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Allgemeine Zeitung. Nr. 174. Augsburg, 22. Juni 1840.

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Die Weltlage beim Tode König Friedrich Wilhelm III.

Am 7 Junius hat die Vorsehung den letzten der Fünfherrscher vom Leben abgerufen, den einzigen, welcher aus jenem Bunde noch übrig war, der die Napoleonisch-französische Uebermacht gebrochen und auf den Sieg wie auf die Eintracht unter seinen Gliedern den europäischen Frieden gegründet hatte. Mit ihm, seiner in großen Schicksalen erstarkten Weisheit und Erfahrung, mit seiner der Vermittelung alter und neuer Zeit geneigten Gesinnung, mit seiner Gerechtigkeit, Standhaftigkeit, Frömmigkeit und Milde ist ein großer Hort der neuen Ordnung in das Grab gesenkt worden, die er zu gründen und zu wahren die größte Hälfte seiner verhängnißvollen Regierung bemüht gewesen ist. Die Trauer von Europa umsteht seine Gruft, um zu gedenken des Wechsels menschlicher Schicksale, die ihn getroffen, der Leiden und Prüfungen, die er mit Männlichkeit ertragen, der Erfolge, die ihm durch seine Standhaftigkeit und die Erfahrung seines Volkes zu Theil geworden, der weisen Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, mit der er seit 1830 sich in dem Kampf der Parteien klar, fest, sich selber treu behauptet, vor Allem aber des obersten Lenkers des menschlichen Geschlechts, der sein Walten auch in diesem vielbewegten Leben geoffenbart hat.

Derselbe Tag bringt und erhebet wiederum
Ein Jedes, was den Menschen ehrt. Die Guten nur
Sind lieb den Göttern; doch den Frevler hassen sie.

Schließt sich mit ihm, schließt sich mit 1840 der 1789 begonnene große Zeitraum, in welchem die erste Hälfte mit Erschütterungen des Kriegs ohne Beispiel seit dem dreißigjährigen, und die zweite Hälfte mit den Segnungen eines Friedens ohne Beispiel in der Weltgeschichte erfüllt war, und müssen wir weil andere Zeiten und Menschen andere Bedürfnisse und Gesinnungen auf die Bühne der Welt bringen, uns darein fügen, den alten Gegensatz der menschlichen Dinge wieder hervortreten, und neue Katastrophen beginnen zu sehen, oder ist die gegenwärtige neue Zeit noch von den Lehren, der Einsicht, den Bestrebungen der vergangenen sattsam durchdrungen, um von ihnen bestimmt in ihrem Geist, und besser als sie ein oft unterbrochenes und geändertes Werk nun nach Einem Plane beharrlich fortzusetzen und zu endigen? Das ist wohl die geziemendste Betrachtung, mit welcher wir uns von dem Grabe Friedrich Wilhelm III, von dem Schmerz über seinen Verlust und von der Erinnerung an seine Schicksale und Tugenden zu der Gegenwart wenden, um sie über unsere Zukunft zu befragen.

Diese Gegenwart aber, die sich in ihren bestimmenden und leitenden Häuptlingen die Aufgabe setzt, mit der europäischen Ordnung den auf sie gegründeten Frieden zu wahren, ist sie, mit dieser ihrer Aufgabe als identisch gedacht, nicht gerade jetzt zur Unmöglichkeit geworden, da sie von Unmöglichkeiten umgeben und aus ihnen zusammengesetzt ist, und diese nie deutlicher hervortraten, als eben jetzt? Voran steht die Unmöglichkeit einer europäischen Lösung der orientalischen Frage. Sie ist durch die Antipathien der französischen und englischen Interessen auf jenem Gebiete eben jetzt deutlicher als je an das Licht gestellt, dadurch aber die Auflösung des türkischen Reiches beschleunigt, und der Moment näher gerückt worden, wo jeder nach dem greifen wird, was ihm am gelegensten ist.

Daran reiht sich die Unmöglichkeit, den innern Zerfall des persischen Reichs, der Schöpfung Feth-Ali Schahs, mit einem elenden König aufrecht zu halten, der schon jetzt nicht über die Mauern der Stadt hinausgebietet, in der er sich zufällig aufhält. Mit ihr aber scheint auf dem Gebiete des mittlern Asiens die Unvermeidlichkeit eines europäischen Zusammenstoßes so unabwendbar bedingt, wie auf dem Gebiete Vorderasiens. Damit aber auch der schlimmen Dinge dreie seyen, so schließt sich an jene zwei die Unmöglichkeit mit dem chinesischen Reich länger auf einem leidlichen Fuß zu leben. Sie ist durch die Ereignisse von Canton und die neuen Maaßregeln "des Sohnes des Himmels" nicht weniger klar denn die früheren geworden, durch sie aber in unmittelbare Aussicht ein Kampf gestellt, umfassender als irgend ein anderer, weil der Besitz größer ist, über welchen gestritten wird, und während England dorthin eine auch für stärkern Widerstand furchtbare Seemacht sendet, stärkt, wie halbverhallende Nachrichten der Engländer melden, Rußland am Amur seine Stellungen und Streitkräfte, um, wenn das "himmlische Reich" erschüttert und der Thron der Mandschu-Tataren in Peking zertrümmert wird, den Norden des kolossalen Gebietes zu überziehen. Wie? wird diese einem Todeskampf gleiche Bewegung, die zur selben Zeit den ganzen asiatischen Continent, das vordere, das mittlere und das hintere Asien ergreift und durchdringt, Ländermassen, in welchen alle europäischen Interessen, vor Allem aber Größe und Sicherheit der beiden europäischen Hauptmächte so tief verweht sind - wird sie nicht schon jetzt wie ein Erdbeben des europäischen Grundes und Bodens erfunden, und wird dieses nicht in den nächsten Stunden so sehr an Stärke zunehmen, daß der auf die Siege und Verträge von 1814 und 1815 errichtete Dom seiner neuen Dämonen, Altäre und Mysterien, bis in den Grundbau gespaltet wird? Man nehme dazu, was sich gegenüber derselben Aufgabe, den europäischen Frieden zu wahren, in Europa selbst in gleicher Weise weit klarer denn je herausstellt: vor Allem in Frankreich die Unmöglichkeit für Ludwig Philipp ein Ministerium seiner persönlichen und auf jenen Frieden gegründeten Politik zu behaupten, die ihn zum ersten März d. i. zu Hrn. Thiers geführt hat. Kann "das Kind der Revolution," der Zögling ihres politischen Fatalismus, seinen Ursprung verläugnen, ist er nicht vielmehr schon jetzt durch die Nothwendigkeit seiner Lage dahingedrängt, zu seiner Hülfe und Stärkung den großen Schatten des Kaisers aus der Gruft auf dem umflutheten Felsen des Weltmeers hervorzubeschwören, und drängt nicht hinter diesem das waffenrasselnde Ungethüm des Bonapartismus heran und klopft an die Pforten von Frankreich, rüttelt an den Gränzmarken gegen Rhein und Alpen und erfüllt den friedliebenden Theil des Volkes mit dem Grauen vor der Wiederkehr der Ereignisse, unter deren Schlägen Frankreich vor 25 Jahren verblutete? Wird die Verwahrung des 26 Mai gegen ihn, d. i. die Weigerung der Kammer, durch ihre Zustimmung den Uebermuth des Säbels zu kräftigen, wird die Abneigung des Volks, dasjenige was die Kammer weigerte aus seinem Beutel zu ersetzen, eine sattsame Lehre für die Ungeduldigen, die nach unserem Land und Gut Begierigen, für die Ehrgeizigen und Propagandisten der Republik, der Legitimität und des Bonapartismus, oder auch nur für die politischen Rechenmeister seyn, die den Betrag der kriegerischen Leidenschaften bei dem Gewicht Frankreichs in Ansatz bringen und darum in das Uebermaaß steigen - wird diese heilsame Zurückstoßung stark genug

Die Weltlage beim Tode König Friedrich Wilhelm III.

Am 7 Junius hat die Vorsehung den letzten der Fünfherrscher vom Leben abgerufen, den einzigen, welcher aus jenem Bunde noch übrig war, der die Napoleonisch-französische Uebermacht gebrochen und auf den Sieg wie auf die Eintracht unter seinen Gliedern den europäischen Frieden gegründet hatte. Mit ihm, seiner in großen Schicksalen erstarkten Weisheit und Erfahrung, mit seiner der Vermittelung alter und neuer Zeit geneigten Gesinnung, mit seiner Gerechtigkeit, Standhaftigkeit, Frömmigkeit und Milde ist ein großer Hort der neuen Ordnung in das Grab gesenkt worden, die er zu gründen und zu wahren die größte Hälfte seiner verhängnißvollen Regierung bemüht gewesen ist. Die Trauer von Europa umsteht seine Gruft, um zu gedenken des Wechsels menschlicher Schicksale, die ihn getroffen, der Leiden und Prüfungen, die er mit Männlichkeit ertragen, der Erfolge, die ihm durch seine Standhaftigkeit und die Erfahrung seines Volkes zu Theil geworden, der weisen Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, mit der er seit 1830 sich in dem Kampf der Parteien klar, fest, sich selber treu behauptet, vor Allem aber des obersten Lenkers des menschlichen Geschlechts, der sein Walten auch in diesem vielbewegten Leben geoffenbart hat.

Derselbe Tag bringt und erhebet wiederum
Ein Jedes, was den Menschen ehrt. Die Guten nur
Sind lieb den Göttern; doch den Frevler hassen sie.

Schließt sich mit ihm, schließt sich mit 1840 der 1789 begonnene große Zeitraum, in welchem die erste Hälfte mit Erschütterungen des Kriegs ohne Beispiel seit dem dreißigjährigen, und die zweite Hälfte mit den Segnungen eines Friedens ohne Beispiel in der Weltgeschichte erfüllt war, und müssen wir weil andere Zeiten und Menschen andere Bedürfnisse und Gesinnungen auf die Bühne der Welt bringen, uns darein fügen, den alten Gegensatz der menschlichen Dinge wieder hervortreten, und neue Katastrophen beginnen zu sehen, oder ist die gegenwärtige neue Zeit noch von den Lehren, der Einsicht, den Bestrebungen der vergangenen sattsam durchdrungen, um von ihnen bestimmt in ihrem Geist, und besser als sie ein oft unterbrochenes und geändertes Werk nun nach Einem Plane beharrlich fortzusetzen und zu endigen? Das ist wohl die geziemendste Betrachtung, mit welcher wir uns von dem Grabe Friedrich Wilhelm III, von dem Schmerz über seinen Verlust und von der Erinnerung an seine Schicksale und Tugenden zu der Gegenwart wenden, um sie über unsere Zukunft zu befragen.

Diese Gegenwart aber, die sich in ihren bestimmenden und leitenden Häuptlingen die Aufgabe setzt, mit der europäischen Ordnung den auf sie gegründeten Frieden zu wahren, ist sie, mit dieser ihrer Aufgabe als identisch gedacht, nicht gerade jetzt zur Unmöglichkeit geworden, da sie von Unmöglichkeiten umgeben und aus ihnen zusammengesetzt ist, und diese nie deutlicher hervortraten, als eben jetzt? Voran steht die Unmöglichkeit einer europäischen Lösung der orientalischen Frage. Sie ist durch die Antipathien der französischen und englischen Interessen auf jenem Gebiete eben jetzt deutlicher als je an das Licht gestellt, dadurch aber die Auflösung des türkischen Reiches beschleunigt, und der Moment näher gerückt worden, wo jeder nach dem greifen wird, was ihm am gelegensten ist.

Daran reiht sich die Unmöglichkeit, den innern Zerfall des persischen Reichs, der Schöpfung Feth-Ali Schahs, mit einem elenden König aufrecht zu halten, der schon jetzt nicht über die Mauern der Stadt hinausgebietet, in der er sich zufällig aufhält. Mit ihr aber scheint auf dem Gebiete des mittlern Asiens die Unvermeidlichkeit eines europäischen Zusammenstoßes so unabwendbar bedingt, wie auf dem Gebiete Vorderasiens. Damit aber auch der schlimmen Dinge dreie seyen, so schließt sich an jene zwei die Unmöglichkeit mit dem chinesischen Reich länger auf einem leidlichen Fuß zu leben. Sie ist durch die Ereignisse von Canton und die neuen Maaßregeln „des Sohnes des Himmels“ nicht weniger klar denn die früheren geworden, durch sie aber in unmittelbare Aussicht ein Kampf gestellt, umfassender als irgend ein anderer, weil der Besitz größer ist, über welchen gestritten wird, und während England dorthin eine auch für stärkern Widerstand furchtbare Seemacht sendet, stärkt, wie halbverhallende Nachrichten der Engländer melden, Rußland am Amur seine Stellungen und Streitkräfte, um, wenn das „himmlische Reich“ erschüttert und der Thron der Mandschu-Tataren in Peking zertrümmert wird, den Norden des kolossalen Gebietes zu überziehen. Wie? wird diese einem Todeskampf gleiche Bewegung, die zur selben Zeit den ganzen asiatischen Continent, das vordere, das mittlere und das hintere Asien ergreift und durchdringt, Ländermassen, in welchen alle europäischen Interessen, vor Allem aber Größe und Sicherheit der beiden europäischen Hauptmächte so tief verweht sind – wird sie nicht schon jetzt wie ein Erdbeben des europäischen Grundes und Bodens erfunden, und wird dieses nicht in den nächsten Stunden so sehr an Stärke zunehmen, daß der auf die Siege und Verträge von 1814 und 1815 errichtete Dom seiner neuen Dämonen, Altäre und Mysterien, bis in den Grundbau gespaltet wird? Man nehme dazu, was sich gegenüber derselben Aufgabe, den europäischen Frieden zu wahren, in Europa selbst in gleicher Weise weit klarer denn je herausstellt: vor Allem in Frankreich die Unmöglichkeit für Ludwig Philipp ein Ministerium seiner persönlichen und auf jenen Frieden gegründeten Politik zu behaupten, die ihn zum ersten März d. i. zu Hrn. Thiers geführt hat. Kann „das Kind der Revolution,“ der Zögling ihres politischen Fatalismus, seinen Ursprung verläugnen, ist er nicht vielmehr schon jetzt durch die Nothwendigkeit seiner Lage dahingedrängt, zu seiner Hülfe und Stärkung den großen Schatten des Kaisers aus der Gruft auf dem umflutheten Felsen des Weltmeers hervorzubeschwören, und drängt nicht hinter diesem das waffenrasselnde Ungethüm des Bonapartismus heran und klopft an die Pforten von Frankreich, rüttelt an den Gränzmarken gegen Rhein und Alpen und erfüllt den friedliebenden Theil des Volkes mit dem Grauen vor der Wiederkehr der Ereignisse, unter deren Schlägen Frankreich vor 25 Jahren verblutete? Wird die Verwahrung des 26 Mai gegen ihn, d. i. die Weigerung der Kammer, durch ihre Zustimmung den Uebermuth des Säbels zu kräftigen, wird die Abneigung des Volks, dasjenige was die Kammer weigerte aus seinem Beutel zu ersetzen, eine sattsame Lehre für die Ungeduldigen, die nach unserem Land und Gut Begierigen, für die Ehrgeizigen und Propagandisten der Republik, der Legitimität und des Bonapartismus, oder auch nur für die politischen Rechenmeister seyn, die den Betrag der kriegerischen Leidenschaften bei dem Gewicht Frankreichs in Ansatz bringen und darum in das Uebermaaß steigen – wird diese heilsame Zurückstoßung stark genug

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[1385/0009] Die Weltlage beim Tode König Friedrich Wilhelm III. Am 7 Junius hat die Vorsehung den letzten der Fünfherrscher vom Leben abgerufen, den einzigen, welcher aus jenem Bunde noch übrig war, der die Napoleonisch-französische Uebermacht gebrochen und auf den Sieg wie auf die Eintracht unter seinen Gliedern den europäischen Frieden gegründet hatte. Mit ihm, seiner in großen Schicksalen erstarkten Weisheit und Erfahrung, mit seiner der Vermittelung alter und neuer Zeit geneigten Gesinnung, mit seiner Gerechtigkeit, Standhaftigkeit, Frömmigkeit und Milde ist ein großer Hort der neuen Ordnung in das Grab gesenkt worden, die er zu gründen und zu wahren die größte Hälfte seiner verhängnißvollen Regierung bemüht gewesen ist. Die Trauer von Europa umsteht seine Gruft, um zu gedenken des Wechsels menschlicher Schicksale, die ihn getroffen, der Leiden und Prüfungen, die er mit Männlichkeit ertragen, der Erfolge, die ihm durch seine Standhaftigkeit und die Erfahrung seines Volkes zu Theil geworden, der weisen Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, mit der er seit 1830 sich in dem Kampf der Parteien klar, fest, sich selber treu behauptet, vor Allem aber des obersten Lenkers des menschlichen Geschlechts, der sein Walten auch in diesem vielbewegten Leben geoffenbart hat. Derselbe Tag bringt und erhebet wiederum Ein Jedes, was den Menschen ehrt. Die Guten nur Sind lieb den Göttern; doch den Frevler hassen sie. Schließt sich mit ihm, schließt sich mit 1840 der 1789 begonnene große Zeitraum, in welchem die erste Hälfte mit Erschütterungen des Kriegs ohne Beispiel seit dem dreißigjährigen, und die zweite Hälfte mit den Segnungen eines Friedens ohne Beispiel in der Weltgeschichte erfüllt war, und müssen wir weil andere Zeiten und Menschen andere Bedürfnisse und Gesinnungen auf die Bühne der Welt bringen, uns darein fügen, den alten Gegensatz der menschlichen Dinge wieder hervortreten, und neue Katastrophen beginnen zu sehen, oder ist die gegenwärtige neue Zeit noch von den Lehren, der Einsicht, den Bestrebungen der vergangenen sattsam durchdrungen, um von ihnen bestimmt in ihrem Geist, und besser als sie ein oft unterbrochenes und geändertes Werk nun nach Einem Plane beharrlich fortzusetzen und zu endigen? Das ist wohl die geziemendste Betrachtung, mit welcher wir uns von dem Grabe Friedrich Wilhelm III, von dem Schmerz über seinen Verlust und von der Erinnerung an seine Schicksale und Tugenden zu der Gegenwart wenden, um sie über unsere Zukunft zu befragen. Diese Gegenwart aber, die sich in ihren bestimmenden und leitenden Häuptlingen die Aufgabe setzt, mit der europäischen Ordnung den auf sie gegründeten Frieden zu wahren, ist sie, mit dieser ihrer Aufgabe als identisch gedacht, nicht gerade jetzt zur Unmöglichkeit geworden, da sie von Unmöglichkeiten umgeben und aus ihnen zusammengesetzt ist, und diese nie deutlicher hervortraten, als eben jetzt? Voran steht die Unmöglichkeit einer europäischen Lösung der orientalischen Frage. Sie ist durch die Antipathien der französischen und englischen Interessen auf jenem Gebiete eben jetzt deutlicher als je an das Licht gestellt, dadurch aber die Auflösung des türkischen Reiches beschleunigt, und der Moment näher gerückt worden, wo jeder nach dem greifen wird, was ihm am gelegensten ist. Daran reiht sich die Unmöglichkeit, den innern Zerfall des persischen Reichs, der Schöpfung Feth-Ali Schahs, mit einem elenden König aufrecht zu halten, der schon jetzt nicht über die Mauern der Stadt hinausgebietet, in der er sich zufällig aufhält. Mit ihr aber scheint auf dem Gebiete des mittlern Asiens die Unvermeidlichkeit eines europäischen Zusammenstoßes so unabwendbar bedingt, wie auf dem Gebiete Vorderasiens. Damit aber auch der schlimmen Dinge dreie seyen, so schließt sich an jene zwei die Unmöglichkeit mit dem chinesischen Reich länger auf einem leidlichen Fuß zu leben. Sie ist durch die Ereignisse von Canton und die neuen Maaßregeln „des Sohnes des Himmels“ nicht weniger klar denn die früheren geworden, durch sie aber in unmittelbare Aussicht ein Kampf gestellt, umfassender als irgend ein anderer, weil der Besitz größer ist, über welchen gestritten wird, und während England dorthin eine auch für stärkern Widerstand furchtbare Seemacht sendet, stärkt, wie halbverhallende Nachrichten der Engländer melden, Rußland am Amur seine Stellungen und Streitkräfte, um, wenn das „himmlische Reich“ erschüttert und der Thron der Mandschu-Tataren in Peking zertrümmert wird, den Norden des kolossalen Gebietes zu überziehen. Wie? wird diese einem Todeskampf gleiche Bewegung, die zur selben Zeit den ganzen asiatischen Continent, das vordere, das mittlere und das hintere Asien ergreift und durchdringt, Ländermassen, in welchen alle europäischen Interessen, vor Allem aber Größe und Sicherheit der beiden europäischen Hauptmächte so tief verweht sind – wird sie nicht schon jetzt wie ein Erdbeben des europäischen Grundes und Bodens erfunden, und wird dieses nicht in den nächsten Stunden so sehr an Stärke zunehmen, daß der auf die Siege und Verträge von 1814 und 1815 errichtete Dom seiner neuen Dämonen, Altäre und Mysterien, bis in den Grundbau gespaltet wird? Man nehme dazu, was sich gegenüber derselben Aufgabe, den europäischen Frieden zu wahren, in Europa selbst in gleicher Weise weit klarer denn je herausstellt: vor Allem in Frankreich die Unmöglichkeit für Ludwig Philipp ein Ministerium seiner persönlichen und auf jenen Frieden gegründeten Politik zu behaupten, die ihn zum ersten März d. i. zu Hrn. Thiers geführt hat. Kann „das Kind der Revolution,“ der Zögling ihres politischen Fatalismus, seinen Ursprung verläugnen, ist er nicht vielmehr schon jetzt durch die Nothwendigkeit seiner Lage dahingedrängt, zu seiner Hülfe und Stärkung den großen Schatten des Kaisers aus der Gruft auf dem umflutheten Felsen des Weltmeers hervorzubeschwören, und drängt nicht hinter diesem das waffenrasselnde Ungethüm des Bonapartismus heran und klopft an die Pforten von Frankreich, rüttelt an den Gränzmarken gegen Rhein und Alpen und erfüllt den friedliebenden Theil des Volkes mit dem Grauen vor der Wiederkehr der Ereignisse, unter deren Schlägen Frankreich vor 25 Jahren verblutete? Wird die Verwahrung des 26 Mai gegen ihn, d. i. die Weigerung der Kammer, durch ihre Zustimmung den Uebermuth des Säbels zu kräftigen, wird die Abneigung des Volks, dasjenige was die Kammer weigerte aus seinem Beutel zu ersetzen, eine sattsame Lehre für die Ungeduldigen, die nach unserem Land und Gut Begierigen, für die Ehrgeizigen und Propagandisten der Republik, der Legitimität und des Bonapartismus, oder auch nur für die politischen Rechenmeister seyn, die den Betrag der kriegerischen Leidenschaften bei dem Gewicht Frankreichs in Ansatz bringen und darum in das Uebermaaß steigen – wird diese heilsame Zurückstoßung stark genug

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 174. Augsburg, 22. Juni 1840, S. 1385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_174_18400622/9>, abgerufen am 21.11.2024.