Allgemeine Zeitung. Nr. 171. Augsburg, 19. Juni 1840.Freunde der Ungnade entzog, Santa-Rosa eine Zukunft in Frankreich geöffnet haben würde! Mit welcher tiefen Hochachtung hörte ich da den edlen Geächteten, wie er mich aufforderte, mich aus allen Kräften einem Parteienmanöver zu widersetzen, welches er strenge so charakterisirte: "Kümmern Sie sich nicht um mich," sagte er mir, "ich werde aus mir machen, was ich kann; Ihr, thut Eure Pflicht: Eure Pflicht als gute Bürger ist, ein Ministerium nicht zu bekämpfen, welches Eure letzte Hülfsquelle gegen die jedem Fortschritte und jedem Lichte feindliche Faction ist. Man darf nicht Unrecht in der Hoffnung des Guten befördern; Ihr seyd nicht sicher, später Corbiere und Villele zu stürzen; und Ihr seyd sicher, Unrecht zu thun, indem Ihr ihnen die Gewalt überliefert. - Wäre ich Deputirter, ich würde versuchen, dem Ministerium Richelieu Kraft gegen den Hof und die rechte Seite zu verschaffen." Santa-Rosa's Meinung war die meinige. Sie ging nicht durch, und an diesem Tage wurde ein Fehler begangen, welcher sieben Jahre schwer auf Frankreich gelastet hat. Das Ministerium Richelieu wurde gestürzt, Corbiere und Villele kamen an die Spitze, und sie blieben es bis 1827. (Fortsetzung folgt.) Frankreich. Paris, 12 Jun. Cousin verfolgt geräuschlos die vorgesteckte Bahn der Verbesserungen im öffentlichen Unterrichtswesen. Wo die bestehenden Einrichtungen außer Gebrauch oder ins Stocken gekommen waren, werden sie von ihm neu belebt, die Departemente haben den Blick auf die Neuerungen an den verschiedenen Facultäten der Pariser Universität gerichtet und fühlen sich um so mehr aufgefordert, sie zum Vorbild zu nehmen, ihr nachzustreben, gleiche Maaßregeln von dem Minister zu begehren, als dieser stets bereit ist, wo immer möglich, ihrem Verlangen zu entsprechen. Auf diese Weise sind bereits mehrere neue Facultäten, namentlich der Medicin, in Departementsstädten gebildet worden, andere werden nächstens ins Leben treten. Cousin folgt der Ueberzeugung, daß nichts die Studien mehr fördere, als Ernst der Prüfungen, Oeffentlichkeit der sie umgebenden Formen, der Concurs der Candidaten und die gerechte Bereitwilligkeit der obersten Behörden, das ausgezeichnete Verdienst zu belohnen und zu neuen Forschungen anzufeuern. In diesem Sinn waren die früheren Verordnungen des Monats März über die Rechtsfacultät erlassen, und denselben schließt sich eine neueste Vorschrift in Betreff der philosophischen Facultät (faculte des lettres) und jener der mathematischen und physikalischen Wissenschaften (faculte des sciences) an. Künftighin sollen die Prüfungen für das Licentiat regelmäßiger und häufiger, als bisher, in Paris statthaben; sie sollen in Art eines wahren Concurses geschehen, und den ausgezeichnetsten Candidaten sollen, abgesehen von den übrigen Empfehlungen und Vortheilen, die Erlegung der Universitätsgebühren sowohl für das Licentiat als das Doctorat erlassen werden. Dieselbe Maaßregel gilt auch für die Departemente. Wir glauben, daß Cousin unter seinen Vorgängern im Ministerium großen Neid und große Mißgunst erregen muß, denn seine heilsamen Abänderungen und Verbesserungen hätten auch sie fühlen und ausführen können und sollen, aber in dem großen Publicum erkennt man seinen einsichtsvollen Eifer mit aufrichtigem Dank und spricht laut den Wunsch aus, daß es dem Unterrichtsminister vom 1 März gegönnt seyn möge, eine Ausnahme von der ephemeren Natur der Minister seit 1830 zu bilden, daß ihm Zeit gelassen werde, den Samen zu befruchten, den er mit so fleißiger Hand ausgestreut hat. Die französische Akademie hat gestern ihre jährliche Tugendsitzung gehalten und Bericht gegeben über die Vertheilung der von Monthyon und Gobert ausgesetzten Preise. "Wir sind allzumal Sünder" und finden daher diese Tugendsitzung nicht immer sehr unterhaltend, gleichwohl haben wir mit Rührung die einzelnen Züge wahrer menschlicher Liebe und Hingebung aus dem Bericht des Hrn. v. Salvandy vernommen. Hier, wie an dem Grabe von Nepomuk Lemercier ist es dem Redner gelungen, die Aufmerksamkeit, das billigende Mitgefühl und das Lob seiner Zuhörer zu verdienen. Unter den gekrönten Werken ist das "Lob der Frau v. Sevigne" von Mad. Amable Pastu, seit zwei Jahren, wenn ich nicht irre, die dritte Frau, die den akademischen Preis erhält. Vor ihr waren Mad. Reveil Collet, die das Museum von Versailles besungen, und Mad. Necker-Saussure für ihr vortreffliches Buch über die Erziehung. Ich bekenne, daß ich die Würdigung des Talents der Frau v. Sevigne lieber aus der Feder eines Mannes vernommen hätte; es scheint mir schwer denkbar, daß eine Frau über diesen Gegenstand etwas Anderes als einen unbedingten und übertriebenen Panegyrikus schreiben könne. Wie wir früher schon gemeldet haben, ist der große Preis für französische Geschichtsschreibung dem Hrn. Augustin Thierry zuerkannt worden. Künftighin wird auch die französische Geschichte von Monteil, deren Werth und gründliche Forschung mehr und mehr anerkannt wird, und jene von Sismondi zu dem Preis concurriren. Es ist unsere Absicht, nächstens ausführlich von dem großen Werke des Hrn. v. Sismondi zu berichten; heute möge uns nur vergönnt seyn, mit kurzen Worten des 24sten Bandes zu gedenken, der so eben bei Treuttel und Würtz erschienen ist. Er umfaßt die Regierungsepoche unter Anna von Oesterreich und das ganze Ministerium des Cardinals Mazarin, bekanntlich einer der interessantesten Abschnitte der neuern französischen Geschichte. Die Regentschaft der Königin, ihre abwechselnde Macht und Schwäche, Mazarin als Nachfolger Richelieu's, mit dem er fortwährend in vergleichende Parallele tritt, seine persönlichen, guten wie schlechten Eigenschaften, sein Kampf gegen das Volk, das Parlament und die Prinzen von Geblüt, sein Einfluß auf die Erziehung Ludwigs XIV, seine Kriege und Unterhandlungen und sein endlicher Sieg über seine persönlichen Feinde, in Folge dessen er aus der Verbannung wie ein Triumphator nach Frankreich und Paris zurückkehrte, sein pyrenäischer Frieden, der Frankreich ein so entschiedenes Uebergewicht über Spanien sicherte, seine Mitwirkung zum westphälischen Frieden und die Vereinigung des Elsasses mit Frankreich - alle diese historischen Momente sind von Sismondi mit seinem gewöhnlichen Fleiß und seiner sorgfältigen Ergründung zusammengestellt, und machen den Leser doppelt ungeduldig auf die nachfolgenden Bände. Glücklicherweise können wir über diese Folge beruhigt seyn. Einen Augenblick war es zweifelhaft, ob Hr. v. Sismondi der neuesten Geschichte Frankreichs dieselbe Genauigkeit und Ausdehnung widmen könnte, wie den früheren Jahrhunderten. Nach einer ausdrücklichen Erklärung aber, die er dem 24sten Bande beigefügt hat, wird er in dem begonnenen Plane fortfahren, und hat das zuversichtliche Vertrauen, daß er für jeden Abschnitt von 25 bis 30 Jahren einen Band bestimmen könne und dennoch an die endliche Lösung seiner Aufgabe gelangen werde. Straßburg, 7 Jun. Ein Artikel Ihres Pariser Correspondenten, welcher uns die Ernennung des Hrn. Domcapitulars Rees (Andreas Räß) zum Coadjutor unsers greisen Erzbischofs in Aussicht stellt, hat hier nicht geringe Sensation erregt. Der Genannte wird als einer der "würdigen, aufgeklärten und unterrichteten Männer, die man nur ziemlich sparsam unter dem jetzigen französischen Clerus finde", bezeichnet. Freunde der Ungnade entzog, Santa-Rosa eine Zukunft in Frankreich geöffnet haben würde! Mit welcher tiefen Hochachtung hörte ich da den edlen Geächteten, wie er mich aufforderte, mich aus allen Kräften einem Parteienmanöver zu widersetzen, welches er strenge so charakterisirte: „Kümmern Sie sich nicht um mich,“ sagte er mir, „ich werde aus mir machen, was ich kann; Ihr, thut Eure Pflicht: Eure Pflicht als gute Bürger ist, ein Ministerium nicht zu bekämpfen, welches Eure letzte Hülfsquelle gegen die jedem Fortschritte und jedem Lichte feindliche Faction ist. Man darf nicht Unrecht in der Hoffnung des Guten befördern; Ihr seyd nicht sicher, später Corbière und Villèle zu stürzen; und Ihr seyd sicher, Unrecht zu thun, indem Ihr ihnen die Gewalt überliefert. – Wäre ich Deputirter, ich würde versuchen, dem Ministerium Richelieu Kraft gegen den Hof und die rechte Seite zu verschaffen.“ Santa-Rosa's Meinung war die meinige. Sie ging nicht durch, und an diesem Tage wurde ein Fehler begangen, welcher sieben Jahre schwer auf Frankreich gelastet hat. Das Ministerium Richelieu wurde gestürzt, Corbière und Villèle kamen an die Spitze, und sie blieben es bis 1827. (Fortsetzung folgt.) Frankreich. Paris, 12 Jun. Cousin verfolgt geräuschlos die vorgesteckte Bahn der Verbesserungen im öffentlichen Unterrichtswesen. Wo die bestehenden Einrichtungen außer Gebrauch oder ins Stocken gekommen waren, werden sie von ihm neu belebt, die Departemente haben den Blick auf die Neuerungen an den verschiedenen Facultäten der Pariser Universität gerichtet und fühlen sich um so mehr aufgefordert, sie zum Vorbild zu nehmen, ihr nachzustreben, gleiche Maaßregeln von dem Minister zu begehren, als dieser stets bereit ist, wo immer möglich, ihrem Verlangen zu entsprechen. Auf diese Weise sind bereits mehrere neue Facultäten, namentlich der Medicin, in Departementsstädten gebildet worden, andere werden nächstens ins Leben treten. Cousin folgt der Ueberzeugung, daß nichts die Studien mehr fördere, als Ernst der Prüfungen, Oeffentlichkeit der sie umgebenden Formen, der Concurs der Candidaten und die gerechte Bereitwilligkeit der obersten Behörden, das ausgezeichnete Verdienst zu belohnen und zu neuen Forschungen anzufeuern. In diesem Sinn waren die früheren Verordnungen des Monats März über die Rechtsfacultät erlassen, und denselben schließt sich eine neueste Vorschrift in Betreff der philosophischen Facultät (faculté des lettres) und jener der mathematischen und physikalischen Wissenschaften (faculté des sciences) an. Künftighin sollen die Prüfungen für das Licentiat regelmäßiger und häufiger, als bisher, in Paris statthaben; sie sollen in Art eines wahren Concurses geschehen, und den ausgezeichnetsten Candidaten sollen, abgesehen von den übrigen Empfehlungen und Vortheilen, die Erlegung der Universitätsgebühren sowohl für das Licentiat als das Doctorat erlassen werden. Dieselbe Maaßregel gilt auch für die Departemente. Wir glauben, daß Cousin unter seinen Vorgängern im Ministerium großen Neid und große Mißgunst erregen muß, denn seine heilsamen Abänderungen und Verbesserungen hätten auch sie fühlen und ausführen können und sollen, aber in dem großen Publicum erkennt man seinen einsichtsvollen Eifer mit aufrichtigem Dank und spricht laut den Wunsch aus, daß es dem Unterrichtsminister vom 1 März gegönnt seyn möge, eine Ausnahme von der ephemeren Natur der Minister seit 1830 zu bilden, daß ihm Zeit gelassen werde, den Samen zu befruchten, den er mit so fleißiger Hand ausgestreut hat. Die französische Akademie hat gestern ihre jährliche Tugendsitzung gehalten und Bericht gegeben über die Vertheilung der von Monthyon und Gobert ausgesetzten Preise. „Wir sind allzumal Sünder“ und finden daher diese Tugendsitzung nicht immer sehr unterhaltend, gleichwohl haben wir mit Rührung die einzelnen Züge wahrer menschlicher Liebe und Hingebung aus dem Bericht des Hrn. v. Salvandy vernommen. Hier, wie an dem Grabe von Nepomuk Lemercier ist es dem Redner gelungen, die Aufmerksamkeit, das billigende Mitgefühl und das Lob seiner Zuhörer zu verdienen. Unter den gekrönten Werken ist das „Lob der Frau v. Sévigné“ von Mad. Amable Pastu, seit zwei Jahren, wenn ich nicht irre, die dritte Frau, die den akademischen Preis erhält. Vor ihr waren Mad. Reveil Collet, die das Museum von Versailles besungen, und Mad. Necker-Saussure für ihr vortreffliches Buch über die Erziehung. Ich bekenne, daß ich die Würdigung des Talents der Frau v. Sévigné lieber aus der Feder eines Mannes vernommen hätte; es scheint mir schwer denkbar, daß eine Frau über diesen Gegenstand etwas Anderes als einen unbedingten und übertriebenen Panegyrikus schreiben könne. Wie wir früher schon gemeldet haben, ist der große Preis für französische Geschichtsschreibung dem Hrn. Augustin Thierry zuerkannt worden. Künftighin wird auch die französische Geschichte von Monteil, deren Werth und gründliche Forschung mehr und mehr anerkannt wird, und jene von Sismondi zu dem Preis concurriren. Es ist unsere Absicht, nächstens ausführlich von dem großen Werke des Hrn. v. Sismondi zu berichten; heute möge uns nur vergönnt seyn, mit kurzen Worten des 24sten Bandes zu gedenken, der so eben bei Treuttel und Würtz erschienen ist. Er umfaßt die Regierungsepoche unter Anna von Oesterreich und das ganze Ministerium des Cardinals Mazarin, bekanntlich einer der interessantesten Abschnitte der neuern französischen Geschichte. Die Regentschaft der Königin, ihre abwechselnde Macht und Schwäche, Mazarin als Nachfolger Richelieu's, mit dem er fortwährend in vergleichende Parallele tritt, seine persönlichen, guten wie schlechten Eigenschaften, sein Kampf gegen das Volk, das Parlament und die Prinzen von Geblüt, sein Einfluß auf die Erziehung Ludwigs XIV, seine Kriege und Unterhandlungen und sein endlicher Sieg über seine persönlichen Feinde, in Folge dessen er aus der Verbannung wie ein Triumphator nach Frankreich und Paris zurückkehrte, sein pyrenäischer Frieden, der Frankreich ein so entschiedenes Uebergewicht über Spanien sicherte, seine Mitwirkung zum westphälischen Frieden und die Vereinigung des Elsasses mit Frankreich – alle diese historischen Momente sind von Sismondi mit seinem gewöhnlichen Fleiß und seiner sorgfältigen Ergründung zusammengestellt, und machen den Leser doppelt ungeduldig auf die nachfolgenden Bände. Glücklicherweise können wir über diese Folge beruhigt seyn. Einen Augenblick war es zweifelhaft, ob Hr. v. Sismondi der neuesten Geschichte Frankreichs dieselbe Genauigkeit und Ausdehnung widmen könnte, wie den früheren Jahrhunderten. Nach einer ausdrücklichen Erklärung aber, die er dem 24sten Bande beigefügt hat, wird er in dem begonnenen Plane fortfahren, und hat das zuversichtliche Vertrauen, daß er für jeden Abschnitt von 25 bis 30 Jahren einen Band bestimmen könne und dennoch an die endliche Lösung seiner Aufgabe gelangen werde. Straßburg, 7 Jun. Ein Artikel Ihres Pariser Correspondenten, welcher uns die Ernennung des Hrn. Domcapitulars Rees (Andreas Räß) zum Coadjutor unsers greisen Erzbischofs in Aussicht stellt, hat hier nicht geringe Sensation erregt. Der Genannte wird als einer der „würdigen, aufgeklärten und unterrichteten Männer, die man nur ziemlich sparsam unter dem jetzigen französischen Clerus finde“, bezeichnet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="1364"/> Freunde der Ungnade entzog, Santa-Rosa eine Zukunft in Frankreich geöffnet haben würde! Mit welcher tiefen Hochachtung hörte ich da den edlen Geächteten, wie er mich aufforderte, mich aus allen Kräften einem Parteienmanöver zu widersetzen, welches er strenge so charakterisirte: „Kümmern Sie sich nicht um mich,“ sagte er mir, „ich werde aus mir machen, was ich kann; Ihr, thut Eure Pflicht: Eure Pflicht als gute Bürger ist, ein Ministerium nicht zu bekämpfen, welches Eure letzte Hülfsquelle gegen die jedem Fortschritte und jedem Lichte feindliche Faction ist. Man darf nicht Unrecht in der Hoffnung des Guten befördern; Ihr seyd nicht sicher, später Corbière und Villèle zu stürzen; und Ihr seyd sicher, Unrecht zu thun, indem Ihr ihnen die Gewalt überliefert. – Wäre ich Deputirter, ich würde versuchen, dem Ministerium Richelieu Kraft gegen den Hof und die rechte Seite zu verschaffen.“ Santa-Rosa's Meinung war die meinige. Sie ging nicht durch, und an diesem Tage wurde ein Fehler begangen, welcher sieben Jahre schwer auf Frankreich gelastet hat. Das Ministerium Richelieu wurde gestürzt, Corbière und Villèle kamen an die Spitze, und sie blieben es bis 1827.</p><lb/> <p>(Fortsetzung folgt.)</p><lb/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 12 Jun.</dateline> <p> Cousin verfolgt geräuschlos die vorgesteckte Bahn der Verbesserungen im öffentlichen Unterrichtswesen. 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In diesem Sinn waren die früheren Verordnungen des Monats März über die Rechtsfacultät erlassen, und denselben schließt sich eine neueste Vorschrift in Betreff der philosophischen Facultät (faculté des lettres) und jener der mathematischen und physikalischen Wissenschaften (faculté des sciences) an. Künftighin sollen die Prüfungen für das Licentiat regelmäßiger und häufiger, als bisher, in Paris statthaben; sie sollen in Art eines wahren Concurses geschehen, und den ausgezeichnetsten Candidaten sollen, abgesehen von den übrigen Empfehlungen und Vortheilen, die Erlegung der Universitätsgebühren sowohl für das Licentiat als das Doctorat erlassen werden. Dieselbe Maaßregel gilt auch für die Departemente. Wir glauben, daß Cousin unter seinen Vorgängern im Ministerium großen Neid und große Mißgunst erregen muß, denn seine heilsamen Abänderungen und Verbesserungen hätten auch sie fühlen und ausführen können und sollen, aber in dem großen Publicum erkennt man seinen einsichtsvollen Eifer mit aufrichtigem Dank und spricht laut den Wunsch aus, daß es dem Unterrichtsminister vom 1 März gegönnt seyn möge, eine Ausnahme von der ephemeren Natur der Minister seit 1830 zu bilden, daß ihm Zeit gelassen werde, den Samen zu befruchten, den er mit so fleißiger Hand ausgestreut hat.</p><lb/> <p>Die französische Akademie hat gestern ihre jährliche Tugendsitzung gehalten und Bericht gegeben über die Vertheilung der von Monthyon und Gobert ausgesetzten Preise. „Wir sind allzumal Sünder“ und finden daher diese Tugendsitzung nicht immer sehr unterhaltend, gleichwohl haben wir mit Rührung die einzelnen Züge wahrer menschlicher Liebe und Hingebung aus dem Bericht des Hrn. v. Salvandy vernommen. Hier, wie an dem Grabe von Nepomuk Lemercier ist es dem Redner gelungen, die Aufmerksamkeit, das billigende Mitgefühl und das Lob seiner Zuhörer zu verdienen. Unter den gekrönten Werken ist das „Lob der Frau v. Sévigné“ von Mad. Amable Pastu, seit zwei Jahren, wenn ich nicht irre, die dritte Frau, die den akademischen Preis erhält. Vor ihr waren Mad. Reveil Collet, die das Museum von Versailles besungen, und Mad. Necker-Saussure für ihr vortreffliches Buch über die Erziehung. Ich bekenne, daß ich die Würdigung des Talents der Frau v. Sévigné lieber aus der Feder eines Mannes vernommen hätte; es scheint mir schwer denkbar, daß eine Frau über diesen Gegenstand etwas Anderes als einen unbedingten und übertriebenen Panegyrikus schreiben könne.</p><lb/> <p>Wie wir früher schon gemeldet haben, ist der große Preis für französische Geschichtsschreibung dem Hrn. Augustin Thierry zuerkannt worden. Künftighin wird auch die französische Geschichte von Monteil, deren Werth und gründliche Forschung mehr und mehr anerkannt wird, und jene von Sismondi zu dem Preis concurriren. Es ist unsere Absicht, nächstens ausführlich von dem großen Werke des Hrn. v. Sismondi zu berichten; heute möge uns nur vergönnt seyn, mit kurzen Worten des 24sten Bandes zu gedenken, der so eben bei Treuttel und Würtz erschienen ist. Er umfaßt die Regierungsepoche unter Anna von Oesterreich und das ganze Ministerium des Cardinals Mazarin, bekanntlich einer der interessantesten Abschnitte der neuern französischen Geschichte. Die Regentschaft der Königin, ihre abwechselnde Macht und Schwäche, Mazarin als Nachfolger Richelieu's, mit dem er fortwährend in vergleichende Parallele tritt, seine persönlichen, guten wie schlechten Eigenschaften, sein Kampf gegen das Volk, das Parlament und die Prinzen von Geblüt, sein Einfluß auf die Erziehung Ludwigs XIV, seine Kriege und Unterhandlungen und sein endlicher Sieg über seine persönlichen Feinde, in Folge dessen er aus der Verbannung wie ein Triumphator nach Frankreich und Paris zurückkehrte, sein pyrenäischer Frieden, der Frankreich ein so entschiedenes Uebergewicht über Spanien sicherte, seine Mitwirkung zum westphälischen Frieden und die Vereinigung des Elsasses mit Frankreich – alle diese historischen Momente sind von Sismondi mit seinem gewöhnlichen Fleiß und seiner sorgfältigen Ergründung zusammengestellt, und machen den Leser doppelt ungeduldig auf die nachfolgenden Bände. Glücklicherweise können wir über diese Folge beruhigt seyn. Einen Augenblick war es zweifelhaft, ob Hr. v. Sismondi der neuesten Geschichte Frankreichs dieselbe Genauigkeit und Ausdehnung widmen könnte, wie den früheren Jahrhunderten. Nach einer ausdrücklichen Erklärung aber, die er dem 24sten Bande beigefügt hat, wird er in dem begonnenen Plane fortfahren, und hat das zuversichtliche Vertrauen, daß er für jeden Abschnitt von 25 bis 30 Jahren einen Band bestimmen könne und dennoch an die endliche Lösung seiner Aufgabe gelangen werde.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Straßburg,</hi> 7 Jun.</dateline> <p> Ein Artikel Ihres Pariser Correspondenten, welcher uns die Ernennung des Hrn. Domcapitulars Rees (Andreas Räß) zum Coadjutor unsers greisen Erzbischofs in Aussicht stellt, hat hier nicht geringe Sensation erregt. 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(Fortsetzung folgt.)
Frankreich.
_ Paris, 12 Jun. Cousin verfolgt geräuschlos die vorgesteckte Bahn der Verbesserungen im öffentlichen Unterrichtswesen. Wo die bestehenden Einrichtungen außer Gebrauch oder ins Stocken gekommen waren, werden sie von ihm neu belebt, die Departemente haben den Blick auf die Neuerungen an den verschiedenen Facultäten der Pariser Universität gerichtet und fühlen sich um so mehr aufgefordert, sie zum Vorbild zu nehmen, ihr nachzustreben, gleiche Maaßregeln von dem Minister zu begehren, als dieser stets bereit ist, wo immer möglich, ihrem Verlangen zu entsprechen. Auf diese Weise sind bereits mehrere neue Facultäten, namentlich der Medicin, in Departementsstädten gebildet worden, andere werden nächstens ins Leben treten. Cousin folgt der Ueberzeugung, daß nichts die Studien mehr fördere, als Ernst der Prüfungen, Oeffentlichkeit der sie umgebenden Formen, der Concurs der Candidaten und die gerechte Bereitwilligkeit der obersten Behörden, das ausgezeichnete Verdienst zu belohnen und zu neuen Forschungen anzufeuern. In diesem Sinn waren die früheren Verordnungen des Monats März über die Rechtsfacultät erlassen, und denselben schließt sich eine neueste Vorschrift in Betreff der philosophischen Facultät (faculté des lettres) und jener der mathematischen und physikalischen Wissenschaften (faculté des sciences) an. Künftighin sollen die Prüfungen für das Licentiat regelmäßiger und häufiger, als bisher, in Paris statthaben; sie sollen in Art eines wahren Concurses geschehen, und den ausgezeichnetsten Candidaten sollen, abgesehen von den übrigen Empfehlungen und Vortheilen, die Erlegung der Universitätsgebühren sowohl für das Licentiat als das Doctorat erlassen werden. Dieselbe Maaßregel gilt auch für die Departemente. Wir glauben, daß Cousin unter seinen Vorgängern im Ministerium großen Neid und große Mißgunst erregen muß, denn seine heilsamen Abänderungen und Verbesserungen hätten auch sie fühlen und ausführen können und sollen, aber in dem großen Publicum erkennt man seinen einsichtsvollen Eifer mit aufrichtigem Dank und spricht laut den Wunsch aus, daß es dem Unterrichtsminister vom 1 März gegönnt seyn möge, eine Ausnahme von der ephemeren Natur der Minister seit 1830 zu bilden, daß ihm Zeit gelassen werde, den Samen zu befruchten, den er mit so fleißiger Hand ausgestreut hat.
Die französische Akademie hat gestern ihre jährliche Tugendsitzung gehalten und Bericht gegeben über die Vertheilung der von Monthyon und Gobert ausgesetzten Preise. „Wir sind allzumal Sünder“ und finden daher diese Tugendsitzung nicht immer sehr unterhaltend, gleichwohl haben wir mit Rührung die einzelnen Züge wahrer menschlicher Liebe und Hingebung aus dem Bericht des Hrn. v. Salvandy vernommen. Hier, wie an dem Grabe von Nepomuk Lemercier ist es dem Redner gelungen, die Aufmerksamkeit, das billigende Mitgefühl und das Lob seiner Zuhörer zu verdienen. Unter den gekrönten Werken ist das „Lob der Frau v. Sévigné“ von Mad. Amable Pastu, seit zwei Jahren, wenn ich nicht irre, die dritte Frau, die den akademischen Preis erhält. Vor ihr waren Mad. Reveil Collet, die das Museum von Versailles besungen, und Mad. Necker-Saussure für ihr vortreffliches Buch über die Erziehung. Ich bekenne, daß ich die Würdigung des Talents der Frau v. Sévigné lieber aus der Feder eines Mannes vernommen hätte; es scheint mir schwer denkbar, daß eine Frau über diesen Gegenstand etwas Anderes als einen unbedingten und übertriebenen Panegyrikus schreiben könne.
Wie wir früher schon gemeldet haben, ist der große Preis für französische Geschichtsschreibung dem Hrn. Augustin Thierry zuerkannt worden. Künftighin wird auch die französische Geschichte von Monteil, deren Werth und gründliche Forschung mehr und mehr anerkannt wird, und jene von Sismondi zu dem Preis concurriren. Es ist unsere Absicht, nächstens ausführlich von dem großen Werke des Hrn. v. Sismondi zu berichten; heute möge uns nur vergönnt seyn, mit kurzen Worten des 24sten Bandes zu gedenken, der so eben bei Treuttel und Würtz erschienen ist. Er umfaßt die Regierungsepoche unter Anna von Oesterreich und das ganze Ministerium des Cardinals Mazarin, bekanntlich einer der interessantesten Abschnitte der neuern französischen Geschichte. Die Regentschaft der Königin, ihre abwechselnde Macht und Schwäche, Mazarin als Nachfolger Richelieu's, mit dem er fortwährend in vergleichende Parallele tritt, seine persönlichen, guten wie schlechten Eigenschaften, sein Kampf gegen das Volk, das Parlament und die Prinzen von Geblüt, sein Einfluß auf die Erziehung Ludwigs XIV, seine Kriege und Unterhandlungen und sein endlicher Sieg über seine persönlichen Feinde, in Folge dessen er aus der Verbannung wie ein Triumphator nach Frankreich und Paris zurückkehrte, sein pyrenäischer Frieden, der Frankreich ein so entschiedenes Uebergewicht über Spanien sicherte, seine Mitwirkung zum westphälischen Frieden und die Vereinigung des Elsasses mit Frankreich – alle diese historischen Momente sind von Sismondi mit seinem gewöhnlichen Fleiß und seiner sorgfältigen Ergründung zusammengestellt, und machen den Leser doppelt ungeduldig auf die nachfolgenden Bände. Glücklicherweise können wir über diese Folge beruhigt seyn. Einen Augenblick war es zweifelhaft, ob Hr. v. Sismondi der neuesten Geschichte Frankreichs dieselbe Genauigkeit und Ausdehnung widmen könnte, wie den früheren Jahrhunderten. Nach einer ausdrücklichen Erklärung aber, die er dem 24sten Bande beigefügt hat, wird er in dem begonnenen Plane fortfahren, und hat das zuversichtliche Vertrauen, daß er für jeden Abschnitt von 25 bis 30 Jahren einen Band bestimmen könne und dennoch an die endliche Lösung seiner Aufgabe gelangen werde.
_ Straßburg, 7 Jun. Ein Artikel Ihres Pariser Correspondenten, welcher uns die Ernennung des Hrn. Domcapitulars Rees (Andreas Räß) zum Coadjutor unsers greisen Erzbischofs in Aussicht stellt, hat hier nicht geringe Sensation erregt. Der Genannte wird als einer der „würdigen, aufgeklärten und unterrichteten Männer, die man nur ziemlich sparsam unter dem jetzigen französischen Clerus finde“, bezeichnet.
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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