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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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Zufluchtsort gewährte, oder irgendein ausgezeichneter Räuber der
ephemeren Coalition seinen Namen lieh. 1)

Diese Räubermasse wurde aber noch gefährlich verstärkt durch
den Ausbruch einer bedeutenden Anzahl Haupträuber, welche im
Mai 1798 bei Gelegenheit eines zu Daden im Dillenburgischen
unternommenen Raubes gefangen 2) und nach Wesel verurtheilt
waren, von dort aber im Januar und Juli 1800 entsprangen und
sich zu ihren alten Kameraden wieder einfanden. Alle Greuel
und Gewaltthaten, mit welchen im vorigen Jahrzehnd die Terri-
torien des linken Rheinufers heimgesucht waren, wiederholten sich
wenn möglich in noch furchtbarerer und zahlreicherer Weise auf dem
rechten Ufer, sodaß das flache Land völlig preisgegeben und auch
in den Städten keine Sicherheit mehr vorhanden war. 3) Das

1) So sieht man den Picard, den Hampel hol mich als Hauptglieder
bald der Essendischen, bald der Neuwieder Bande. Ebenso befand sich Schin-
derhannes bald unter den Neuwiedern, bald unter seiner eigenen Bande, ebenso
Damian Hessel und die Gebrüder Harting; auch hatte Fetzer in Deutz und
auf der Neußer Furt, Peter Sprung bei Aachen eine Räubergruppe, die
alle immer wieder in die große Vereinigung zurücktraten und bald wieder in
andere wechselnde Gruppirungen ausliefen.
2) Dies Räuberunternehmen ist in mehr als einer Hinsicht merkwürdig.
Es war auf das Geld und die Kostbarkeiten des neuwieder Bankiers Bruck-
mann abgesehen, der in den Kriegsunruhen sein Vermögen zu seinem Schwie-
gervater Akts in Daden gebracht hatte. Die versuchtesten und gefährlichsten
Neuwieder und die Crefelder von der Neußer Furt hatten sich zusammen-
gethan, um unter Leitung des Adolf Weyers, Damian Hessel und Karl Heck-
mann den Raub zu vollbringen. Das gestürmte Haus des Akts fand sich
leer. Ohne weiteres stürmten die Räuber das nächste beste Haus eines Ein-
nehmers, der sich wacker vertheidigte, jedoch endlich überwältigt und beraubt
wurde. Gegen Morgen begann der Rückzug, und bei Tagesanbruch fand sich,
daß die Räuber bei einem dicken Nebel den Weg verfehlt hatten und in einem
Walde nahe bei Daden von tausend Bauern und französischem Militär um-
zingelt waren. Nach einem zweistündigen heldenmüthigen Kampfe wurden die
Räuber entwaffnet, gefangen und ihrer zwanzig nach Dillenburg und später
zur lebenslänglichen Festungsarbeit nach Wesel geführt, von wo sie, wie
oben erzählt, später entsprangen.
3) Eine Unzahl der frechsten Einbrüche werden im zweiten Theile der
"Actenmäßigen Geschichte der Rheinischen Räuberbanden" erzählt, worunter
die merkwürdigsten sind: zu Hundsangen (S. 221); zu Rösrath (S. 222);

Zufluchtsort gewährte, oder irgendein ausgezeichneter Räuber der
ephemeren Coalition ſeinen Namen lieh. 1)

Dieſe Räubermaſſe wurde aber noch gefährlich verſtärkt durch
den Ausbruch einer bedeutenden Anzahl Haupträuber, welche im
Mai 1798 bei Gelegenheit eines zu Daden im Dillenburgiſchen
unternommenen Raubes gefangen 2) und nach Weſel verurtheilt
waren, von dort aber im Januar und Juli 1800 entſprangen und
ſich zu ihren alten Kameraden wieder einfanden. Alle Greuel
und Gewaltthaten, mit welchen im vorigen Jahrzehnd die Terri-
torien des linken Rheinufers heimgeſucht waren, wiederholten ſich
wenn möglich in noch furchtbarerer und zahlreicherer Weiſe auf dem
rechten Ufer, ſodaß das flache Land völlig preisgegeben und auch
in den Städten keine Sicherheit mehr vorhanden war. 3) Das

1) So ſieht man den Picard, den Hampel hol mich als Hauptglieder
bald der Eſſendiſchen, bald der Neuwieder Bande. Ebenſo befand ſich Schin-
derhannes bald unter den Neuwiedern, bald unter ſeiner eigenen Bande, ebenſo
Damian Heſſel und die Gebrüder Harting; auch hatte Fetzer in Deutz und
auf der Neußer Furt, Peter Sprung bei Aachen eine Räubergruppe, die
alle immer wieder in die große Vereinigung zurücktraten und bald wieder in
andere wechſelnde Gruppirungen ausliefen.
2) Dies Räuberunternehmen iſt in mehr als einer Hinſicht merkwürdig.
Es war auf das Geld und die Koſtbarkeiten des neuwieder Bankiers Bruck-
mann abgeſehen, der in den Kriegsunruhen ſein Vermögen zu ſeinem Schwie-
gervater Akts in Daden gebracht hatte. Die verſuchteſten und gefährlichſten
Neuwieder und die Crefelder von der Neußer Furt hatten ſich zuſammen-
gethan, um unter Leitung des Adolf Weyers, Damian Heſſel und Karl Heck-
mann den Raub zu vollbringen. Das geſtürmte Haus des Akts fand ſich
leer. Ohne weiteres ſtürmten die Räuber das nächſte beſte Haus eines Ein-
nehmers, der ſich wacker vertheidigte, jedoch endlich überwältigt und beraubt
wurde. Gegen Morgen begann der Rückzug, und bei Tagesanbruch fand ſich,
daß die Räuber bei einem dicken Nebel den Weg verfehlt hatten und in einem
Walde nahe bei Daden von tauſend Bauern und franzöſiſchem Militär um-
zingelt waren. Nach einem zweiſtündigen heldenmüthigen Kampfe wurden die
Räuber entwaffnet, gefangen und ihrer zwanzig nach Dillenburg und ſpäter
zur lebenslänglichen Feſtungsarbeit nach Weſel geführt, von wo ſie, wie
oben erzählt, ſpäter entſprangen.
3) Eine Unzahl der frechſten Einbrüche werden im zweiten Theile der
„Actenmäßigen Geſchichte der Rheiniſchen Räuberbanden“ erzählt, worunter
die merkwürdigſten ſind: zu Hundsangen (S. 221); zu Rösrath (S. 222);
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[107/0123] Zufluchtsort gewährte, oder irgendein ausgezeichneter Räuber der ephemeren Coalition ſeinen Namen lieh. 1) Dieſe Räubermaſſe wurde aber noch gefährlich verſtärkt durch den Ausbruch einer bedeutenden Anzahl Haupträuber, welche im Mai 1798 bei Gelegenheit eines zu Daden im Dillenburgiſchen unternommenen Raubes gefangen 2) und nach Weſel verurtheilt waren, von dort aber im Januar und Juli 1800 entſprangen und ſich zu ihren alten Kameraden wieder einfanden. Alle Greuel und Gewaltthaten, mit welchen im vorigen Jahrzehnd die Terri- torien des linken Rheinufers heimgeſucht waren, wiederholten ſich wenn möglich in noch furchtbarerer und zahlreicherer Weiſe auf dem rechten Ufer, ſodaß das flache Land völlig preisgegeben und auch in den Städten keine Sicherheit mehr vorhanden war. 3) Das 1) So ſieht man den Picard, den Hampel hol mich als Hauptglieder bald der Eſſendiſchen, bald der Neuwieder Bande. Ebenſo befand ſich Schin- derhannes bald unter den Neuwiedern, bald unter ſeiner eigenen Bande, ebenſo Damian Heſſel und die Gebrüder Harting; auch hatte Fetzer in Deutz und auf der Neußer Furt, Peter Sprung bei Aachen eine Räubergruppe, die alle immer wieder in die große Vereinigung zurücktraten und bald wieder in andere wechſelnde Gruppirungen ausliefen. 2) Dies Räuberunternehmen iſt in mehr als einer Hinſicht merkwürdig. Es war auf das Geld und die Koſtbarkeiten des neuwieder Bankiers Bruck- mann abgeſehen, der in den Kriegsunruhen ſein Vermögen zu ſeinem Schwie- gervater Akts in Daden gebracht hatte. Die verſuchteſten und gefährlichſten Neuwieder und die Crefelder von der Neußer Furt hatten ſich zuſammen- gethan, um unter Leitung des Adolf Weyers, Damian Heſſel und Karl Heck- mann den Raub zu vollbringen. Das geſtürmte Haus des Akts fand ſich leer. Ohne weiteres ſtürmten die Räuber das nächſte beſte Haus eines Ein- nehmers, der ſich wacker vertheidigte, jedoch endlich überwältigt und beraubt wurde. Gegen Morgen begann der Rückzug, und bei Tagesanbruch fand ſich, daß die Räuber bei einem dicken Nebel den Weg verfehlt hatten und in einem Walde nahe bei Daden von tauſend Bauern und franzöſiſchem Militär um- zingelt waren. Nach einem zweiſtündigen heldenmüthigen Kampfe wurden die Räuber entwaffnet, gefangen und ihrer zwanzig nach Dillenburg und ſpäter zur lebenslänglichen Feſtungsarbeit nach Weſel geführt, von wo ſie, wie oben erzählt, ſpäter entſprangen. 3) Eine Unzahl der frechſten Einbrüche werden im zweiten Theile der „Actenmäßigen Geſchichte der Rheiniſchen Räuberbanden“ erzählt, worunter die merkwürdigſten ſind: zu Hundsangen (S. 221); zu Rösrath (S. 222);

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/123>, abgerufen am 25.11.2024.