, Alexander, Attila, Karl der Große, Themistokles seyn mußte, jetzt noch zum Achilles gestempelt werden, weil man sich um seinen Säbel oder Degen, wie die edelsten Hellenen einst um die Waffen ihres unsterblichen Kampfgenossen, nur weniger ernst und männlich streitet? Liebhabern schlechter Spässe kann dieses Wortgefecht um des Kaisers Schwert wie ein Streit um des Kaisers Bart vorkommen; dennoch wäre es möglich, daß die Häuptlinge der Bonapartisten mit diesem Schwerte etwas Absonderliches vorhätten, weil sie so sehr darüber in Zorn gerathen, daß Frankreich und seine Regierung anderweitig darüber verfügten. Sollte vielleicht Prinz Louis, mit diesem Kleinod ausgerüstet, auf die Vendomesäule steigen, und droben in der Luft damit fuchteln, wie der Doctor Wirth in Hambach, damit das Volk sich an dessen Glanze, wie bei Austerlitz das Heer begeistere, und „es lebe Napoleon II“ rufe, wie es einst „es lebe Napoleon I“ gerufen? Aber man sollte überlegen, daß es nicht das Schwert war, welches die Soldaten von Austerlitz zum Kampfe führte, sondern der Arm, der es schwang oder vielmehr die Seele, die dem Arm gebot. Uns will es bedünken, Prinz Louis hätte etwas von einem umgekehrten Prinz Heinz. Ehe er König war, that der lustige Prinz Heinz mehr wie ein Lump denn ein König; kaum war aber das Diadem um seine Schläfe gegürtet, erwies er sich als wirklicher Beherrscher Englands. Prinz Louis, noch ohne Thron, gebärdet sich als Kaiser, aber wir fürchten sehr, er würde sich, wenn es zum Thronbesteigen käme, für nicht viel mehr als das bewähren, was Prinz Heinz als Kronprinz nur gespielt. Doch, wer weiß? die Prophezeiungen sind deutlich, und ihre Erfüllung könnte voreiligen Hohn beschämen. So viel wenigstens ist gewiß, daß man in den Spalten des Capitole, wo täglich das Evangelium des Bonapartismus gepredigt wird, stark an d'Orval und Nostradamus glaubt. Für die junge Zwiebel nämlich, die, nach des letztern Aussage, die Veste Philipps vernichten soll, wird aller Wahrscheinlichkeit nach in dem Schooße einer berühmten Familie Prinz Louis gehalten, und wenn man bedenkt, mit wie zuversichtlicher Hoffnung das Capitole wiederholt von dem Jahr 1840 sprach, so läßt sich schwer an dem Vertrauen gewisser Leute zu den dunklen Versprechungen der Magie zweifeln. Nun aber haben auch die Legitimisten eine „junge Zwiebel“ in ihrem Lager, und auch dort scheinen Glaube und Hoffnung eine bedeutende Rolle zu spielen. Sicher kann man seyn, daß diese zwei Feinde des Bestehenden zu keinem widernatürlichen Bunde sich vereinigen werden. Dem Republicaner konnte der Ritter einer gefallenen tausendjährigen Dynastie, wenn auch mit Widerstreben, seine Hand reichen, nie reicht er sie dem Verschwörer zu Gunsten eines Bonaparte, so sehr dieser auch von Bayard, Heinrich IV und dem heiligen Ludwig gaskoniren mag. Neben den erwähnten Prätendenten taucht in wundersamem, neblichtem Hintergrunde noch ein dritter auf, ein angeblicher Herzog von der Normandie, den seine Anhänger in England umherirren lassen, wo ihn, zur Sicherstellung vor jedem Anschlag, eine höhere Macht auf geheimnißvolle Weise von einem Orte zum andern entführe. Ist nun besagtes Individuum wirklich die Waise des Tempels, wie er sich nennt, und hat ihn das Schicksal wirklich zum königlichen Nachfolger seiner Väter bestimmt, so wurde Nostradamus von seinen Geistern hinters Licht geführt, denn der ächte Sohn Ludwigs XVI könnte keine junge Zwiebel mehr, müßte im Gegentheil eine sehr alte Zwiebel seyn. Auch soll dieser Prätendent durch seinen Verkehr mit einem speciellen Engel in Erfahrung gebracht haben, das alte wie das neue Testament seyen von Grund aus verfälscht, er will daher über dieses Thema ein weitläufiges Werk vorbereiten. Die letztere Angabe könnte fast auf den Gedanken bringen, der edle Herzog sey ein Student der Theologie, den das Leben Jesu von Strauß um die Helle seines Geistes gebracht.
Persien.
Das M. Chronicle sagt in einer Correspondenz aus Konstantinopel vom 16 Mai: „Nach den letzten Nachrichten aus Persien stand der Schah immer noch im Lager in der Nähe von Ispahan, doch hatte er Befehl geschickt, daß bedeutende Verstärkungen sogleich ihm zuziehen sollten. Das Ziel der Expedition blieb noch unbekannt, doch vermuthete man fortdauernd, es sey Bagdad oder Bassorah. Die Gefahr, welche dieser wichtigen Provinz droht, wird jetzt hoffentlich unserer Regierung die Augen öffnen über die Nothwendigkeit, etwas zur Hülfe des Pascha zu thun. Die Dringlichkeit einer solchen Maaßregel ist so lange schon einleuchtend gewesen, und so oft von unserm dortigen Residenten vorgestellt worden, daß man sich wundern muß, wie sie so lange hat vernachlässigt werden können, besonders da man sagt, daß unser Handel viel gelitten hat durch die Eingriffe der Araber, die jetzt mit Gewalt von den blühenden Landstrichen auf beiden Seiten des Flusses Besitz genommen, und denen der Pascha bei seinen durch diesen Verlust an Land geschmälerten Einkünften nicht mehr die Spitze bieten kann. Wie ich glaube, wird jetzt ein neuer Versuch gemacht, die Aufmerksamkeit der Regierung auf diesen Punkt zu leiten; und es ist sehr zu wünschen, daß es von Wirksamkeit sey. Wenige Tausende, jährlich zur Disposition des Consuls von Bagdad gestellt, würden den Pascha befähigen eine hinlänglich achtungswerthe Macht aufzustellen, um den Einfällen der Beduinen zu widerstehen, und die bedeutenden Vortheile, die dadurch erlangt würden, kämen nur unserm Handel zu Gute. Es ist kein Zweifel, nur der jetzt vertheidigungslose Zustand des Paschaliks und die Hoffnung, daß diese Stämme, die bereits in einer Art von Abhängigkeit zu ihm stehen, sich mit ihm vereinigen werden, haben den Schah dazu gebracht, diesen Augenblick zu benutzen, um die Beleidigung zu rächen, die er von dem Pascha erhalten zu haben vorgibt.“
Wien, Februar *). Sie hatten in Nro. 257 der Allg. Zeit. vom vorigen Jahre einen anonymen Artikel mit sehr anzüglichen Einflüsterungen gegen den serbischen Schriftsteller Wuk aus Serbien, der uns hier um so mehr befremdete als Hr. Wuk nicht nur bei uns sehr viel gilt, sondern auch in Deutschland überhaupt viel zu gelten schien, da seine Schrift: Montenegro und die Montenegriner (in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung verlegt) vielfach gerühmt wurde. Wir verschoben indessen unsere Einrede bis der Beschuldigte
*) Durch Zufall verspätet.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |