Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.und ein betrübender Beweis von der Machtlosigkeit des kaiser- 1) Bemerkenswerth ist die Friedensverkündigung im "Sachsenspiegel", lib. 2, art. 66, vgl. mit lib. 2, art. 67, 71, 72. 2) Ueber Bestrafung des Diebstahls vgl. "Sachsenspiegel", lib. 2, art. 13; lib. 2, art. 50 u. 64, und die Glosse dazu. 3) Die Fahrenden Töchter und Frauen kommen schon im 13. Jahrhundert
vor. Jn baseler Urkunden trifft man schon 1293 auf einen Frauenwirth Burchard von Esch. Ebenso findet man unmittelbar innerhalb des Thores zu Spalen in Basel 1380 "offener Häuser der Fro Vrenen" erwähnt. Jm Jahre 1384 verordnete der baseler Rath, daß alle Frauen, welche Fahrende Frauen und Töchter halten, von denselben nicht mehr als den dritten Pfennig nehmen sollten in allen Sachen. Der Rath ging aber bald darauf so weit, daß er den Frauenwirthen "Hüslin kaufte oder verlieh, da die hübschen Frawen in- sitzen", und dieselben in baulichem Stande auf seine Kosten unterhielt. Er- hielt ein Frauenwirth solches geliehen, so hatte er dem obersten Rathsknecht ein paar Hosen zu geben oder einen Gulden und alle Jahre einen Lebkuchen "zum guten Jahre". Vgl. D. Fechter, "Basel im 14. Jahrhundert" (Basel 1856), S. 115 fg. Die Liederlichkeit stieg immer höher, namentlich im 15. Jahrhundert. Während des Kostnitzer Concils befanden sich gegen 1400 liederlicher Weibsbilder in Konstanz. Ulrich von Reichenthal, der (in seinem sehr selten gewordenen Buch: Das Concilium / So zu Constanz gehalten ist worden / des jars da man zalt von der geburdt vn- / sers erlösers 1413 Jar. Augspurg, durch Heinrich Styner, 1536") sehr merkwürdige Züge vom Kost- nitzer Concil mittheilt, erzählt unter Anderm, fol. 25: "Es ist auch zu wissen, das alsvil spacierents was vonn Costentz inn das Aichorn, vnd anderstwahin, das man inn dem Aychern guten erbern weyn schenckt, ein maß vmb vier vnd fünff pfenning, vnd fand man darinn allerley spyl vnd vil gemeyner Frawen." Von diesen "gemeynen Frawen", vou welchen sich 1400 zum Concil eingefunden hatten, verdiente eine einzige Dirne (fol. 241) nicht weniger als 800 Goldgülden. Schon um dieselbe Zeit gab es in Wien, Regensburg, Nürnberg, Lübeck, Mainz u. s. w. Frauenhäuser (Amyenhäuser) aus denen Gebühren bezahlt wurden. Ja, die Päpste zu Avignon scheuten sich nicht, von der Verworfen- heit ihre Revenüen zu ziehen. Baluz, "Vitae paparum Avenionensium", und ein betrübender Beweis von der Machtloſigkeit des kaiſer- 1) Bemerkenswerth iſt die Friedensverkündigung im „Sachſenſpiegel“, lib. 2, art. 66, vgl. mit lib. 2, art. 67, 71, 72. 2) Ueber Beſtrafung des Diebſtahls vgl. „Sachſenſpiegel“, lib. 2, art. 13; lib. 2, art. 50 u. 64, und die Gloſſe dazu. 3) Die Fahrenden Töchter und Frauen kommen ſchon im 13. Jahrhundert
vor. Jn baſeler Urkunden trifft man ſchon 1293 auf einen Frauenwirth Burchard von Eſch. Ebenſo findet man unmittelbar innerhalb des Thores zu Spalen in Baſel 1380 „offener Häuſer der Fro Vrenen“ erwähnt. Jm Jahre 1384 verordnete der baſeler Rath, daß alle Frauen, welche Fahrende Frauen und Töchter halten, von denſelben nicht mehr als den dritten Pfennig nehmen ſollten in allen Sachen. Der Rath ging aber bald darauf ſo weit, daß er den Frauenwirthen „Hüslin kaufte oder verlieh, da die hübſchen Frawen in- ſitzen“, und dieſelben in baulichem Stande auf ſeine Koſten unterhielt. Er- hielt ein Frauenwirth ſolches geliehen, ſo hatte er dem oberſten Rathsknecht ein paar Hoſen zu geben oder einen Gulden und alle Jahre einen Lebkuchen „zum guten Jahre“. Vgl. D. Fechter, „Baſel im 14. Jahrhundert“ (Baſel 1856), S. 115 fg. Die Liederlichkeit ſtieg immer höher, namentlich im 15. Jahrhundert. Während des Koſtnitzer Concils befanden ſich gegen 1400 liederlicher Weibsbilder in Konſtanz. Ulrich von Reichenthal, der (in ſeinem ſehr ſelten gewordenen Buch: Das Concilium / So zu Conſtanz gehalten iſt worden / des jars da man zalt von der geburdt vn- / ſers erlöſers 1413 Jar. Augſpurg, durch Heinrich Styner, 1536“) ſehr merkwürdige Züge vom Koſt- nitzer Concil mittheilt, erzählt unter Anderm, fol. 25: „Es iſt auch zu wiſſen, das alsvil ſpacierents was vonn Coſtentz inn das Aichorn, vnd anderſtwahin, das man inn dem Aychern guten erbern weyn ſchenckt, ein maß vmb vier vnd fünff pfenning, vnd fand man darinn allerley ſpyl vnd vil gemeyner Frawen.“ Von dieſen „gemeynen Frawen“, vou welchen ſich 1400 zum Concil eingefunden hatten, verdiente eine einzige Dirne (fol. 241) nicht weniger als 800 Goldgülden. Schon um dieſelbe Zeit gab es in Wien, Regensburg, Nürnberg, Lübeck, Mainz u. ſ. w. Frauenhäuſer (Amyenhäuſer) aus denen Gebühren bezahlt wurden. Ja, die Päpſte zu Avignon ſcheuten ſich nicht, von der Verworfen- heit ihre Revenüen zu ziehen. 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lichen Anſehens und der Rechtspflege. 1) Dem räuberiſchen Adel
waren ſolche herrenloſe Knechte, die nichts zu verlieren hatten,
willkommene Raubgenoſſen. Die Landſtraßen waren ſo ſchlecht
wie unſicher, und boten dem an ihnen in Wald und Thal lau-
ernden Geſindel treffliche Gelegenheit zu Hinterhalten. 2) Das
räuberiſche Contingent wurde immer weiter vergrößert durch Fah-
rende Prieſter, Fahrende Weiber 3), Fahrende Kirchen- und Schul-
1) Bemerkenswerth iſt die Friedensverkündigung im „Sachſenſpiegel“,
lib. 2, art. 66, vgl. mit lib. 2, art. 67, 71, 72.
2) Ueber Beſtrafung des Diebſtahls vgl. „Sachſenſpiegel“, lib. 2, art. 13;
lib. 2, art. 50 u. 64, und die Gloſſe dazu.
3) Die Fahrenden Töchter und Frauen kommen ſchon im 13. Jahrhundert
vor. Jn baſeler Urkunden trifft man ſchon 1293 auf einen Frauenwirth
Burchard von Eſch. Ebenſo findet man unmittelbar innerhalb des Thores zu
Spalen in Baſel 1380 „offener Häuſer der Fro Vrenen“ erwähnt. Jm Jahre
1384 verordnete der baſeler Rath, daß alle Frauen, welche Fahrende Frauen und
Töchter halten, von denſelben nicht mehr als den dritten Pfennig nehmen
ſollten in allen Sachen. Der Rath ging aber bald darauf ſo weit, daß er
den Frauenwirthen „Hüslin kaufte oder verlieh, da die hübſchen Frawen in-
ſitzen“, und dieſelben in baulichem Stande auf ſeine Koſten unterhielt. Er-
hielt ein Frauenwirth ſolches geliehen, ſo hatte er dem oberſten Rathsknecht
ein paar Hoſen zu geben oder einen Gulden und alle Jahre einen Lebkuchen
„zum guten Jahre“. Vgl. D. Fechter, „Baſel im 14. Jahrhundert“ (Baſel
1856), S. 115 fg. Die Liederlichkeit ſtieg immer höher, namentlich im
15. Jahrhundert. Während des Koſtnitzer Concils befanden ſich gegen 1400
liederlicher Weibsbilder in Konſtanz. Ulrich von Reichenthal, der (in ſeinem
ſehr ſelten gewordenen Buch: Das Concilium / So zu Conſtanz gehalten iſt
worden / des jars da man zalt von der geburdt vn- / ſers erlöſers 1413 Jar.
Augſpurg, durch Heinrich Styner, 1536“) ſehr merkwürdige Züge vom Koſt-
nitzer Concil mittheilt, erzählt unter Anderm, fol. 25: „Es iſt auch zu wiſſen,
das alsvil ſpacierents was vonn Coſtentz inn das Aichorn, vnd anderſtwahin,
das man inn dem Aychern guten erbern weyn ſchenckt, ein maß vmb vier vnd
fünff pfenning, vnd fand man darinn allerley ſpyl vnd vil gemeyner Frawen.“
Von dieſen „gemeynen Frawen“, vou welchen ſich 1400 zum Concil eingefunden
hatten, verdiente eine einzige Dirne (fol. 241) nicht weniger als 800 Goldgülden.
Schon um dieſelbe Zeit gab es in Wien, Regensburg, Nürnberg, Lübeck,
Mainz u. ſ. w. Frauenhäuſer (Amyenhäuſer) aus denen Gebühren bezahlt
wurden. Ja, die Päpſte zu Avignon ſcheuten ſich nicht, von der Verworfen-
heit ihre Revenüen zu ziehen. Baluz, „Vitae paparum Avenionensium“,
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