Allgemeine Zeitung. Nr. 173. Augsburg, 21. Juni 1840.Was hat Friedrich Wilhelm III für Deutschland gethan? Wenn es zunächst preußischen Stimmen zukommt, die Verdienste des verewigten Königs um die preußische Monarchie hervorzuheben, so scheint dagegen eine süddeutsche Stimme nicht unberufen zu seyn, den großen Einfluß, den seine lange und denkwürdige Regierung auf die Geschicke Deutschlands überhaupt geübt hat, mit historischer Unbefangenheit zu erwägen - eine Erwägung, die keinem wohldenkenden Preußen mißfallen kann. Zu der Zeit, als Friedrich Wilhelm III den Thron seiner Väter bestieg, im Jahr 1797, und schon geraume Zeit vorher, hatte sich Preußen in einer egoistischen Politik vom deutschen Reich isolirt und stand dem übrigen Deutschland auf eine feindselige Weise gegenüber. Dieß war allerdings nicht Preußens Schuld, wenigstens nicht seine Schuld allein, denn die Eifersucht der Nachbarmächte, zumal Oesterreichs, hatte Preußen in einen Zustand von Nothwehr versetzt. Dem großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm waren alle seine patriotischen Anstrengungen für das deutsche Reich im Kampfe gegen Frankreich und Schweden von Seite des deutschen Kaisers und der deutschen Reichsgenossen selbst mit Undank vergolten worden. Gegen seinen dritten Nachfolger, Friedrich den Großen, hatte sich sogar ein europäischer Bund bewaffnet, an dem wieder der Kaiser und das deutsche Reich thätigen Antheil nahmen. So erklärt sich das unheilvolle Mißtrauen, das Preußen gegen seine deutschen Nachbarn hegte, und seine Neigung, sich durch einen Bund mit auswärtigen Mächten gegen dieselben zu schützen. So erklärt sich der unheilvolle Frieden zu Basel, den König Friedrich Wilhelm II im Jahr 1795 durch den nachher so berühmt gewordenen Minister Hardenberg abschließen ließ, jener Frieden, der Preußen mit Frankreich befreundete und Oesterreich und Süddeutschland den Heeren Moreau's und später Napoleons öffnete. In einem so traurigen und trostlosen Zustande fand Friedrich Wilhelm III beim Antritt seiner Regierung die deutschen Angelegenheiten. Die südliche Hälfte Deutschlands wurde von einer brutalen Fremdherrschaft überwältigt, mit Niederlagen, Plünderungen, Mord und Brand, Verlust der Freiheit und der Nationalehre und mannichfachem Verrath heimgesucht, während die nördliche Hälfte theilnahmlos zusah, ohne zu helfen, bis auch an sie die Reihe kam. Die Frage, ob der junge König den Baseler Frieden nicht schon früher hätte brechen können, findet ihre Erledigung in der Gegenfrage, ob er bei seiner Jugend, bei der einmal herkömmlichen, durch den großen Friedrich selbst sanctionirten preußischen Politik, die er unmittelbar geerbt hatte, bei dem Geist, der in seiner Umgebung vorherrschte, und bei der immer noch mitten im Unglück rege gebliebenen Eifersucht der übrigen deutschen Mächte, es hätte wagen dürfen, der Politik seines Hauses einen plötzlichen großen Umschwung in gerade entgegengesetzter Richtung zu geben? Genug, wenn wir wissen, daß, nachdem einmal das unermeßliche Unglück, das über unser gesammtes Vaterland gekommen war, die ganze Unnatur der frühern deutschen Politik, der frühern wechselseitigen Eifersucht deutscher Mächte enthüllt hatte, kein Fürst so entschlossen, eifrig und ausdauernd thätig war, sich der gemeinsamen deutschen Sache zu widmen, als Friedrich Wilhelm III. Der entscheidende Vorgang Preußens und die Tapferkeit seiner Heere in den Kämpfen von 1813 bis 1815 sind weltbekannt. Wir betrachten hier nur die segensreichen Folgen, die daraus für Deutschland erwachsen sind. Deutschland gewann in diesen Kämpfen seine Nationalehre wieder und flößte fremdem Uebermuth einen Schrecken vor den deutschen Waffen ein, der lange nachgewirkt hat und nachwirken wird. Deutschland behielt aus jenen Kriegen, und wieder hauptsächlich nach dem preußischen Beispiel, eine Heerverfassung bei, die eine ungleich größere Garantie gewährt, als die elende Verfassung der weiland deutschen Reichsarmee. Deutschland gewann dadurch, daß Preußen die Rheinprovinzen in Besitz nahm und stark befestigte - eine neue Schutzwehr gegen Frankreich, die früher, als jene Gränzlandschaften noch unter dem friedlichen Krummstab der geistlichen Kurfürsten vegetirten, gänzlich mangelte. Die deutsche Herrschaft befestigte sich aufs neue in Italien. Die Niederlande und die Schweiz wurden dem französischen Einfluß entzogen. Auch das im dreißigjährigen Kriege verlorne Schwedisch-Pommern wurde für Deutschland wiedergewonnen. Noch höher aber als diese äußere Mehrung der deutschen Macht ist die innere Versöhnung ihrer Bestandtheile anzuschlagen. In den Unglücksjahren unter Napoleon und in dem gemeinschaftlichen Kampfe gegen denselben ist die alte Eifersucht zwischen Oesterreich und Preußen zu Grabe gegangen. Die beiden Hauptstaaten Deutschlands haben den hohen Werth, ja in gewisser Beziehung die unumgängliche Nothwendigkeit des Zusammenhaltens nach außen nicht mißkannt, und ihre Interessen stimmen in weit mehr Punkten zusammen, als andere etwa von einander abweichende sich finden möchten. Welchem von beiden Staaten nun, oder welchem andern deutschen Staate man angehören mag, für jeden Deutschen, der die unglückliche Politik des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts kennt, der die Gefahren kennt, welche die Zerwürfniß der deutschen Mächte den Gesammtinteressen der deutschen Nation durch die Einmischung fremder Mächte bereitete, für jeden in der vaterländischen Geschichte Erfahrenen und am gemeinsamen Wohl Deutschlands Theilnehmenden ist der Vergleich des heutigen Standes unserer auswärtigen Politik mit dem frühern erfreulich. Die constitutionellen Staaten im deutschen Westen verdanken der großen welthistorischen Wendung, welche die deutsche Politik durch die Vereinbarung der Interessen Oesterreichs und Preußens und durch den glorreichen Sieg über Frankreich erhielt, nicht weniger als Oesterreich und Preußen selbst. Was sie durch die rheinische Conföderation gewonnen hatten, das ist ihnen geblieben, und nur die Uebel, welche von jener antinationalen Verbindung unzertrennlich waren, sind von ihnen genommen worden. Die ehemaligen Rheinbundstaaten haben ihren höhern Rang, ihre größere Ausdehnung, ihre innere Concentration behalten, aber die Schmach der Fremdherrschaft, die Opfer, die sie ihrem weiland Protector bringen mußten, und die despotische Regierungsform, die das Volk drückte, ist verschwunden. Sie hatten also bei der großen Aenderung der Dinge im Jahr 1813 keine Ursache zur Eifersucht gegen Preußen und Oesterreich, sie schlossen sich diesen Mächten an, sie fochten den großen Krieg, den sie auf Frankreichs Seite begonnen, auf Deutschlands Seite aus. Ihre neue Stellung im deutschen Bunde wurde gesicherter, als es die alte im rheinischen Bunde gewesen war. Wie hätten sie nicht diese Wendung der Dinge segnen und neidlos den Ruhm der preußischen Was hat Friedrich Wilhelm III für Deutschland gethan? Wenn es zunächst preußischen Stimmen zukommt, die Verdienste des verewigten Königs um die preußische Monarchie hervorzuheben, so scheint dagegen eine süddeutsche Stimme nicht unberufen zu seyn, den großen Einfluß, den seine lange und denkwürdige Regierung auf die Geschicke Deutschlands überhaupt geübt hat, mit historischer Unbefangenheit zu erwägen – eine Erwägung, die keinem wohldenkenden Preußen mißfallen kann. Zu der Zeit, als Friedrich Wilhelm III den Thron seiner Väter bestieg, im Jahr 1797, und schon geraume Zeit vorher, hatte sich Preußen in einer egoistischen Politik vom deutschen Reich isolirt und stand dem übrigen Deutschland auf eine feindselige Weise gegenüber. Dieß war allerdings nicht Preußens Schuld, wenigstens nicht seine Schuld allein, denn die Eifersucht der Nachbarmächte, zumal Oesterreichs, hatte Preußen in einen Zustand von Nothwehr versetzt. Dem großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm waren alle seine patriotischen Anstrengungen für das deutsche Reich im Kampfe gegen Frankreich und Schweden von Seite des deutschen Kaisers und der deutschen Reichsgenossen selbst mit Undank vergolten worden. Gegen seinen dritten Nachfolger, Friedrich den Großen, hatte sich sogar ein europäischer Bund bewaffnet, an dem wieder der Kaiser und das deutsche Reich thätigen Antheil nahmen. So erklärt sich das unheilvolle Mißtrauen, das Preußen gegen seine deutschen Nachbarn hegte, und seine Neigung, sich durch einen Bund mit auswärtigen Mächten gegen dieselben zu schützen. So erklärt sich der unheilvolle Frieden zu Basel, den König Friedrich Wilhelm II im Jahr 1795 durch den nachher so berühmt gewordenen Minister Hardenberg abschließen ließ, jener Frieden, der Preußen mit Frankreich befreundete und Oesterreich und Süddeutschland den Heeren Moreau's und später Napoleons öffnete. In einem so traurigen und trostlosen Zustande fand Friedrich Wilhelm III beim Antritt seiner Regierung die deutschen Angelegenheiten. Die südliche Hälfte Deutschlands wurde von einer brutalen Fremdherrschaft überwältigt, mit Niederlagen, Plünderungen, Mord und Brand, Verlust der Freiheit und der Nationalehre und mannichfachem Verrath heimgesucht, während die nördliche Hälfte theilnahmlos zusah, ohne zu helfen, bis auch an sie die Reihe kam. Die Frage, ob der junge König den Baseler Frieden nicht schon früher hätte brechen können, findet ihre Erledigung in der Gegenfrage, ob er bei seiner Jugend, bei der einmal herkömmlichen, durch den großen Friedrich selbst sanctionirten preußischen Politik, die er unmittelbar geerbt hatte, bei dem Geist, der in seiner Umgebung vorherrschte, und bei der immer noch mitten im Unglück rege gebliebenen Eifersucht der übrigen deutschen Mächte, es hätte wagen dürfen, der Politik seines Hauses einen plötzlichen großen Umschwung in gerade entgegengesetzter Richtung zu geben? Genug, wenn wir wissen, daß, nachdem einmal das unermeßliche Unglück, das über unser gesammtes Vaterland gekommen war, die ganze Unnatur der frühern deutschen Politik, der frühern wechselseitigen Eifersucht deutscher Mächte enthüllt hatte, kein Fürst so entschlossen, eifrig und ausdauernd thätig war, sich der gemeinsamen deutschen Sache zu widmen, als Friedrich Wilhelm III. Der entscheidende Vorgang Preußens und die Tapferkeit seiner Heere in den Kämpfen von 1813 bis 1815 sind weltbekannt. Wir betrachten hier nur die segensreichen Folgen, die daraus für Deutschland erwachsen sind. Deutschland gewann in diesen Kämpfen seine Nationalehre wieder und flößte fremdem Uebermuth einen Schrecken vor den deutschen Waffen ein, der lange nachgewirkt hat und nachwirken wird. Deutschland behielt aus jenen Kriegen, und wieder hauptsächlich nach dem preußischen Beispiel, eine Heerverfassung bei, die eine ungleich größere Garantie gewährt, als die elende Verfassung der weiland deutschen Reichsarmee. Deutschland gewann dadurch, daß Preußen die Rheinprovinzen in Besitz nahm und stark befestigte – eine neue Schutzwehr gegen Frankreich, die früher, als jene Gränzlandschaften noch unter dem friedlichen Krummstab der geistlichen Kurfürsten vegetirten, gänzlich mangelte. Die deutsche Herrschaft befestigte sich aufs neue in Italien. Die Niederlande und die Schweiz wurden dem französischen Einfluß entzogen. Auch das im dreißigjährigen Kriege verlorne Schwedisch-Pommern wurde für Deutschland wiedergewonnen. Noch höher aber als diese äußere Mehrung der deutschen Macht ist die innere Versöhnung ihrer Bestandtheile anzuschlagen. In den Unglücksjahren unter Napoleon und in dem gemeinschaftlichen Kampfe gegen denselben ist die alte Eifersucht zwischen Oesterreich und Preußen zu Grabe gegangen. Die beiden Hauptstaaten Deutschlands haben den hohen Werth, ja in gewisser Beziehung die unumgängliche Nothwendigkeit des Zusammenhaltens nach außen nicht mißkannt, und ihre Interessen stimmen in weit mehr Punkten zusammen, als andere etwa von einander abweichende sich finden möchten. Welchem von beiden Staaten nun, oder welchem andern deutschen Staate man angehören mag, für jeden Deutschen, der die unglückliche Politik des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts kennt, der die Gefahren kennt, welche die Zerwürfniß der deutschen Mächte den Gesammtinteressen der deutschen Nation durch die Einmischung fremder Mächte bereitete, für jeden in der vaterländischen Geschichte Erfahrenen und am gemeinsamen Wohl Deutschlands Theilnehmenden ist der Vergleich des heutigen Standes unserer auswärtigen Politik mit dem frühern erfreulich. Die constitutionellen Staaten im deutschen Westen verdanken der großen welthistorischen Wendung, welche die deutsche Politik durch die Vereinbarung der Interessen Oesterreichs und Preußens und durch den glorreichen Sieg über Frankreich erhielt, nicht weniger als Oesterreich und Preußen selbst. Was sie durch die rheinische Conföderation gewonnen hatten, das ist ihnen geblieben, und nur die Uebel, welche von jener antinationalen Verbindung unzertrennlich waren, sind von ihnen genommen worden. Die ehemaligen Rheinbundstaaten haben ihren höhern Rang, ihre größere Ausdehnung, ihre innere Concentration behalten, aber die Schmach der Fremdherrschaft, die Opfer, die sie ihrem weiland Protector bringen mußten, und die despotische Regierungsform, die das Volk drückte, ist verschwunden. Sie hatten also bei der großen Aenderung der Dinge im Jahr 1813 keine Ursache zur Eifersucht gegen Preußen und Oesterreich, sie schlossen sich diesen Mächten an, sie fochten den großen Krieg, den sie auf Frankreichs Seite begonnen, auf Deutschlands Seite aus. Ihre neue Stellung im deutschen Bunde wurde gesicherter, als es die alte im rheinischen Bunde gewesen war. 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Dieß war allerdings nicht Preußens Schuld, wenigstens nicht seine Schuld allein, denn die Eifersucht der Nachbarmächte, zumal Oesterreichs, hatte Preußen in einen Zustand von Nothwehr versetzt. Dem großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm waren alle seine patriotischen Anstrengungen für das deutsche Reich im Kampfe gegen Frankreich und Schweden von Seite des deutschen Kaisers und der deutschen Reichsgenossen selbst mit Undank vergolten worden. Gegen seinen dritten Nachfolger, Friedrich den Großen, hatte sich sogar ein europäischer Bund bewaffnet, an dem wieder der Kaiser und das deutsche Reich thätigen Antheil nahmen. So erklärt sich das unheilvolle Mißtrauen, das Preußen gegen seine deutschen Nachbarn hegte, und seine Neigung, sich durch einen Bund mit auswärtigen Mächten gegen dieselben zu schützen. So erklärt sich der unheilvolle Frieden zu Basel, den König Friedrich Wilhelm II im Jahr 1795 durch den nachher so berühmt gewordenen Minister Hardenberg abschließen ließ, jener Frieden, der Preußen mit Frankreich befreundete und Oesterreich und Süddeutschland den Heeren Moreau's und später Napoleons öffnete. In einem so traurigen und trostlosen Zustande fand Friedrich Wilhelm III beim Antritt seiner Regierung die deutschen Angelegenheiten. Die südliche Hälfte Deutschlands wurde von einer brutalen Fremdherrschaft überwältigt, mit Niederlagen, Plünderungen, Mord und Brand, Verlust der Freiheit und der Nationalehre und mannichfachem Verrath heimgesucht, während die nördliche Hälfte theilnahmlos zusah, ohne zu helfen, bis auch an sie die Reihe kam. Die Frage, ob der junge König den Baseler Frieden nicht schon früher hätte brechen können, findet ihre Erledigung in der Gegenfrage, ob er bei seiner Jugend, bei der einmal herkömmlichen, durch den großen Friedrich selbst sanctionirten preußischen Politik, die er unmittelbar geerbt hatte, bei dem Geist, der in seiner Umgebung vorherrschte, und bei der immer noch mitten im Unglück rege gebliebenen Eifersucht der übrigen deutschen Mächte, es hätte wagen dürfen, der Politik seines Hauses einen plötzlichen großen Umschwung in gerade entgegengesetzter Richtung zu geben? Genug, wenn wir wissen, daß, nachdem einmal das unermeßliche Unglück, das über unser gesammtes Vaterland gekommen war, die ganze Unnatur der frühern deutschen Politik, der frühern wechselseitigen Eifersucht deutscher Mächte enthüllt hatte, kein Fürst so entschlossen, eifrig und ausdauernd thätig war, sich der gemeinsamen deutschen Sache zu widmen, als Friedrich Wilhelm III.</p><lb/> <p>Der entscheidende Vorgang Preußens und die Tapferkeit seiner Heere in den Kämpfen von 1813 bis 1815 sind weltbekannt. Wir betrachten hier nur die segensreichen Folgen, die daraus für Deutschland erwachsen sind. Deutschland gewann in diesen Kämpfen seine Nationalehre wieder und flößte fremdem Uebermuth einen Schrecken vor den deutschen Waffen ein, der lange nachgewirkt hat und nachwirken wird. Deutschland behielt aus jenen Kriegen, und wieder hauptsächlich nach dem preußischen Beispiel, eine Heerverfassung bei, die eine ungleich größere Garantie gewährt, als die elende Verfassung der weiland deutschen Reichsarmee. Deutschland gewann dadurch, daß Preußen die Rheinprovinzen in Besitz nahm und stark befestigte – eine neue Schutzwehr gegen Frankreich, die früher, als jene Gränzlandschaften noch unter dem friedlichen Krummstab der geistlichen Kurfürsten vegetirten, gänzlich mangelte. Die deutsche Herrschaft befestigte sich aufs neue in Italien. Die Niederlande und die Schweiz wurden dem französischen Einfluß entzogen. Auch das im dreißigjährigen Kriege verlorne Schwedisch-Pommern wurde für Deutschland wiedergewonnen.</p><lb/> <p>Noch höher aber als diese äußere Mehrung der deutschen Macht ist die innere Versöhnung ihrer Bestandtheile anzuschlagen. In den Unglücksjahren unter Napoleon und in dem gemeinschaftlichen Kampfe gegen denselben ist die alte Eifersucht zwischen Oesterreich und Preußen zu Grabe gegangen. Die beiden Hauptstaaten Deutschlands haben den hohen Werth, ja in gewisser Beziehung die unumgängliche Nothwendigkeit des Zusammenhaltens nach außen nicht mißkannt, und ihre Interessen stimmen in weit mehr Punkten zusammen, als andere etwa von einander abweichende sich finden möchten. Welchem von beiden Staaten nun, oder welchem andern deutschen Staate man angehören mag, für jeden Deutschen, der die unglückliche Politik des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts kennt, der die Gefahren kennt, welche die Zerwürfniß der deutschen Mächte den Gesammtinteressen der deutschen Nation durch die Einmischung fremder Mächte bereitete, für jeden in der vaterländischen Geschichte Erfahrenen und am gemeinsamen Wohl Deutschlands Theilnehmenden ist der Vergleich des heutigen Standes unserer auswärtigen Politik mit dem frühern erfreulich.</p><lb/> <p>Die constitutionellen Staaten im deutschen Westen verdanken der großen welthistorischen Wendung, welche die deutsche Politik durch die Vereinbarung der Interessen Oesterreichs und Preußens und durch den glorreichen Sieg über Frankreich erhielt, nicht weniger als Oesterreich und Preußen selbst. Was sie durch die rheinische Conföderation gewonnen hatten, das ist ihnen geblieben, und nur die Uebel, welche von jener antinationalen Verbindung unzertrennlich waren, sind von ihnen genommen worden. Die ehemaligen Rheinbundstaaten haben ihren höhern Rang, ihre größere Ausdehnung, ihre innere Concentration behalten, aber die Schmach der Fremdherrschaft, die Opfer, die sie ihrem weiland Protector bringen mußten, und die despotische Regierungsform, die das Volk drückte, ist verschwunden. Sie hatten also bei der großen Aenderung der Dinge im Jahr 1813 keine Ursache zur Eifersucht gegen Preußen und Oesterreich, sie schlossen sich diesen Mächten an, sie fochten den großen Krieg, den sie auf Frankreichs Seite begonnen, auf Deutschlands Seite aus. Ihre neue Stellung im deutschen Bunde wurde gesicherter, als es die alte im rheinischen Bunde gewesen war. Wie hätten sie nicht diese Wendung der Dinge segnen und neidlos den Ruhm der preußischen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [1377/0010]
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Was hat Friedrich Wilhelm III für Deutschland gethan?
Wenn es zunächst preußischen Stimmen zukommt, die Verdienste des verewigten Königs um die preußische Monarchie hervorzuheben, so scheint dagegen eine süddeutsche Stimme nicht unberufen zu seyn, den großen Einfluß, den seine lange und denkwürdige Regierung auf die Geschicke Deutschlands überhaupt geübt hat, mit historischer Unbefangenheit zu erwägen – eine Erwägung, die keinem wohldenkenden Preußen mißfallen kann.
Zu der Zeit, als Friedrich Wilhelm III den Thron seiner Väter bestieg, im Jahr 1797, und schon geraume Zeit vorher, hatte sich Preußen in einer egoistischen Politik vom deutschen Reich isolirt und stand dem übrigen Deutschland auf eine feindselige Weise gegenüber. Dieß war allerdings nicht Preußens Schuld, wenigstens nicht seine Schuld allein, denn die Eifersucht der Nachbarmächte, zumal Oesterreichs, hatte Preußen in einen Zustand von Nothwehr versetzt. Dem großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm waren alle seine patriotischen Anstrengungen für das deutsche Reich im Kampfe gegen Frankreich und Schweden von Seite des deutschen Kaisers und der deutschen Reichsgenossen selbst mit Undank vergolten worden. Gegen seinen dritten Nachfolger, Friedrich den Großen, hatte sich sogar ein europäischer Bund bewaffnet, an dem wieder der Kaiser und das deutsche Reich thätigen Antheil nahmen. So erklärt sich das unheilvolle Mißtrauen, das Preußen gegen seine deutschen Nachbarn hegte, und seine Neigung, sich durch einen Bund mit auswärtigen Mächten gegen dieselben zu schützen. So erklärt sich der unheilvolle Frieden zu Basel, den König Friedrich Wilhelm II im Jahr 1795 durch den nachher so berühmt gewordenen Minister Hardenberg abschließen ließ, jener Frieden, der Preußen mit Frankreich befreundete und Oesterreich und Süddeutschland den Heeren Moreau's und später Napoleons öffnete. In einem so traurigen und trostlosen Zustande fand Friedrich Wilhelm III beim Antritt seiner Regierung die deutschen Angelegenheiten. Die südliche Hälfte Deutschlands wurde von einer brutalen Fremdherrschaft überwältigt, mit Niederlagen, Plünderungen, Mord und Brand, Verlust der Freiheit und der Nationalehre und mannichfachem Verrath heimgesucht, während die nördliche Hälfte theilnahmlos zusah, ohne zu helfen, bis auch an sie die Reihe kam. Die Frage, ob der junge König den Baseler Frieden nicht schon früher hätte brechen können, findet ihre Erledigung in der Gegenfrage, ob er bei seiner Jugend, bei der einmal herkömmlichen, durch den großen Friedrich selbst sanctionirten preußischen Politik, die er unmittelbar geerbt hatte, bei dem Geist, der in seiner Umgebung vorherrschte, und bei der immer noch mitten im Unglück rege gebliebenen Eifersucht der übrigen deutschen Mächte, es hätte wagen dürfen, der Politik seines Hauses einen plötzlichen großen Umschwung in gerade entgegengesetzter Richtung zu geben? Genug, wenn wir wissen, daß, nachdem einmal das unermeßliche Unglück, das über unser gesammtes Vaterland gekommen war, die ganze Unnatur der frühern deutschen Politik, der frühern wechselseitigen Eifersucht deutscher Mächte enthüllt hatte, kein Fürst so entschlossen, eifrig und ausdauernd thätig war, sich der gemeinsamen deutschen Sache zu widmen, als Friedrich Wilhelm III.
Der entscheidende Vorgang Preußens und die Tapferkeit seiner Heere in den Kämpfen von 1813 bis 1815 sind weltbekannt. Wir betrachten hier nur die segensreichen Folgen, die daraus für Deutschland erwachsen sind. Deutschland gewann in diesen Kämpfen seine Nationalehre wieder und flößte fremdem Uebermuth einen Schrecken vor den deutschen Waffen ein, der lange nachgewirkt hat und nachwirken wird. Deutschland behielt aus jenen Kriegen, und wieder hauptsächlich nach dem preußischen Beispiel, eine Heerverfassung bei, die eine ungleich größere Garantie gewährt, als die elende Verfassung der weiland deutschen Reichsarmee. Deutschland gewann dadurch, daß Preußen die Rheinprovinzen in Besitz nahm und stark befestigte – eine neue Schutzwehr gegen Frankreich, die früher, als jene Gränzlandschaften noch unter dem friedlichen Krummstab der geistlichen Kurfürsten vegetirten, gänzlich mangelte. Die deutsche Herrschaft befestigte sich aufs neue in Italien. Die Niederlande und die Schweiz wurden dem französischen Einfluß entzogen. Auch das im dreißigjährigen Kriege verlorne Schwedisch-Pommern wurde für Deutschland wiedergewonnen.
Noch höher aber als diese äußere Mehrung der deutschen Macht ist die innere Versöhnung ihrer Bestandtheile anzuschlagen. In den Unglücksjahren unter Napoleon und in dem gemeinschaftlichen Kampfe gegen denselben ist die alte Eifersucht zwischen Oesterreich und Preußen zu Grabe gegangen. Die beiden Hauptstaaten Deutschlands haben den hohen Werth, ja in gewisser Beziehung die unumgängliche Nothwendigkeit des Zusammenhaltens nach außen nicht mißkannt, und ihre Interessen stimmen in weit mehr Punkten zusammen, als andere etwa von einander abweichende sich finden möchten. Welchem von beiden Staaten nun, oder welchem andern deutschen Staate man angehören mag, für jeden Deutschen, der die unglückliche Politik des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts kennt, der die Gefahren kennt, welche die Zerwürfniß der deutschen Mächte den Gesammtinteressen der deutschen Nation durch die Einmischung fremder Mächte bereitete, für jeden in der vaterländischen Geschichte Erfahrenen und am gemeinsamen Wohl Deutschlands Theilnehmenden ist der Vergleich des heutigen Standes unserer auswärtigen Politik mit dem frühern erfreulich.
Die constitutionellen Staaten im deutschen Westen verdanken der großen welthistorischen Wendung, welche die deutsche Politik durch die Vereinbarung der Interessen Oesterreichs und Preußens und durch den glorreichen Sieg über Frankreich erhielt, nicht weniger als Oesterreich und Preußen selbst. Was sie durch die rheinische Conföderation gewonnen hatten, das ist ihnen geblieben, und nur die Uebel, welche von jener antinationalen Verbindung unzertrennlich waren, sind von ihnen genommen worden. Die ehemaligen Rheinbundstaaten haben ihren höhern Rang, ihre größere Ausdehnung, ihre innere Concentration behalten, aber die Schmach der Fremdherrschaft, die Opfer, die sie ihrem weiland Protector bringen mußten, und die despotische Regierungsform, die das Volk drückte, ist verschwunden. Sie hatten also bei der großen Aenderung der Dinge im Jahr 1813 keine Ursache zur Eifersucht gegen Preußen und Oesterreich, sie schlossen sich diesen Mächten an, sie fochten den großen Krieg, den sie auf Frankreichs Seite begonnen, auf Deutschlands Seite aus. Ihre neue Stellung im deutschen Bunde wurde gesicherter, als es die alte im rheinischen Bunde gewesen war. Wie hätten sie nicht diese Wendung der Dinge segnen und neidlos den Ruhm der preußischen
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