Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 174. Augsburg, 22. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

ihre Schuld tief herab, der Ausbruch würde sie entwerthen, oder, wie ein Bankier sagte, "die sich als Reiche zu Bette legten, würden als Arme aufstehen, ohne daß darum ein einziger Armer reich geworden." Diese Macht also wird fortdauernd ihre Beiwirkung jeder Maaßnahme entziehen, durch ihre Weigerung aber sie hemmen, die durch Entzündung neuer Kämpfe die Schatzkammer verbrennen würde, in der die Staatsschulden, die Staatspapiere mit Zinsen und Zinseszinsen, Banken und Creditanstalten, Renten- und Versicherungsbureaux verwahrt und eingefriedigt sind. Die Völker, die Starken wie die Schwachen sind in dieser Arche eingeschifft; sie stehen unter der Leitung der Steuermänner, welchen der Gott Mammon das goldene Steuer für alle großen Bewegungen in die Hand gegeben hat, wenn auch das stählerne in königlicher geblieben ist. Die Furcht eines europäischen Bankerutts ist die magische Gewalt, welche der Klugheit der leitenden Häuptlinge und dem allgemeinen Willen der Völker in der Wahrung der socialen Ordnung von Europa zu Hülfe kommt.

Setzen wir hinzu, daß von den drei Großmächten, welche zunächst den Zusammenstoß herbeiführen könnten, jede bereits in Schwierigkeiten und Hemmungen in einer Weise verwickelt ist, die sie den Zuwachs neuer Gefahr als ein Ungemach zu betrachten nöthigen, dem man auf jede Art vorbeugen und selbst mit Aufopferung entgehen muß. England hat außer den ernsten Schwierigkeiten im Innern die Verwicklung mit Nordamerika zu schlichten und den Krieg mit China zu bestehen; Frankreich die Entfaltung der anarchischen Macht der Parteien und die Waffen der Araber in Afrika zu bekämpfen, und Rußland sieht sich, trotz dem thörichten pentarchischen Gerede über seine steigende Furchtbarkeit von einem andauernden Schiffbruch seiner Unternehmungen umgeben. Es sieht seinen Einfluß in Serbien und Griechenland erschüttert, und entzieht sich den Werkzeugen, die es gebraucht hätte. Es sieht seine Bundesgenossen im mittlern Asien auf der Flucht oder im Gefängniß, seine Festungen am schwarzen Meer durch die Tscherkessen bedrängt, seine Kriegsschaaren auf dem Wege nach Chiwa gehemmt und den Gegner seiner Macht in Herat, Bochara und Chiwa mit seinem Einfluß und seiner Macht festgesetzt, ehe es selbst an einem dieser Punkte erscheinen konnte; ja selbst der Schah von Persien ist unter seinem Schutz dem Untergang nahe gebracht - in der That eine Kette von Ereignissen, die auch den Uebermüthigen und Hoffärtigen zur Besonnenheit und Gefügigkeit stimmen könnte. Es hat also, wenn in allem diesem kein Zufall waltet, die Vorsehung in den genannten Verwicklungen den zu Katastrophen und Krieg drängenden Ereignissen ein starkes Gegengewicht entgegengehängt, dadurch aber die Möglichkeit gegeben, auf friedlichem Wege durch Vermittlung und durch Waltenlassen des Unvermeidlichen das Chaos zu ordnen und zu lösen, das menschlicher Vernunft, zumal der in Protokollen, Noten und Manifesten enthaltenen, zu lösen unmöglich war. Wir meinen damit nicht, daß die Gefahr besiegt sey, sie liegt im Gegentheil unbesiegbar in den genannten Verhängnissen, und man darf nur auf gewissen Wegen fortgehen, weder rechts noch links sehen, so wird man ganz bestimmt zum Kriege kommen. Was wir bemerken wollten, war allein, daß die Nothwendigkeit des Krieges durch die Nothwendigkeit des Friedens im Gleichgewicht gehalten werde, so lange nicht Verblendung und Thorheit ihr lastendes Pfund in die Wage des Krieges wirft.

Um aber auf den Anfang unserer Erwägung zurückzugehen, und den Punkt aufzufassen, der sich jenem Anfang anschließt, sey noch dieses gesagt: folgt der neue Monarch, den die Vorsehung auf einen Thron (welcher die Regierung des großen Kurfürsten und des einzigen Friedrich, und aus der neuesten Zeit die verhängnißvollen Zahlen 1806 und 1813, die Schule des Unglücks und des Glücks, zu Leitsternen hat) in dem Augenblick ruft, wo die zerstörenden Geister der großen Weltereignisse von den erhaltenden noch gebannt und in Fesseln gehalten werden - folgt er, wie die am wenigsten zweifeln, die ihm näher standen und ihn zu würdigen im Stande waren (Zeugniß die Verkündigungen des edeln und tiefblickenden Niebuhr von ihm!), dem bessern Genius der Zeit und seines Volks, das nur durch freie Entfaltung geistiger und sittlicher Kräfte sich behaupten wird, weil jede Macht nur durch dieselben Kräfte und Eigenschaften erhalten werden kann, durch welche sie gegründet wurde; achtet er auf die ernste Stimme, die ihm aus dem Grabe des Vaters zuruft, sich vor den Täuschungen des Neuern nicht allein, sondern in gleicher Weise vor dem übermäßigen Festhalten am Alten zu wahren; erkennt er und thut er, wie das öffentliche Vertrauen, das seinen Anfang und Ausgang umgibt, mit einer innern Entschiedenheit erwartet, die den König und sein Volk gleich ehrt, was durch die Lage von Europa, von Deutschland, von Preußen geboten ist; und geht er in Folge davon von der negativen Abwehr, in welcher während der letzten Jahre Preußen begriffen war, zur That über, welche Schlimmes nicht duldet, es mag seinem Volke von Freund oder Feind geboten werden, welche dahin trachtet, die Macht mit der Freiheit, die Intelligenz mit dem Glauben, das Recht mit dem Vorrecht zu versöhnen, das erschütterte Vertrauen in seinem Bestand herzustellen, übermäßige Ansprüche auf kirchlichem Gebiet in ihre Schranken zu weisen, und mit der Unabhängigkeit der Gewissen die Rechtsgleichheit der Confessionen zu wahren: in Summe die innere Einheit unserer großen Nation durch Befriedigung ihrer gerechten Forderungen und durch Erfüllung ihrer vernünftigen Hoffnungen zu gründen und zu wahren, so wird dem Gesammtvaterlande der Deutschen die Bestimmung, unter den Schirmern der europäischen Ordnung und unter den Schiedsrichtern internationaler Ehre und Würde nicht zu unterst zu sitzen, für die Zukunft gesichert bleiben. Die großen Jahre von Deutschland sind dann nicht vergeblich gewesen, und wir wissen, warum nach den verhängnißvollen Säcularjahren der preußischen Monarchie 1540, 1640, 1740, Friedrich Wilhelm IV - 1840 den Thron besteigt, gerade ein Jahrhundert nach Friedrich dem Großen, und in den Tagen, wo man daran ging, endlich diesem Gründer der neuen Zeit, die durch ihn auf Heldenmuth, Intelligenz und Geistesfähigkeit gebaut wurde, in seiner Hauptstadt und unter den Trophäen seiner Regierung ein Denkmal zu errichten, dadurch aber der Schuld zu gedenken, die man ihm schuldet, und der Verpflichtungen, welche ma durch ihn gegen Europa und Deutschland, gegen Alles was die neuere Zeit groß und würdig macht, überkommen hat.

Cousin über Graf Santa Rosa.

(Beschluß.)

Als ich die erwähnten beiden Briefe bei meiner Rückkehr von Berlin vorfand, und zu gleicher Zeit erfuhr, daß Santa-Rosa seinen Entschluß ausgeführt habe, daß die ägyptische Armee nach Morea eingeschifft worden, und daß Santa-Rosa vor ihr stehe, sagte ich zu dem Freunde, welcher mir diese beiden Briefe zugestellt hatte, nur die Worte: "Er wird den Tod suchen; gebe Gott, daß er zu dieser Stunde noch lebt!" und sogleich that ich Alles, um ihn zu retten. Ich schrieb ohne Verzug an Hrn. Orlando, griechischen Gesandten in London, welcher von seiner Regierung beauftragt war, über die Sendung europäischer Officiere nach Griechenland zu unterhandeln, um ihn aufzufordern, auf der Stelle einen Brief von mir an Santa-Rosa,

ihre Schuld tief herab, der Ausbruch würde sie entwerthen, oder, wie ein Bankier sagte, „die sich als Reiche zu Bette legten, würden als Arme aufstehen, ohne daß darum ein einziger Armer reich geworden.“ Diese Macht also wird fortdauernd ihre Beiwirkung jeder Maaßnahme entziehen, durch ihre Weigerung aber sie hemmen, die durch Entzündung neuer Kämpfe die Schatzkammer verbrennen würde, in der die Staatsschulden, die Staatspapiere mit Zinsen und Zinseszinsen, Banken und Creditanstalten, Renten- und Versicherungsbureaux verwahrt und eingefriedigt sind. Die Völker, die Starken wie die Schwachen sind in dieser Arche eingeschifft; sie stehen unter der Leitung der Steuermänner, welchen der Gott Mammon das goldene Steuer für alle großen Bewegungen in die Hand gegeben hat, wenn auch das stählerne in königlicher geblieben ist. Die Furcht eines europäischen Bankerutts ist die magische Gewalt, welche der Klugheit der leitenden Häuptlinge und dem allgemeinen Willen der Völker in der Wahrung der socialen Ordnung von Europa zu Hülfe kommt.

Setzen wir hinzu, daß von den drei Großmächten, welche zunächst den Zusammenstoß herbeiführen könnten, jede bereits in Schwierigkeiten und Hemmungen in einer Weise verwickelt ist, die sie den Zuwachs neuer Gefahr als ein Ungemach zu betrachten nöthigen, dem man auf jede Art vorbeugen und selbst mit Aufopferung entgehen muß. England hat außer den ernsten Schwierigkeiten im Innern die Verwicklung mit Nordamerika zu schlichten und den Krieg mit China zu bestehen; Frankreich die Entfaltung der anarchischen Macht der Parteien und die Waffen der Araber in Afrika zu bekämpfen, und Rußland sieht sich, trotz dem thörichten pentarchischen Gerede über seine steigende Furchtbarkeit von einem andauernden Schiffbruch seiner Unternehmungen umgeben. Es sieht seinen Einfluß in Serbien und Griechenland erschüttert, und entzieht sich den Werkzeugen, die es gebraucht hätte. Es sieht seine Bundesgenossen im mittlern Asien auf der Flucht oder im Gefängniß, seine Festungen am schwarzen Meer durch die Tscherkessen bedrängt, seine Kriegsschaaren auf dem Wege nach Chiwa gehemmt und den Gegner seiner Macht in Herat, Bochara und Chiwa mit seinem Einfluß und seiner Macht festgesetzt, ehe es selbst an einem dieser Punkte erscheinen konnte; ja selbst der Schah von Persien ist unter seinem Schutz dem Untergang nahe gebracht – in der That eine Kette von Ereignissen, die auch den Uebermüthigen und Hoffärtigen zur Besonnenheit und Gefügigkeit stimmen könnte. Es hat also, wenn in allem diesem kein Zufall waltet, die Vorsehung in den genannten Verwicklungen den zu Katastrophen und Krieg drängenden Ereignissen ein starkes Gegengewicht entgegengehängt, dadurch aber die Möglichkeit gegeben, auf friedlichem Wege durch Vermittlung und durch Waltenlassen des Unvermeidlichen das Chaos zu ordnen und zu lösen, das menschlicher Vernunft, zumal der in Protokollen, Noten und Manifesten enthaltenen, zu lösen unmöglich war. Wir meinen damit nicht, daß die Gefahr besiegt sey, sie liegt im Gegentheil unbesiegbar in den genannten Verhängnissen, und man darf nur auf gewissen Wegen fortgehen, weder rechts noch links sehen, so wird man ganz bestimmt zum Kriege kommen. Was wir bemerken wollten, war allein, daß die Nothwendigkeit des Krieges durch die Nothwendigkeit des Friedens im Gleichgewicht gehalten werde, so lange nicht Verblendung und Thorheit ihr lastendes Pfund in die Wage des Krieges wirft.

Um aber auf den Anfang unserer Erwägung zurückzugehen, und den Punkt aufzufassen, der sich jenem Anfang anschließt, sey noch dieses gesagt: folgt der neue Monarch, den die Vorsehung auf einen Thron (welcher die Regierung des großen Kurfürsten und des einzigen Friedrich, und aus der neuesten Zeit die verhängnißvollen Zahlen 1806 und 1813, die Schule des Unglücks und des Glücks, zu Leitsternen hat) in dem Augenblick ruft, wo die zerstörenden Geister der großen Weltereignisse von den erhaltenden noch gebannt und in Fesseln gehalten werden – folgt er, wie die am wenigsten zweifeln, die ihm näher standen und ihn zu würdigen im Stande waren (Zeugniß die Verkündigungen des edeln und tiefblickenden Niebuhr von ihm!), dem bessern Genius der Zeit und seines Volks, das nur durch freie Entfaltung geistiger und sittlicher Kräfte sich behaupten wird, weil jede Macht nur durch dieselben Kräfte und Eigenschaften erhalten werden kann, durch welche sie gegründet wurde; achtet er auf die ernste Stimme, die ihm aus dem Grabe des Vaters zuruft, sich vor den Täuschungen des Neuern nicht allein, sondern in gleicher Weise vor dem übermäßigen Festhalten am Alten zu wahren; erkennt er und thut er, wie das öffentliche Vertrauen, das seinen Anfang und Ausgang umgibt, mit einer innern Entschiedenheit erwartet, die den König und sein Volk gleich ehrt, was durch die Lage von Europa, von Deutschland, von Preußen geboten ist; und geht er in Folge davon von der negativen Abwehr, in welcher während der letzten Jahre Preußen begriffen war, zur That über, welche Schlimmes nicht duldet, es mag seinem Volke von Freund oder Feind geboten werden, welche dahin trachtet, die Macht mit der Freiheit, die Intelligenz mit dem Glauben, das Recht mit dem Vorrecht zu versöhnen, das erschütterte Vertrauen in seinem Bestand herzustellen, übermäßige Ansprüche auf kirchlichem Gebiet in ihre Schranken zu weisen, und mit der Unabhängigkeit der Gewissen die Rechtsgleichheit der Confessionen zu wahren: in Summe die innere Einheit unserer großen Nation durch Befriedigung ihrer gerechten Forderungen und durch Erfüllung ihrer vernünftigen Hoffnungen zu gründen und zu wahren, so wird dem Gesammtvaterlande der Deutschen die Bestimmung, unter den Schirmern der europäischen Ordnung und unter den Schiedsrichtern internationaler Ehre und Würde nicht zu unterst zu sitzen, für die Zukunft gesichert bleiben. Die großen Jahre von Deutschland sind dann nicht vergeblich gewesen, und wir wissen, warum nach den verhängnißvollen Säcularjahren der preußischen Monarchie 1540, 1640, 1740, Friedrich Wilhelm IV – 1840 den Thron besteigt, gerade ein Jahrhundert nach Friedrich dem Großen, und in den Tagen, wo man daran ging, endlich diesem Gründer der neuen Zeit, die durch ihn auf Heldenmuth, Intelligenz und Geistesfähigkeit gebaut wurde, in seiner Hauptstadt und unter den Trophäen seiner Regierung ein Denkmal zu errichten, dadurch aber der Schuld zu gedenken, die man ihm schuldet, und der Verpflichtungen, welche ma durch ihn gegen Europa und Deutschland, gegen Alles was die neuere Zeit groß und würdig macht, überkommen hat.

Cousin über Graf Santa Rosa.

(Beschluß.)

Als ich die erwähnten beiden Briefe bei meiner Rückkehr von Berlin vorfand, und zu gleicher Zeit erfuhr, daß Santa-Rosa seinen Entschluß ausgeführt habe, daß die ägyptische Armee nach Morea eingeschifft worden, und daß Santa-Rosa vor ihr stehe, sagte ich zu dem Freunde, welcher mir diese beiden Briefe zugestellt hatte, nur die Worte: „Er wird den Tod suchen; gebe Gott, daß er zu dieser Stunde noch lebt!“ und sogleich that ich Alles, um ihn zu retten. Ich schrieb ohne Verzug an Hrn. Orlando, griechischen Gesandten in London, welcher von seiner Regierung beauftragt war, über die Sendung europäischer Officiere nach Griechenland zu unterhandeln, um ihn aufzufordern, auf der Stelle einen Brief von mir an Santa-Rosa,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0011" n="1387"/>
ihre Schuld tief herab, der Ausbruch würde sie entwerthen, oder, wie ein Bankier sagte, &#x201E;die sich als Reiche zu Bette legten, würden als Arme aufstehen, ohne daß darum ein einziger Armer reich geworden.&#x201C; Diese Macht also wird fortdauernd ihre Beiwirkung jeder Maaßnahme entziehen, durch ihre Weigerung aber sie hemmen, die durch Entzündung neuer Kämpfe die Schatzkammer verbrennen würde, in der die Staatsschulden, die Staatspapiere mit Zinsen und Zinseszinsen, Banken und Creditanstalten, Renten- und Versicherungsbureaux verwahrt und eingefriedigt sind. Die Völker, die Starken wie die Schwachen sind in dieser Arche eingeschifft; sie stehen unter der Leitung der Steuermänner, welchen der Gott <hi rendition="#g">Mammon</hi> das <hi rendition="#g">goldene</hi> Steuer für alle großen Bewegungen in die Hand gegeben hat, wenn auch das stählerne in königlicher geblieben ist. Die Furcht eines europäischen Bankerutts ist die magische Gewalt, welche der Klugheit der leitenden Häuptlinge und dem allgemeinen Willen der Völker in der Wahrung der socialen Ordnung von Europa zu Hülfe kommt.</p><lb/>
        <p>Setzen wir hinzu, daß von den drei Großmächten, welche zunächst den Zusammenstoß herbeiführen könnten, jede bereits in Schwierigkeiten und Hemmungen in einer Weise verwickelt ist, die sie den Zuwachs neuer Gefahr als ein Ungemach zu betrachten nöthigen, dem man auf jede Art vorbeugen und selbst mit Aufopferung entgehen muß. England hat außer den ernsten Schwierigkeiten im Innern die Verwicklung mit Nordamerika zu schlichten und den Krieg mit China zu bestehen; Frankreich die Entfaltung der anarchischen Macht der Parteien und die Waffen der Araber in Afrika zu bekämpfen, und Rußland sieht sich, trotz dem thörichten pentarchischen Gerede über seine steigende Furchtbarkeit von einem andauernden Schiffbruch seiner Unternehmungen umgeben. Es sieht seinen Einfluß in Serbien und Griechenland erschüttert, und entzieht sich den Werkzeugen, die es gebraucht hätte. Es sieht seine Bundesgenossen im mittlern Asien auf der Flucht oder im Gefängniß, seine Festungen am schwarzen Meer durch die Tscherkessen bedrängt, seine Kriegsschaaren auf dem Wege nach Chiwa gehemmt und den Gegner seiner Macht in Herat, Bochara und Chiwa mit seinem Einfluß und seiner Macht festgesetzt, ehe es selbst an einem dieser Punkte erscheinen konnte; ja selbst der Schah von Persien ist unter seinem Schutz dem Untergang nahe gebracht &#x2013; in der That eine Kette von Ereignissen, die auch den Uebermüthigen und Hoffärtigen zur Besonnenheit und Gefügigkeit stimmen könnte. Es hat also, wenn in allem diesem kein Zufall waltet, die Vorsehung in den genannten Verwicklungen den zu Katastrophen und Krieg drängenden Ereignissen ein starkes Gegengewicht entgegengehängt, dadurch aber die Möglichkeit gegeben, auf friedlichem Wege durch Vermittlung und durch Waltenlassen des Unvermeidlichen das Chaos zu ordnen und zu lösen, das menschlicher Vernunft, zumal der in Protokollen, Noten und Manifesten enthaltenen, zu lösen unmöglich war. Wir meinen damit nicht, daß die Gefahr besiegt sey, sie liegt im Gegentheil unbesiegbar in den genannten Verhängnissen, und man darf nur auf gewissen Wegen fortgehen, weder rechts noch links sehen, so wird man ganz bestimmt zum Kriege kommen. Was wir bemerken wollten, war allein, daß die Nothwendigkeit des Krieges durch die Nothwendigkeit des Friedens im Gleichgewicht gehalten werde, so lange nicht Verblendung und Thorheit ihr lastendes Pfund in die Wage des Krieges wirft.</p><lb/>
        <p>Um aber auf den Anfang unserer Erwägung zurückzugehen, und den Punkt aufzufassen, der sich jenem Anfang anschließt, sey noch dieses gesagt: folgt der neue Monarch, den die Vorsehung auf einen Thron (welcher die Regierung des großen Kurfürsten und des einzigen Friedrich, und aus der neuesten Zeit die verhängnißvollen Zahlen 1806 und 1813, die Schule des Unglücks und des Glücks, zu Leitsternen hat) in dem Augenblick ruft, wo die zerstörenden Geister der großen Weltereignisse von den erhaltenden noch gebannt und in Fesseln gehalten werden &#x2013; folgt er, wie die am wenigsten zweifeln, die ihm näher standen und ihn zu würdigen im Stande waren (Zeugniß die Verkündigungen des edeln und tiefblickenden Niebuhr von ihm!), dem bessern Genius der Zeit und seines Volks, das nur durch freie Entfaltung geistiger und sittlicher Kräfte sich behaupten wird, weil jede Macht nur durch dieselben Kräfte und Eigenschaften erhalten werden kann, durch welche sie gegründet wurde; achtet er auf die ernste Stimme, die ihm aus dem Grabe des Vaters zuruft, sich vor den Täuschungen des Neuern nicht allein, sondern in gleicher Weise vor dem übermäßigen Festhalten am Alten zu wahren; erkennt er und thut er, wie das öffentliche Vertrauen, das seinen Anfang und Ausgang umgibt, mit einer innern Entschiedenheit erwartet, die den König und sein Volk gleich ehrt, was durch die Lage von Europa, von Deutschland, von Preußen geboten ist; und geht er in Folge davon von der negativen Abwehr, in welcher während der letzten Jahre Preußen begriffen war, zur That über, welche Schlimmes nicht duldet, es mag seinem Volke von Freund oder Feind geboten werden, welche dahin trachtet, die Macht mit der Freiheit, die Intelligenz mit dem Glauben, das Recht mit dem Vorrecht zu versöhnen, das erschütterte Vertrauen in seinem Bestand herzustellen, übermäßige Ansprüche auf kirchlichem Gebiet in ihre Schranken zu weisen, und mit der Unabhängigkeit der Gewissen die Rechtsgleichheit der Confessionen zu wahren: in Summe die innere Einheit unserer großen Nation durch Befriedigung ihrer gerechten Forderungen und durch Erfüllung ihrer vernünftigen Hoffnungen zu gründen und zu wahren, so wird dem Gesammtvaterlande der Deutschen die Bestimmung, unter den Schirmern der europäischen Ordnung und unter den Schiedsrichtern internationaler Ehre und Würde <hi rendition="#g">nicht</hi> zu unterst zu sitzen, für die Zukunft gesichert bleiben. Die großen Jahre von Deutschland sind dann nicht vergeblich gewesen, und wir wissen, warum nach den verhängnißvollen Säcularjahren der preußischen Monarchie 1540, 1640, 1740, Friedrich Wilhelm IV &#x2013; 1840 den Thron besteigt, gerade ein Jahrhundert nach Friedrich dem Großen, und in den Tagen, wo man daran ging, endlich diesem Gründer der neuen Zeit, die durch ihn auf Heldenmuth, Intelligenz und Geistesfähigkeit gebaut wurde, in seiner Hauptstadt und unter den Trophäen seiner Regierung ein Denkmal zu errichten, dadurch aber der Schuld zu gedenken, die man ihm schuldet, und der Verpflichtungen, welche ma durch ihn gegen Europa und Deutschland, gegen Alles was die neuere Zeit groß und würdig macht, überkommen hat.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Cousin über Graf Santa Rosa</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>(Beschluß.)</p><lb/>
        <p>Als ich die erwähnten beiden Briefe bei meiner Rückkehr von Berlin vorfand, und zu gleicher Zeit erfuhr, daß Santa-Rosa seinen Entschluß ausgeführt habe, daß die ägyptische Armee nach Morea eingeschifft worden, und daß Santa-Rosa vor ihr stehe, sagte ich zu dem Freunde, welcher mir diese beiden Briefe zugestellt hatte, nur die Worte: &#x201E;Er wird den Tod suchen; gebe Gott, daß er zu dieser Stunde noch lebt!&#x201C; und sogleich that ich Alles, um ihn zu retten. Ich schrieb ohne Verzug an Hrn. Orlando, griechischen Gesandten in London, welcher von seiner Regierung beauftragt war, über die Sendung europäischer Officiere nach Griechenland zu unterhandeln, um ihn aufzufordern, auf der Stelle einen Brief von mir an Santa-Rosa,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1387/0011] ihre Schuld tief herab, der Ausbruch würde sie entwerthen, oder, wie ein Bankier sagte, „die sich als Reiche zu Bette legten, würden als Arme aufstehen, ohne daß darum ein einziger Armer reich geworden.“ Diese Macht also wird fortdauernd ihre Beiwirkung jeder Maaßnahme entziehen, durch ihre Weigerung aber sie hemmen, die durch Entzündung neuer Kämpfe die Schatzkammer verbrennen würde, in der die Staatsschulden, die Staatspapiere mit Zinsen und Zinseszinsen, Banken und Creditanstalten, Renten- und Versicherungsbureaux verwahrt und eingefriedigt sind. Die Völker, die Starken wie die Schwachen sind in dieser Arche eingeschifft; sie stehen unter der Leitung der Steuermänner, welchen der Gott Mammon das goldene Steuer für alle großen Bewegungen in die Hand gegeben hat, wenn auch das stählerne in königlicher geblieben ist. Die Furcht eines europäischen Bankerutts ist die magische Gewalt, welche der Klugheit der leitenden Häuptlinge und dem allgemeinen Willen der Völker in der Wahrung der socialen Ordnung von Europa zu Hülfe kommt. Setzen wir hinzu, daß von den drei Großmächten, welche zunächst den Zusammenstoß herbeiführen könnten, jede bereits in Schwierigkeiten und Hemmungen in einer Weise verwickelt ist, die sie den Zuwachs neuer Gefahr als ein Ungemach zu betrachten nöthigen, dem man auf jede Art vorbeugen und selbst mit Aufopferung entgehen muß. England hat außer den ernsten Schwierigkeiten im Innern die Verwicklung mit Nordamerika zu schlichten und den Krieg mit China zu bestehen; Frankreich die Entfaltung der anarchischen Macht der Parteien und die Waffen der Araber in Afrika zu bekämpfen, und Rußland sieht sich, trotz dem thörichten pentarchischen Gerede über seine steigende Furchtbarkeit von einem andauernden Schiffbruch seiner Unternehmungen umgeben. Es sieht seinen Einfluß in Serbien und Griechenland erschüttert, und entzieht sich den Werkzeugen, die es gebraucht hätte. Es sieht seine Bundesgenossen im mittlern Asien auf der Flucht oder im Gefängniß, seine Festungen am schwarzen Meer durch die Tscherkessen bedrängt, seine Kriegsschaaren auf dem Wege nach Chiwa gehemmt und den Gegner seiner Macht in Herat, Bochara und Chiwa mit seinem Einfluß und seiner Macht festgesetzt, ehe es selbst an einem dieser Punkte erscheinen konnte; ja selbst der Schah von Persien ist unter seinem Schutz dem Untergang nahe gebracht – in der That eine Kette von Ereignissen, die auch den Uebermüthigen und Hoffärtigen zur Besonnenheit und Gefügigkeit stimmen könnte. Es hat also, wenn in allem diesem kein Zufall waltet, die Vorsehung in den genannten Verwicklungen den zu Katastrophen und Krieg drängenden Ereignissen ein starkes Gegengewicht entgegengehängt, dadurch aber die Möglichkeit gegeben, auf friedlichem Wege durch Vermittlung und durch Waltenlassen des Unvermeidlichen das Chaos zu ordnen und zu lösen, das menschlicher Vernunft, zumal der in Protokollen, Noten und Manifesten enthaltenen, zu lösen unmöglich war. Wir meinen damit nicht, daß die Gefahr besiegt sey, sie liegt im Gegentheil unbesiegbar in den genannten Verhängnissen, und man darf nur auf gewissen Wegen fortgehen, weder rechts noch links sehen, so wird man ganz bestimmt zum Kriege kommen. Was wir bemerken wollten, war allein, daß die Nothwendigkeit des Krieges durch die Nothwendigkeit des Friedens im Gleichgewicht gehalten werde, so lange nicht Verblendung und Thorheit ihr lastendes Pfund in die Wage des Krieges wirft. Um aber auf den Anfang unserer Erwägung zurückzugehen, und den Punkt aufzufassen, der sich jenem Anfang anschließt, sey noch dieses gesagt: folgt der neue Monarch, den die Vorsehung auf einen Thron (welcher die Regierung des großen Kurfürsten und des einzigen Friedrich, und aus der neuesten Zeit die verhängnißvollen Zahlen 1806 und 1813, die Schule des Unglücks und des Glücks, zu Leitsternen hat) in dem Augenblick ruft, wo die zerstörenden Geister der großen Weltereignisse von den erhaltenden noch gebannt und in Fesseln gehalten werden – folgt er, wie die am wenigsten zweifeln, die ihm näher standen und ihn zu würdigen im Stande waren (Zeugniß die Verkündigungen des edeln und tiefblickenden Niebuhr von ihm!), dem bessern Genius der Zeit und seines Volks, das nur durch freie Entfaltung geistiger und sittlicher Kräfte sich behaupten wird, weil jede Macht nur durch dieselben Kräfte und Eigenschaften erhalten werden kann, durch welche sie gegründet wurde; achtet er auf die ernste Stimme, die ihm aus dem Grabe des Vaters zuruft, sich vor den Täuschungen des Neuern nicht allein, sondern in gleicher Weise vor dem übermäßigen Festhalten am Alten zu wahren; erkennt er und thut er, wie das öffentliche Vertrauen, das seinen Anfang und Ausgang umgibt, mit einer innern Entschiedenheit erwartet, die den König und sein Volk gleich ehrt, was durch die Lage von Europa, von Deutschland, von Preußen geboten ist; und geht er in Folge davon von der negativen Abwehr, in welcher während der letzten Jahre Preußen begriffen war, zur That über, welche Schlimmes nicht duldet, es mag seinem Volke von Freund oder Feind geboten werden, welche dahin trachtet, die Macht mit der Freiheit, die Intelligenz mit dem Glauben, das Recht mit dem Vorrecht zu versöhnen, das erschütterte Vertrauen in seinem Bestand herzustellen, übermäßige Ansprüche auf kirchlichem Gebiet in ihre Schranken zu weisen, und mit der Unabhängigkeit der Gewissen die Rechtsgleichheit der Confessionen zu wahren: in Summe die innere Einheit unserer großen Nation durch Befriedigung ihrer gerechten Forderungen und durch Erfüllung ihrer vernünftigen Hoffnungen zu gründen und zu wahren, so wird dem Gesammtvaterlande der Deutschen die Bestimmung, unter den Schirmern der europäischen Ordnung und unter den Schiedsrichtern internationaler Ehre und Würde nicht zu unterst zu sitzen, für die Zukunft gesichert bleiben. Die großen Jahre von Deutschland sind dann nicht vergeblich gewesen, und wir wissen, warum nach den verhängnißvollen Säcularjahren der preußischen Monarchie 1540, 1640, 1740, Friedrich Wilhelm IV – 1840 den Thron besteigt, gerade ein Jahrhundert nach Friedrich dem Großen, und in den Tagen, wo man daran ging, endlich diesem Gründer der neuen Zeit, die durch ihn auf Heldenmuth, Intelligenz und Geistesfähigkeit gebaut wurde, in seiner Hauptstadt und unter den Trophäen seiner Regierung ein Denkmal zu errichten, dadurch aber der Schuld zu gedenken, die man ihm schuldet, und der Verpflichtungen, welche ma durch ihn gegen Europa und Deutschland, gegen Alles was die neuere Zeit groß und würdig macht, überkommen hat. Cousin über Graf Santa Rosa. (Beschluß.) Als ich die erwähnten beiden Briefe bei meiner Rückkehr von Berlin vorfand, und zu gleicher Zeit erfuhr, daß Santa-Rosa seinen Entschluß ausgeführt habe, daß die ägyptische Armee nach Morea eingeschifft worden, und daß Santa-Rosa vor ihr stehe, sagte ich zu dem Freunde, welcher mir diese beiden Briefe zugestellt hatte, nur die Worte: „Er wird den Tod suchen; gebe Gott, daß er zu dieser Stunde noch lebt!“ und sogleich that ich Alles, um ihn zu retten. Ich schrieb ohne Verzug an Hrn. Orlando, griechischen Gesandten in London, welcher von seiner Regierung beauftragt war, über die Sendung europäischer Officiere nach Griechenland zu unterhandeln, um ihn aufzufordern, auf der Stelle einen Brief von mir an Santa-Rosa,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_174_18400622
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_174_18400622/11
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 174. Augsburg, 22. Juni 1840, S. 1387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_174_18400622/11>, abgerufen am 03.12.2024.