Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.erkennen, daß die Thäter (tres viri de terra longinqua) umher- Erst der Landfriede des ritterlichen Maximilian von 1495 sonas miraculose commisso et deducto, et finaliter reperto et recu- perato." 1) Vgl. z. B. in J. J. Moser, "Reichsstättisches Handbuch" das Privi- legium für Ueberlingen 1384, für Dunckelspühl 1398, Biberach 1401, Laut- kirch 1431, Cölln 1493 u. s. w. 2) Vergebens sieht man mit Vertrauen und Hoffnung auf die einzelnen
hervorragenden Fürsten und Edlen des Mittelalters überhaupt, deren Leben wie ein einzelnes Heldengedicht lautet und endigt, vergebens sieht man mit ge- hobenem Gefühl das großartige Meteor der Femgerichte aufgehen: sobald man den Glanz und die Gewalt des Rechts an ihnen erkannt hat, sieht man sie auch schon wieder untergehen. Statt ihrer steigt das schauerliche Gerippe der Jnquisition und der Hexenprocesse herauf, und errichtet allüberall Folter- bänke und Scheiterhaufen, um dem bornirtesten Aberglauben Millionen un- schuldige Schlachtopfer zu bringen. Welche ungeheuere, unbegreifliche Er- scheinung ist der Hexenhammer. Welch großes, weites Feld liegt noch undurch- forscht hinter uns in diesen Theilen der Geschichte. Welche reiche Schätze hat Wächter's Meisterschaft in seinen "Beiträgen zur deutschen Geschichte" erkennen, daß die Thäter (tres viri de terra longinqua) umher- Erſt der Landfriede des ritterlichen Maximilian von 1495 sonas miraculose commisso et deducto, et finaliter reperto et recu- perato.“ 1) Vgl. z. B. in J. J. Moſer, „Reichsſtättiſches Handbuch“ das Privi- legium für Ueberlingen 1384, für Dunckelſpühl 1398, Biberach 1401, Laut- kirch 1431, Cölln 1493 u. ſ. w. 2) Vergebens ſieht man mit Vertrauen und Hoffnung auf die einzelnen
hervorragenden Fürſten und Edlen des Mittelalters überhaupt, deren Leben wie ein einzelnes Heldengedicht lautet und endigt, vergebens ſieht man mit ge- hobenem Gefühl das großartige Meteor der Femgerichte aufgehen: ſobald man den Glanz und die Gewalt des Rechts an ihnen erkannt hat, ſieht man ſie auch ſchon wieder untergehen. Statt ihrer ſteigt das ſchauerliche Gerippe der Jnquiſition und der Hexenproceſſe herauf, und errichtet allüberall Folter- bänke und Scheiterhaufen, um dem bornirteſten Aberglauben Millionen un- ſchuldige Schlachtopfer zu bringen. Welche ungeheuere, unbegreifliche Er- ſcheinung iſt der Hexenhammer. Welch großes, weites Feld liegt noch undurch- forſcht hinter uns in dieſen Theilen der Geſchichte. Welche reiche Schätze hat Wächter’s Meiſterſchaft in ſeinen „Beiträgen zur deutſchen Geſchichte“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0068" n="52"/> erkennen, daß die Thäter (<hi rendition="#aq">tres viri de terra longinqua</hi>) umher-<lb/> ziehende Gauner waren, welche mit Diebsſchlüſſeln die Kirche und<lb/> Reliquienbehälter geöffnet hatten. Das Räuberweſen hatte ſich<lb/> in ſo mächtiger Weiſe über ganz Deutſchland ausgebreitet, daß<lb/> die Kaiſer, beſonders im 15. Jahrhundert, im Bewußtſein der<lb/> reichspolizeilichen Ohnmacht, unter der Form eines Privilegiums<lb/> den freien Städten mit ängſtlicher Freigebigkeit das Recht ein-<lb/> räumten, Räuber zu verfolgen und „über alle ſchädliche Leute zu<lb/> richten“, ſodaß Sammlungen reichsſtädtiſcher Urkunden von dieſen<lb/> Privilegien wimmeln. <note place="foot" n="1)">Vgl. z. B. in J. J. Moſer, „Reichsſtättiſches Handbuch“ das Privi-<lb/> legium für Ueberlingen 1384, für Dunckelſpühl 1398, Biberach 1401, Laut-<lb/> kirch 1431, Cölln 1493 u. ſ. w.</note></p><lb/> <p>Erſt der Landfriede des ritterlichen Maximilian von 1495<lb/> war ein kurzer wirkſamer Ruf in das wüſte wilde Getriebe, das<lb/> in ſchreckhafter Ueberraſchung, wie betäubt, einen Augenblick ſtill<lb/> ſtand, um ſpäter von neuem wieder zu beginnen und dem Kaiſer<lb/> und Reich immer neuen Anlaß zu wiederholtem Friedegebote zu<lb/> geben. Aber in jenem momentanen Stillſtand konnte man mit<lb/> Erſtaunen auf der einen Seite die ungeheuere Gruppirung des<lb/> Verbrechens und der ſittlichen Verſunkenheit und auf der andern<lb/> Seite die Schwäche der obrigkeitlichen Gewalt und der Rechts-<lb/> pflege überſchauen. <note xml:id="seg2pn_17_1" next="#seg2pn_17_2" place="foot" n="2)">Vergebens ſieht man mit Vertrauen und Hoffnung auf die einzelnen<lb/> hervorragenden Fürſten und Edlen des Mittelalters überhaupt, deren Leben wie<lb/> ein einzelnes Heldengedicht lautet und endigt, vergebens ſieht man mit ge-<lb/> hobenem Gefühl das großartige Meteor der Femgerichte aufgehen: ſobald<lb/> man den Glanz und die Gewalt des Rechts an ihnen erkannt hat, ſieht man<lb/> ſie auch ſchon wieder untergehen. Statt ihrer ſteigt das ſchauerliche Gerippe<lb/> der Jnquiſition und der Hexenproceſſe herauf, und errichtet allüberall Folter-<lb/> bänke und Scheiterhaufen, um dem bornirteſten Aberglauben Millionen un-<lb/> ſchuldige Schlachtopfer zu bringen. Welche ungeheuere, unbegreifliche Er-<lb/> ſcheinung iſt der Hexenhammer. Welch großes, weites Feld liegt noch undurch-<lb/> forſcht hinter uns in dieſen Theilen der Geſchichte. Welche reiche Schätze<lb/> hat Wächter’s Meiſterſchaft in ſeinen „Beiträgen zur deutſchen Geſchichte“</note> Das Verbrechen war ſchon Kunſt und<lb/><note xml:id="seg2pn_16_2" prev="#seg2pn_16_1" place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">sonas miraculose commisso et deducto, et finaliter reperto et recu-<lb/> perato.</hi>“</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0068]
erkennen, daß die Thäter (tres viri de terra longinqua) umher-
ziehende Gauner waren, welche mit Diebsſchlüſſeln die Kirche und
Reliquienbehälter geöffnet hatten. Das Räuberweſen hatte ſich
in ſo mächtiger Weiſe über ganz Deutſchland ausgebreitet, daß
die Kaiſer, beſonders im 15. Jahrhundert, im Bewußtſein der
reichspolizeilichen Ohnmacht, unter der Form eines Privilegiums
den freien Städten mit ängſtlicher Freigebigkeit das Recht ein-
räumten, Räuber zu verfolgen und „über alle ſchädliche Leute zu
richten“, ſodaß Sammlungen reichsſtädtiſcher Urkunden von dieſen
Privilegien wimmeln. 1)
Erſt der Landfriede des ritterlichen Maximilian von 1495
war ein kurzer wirkſamer Ruf in das wüſte wilde Getriebe, das
in ſchreckhafter Ueberraſchung, wie betäubt, einen Augenblick ſtill
ſtand, um ſpäter von neuem wieder zu beginnen und dem Kaiſer
und Reich immer neuen Anlaß zu wiederholtem Friedegebote zu
geben. Aber in jenem momentanen Stillſtand konnte man mit
Erſtaunen auf der einen Seite die ungeheuere Gruppirung des
Verbrechens und der ſittlichen Verſunkenheit und auf der andern
Seite die Schwäche der obrigkeitlichen Gewalt und der Rechts-
pflege überſchauen. 2) Das Verbrechen war ſchon Kunſt und
2)
1) Vgl. z. B. in J. J. Moſer, „Reichsſtättiſches Handbuch“ das Privi-
legium für Ueberlingen 1384, für Dunckelſpühl 1398, Biberach 1401, Laut-
kirch 1431, Cölln 1493 u. ſ. w.
2) Vergebens ſieht man mit Vertrauen und Hoffnung auf die einzelnen
hervorragenden Fürſten und Edlen des Mittelalters überhaupt, deren Leben wie
ein einzelnes Heldengedicht lautet und endigt, vergebens ſieht man mit ge-
hobenem Gefühl das großartige Meteor der Femgerichte aufgehen: ſobald
man den Glanz und die Gewalt des Rechts an ihnen erkannt hat, ſieht man
ſie auch ſchon wieder untergehen. Statt ihrer ſteigt das ſchauerliche Gerippe
der Jnquiſition und der Hexenproceſſe herauf, und errichtet allüberall Folter-
bänke und Scheiterhaufen, um dem bornirteſten Aberglauben Millionen un-
ſchuldige Schlachtopfer zu bringen. Welche ungeheuere, unbegreifliche Er-
ſcheinung iſt der Hexenhammer. Welch großes, weites Feld liegt noch undurch-
forſcht hinter uns in dieſen Theilen der Geſchichte. Welche reiche Schätze
hat Wächter’s Meiſterſchaft in ſeinen „Beiträgen zur deutſchen Geſchichte“
2) sonas miraculose commisso et deducto, et finaliter reperto et recu-
perato.“
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