Allgemeine Zeitung. Nr. 173. Augsburg, 21. Juni 1840.
Der Central-Criminalgerichtshof (central criminal court), der nun sowohl über Courvoisiers als Oxfords Anklage zu entscheiden hat, wird seine Sitzungen am nächsten Montag eröffnen. Die Gesammtzahl der Angeklagten beläuft sich auf 300. Courvoisiers Proceß wird wahrscheinlich nächste Woche vorkommen; der Oxfords schwerlich vor zwei bis drei Wochen. - Ueber den Mordversuch des letzteren theilen wir unsern Lesern noch folgende Stelle aus dem Examiner mit. "Was immer auch der Beweggrund zum Verbrechen gewesen seyn mag, so wird es, hoffen wir, für die Feinde der Königin unter den Tories eine Warnung seyn, sich fortan gewisser verläumderischer Ausfälle zu enthalten, die, wie das M. Chronicle sich gut ausdrückt, um das Geringste zu sagen, nicht darauf berechnet sind, den Gedanken des Meuchelmords in dem Busen, in den er einmal eingedrungen ist, wieder zu ersticken. Hätte sich der Versuch vor einigen Monaten zugetragen, als die Tory-Blätter und Tory-Redner noch die Verabscheuung der Königin predigten, welcher schreckliche scheinbare Einklang würde zwischen dem Verbrechen und den darauf hinausgehenden Verleumdungen stattgefunden haben! Die Worte Oxfords, daß er ein Weib für nicht würdig halte über England zu regieren, ist nur die gelinde Wiederholung eines im letzten Sommer von dem Quarterly Review abgehandelten Arguments." - Der Examiner macht sich sodann noch über die Maaßregel lustig, welche die Polizei ergriff, um Oxford am Donnerstag Morgen unbeschädigt durch das Volksgedränge vom Stationshause nach dem Staatssecretariat des Innern zu bringen, nämlich sie ließ ihn, ohne Handschellen, sich sachte aus dem Hause schleichen, und dann, sowie er Gardiner's Lane erreicht hatte, sich in vollem Laufe nach dem Secretariat in Bewegung setzen. Der Verbrecher lief vornweg, die beiden Inspectoren Pierce und Hughes liefen hintendrein, und so gelangten sie alle drei, allerdings außer Athem, aber sonst ohne Beschädigung, vor dem geheimen Rathe an. "Es fehlte nur noch, sagt der Examiner, daß man fortan auch die Verurtheilten auf ähnliche Weise dem Galgen zulaufen ließe." Der Standard spricht seine Ueberzeugung aus, daß der Mord vorausbedacht gewesen sey. "Der Platz - die Waffen - die That selbst - zeigen, daß der junge Verbrecher mit dem festen Vorsatze hingegangen sey, seine Fürstin zu ermorden; doch läßt sich nicht vermuthen, daß er unter vernünftigen Männern Mitschuldige habe. Kluge Verschworne würden weder einem Knaben seines Alters und Standes die Ausführung eines so ungeheuern Verbrechens noch seiner Discretion ihr eignes Leben vertraut haben, wie sie es doch thun mußten, wenn sie ihn zu dieser Ausführung verpflichteten. Zwar hat man ein Verzeichniß von Namen, das man für das einer geheimen Gesellschaft hielt, einige Kappen und rothe Bandschleifen, ein Schwert, Pulver und Kugeln in der Wohnung des Mörders gefunden; doch kann man nicht glauben, daß seine Genossen, wenn er deren hat, weit über seinen Stand, und vor Allem, viel älter als er sind. Männer werden sich in solche gefährliche Unternehmungen mit Knaben nicht einlassen. Ueber die möglichen Folgen des Vorfalls zu grübeln ist unnütz; doch ist es keineswegs eine angenehme Erfahrung, daß Knaben jetzt eine andere, selbstständigere Rolle in den großen Städten spielen wollen, als sonst ihnen erlaubt war: sie füllen jetzt unsere Gefängnisse als die gewöhnlichsten Agenten der Verbrecher. Und hier sind die der untern Classe des Volks angehörigen weit schlechter jetzt als sie es früher waren. Wohl mögen mehrere Ursachen dabei mitwirken; doch ist die Beschäftigung der Kinder schon in früher Jugend in Fabriken und dergl., wodurch sie zeitig der traditionellen und jeder andern tüchtigen Erziehung entzogen werden, eine der Hauptursachen dieses Verfalls der heranwachsenden armen Classe. Demnächst ist es die Verachtung der Erfahrung der ältern Personen, welche von den Aposteln des "Zeitgeistes" und "Fortschritts des Geistes" so eifrig gelehrt ward. Doch sey das wie es wolle, es ist wenigstens tröstlich, daß das Verbrechen von einem Knaben und nicht einem Manne verübt worden ist. - Aber welcher Mann könnte auch seine Hand gegen das liebenswürdige junge Weib an ihres Gatten Seite erheben, wenn sie auch nicht eine Königin wäre?" Frankreich. Paris, 16 Jun. Dem Journal du Commerce zufolge wird General Graf Durosnel nach erfolgter amtlicher Notification vom Tode des Königs von Preußen im Auftrag des Königs nach Berlin abgehen, um den neuen König zu becomplimentiren. Eine andere Person mit hohem Titel soll sich mit einer politischen Sendung dahin verfügen. Ihr Name wird nicht genannt, aber versichert, sie habe diese Mission keineswegs von dem Ministerpräsidenten erhalten. Die Mitglieder der ministeriellen linken Seite hielten am 13 Jun. bei dem Restaurateur Very im Palais Royal unter Odilon-Barrots Vorsitz ein splendides Gastmahl. Im Gegensatz zu der radicalen oder reformistischen Linken hatte man beschlossen, daß keine einzige Rede gehalten, noch irgend ein Toast ausgebracht werden sollte, weßhalb auch (wie das Journal des Debats ironisch bemerkt), unter den Gästen bis zum letzten Augenblick die rührendste Eintracht herrschte. In Bezug auf die Sitzung der Pairskammer vom 15 Jun. erwähnen wir noch, daß die Rede des Grafen Boissy über den Krieg in Algier, die er, vom Präsidenten verhindert, nicht vollenden konnte, die allgemeine Mißbilligung der Kammer erfuhr, und obgleich die folgenden Redner, mit Ausnahme des Kriegsministers, der den Tadel eines Feldzugs vor seiner Beendigung nicht billigen konnte und das Versprechen gab, Alles zu thun, was den gerechten Forderungen Genüge leisten könnte, keineswegs ihre Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Stande der Colonien ganz verbergen konnten, so sprachen sie doch sämmtlich für den Gesetzesvorschlag der Regierung. Die Beendigung der Discussion wurde sodann auf Antrag des Grafen Dejean auf den folgenden Tag verschoben.
Der Central-Criminalgerichtshof (central criminal court), der nun sowohl über Courvoisiers als Oxfords Anklage zu entscheiden hat, wird seine Sitzungen am nächsten Montag eröffnen. Die Gesammtzahl der Angeklagten beläuft sich auf 300. Courvoisiers Proceß wird wahrscheinlich nächste Woche vorkommen; der Oxfords schwerlich vor zwei bis drei Wochen. – Ueber den Mordversuch des letzteren theilen wir unsern Lesern noch folgende Stelle aus dem Examiner mit. „Was immer auch der Beweggrund zum Verbrechen gewesen seyn mag, so wird es, hoffen wir, für die Feinde der Königin unter den Tories eine Warnung seyn, sich fortan gewisser verläumderischer Ausfälle zu enthalten, die, wie das M. Chronicle sich gut ausdrückt, um das Geringste zu sagen, nicht darauf berechnet sind, den Gedanken des Meuchelmords in dem Busen, in den er einmal eingedrungen ist, wieder zu ersticken. Hätte sich der Versuch vor einigen Monaten zugetragen, als die Tory-Blätter und Tory-Redner noch die Verabscheuung der Königin predigten, welcher schreckliche scheinbare Einklang würde zwischen dem Verbrechen und den darauf hinausgehenden Verleumdungen stattgefunden haben! Die Worte Oxfords, daß er ein Weib für nicht würdig halte über England zu regieren, ist nur die gelinde Wiederholung eines im letzten Sommer von dem Quarterly Review abgehandelten Arguments.“ – Der Examiner macht sich sodann noch über die Maaßregel lustig, welche die Polizei ergriff, um Oxford am Donnerstag Morgen unbeschädigt durch das Volksgedränge vom Stationshause nach dem Staatssecretariat des Innern zu bringen, nämlich sie ließ ihn, ohne Handschellen, sich sachte aus dem Hause schleichen, und dann, sowie er Gardiner's Lane erreicht hatte, sich in vollem Laufe nach dem Secretariat in Bewegung setzen. Der Verbrecher lief vornweg, die beiden Inspectoren Pierce und Hughes liefen hintendrein, und so gelangten sie alle drei, allerdings außer Athem, aber sonst ohne Beschädigung, vor dem geheimen Rathe an. „Es fehlte nur noch, sagt der Examiner, daß man fortan auch die Verurtheilten auf ähnliche Weise dem Galgen zulaufen ließe.“ Der Standard spricht seine Ueberzeugung aus, daß der Mord vorausbedacht gewesen sey. „Der Platz – die Waffen – die That selbst – zeigen, daß der junge Verbrecher mit dem festen Vorsatze hingegangen sey, seine Fürstin zu ermorden; doch läßt sich nicht vermuthen, daß er unter vernünftigen Männern Mitschuldige habe. Kluge Verschworne würden weder einem Knaben seines Alters und Standes die Ausführung eines so ungeheuern Verbrechens noch seiner Discretion ihr eignes Leben vertraut haben, wie sie es doch thun mußten, wenn sie ihn zu dieser Ausführung verpflichteten. Zwar hat man ein Verzeichniß von Namen, das man für das einer geheimen Gesellschaft hielt, einige Kappen und rothe Bandschleifen, ein Schwert, Pulver und Kugeln in der Wohnung des Mörders gefunden; doch kann man nicht glauben, daß seine Genossen, wenn er deren hat, weit über seinen Stand, und vor Allem, viel älter als er sind. Männer werden sich in solche gefährliche Unternehmungen mit Knaben nicht einlassen. Ueber die möglichen Folgen des Vorfalls zu grübeln ist unnütz; doch ist es keineswegs eine angenehme Erfahrung, daß Knaben jetzt eine andere, selbstständigere Rolle in den großen Städten spielen wollen, als sonst ihnen erlaubt war: sie füllen jetzt unsere Gefängnisse als die gewöhnlichsten Agenten der Verbrecher. Und hier sind die der untern Classe des Volks angehörigen weit schlechter jetzt als sie es früher waren. Wohl mögen mehrere Ursachen dabei mitwirken; doch ist die Beschäftigung der Kinder schon in früher Jugend in Fabriken und dergl., wodurch sie zeitig der traditionellen und jeder andern tüchtigen Erziehung entzogen werden, eine der Hauptursachen dieses Verfalls der heranwachsenden armen Classe. Demnächst ist es die Verachtung der Erfahrung der ältern Personen, welche von den Aposteln des „Zeitgeistes“ und „Fortschritts des Geistes“ so eifrig gelehrt ward. Doch sey das wie es wolle, es ist wenigstens tröstlich, daß das Verbrechen von einem Knaben und nicht einem Manne verübt worden ist. – Aber welcher Mann könnte auch seine Hand gegen das liebenswürdige junge Weib an ihres Gatten Seite erheben, wenn sie auch nicht eine Königin wäre?“ Frankreich. Paris, 16 Jun. Dem Journal du Commerce zufolge wird General Graf Durosnel nach erfolgter amtlicher Notification vom Tode des Königs von Preußen im Auftrag des Königs nach Berlin abgehen, um den neuen König zu becomplimentiren. 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In Bezug auf die Sitzung der Pairskammer vom 15 Jun. erwähnen wir noch, daß die Rede des Grafen Boissy über den Krieg in Algier, die er, vom Präsidenten verhindert, nicht vollenden konnte, die allgemeine Mißbilligung der Kammer erfuhr, und obgleich die folgenden Redner, mit Ausnahme des Kriegsministers, der den Tadel eines Feldzugs vor seiner Beendigung nicht billigen konnte und das Versprechen gab, Alles zu thun, was den gerechten Forderungen Genüge leisten könnte, keineswegs ihre Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Stande der Colonien ganz verbergen konnten, so sprachen sie doch sämmtlich für den Gesetzesvorschlag der Regierung. Die Beendigung der Discussion wurde sodann auf Antrag des Grafen Dejean auf den folgenden Tag verschoben. <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0004" n="1379"/><lb/> Schreier nicht zur Ordnung verwiesen, Hr. O'Connell sich seiner Ausdrücke mit Recht bedient hätte. Dagegen verlangen Lord Maidstone und Sir R. Inglis den Widerruf des Worts „beastly.“ Das ganze Haus ist in großer Verwirrung, in welcher sich zuletzt Sir B. <hi rendition="#g">Hall</hi> (bisher ministerielles Mitglied) erhebt, um zu erklären, daß er nicht gesonnen sey, an einer factiosen Opposition, wie die des Hrn. O'Connell, deren Hauptargumentation in beständig wiederholtem Antragen auf Vertagung bestehe, fürdern Antheil zu nehmen. Lord John Russell wiederholt hierauf noch einmal, daß er am Montag trotz des Antrags Lord Stanley's mit Vortrag der Regierungsangelegenheiten fortfahren werde. – Am 12, Morgens, hat dann, in Folge eines von Lord John Russell ergangenen Circulars, eine Versammlung aller ministeriellen Mitglieder – gegen 200 – auf dem Staatssecretariat des Auswärtigen stattgefunden, ohne Zweifel, um sich über die nächsten wegen der Stanley-Bill zu ergreifenden Maaßregeln zu verständigen. – Noch Erwähnung verdient ein (im Courier veröffentlichter) Brief des Hrn. <hi rendition="#g">Ainsworth</hi> an den Mayor seines Wahlfleckens Bolton, in welchem sich das im ministeriellen Sinne gewählte Mitglied über seine zu Gunsten der Stanley'schen Bill abgelegte Stimme zu rechtfertigen sucht.</p><lb/> <p>Der Central-Criminalgerichtshof (central criminal court), der nun sowohl über Courvoisiers als Oxfords Anklage zu entscheiden hat, wird seine Sitzungen am nächsten Montag eröffnen. Die Gesammtzahl der Angeklagten beläuft sich auf 300. Courvoisiers Proceß wird wahrscheinlich nächste Woche vorkommen; der Oxfords schwerlich vor zwei bis drei Wochen. – Ueber den Mordversuch des letzteren theilen wir unsern Lesern noch folgende Stelle aus dem <hi rendition="#g">Examiner</hi> mit. „Was immer auch der Beweggrund zum Verbrechen gewesen seyn mag, so wird es, hoffen wir, für die Feinde der Königin unter den Tories eine Warnung seyn, sich fortan gewisser verläumderischer Ausfälle zu enthalten, die, wie das M. Chronicle sich gut ausdrückt, um das Geringste zu sagen, nicht darauf berechnet sind, den Gedanken des Meuchelmords in dem Busen, in den er einmal eingedrungen ist, wieder zu ersticken. Hätte sich der Versuch vor einigen Monaten zugetragen, als die Tory-Blätter und Tory-Redner noch die Verabscheuung der Königin predigten, welcher schreckliche scheinbare Einklang würde zwischen dem Verbrechen und den darauf hinausgehenden Verleumdungen stattgefunden haben! Die Worte Oxfords, daß er ein Weib für nicht würdig halte über England zu regieren, ist nur die gelinde Wiederholung eines im letzten Sommer von dem Quarterly Review abgehandelten Arguments.“ – Der <hi rendition="#g">Examiner</hi> macht sich sodann noch über die Maaßregel lustig, welche die Polizei ergriff, um Oxford am Donnerstag Morgen unbeschädigt durch das Volksgedränge vom Stationshause nach dem Staatssecretariat des Innern zu bringen, nämlich sie ließ ihn, ohne Handschellen, sich sachte aus dem Hause schleichen, und dann, sowie er Gardiner's Lane erreicht hatte, sich in vollem Laufe nach dem Secretariat in Bewegung setzen. Der Verbrecher lief vornweg, die beiden Inspectoren Pierce und Hughes liefen hintendrein, und so gelangten sie alle drei, allerdings außer Athem, aber sonst ohne Beschädigung, vor dem geheimen Rathe an. „Es fehlte nur noch, sagt der Examiner, daß man fortan auch die Verurtheilten auf ähnliche Weise dem Galgen zulaufen ließe.“</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Standard</hi> spricht seine Ueberzeugung aus, daß der Mord vorausbedacht gewesen sey. „Der Platz – die Waffen – die That selbst – zeigen, daß der junge Verbrecher mit dem festen Vorsatze hingegangen sey, seine Fürstin zu ermorden; doch läßt sich nicht vermuthen, daß er unter vernünftigen Männern Mitschuldige habe. Kluge Verschworne würden weder einem Knaben seines Alters und Standes die Ausführung eines so ungeheuern Verbrechens noch seiner Discretion ihr eignes Leben vertraut haben, wie sie es doch thun mußten, wenn sie ihn zu dieser Ausführung verpflichteten. Zwar hat man ein Verzeichniß von Namen, das man für das einer geheimen Gesellschaft hielt, einige Kappen und rothe Bandschleifen, ein Schwert, Pulver und Kugeln in der Wohnung des Mörders gefunden; doch kann man nicht glauben, daß seine Genossen, wenn er deren hat, weit über seinen Stand, und vor Allem, viel älter als er sind. <hi rendition="#g">Männer</hi> werden sich in solche gefährliche Unternehmungen mit <hi rendition="#g">Knaben</hi> nicht einlassen. Ueber die möglichen Folgen des Vorfalls zu grübeln ist unnütz; doch ist es keineswegs eine angenehme Erfahrung, daß Knaben jetzt eine andere, selbstständigere Rolle in den großen Städten spielen wollen, als sonst ihnen erlaubt war: sie füllen jetzt unsere Gefängnisse als die gewöhnlichsten Agenten der Verbrecher. Und hier sind die der untern Classe des Volks angehörigen weit schlechter jetzt als sie es früher waren. Wohl mögen mehrere Ursachen dabei mitwirken; doch ist die Beschäftigung der Kinder schon in früher Jugend in Fabriken und dergl., wodurch sie zeitig der traditionellen und jeder andern tüchtigen Erziehung entzogen werden, eine der Hauptursachen dieses Verfalls der heranwachsenden armen Classe. Demnächst ist es die Verachtung der Erfahrung der ältern Personen, welche von den Aposteln des „Zeitgeistes“ und „Fortschritts des Geistes“ so eifrig gelehrt ward. 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Die Beendigung der Discussion wurde sodann auf Antrag des Grafen Dejean auf den folgenden Tag verschoben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1379/0004]
Schreier nicht zur Ordnung verwiesen, Hr. O'Connell sich seiner Ausdrücke mit Recht bedient hätte. Dagegen verlangen Lord Maidstone und Sir R. Inglis den Widerruf des Worts „beastly.“ Das ganze Haus ist in großer Verwirrung, in welcher sich zuletzt Sir B. Hall (bisher ministerielles Mitglied) erhebt, um zu erklären, daß er nicht gesonnen sey, an einer factiosen Opposition, wie die des Hrn. O'Connell, deren Hauptargumentation in beständig wiederholtem Antragen auf Vertagung bestehe, fürdern Antheil zu nehmen. Lord John Russell wiederholt hierauf noch einmal, daß er am Montag trotz des Antrags Lord Stanley's mit Vortrag der Regierungsangelegenheiten fortfahren werde. – Am 12, Morgens, hat dann, in Folge eines von Lord John Russell ergangenen Circulars, eine Versammlung aller ministeriellen Mitglieder – gegen 200 – auf dem Staatssecretariat des Auswärtigen stattgefunden, ohne Zweifel, um sich über die nächsten wegen der Stanley-Bill zu ergreifenden Maaßregeln zu verständigen. – Noch Erwähnung verdient ein (im Courier veröffentlichter) Brief des Hrn. Ainsworth an den Mayor seines Wahlfleckens Bolton, in welchem sich das im ministeriellen Sinne gewählte Mitglied über seine zu Gunsten der Stanley'schen Bill abgelegte Stimme zu rechtfertigen sucht.
Der Central-Criminalgerichtshof (central criminal court), der nun sowohl über Courvoisiers als Oxfords Anklage zu entscheiden hat, wird seine Sitzungen am nächsten Montag eröffnen. Die Gesammtzahl der Angeklagten beläuft sich auf 300. Courvoisiers Proceß wird wahrscheinlich nächste Woche vorkommen; der Oxfords schwerlich vor zwei bis drei Wochen. – Ueber den Mordversuch des letzteren theilen wir unsern Lesern noch folgende Stelle aus dem Examiner mit. „Was immer auch der Beweggrund zum Verbrechen gewesen seyn mag, so wird es, hoffen wir, für die Feinde der Königin unter den Tories eine Warnung seyn, sich fortan gewisser verläumderischer Ausfälle zu enthalten, die, wie das M. Chronicle sich gut ausdrückt, um das Geringste zu sagen, nicht darauf berechnet sind, den Gedanken des Meuchelmords in dem Busen, in den er einmal eingedrungen ist, wieder zu ersticken. Hätte sich der Versuch vor einigen Monaten zugetragen, als die Tory-Blätter und Tory-Redner noch die Verabscheuung der Königin predigten, welcher schreckliche scheinbare Einklang würde zwischen dem Verbrechen und den darauf hinausgehenden Verleumdungen stattgefunden haben! Die Worte Oxfords, daß er ein Weib für nicht würdig halte über England zu regieren, ist nur die gelinde Wiederholung eines im letzten Sommer von dem Quarterly Review abgehandelten Arguments.“ – Der Examiner macht sich sodann noch über die Maaßregel lustig, welche die Polizei ergriff, um Oxford am Donnerstag Morgen unbeschädigt durch das Volksgedränge vom Stationshause nach dem Staatssecretariat des Innern zu bringen, nämlich sie ließ ihn, ohne Handschellen, sich sachte aus dem Hause schleichen, und dann, sowie er Gardiner's Lane erreicht hatte, sich in vollem Laufe nach dem Secretariat in Bewegung setzen. Der Verbrecher lief vornweg, die beiden Inspectoren Pierce und Hughes liefen hintendrein, und so gelangten sie alle drei, allerdings außer Athem, aber sonst ohne Beschädigung, vor dem geheimen Rathe an. „Es fehlte nur noch, sagt der Examiner, daß man fortan auch die Verurtheilten auf ähnliche Weise dem Galgen zulaufen ließe.“
Der Standard spricht seine Ueberzeugung aus, daß der Mord vorausbedacht gewesen sey. „Der Platz – die Waffen – die That selbst – zeigen, daß der junge Verbrecher mit dem festen Vorsatze hingegangen sey, seine Fürstin zu ermorden; doch läßt sich nicht vermuthen, daß er unter vernünftigen Männern Mitschuldige habe. Kluge Verschworne würden weder einem Knaben seines Alters und Standes die Ausführung eines so ungeheuern Verbrechens noch seiner Discretion ihr eignes Leben vertraut haben, wie sie es doch thun mußten, wenn sie ihn zu dieser Ausführung verpflichteten. Zwar hat man ein Verzeichniß von Namen, das man für das einer geheimen Gesellschaft hielt, einige Kappen und rothe Bandschleifen, ein Schwert, Pulver und Kugeln in der Wohnung des Mörders gefunden; doch kann man nicht glauben, daß seine Genossen, wenn er deren hat, weit über seinen Stand, und vor Allem, viel älter als er sind. Männer werden sich in solche gefährliche Unternehmungen mit Knaben nicht einlassen. Ueber die möglichen Folgen des Vorfalls zu grübeln ist unnütz; doch ist es keineswegs eine angenehme Erfahrung, daß Knaben jetzt eine andere, selbstständigere Rolle in den großen Städten spielen wollen, als sonst ihnen erlaubt war: sie füllen jetzt unsere Gefängnisse als die gewöhnlichsten Agenten der Verbrecher. Und hier sind die der untern Classe des Volks angehörigen weit schlechter jetzt als sie es früher waren. Wohl mögen mehrere Ursachen dabei mitwirken; doch ist die Beschäftigung der Kinder schon in früher Jugend in Fabriken und dergl., wodurch sie zeitig der traditionellen und jeder andern tüchtigen Erziehung entzogen werden, eine der Hauptursachen dieses Verfalls der heranwachsenden armen Classe. Demnächst ist es die Verachtung der Erfahrung der ältern Personen, welche von den Aposteln des „Zeitgeistes“ und „Fortschritts des Geistes“ so eifrig gelehrt ward. Doch sey das wie es wolle, es ist wenigstens tröstlich, daß das Verbrechen von einem Knaben und nicht einem Manne verübt worden ist. – Aber welcher Mann könnte auch seine Hand gegen das liebenswürdige junge Weib an ihres Gatten Seite erheben, wenn sie auch nicht eine Königin wäre?“
Frankreich.
Paris, 16 Jun.
Dem Journal du Commerce zufolge wird General Graf Durosnel nach erfolgter amtlicher Notification vom Tode des Königs von Preußen im Auftrag des Königs nach Berlin abgehen, um den neuen König zu becomplimentiren. Eine andere Person mit hohem Titel soll sich mit einer politischen Sendung dahin verfügen. Ihr Name wird nicht genannt, aber versichert, sie habe diese Mission keineswegs von dem Ministerpräsidenten erhalten.
Die Mitglieder der ministeriellen linken Seite hielten am 13 Jun. bei dem Restaurateur Véry im Palais Royal unter Odilon-Barrots Vorsitz ein splendides Gastmahl. Im Gegensatz zu der radicalen oder reformistischen Linken hatte man beschlossen, daß keine einzige Rede gehalten, noch irgend ein Toast ausgebracht werden sollte, weßhalb auch (wie das Journal des Débats ironisch bemerkt), unter den Gästen bis zum letzten Augenblick die rührendste Eintracht herrschte.
In Bezug auf die Sitzung der Pairskammer vom 15 Jun. erwähnen wir noch, daß die Rede des Grafen Boissy über den Krieg in Algier, die er, vom Präsidenten verhindert, nicht vollenden konnte, die allgemeine Mißbilligung der Kammer erfuhr, und obgleich die folgenden Redner, mit Ausnahme des Kriegsministers, der den Tadel eines Feldzugs vor seiner Beendigung nicht billigen konnte und das Versprechen gab, Alles zu thun, was den gerechten Forderungen Genüge leisten könnte, keineswegs ihre Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Stande der Colonien ganz verbergen konnten, so sprachen sie doch sämmtlich für den Gesetzesvorschlag der Regierung. Die Beendigung der Discussion wurde sodann auf Antrag des Grafen Dejean auf den folgenden Tag verschoben.
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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